PRÉLUDE

Die Netflix-Serie „Dark“ geht bald in die 3. Season und Louis Hofmann hat noch kein einziges Mal seinen Penis gezeigt! So sad. Möglicherweise liegt es am Fernsehformat, denn auf der großen Leinwand zieht der Jungschauspieler regelmäßig blank. Auch in „Prélude“ gibt es keinen zwingenden Grund für eine Full-Frontal Szene – und dennoch…

Der talentierte, aber nicht übertalentierte Pianist David (Louis Hofmann) studiert am Musikkonservatorium. Gleich zu Semesterbeginn verliebt er sich in Marie (Liv Lisa Fries), die eigentlich mit Walter zusammen ist (Johannes Nussbaum) – Verwirrung der Gefühle. Unter der Fuchtel seiner fordernden Professorin Frau Matussek (Ursina Lardi) wird sich David schnell seiner Mittelmässigkeit bewusst. Bald schmerzt der Körper, die Hände zucken unkontrolliert, der zerbrechliche Junge verfällt in depressive Wahnvorstellungen.

„Prélude“ zeigt zur Abwechslung mal keine crazy Mittepartypeople, sondern fast altmodisch ernsthafte, junge Menschen beim Studium. Gäbe es keine Rollkoffer und anderen modernen Kram – der Film könnte genauso gut in der Vorkriegszeit des vergangenen Jahrhunderts spielen. Da passt vor allem Liv Lisa Fries, die wie geboren wirkt für zeitlich nicht klar einzuordnende Rollen. Wie immer präzise und gut: Louis Hofmann. Der 22-Jährige hält perfekt die Balance zwischen kalter Arroganz und großen Selbstzweifeln.

„Prélude“ ist besonders in der ersten Hälfte stark: ein analytisch scharfes, geradlinig erzähltes Portrait. Doch je verrückter David, desto sperriger der Film. Einbildung und Realität heben sich auf, es wird immer unklarer, ob er glaubt, etwas zu tun oder es tatsächlich tut. Dieses Verwischen der Grenzen könnte spannend sein, doch Regisseurin Sarabi entgleitet mit fortschreitender Paranoia der Hauptfigur auch der Erzählfluß, die Geschichte wird immer wirrer.

FAZIT

Drama vom Zerbrechen unter den zu hohen Anforderungen an sich selbst. Gut gespielter, am Ende schwer nachvollziehbarer Blick in eine sensible Künstlerseele.

Deutschland 2019
95 min
Regie Sabrina Sarabi
Kinostart 29. August 2019

Sweethearts

Franny stolpert verpeilt durchs Leben und leidet außerdem unter heftigen Panikattacken. Mel – wie Gibson – ist das komplette Gegenteil: eine toughe, alleinerziehende Mutter, die weiß, wo’s lang geht. Mit dem Raub einer Diamantenkette will sie sich und ihrer Tochter endlich ein besseres Leben ermöglichen. Doch der Überfall geht schief: Aus einer Notsituation heraus nimmt Mel ausgerechnet die durchgeknallte Franny als Geisel. Anfangs noch schwer genervt, gewöhnen sich die Frauen bald aneinander und werden sogar Freundinnen. Stockholmsyndrom heißt das wohl. Doch zum Girlbonding bleibt nicht viel Zeit: Von der Polizei und einer Horde Gangster gejagt, wird die Situation für die beiden immer brenzliger.

Regisseurin Karoline Herfurths zweiter Langfilm. Steht sie dann noch unter Welpenschutz? Am sehr, sehr, sehr konstruierten Drehbuch trägt sie jedenfalls Mitschuld. Das unausgegorene Werk hat sie zusammen mit Monika Fäßler verfasst.

Sweethearts will/soll wohl eine Hommage an Thelma und Louise sein. Geglückt ist das nicht, denn der Film wirkt wie eine harmlose, etwas unbeholfen inszenierte Folge einer ZDF-Vorabendserie. Dazu passt der uninspirierte TV-Look. Im Jahr 2019 darf man sich wundern: Haben Babylon Berlin, Bad Banks, Dark und andere visuell aufregende deutsche Produktionen denn gar keine Spuren hinterlassen?

FAZIT

Bei allem Gemeckere: Karoline Herfurth kann richtig gut Schauspieler inszenieren, jedenfalls andere. Sie selbst nervt mit ihrer schnappatmenden Überdrehtheit gehörig. Hannah Herzsprung, Frederick Lau, Anneke Kim Sarnau, Ronald Zehrfeld, Katrin Sass – tolle Schauspieler in einer mittelmäßigen Komödie.

Deutschland 2018
107 min
Regie Karoline Herfurth
Kinostart 14. Februar 2019 

Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm

BERLINER MUSICAL

Bertholt Brechts „Die Dreigroschenoper“ ist Ende der 20er-Jahre ein weltweiter Hit. Deshalb soll das Stück fürs Kino verfilmt werden. Doch der selbstbewusste Brecht (Lars Eidinger) verlangt, dass es nach seinen Regeln läuft: der Film muss radikal und kompromisslos werden. Seine fiktive Filmversion erzählt zwar auch vom Kampf des Londoner Gangsters Macheath (Tobias Moretti) gegen den Chef der Bettlermafia Peachum (Joachim Król), unterscheidet sich aber dramatisch von der Bühnenvorlage. Zu viele Änderungen, die Produktionsfirma will dem nicht folgen. Nach Brechts Meinung hat sie aber ohnehin nur den schnöden Mammon im Sinn. Also zieht er vor Gericht, um sein Recht als Autor durchzusetzen.

MACHART

Wenigstens hat sich Regisseur Lang was getraut. In einem gewagten Kunstgriff lässt er Brecht ausschließlich in seinen eigenen Worten sprechen: Alles, was dieser im Film sagt, beruht auf Zitaten. Das mag zwar ganz lehrreich sein, wirkt aber stellenweise sehr aufgesetzt. Die leider viel zu lange (130 Minuten) Verfilmung des „Dreigroschen“-Werks bietet, neben ausgezeichneter Besetzung und teilweise peppiger Inszenierung, auch eine etwas irritierende Fernsehballettchoreografie. Oder ist das ironisch gemeint?

FAZIT

Brecht goes Musical. Wunderbare Schauspieler, guter Look, moderne Bildsprache – aber es zieht sich gewaltig.

Deutschland, 2018
Regie Joachim A. Lang
136 min
Kinostart 13. September 2018

Babylon Berlin

GROSSARTIGE ZEITREISE

Die Serie „Babylon Berlin“ erzählt von der Weimarer Republik. Einer verrufenen, legendären Zeit, in der alle lebten, als gäbe es kein Morgen mehr.

Hauptstadt Berlin 1929: Metropole des Tempos, der Exzesse. Das deutsche Volk zwischen Armut, Arbeitslosigkeit, Extremismus und Lebensgier. Auf der Straße kämpfen Polizisten gegen Kommunisten – und rechts gegen links. Nicht nur die Moral, die ganze Welt ist aus den Fugen.

Die Hauptfigur ist Kommissar Gereon Rath, gespielt von Volker Bruch. Ein Drogensüchtiger, im 1. Weltkrieg zerbrochen, heroinabhängig. Eine Figur typisch für die Zeit. Ein „Kriegszitterer“, der sein Leid versteckt – bei der Arbeit im Morddezernat.

Seine Mit- und Gegenspieler sind Liv Lisa Fries als sympathisch aufgeweckte Charlotte Richter, sowie der geniale Peter Kurth in der Rolle des zwielichtigen Bruno Wolter.

Präzise recherchiert, stimmt hier alles bis ins letzte Detail. Die Serie ist von den Hauptfiguren bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt.

Fünf Jahre lang arbeitete das Team um die Regisseurs-Troika Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten an der Krimireihe, sieben Monate dauerten die Dreharbeiten. Die Außenaufnahmen entstanden zu großen Teilen im Studio Babelsberg. Eine gigantische Filmkulisse mit über fünfzig verschiedenen Fassaden wurde eigens gebaut. Der riesige Aufwand hat sich gelohnt: Die Serie ist spannend und sieht richtig gut aus (von ein paar künstlich wirkenden CGI-Totalen abgesehen…) und schreibt, mit einem für deutsche Verhältnisse Ausnahmebudget von 40 Millionen Euro, schon jetzt Geschichte.

Die Vorlage lieferte der Roman „Der nasse Fisch“. Geschrieben von Volker Kutscher, der bereits sechs Romane zum Berlin der Zwanziger und Dreißiger verfasst hat.

FAZIT

Geschichtsbuch und Riesenspektakel – mitreißend wie ein Thriller in bester amerikanischer Tradition. Lässt man sich auf die 16 Episoden ein, so erlebt man eine Zeitreise mit großer Sogkraft. Gerade feierte „Babylon Berlin“ ihren Start in Deutschland sowie ihre internationale Premiere in Los Angeles. In über 60 Länder wurde die Serie schon verkauft. Weitere Staffeln sind geplant: In den USA läuft sie bei Netflix, in Deutschland bisher nur bei Sky, ab Herbst in der ARD.

Deutschland 2017/2018
Regie Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten
TV Serie – 16 Folgen / 45 Minuten