Abigail

ABIGAIL

Abigail

ABIGAIL

Dass Kinder Monster sein können, ist nun wirklich keine neue Erkenntnis. Die 12-jährige Ballerina Abigail setzt allerdings neue Maßstäbe in Sachen Bosheit.

Ab 18. April 2024 im Kino

Abigail

Der Job klingt einfach: Fünf Kriminelle sollen ein Mädchen entführen und in einem abgelegenen Herrenhaus 24 Stunden auf sie aufpassen. Dafür kassieren sie 50 Millionen Dollar. Doch schnell wird klar, dass die kleine Abigail kein harmloses Kind, sondern ein blutrünstiges Monster ist.

Abigail

Ja, dieser Film ist Trash. Allerdings Trash von der unterhaltsamen Sorte. ABIGAIL ist nicht nur gut besetzt (unter anderem Dan Stevens in Höchstform), sondern auch gut gemacht. Hektoliterweise Blut und garstige Slasherszenen wechseln sich mit ziemlich lustigen Dialogen und ein paar schönen Wendungen und Schocks ab.

Abigail

Das Ganze sollte man unbedingt mehr als Komödie, denn als Horrorfilm nehmen. Weil M3GAN letztes Jahr ein Überraschungserfolg an der Kinokasse war, haben die Macher kurzerhand die gleiche Grundidee zu einem Vampirfilm umgestrickt. Wem mörderische kleine Mädchen gefallen, dem dürfte Abigail ebenfalls viel Freude machen. ABIGAIL = M3GAN im Blutrausch + einem Schuss FROM DUSK TILL DAWN. Ein echtes B-Movie mit hohem Spaßfaktor.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Abigail“
USA 2024
107 min
Regie Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett

Abigail

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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Civil War

CIVIL WAR

Civil War

CIVIL WAR

Es herrscht Bürgerkrieg - allerdings nicht irgendwo im Mittleren Osten, sondern vor der Haustür in den ganz und gar nicht mehr Vereinigten Staaten von Amerika.

Ab 18. April 2024 im Kino

Die zynische Fotografin Lee (Kirsten Dunst) hat schon die schlimmsten Gräueltaten vor der Linse gehabt. Nun will sie mit ihrem Journalistenfreund Joel (Wagner Moura) den US-Präsidenten zu einem (wahrscheinlich) letzten Interview und Foto treffen, bevor Rebellengruppen das Weiße Haus stürmen und ihn hinrichten. Die Reise von New York nach Washington wird zu einem Roadtrip durch ein dystopisches Amerika, in dem keiner keinem traut und die meisten schon lange nicht mehr wissen, gegen wen sie eigentlich kämpfen.

Krieg ist die Hölle

Regisseur und Drehbuchautor Alex Garland hält sich nicht mit Erklärungen auf, was den Bürgerkrieg ausgelöst hat und positioniert sich auch nicht klar für oder gegen eine Seite. Hier gibt es keine klare Rollenverteilung von gut und böse, Garland interessiert weniger die Moral und mehr der Horror einer komplett zerrissenen, kaputten Gesellschaft. So gesehen ist sein Film näher an einer Zombie-Apokalypse als an einem Politthriller.

Krieg ist die Hölle. Und Garlands Film führt die Zuschauer mitten rein. Gerade die Kampfszenen sind ungemein spannend und extrem gut gemacht. Das ist schmerzhaft laut und beängstigend realistisch, man das Gefühl, Teil des Geschehens zu sein. Dass Kirsten Dunst sagt, die Dreharbeiten hätten ihr posttraumatische Belastungsstörungen beschert, glaubt man ihr gerne. Schauspielerisch ist der Film herausragend, vor allem Dunst liefert eine ihrer bisher besten Leistungen. Erwähnenswert auch der kurze Auftritt von Jesse Plemons (Dunsts Ehemann im wahren Leben) als sadistischer extremistischer Soldat.

Das bevorstehende Ende des Bürgerkriegs, so der US-Präsident (Nick Offerman) mit der orangefarbenen Gesichtshaut, sei der „größte Sieg in der Menschheitsgeschichte“. Naheliegend, an wen der fiktive Staatschef erinnern soll. Wer denkt, das ganze Szenario sei übertrieben oder gar unrealistisch, der hat die Bilder von der Stürmung des Kapitols vergessen. CIVIL WAR gibt einen Vorgeschmack auf das, was da schon bald (wieder) kommen könnte.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Civil War“
USA 2024
109 min
Regie Alex Garland

alle Bilder © DCM

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GODZILLA x KONG – THE NEW EMPIRE

GODZILLA x KONG – THE NEW EMPIRE

Was haben die deutsche Nationalelf und Godzilla gemeinsam? Mehr als man denkt.

Ab 04. April 2024 im Kino

Nicht nur die Fußballnationalmannschaft unter Julian Nagelsmann, auch Godzilla hat neuerdings eine Schwäche für Pink. Die Urzeitechse labte sich bisher nur an zertrampelten Kernkraftwerken und Atombomben. Nach dem Besuch einer geheimnisvollen Unterwasserhöhle schießt sie ihre Todesstrahlen in kräftigem Rosa auf Widersacher. Scheint, als wäre Barbie auch in Japan Fashion-Maßstab.

Überhaupt lernen wir im aktuellen Film überraschend zarte Seiten des MonsterVerse kennen: Godzilla wählt das römische Kolosseum als neue Behausung. Eingerollt wie ein launisches Kätzchen liegt der Riesendrache in seinem antiken Kuschelnest mitten in der Ewigen Stadt. Auch King Kong ist nicht mehr der Alte, der Riesenaffe ist einsam und wird von Zahnschmerzen geplagt (kein Witz), dementsprechend schlecht ist seine Laune.

Die Handlung (wen interessiert die?) ist nicht der Rede wert, irgendwas mit einer Hollow Earth, in der Dutzende von garstigen Monstern leben und drohen, alles platt zu machen. Menschen spielen auch mit, unter anderem Rebecca Hall und Dan Stevens im Ace-Ventura-Modus. 

Wer sich bei klarem Verstand und in vollem Bewusstsein ein Kinoticket für einen Film mit dem Titel GODZILLA x KONG – THE NEW EMPIRE kauft, der weiß, was ihn erwartet. Adam Wingards Film liefert, was die Fans wünschen: Non-Stop-Action, Monsterkämpfe satt, ein paar gute Gags und knallbunte CGI-Effekte auf gehobenem Videospiele-Niveau. Für jemanden, der sich als Kind begeistert die 12-Uhr-Sonntags-Matinee mit japanischen 1970er-Jahre-Monsterfilmen angeschaut hat, ist das Ganze sogar halbwegs unterhaltsam.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Godzilla x Kong: The New Empire“
USA 2024
115 min
Regie Adam Wingard

alle Bilder © Warner Bros. Pictures

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Ghostbusters: Frozen Empire

GHOSTBUSTERS: FROZEN EMPIRE

Ghostbusters: Frozen Empire

GHOSTBUSTERS: FROZEN EMPIRE

40 Jahre nach dem Original kommt eine Fortsetzung in die Kinos, die keiner mehr braucht.

Ab 21. März 2024 im Kino

Beim mittlerweile vierten Aufguss (zählt man die all-female-Version von 2016 dazu, sogar der fünfte) ist der Zauber endgültig verflogen. Als niedlicher Fanservice hat schon das erste Reboot GHOSTBUSTERS: LEGACY seine Pflicht übererfüllt.

FROZEN EMPIRE ist eine lahme Sitcom über nervige Teenager und ihre tapsigen Eltern mit viel Effektgewitter und erstaunlich wenig Charme. Diesmal muss die Spengler-Familie eine sumerische Gottheit ausschalten, die mithilfe ihrer untoten Armee eine neue Eiszeit über die Menschheit bringen will. Einzig origineller Ansatz dabei: Die 15-jährige Tochter Phoebe verliebt sich in ein gleichaltriges Gespenster-Mädchen. Die lesbische Geister-Liebe bleibt dabei in zartester Andeutung erstarrt und ist so jugendfrei verklemmt, dass selbst minderjährige Mormonen mit den Augen rollen.

Die obligatorischen Gastauftritte von Slimer, Bill Murray, Dan Aykroyd und Ernie Hudson bringen genauso wenig Spaß wie die recycelten, unlustigen Gags. Es gibt wirklich keinen vernünftigen Grund, sich diesen cash-grab-Film anzuschauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ghostbusters: Frozen Empire“
USA 2024
114 min
Regie Gil Kenan

alle Bilder © Sony Pictures

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DREAM SCENARIO

DREAM SCENARIO

Ein guter Film mit Nicoals Cage? Das ist seit Jahren ein Widerspruch in sich selbst. DREAM SCENARIO ist das künstlerische Comeback des auf Schundfilme abonnierten Oscargewinners.

Ab 21. März 2024 im Kino

DREAM SCENARIO wirft einen originellen Blick auf Massen-Paranoia und schnellen Ruhm. Das Psycho-Comedy-Drama wurde von Ari Aster produziert; das sagt vielleicht schon alles. Unter der Regie des Norwegers Kristoffer Borgli (SICK OF MYSELF) erzählt der wunderbar schräge Film die Geschichte des unscheinbaren Biologieprofessors Paul Matthews, der plötzlich in den Träumen wildfremder Menschen auftaucht. Er wird im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht berühmt, seine Studenten, Fernsehsender und Werbeagenturen umschwärmen ihn. Doch als Paul in immer blutrünstigeren Albträumen in Erscheinung tritt, schlägt die anfängliche Begeisterung in Angst und Hass um.

Durchweg neu und überraschend

Wie reagiert die Gesellschaft auf einen ganz normalen Mann, der sich ohne sein Zutun vom Traumhelden zum unfreiwilligen Freddy Krueger wandelt? Nicolas Cage, der overacting zu seinem Markenzeichen gemacht hat, spielt die Rolle des unscheinbaren Mr. Nobody für seine Verhältnisse geradezu introvertiert. Fans des grandios durchgedrehten Schauspielers kommen trotzdem auf ihre Kosten – in einigen Szenen grimassiert sich Cage auch hier um Kopf und Kragen.

DREAM SCENARIO ist ein Vexierspiel, das die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verwischt. Regisseur Kristoffer Borgli hält die clevere Geschichte souverän am Laufen, spielt mit den Erwartungen der Zuschauer und verwebt dabei Elemente aus TWILIGHT ZONE mit Sozialkritik und einem Schuss BLACK MIRROR. Trotz ein paar Längen hier und da fühlt sich der Film durchweg frisch und überraschend an.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Dream Scenario“
USA 2024
101 min
Regie Kristoffer Borgli

alle Bilder © DCM

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THE PERSIAN VERSION

THE PERSIAN VERSION

Ein zwiespältiger Film über eine Mutter-Tochter-Beziehung: Die erste Hälfte nervt, die zweite erzählt die interessante Geschichte einer jungen Frau im Iran.

Ab 14. März 2024 im Kino

THE PERSIAN VERSION beginnt mit der Einblendung „Basierend auf einer wahren Geschichte … mehr oder weniger“ und setzt damit gleich zu Anfang seine erste „Achtung, witzig!“-Marke. Im MIttelpunkt der dramatischen Komödie steht zunächst die iranische Amerikanerin Leila, eine junge Faru, die noch immer gegen ihre Eltern rebelliert. Als einziges Mädchen von neun Geschwistern fühlt sie sich seit Kindesbein benachteiligt, schon in der Schule war sie „zu iranisch für eine Amerikanerin“ und „zu amerikanisch für eine Iranerin“. Davon abgesehen ist sie vor allem eins: zu viel. Die Filmemacherin ist lesbisch, chaotisch und gerade von einer vermeintlichen Transe geschwängert worden, die sich als heterosexueller Schauspieler entpuppt. Besonders Leilas Mutter stößt das selbstbestimmte Leben ihrer Tochter auf. Ich hab’s im Magen.

Mehr Filmhochschule als Filmkunst

Dies ist Maryam Keshavarz‘ dritter Film und ihre erste Komödie. Es gibt viele gute Ansätze und mindestens genauso viele schlechte Umsetzungen. In der ersten Hälfte nervt die Lebens-Erinnerungs-Clip-Sammlung mit bemühter Originalität. Schnelle Schnitte, Freezeframes und das Durchbrechen der vierten Wand sind legitime filmische Mittel. Aber man sollte wissen, wann, wie oft und aus welchem Grund man sie einsetzt. Hier hat man den Eindruck, als habe eine Filmemacherin im kreativen Drogenrausch krampfig versucht, ihr Werk aufzupeppen. Das Ergebnis ist mehr Filmhochschule als Filmkunst.

Nach gut der Hälfte wechselt THE PERSIAN VERSION plötzlich die Richtung. Die Kamera zoomt nicht mehr in das überdrehte Leben der Tochter, sondern fokussiert sich auf die Mutter. Endlich wird es interessant. Ein Film im Film mit einem dramaturgischen Bogen und nachvollziehbarer Erzählstruktur – als hätte jemand das Steuer eines entgleisten Zuges endlich in die richtige Richtung gelenkt. Schade, dass es bis dahin eine gefühlte Ewigkeit dauert. Vielleicht hätte man die erste Hälfte besser verschlafen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Persian Version“
USA 2023
107 min
Regie Maryam Keshavarz

alle Bilder © Sony Pictures

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DRIVE-AWAY DOLLS

DRIVE-AWAY DOLLS

Never change a winning team. Ethan Coen hat es trotzdem getan und einen Film ohne seinen Bruder Joel gedreht. Keine gute Idee.

Ab 07. März 2024 im Kino

DRIVE-AWAY DOLLS ist eine herbe Enttäuschung. Und der Beweis, dass Ethan ohne seinen Bruder Joel keinen brauchbaren Film zustande bringt. Die unlustige Komödie erzählt von zwei Lesben auf einem lahmen Roadtrip, der die Geduld der Zuschauer schier grenzenlos strapaziert.

Versagt inhaltlich und inszenatorisch

Das holprige Drehbuch stammt von Coen und seiner Frau Tricia Cooke. Die beiden hatten wohl eine Geschichte voller Abenteuer und witziger Verwechslungen im Sinn, doch herausgekommen ist das Gegenteil. Die Handlung wird durch einen lächerlichen Zufall ausgelöst, als den unsympathischen Freundinnen Jamie und Marian, gespielt von Margaret Qualley und Geraldine Viswanathan, versehentlich ein Mietwagen mit hochbrisantem Inhalt übergeben wird. Von da an stolpern die beiden von einer haarsträubenden Situation in die nächste, ohne dass dabei Spannung oder Komik aufkommen.

Angestrengte Versuche, Witz und Esprit durch belangloses Geschwätz zu erzeugen, torkeln ins Leere. Man fragt sich, wie ein derart talentiertes Ensemble einen so schlechten Film zustande bringt. Die Gastauftritte von Pedro Pascal und Matt Damon können es auch nicht retten. Sie beweisen höchstens, dass selbst Schauspieler mit Starpower Schwierigkeiten haben, dem desaströsen Drehbuch etwas Positives abzugewinnen.

DRIVE-AWAY DOLLS versagt inhaltlich und inszenatorisch auf ganzer Linie. Das überzogene Schauspiel, die flache Handlung und das dümmliche Drehbuch machen DRIVE-AWAY DOLLS zu einer uninspirierten Komödie, die weder als charmanter Roadtrip noch als cleverer Coen-Brothers-Film funktioniert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Drive-Away Dolls“
USA 2024
83 min
Regie Ethan Coen

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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DUNE: PART TWO

DUNE: PART TWO

Jetzt mit noch mehr Sandwürmern! Denis Villeneuves galaktische Fortsetzung ist feistes Überwältigungskino.

Ab 29. Februar 2024 im Kino

Dune: Part Two

Knie nieder, der Messias ist da! Die Geschichte um Glaubenskriege und politische Machtspiele geht in die nächste Runde. Aus dem zarten Jüngling Paul Atreides ist in Part Two des Kinoerfolgs DUNE (2021) der große Führer ganzer Völker geworden. Bis es allerdings so weit ist, stiert Timothée Chalament mit langen Wimpern vielsagend in die Ferne oder wirft Zendaya schmachtende Blicke zu.

Jedes Einzelbild ein Kunstwerk

Regisseur Denis Villeneuve hat aus dem (einzigen) Fehler seines ersten Teils ganz eigene Rückschlüsse gezogen: Statt einer unendlich langen Einführung, gefolgt von einer mitreißenden zweiten Hälfte, wechseln sich diesmal epochale Kämpfe mit tiefschürfenden Dialogszenen ab. Die Fortsetzung ist das filmische Äquivalent zu einem Hochseedampfer: grandios und majestätisch, aber bis die riesige Maschine immer wieder Fahrt aufnimmt, kann es dauern.

Dune: Part Two

Auch wenn es zwischendurch mal zäh ist, der Film sieht natürlich wahnsinnig gut aus. Jedes Einzelbild ist ein Kunstwerk. Höchstes Niveau auch schauspielerisch: Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Charlotte Rampling, Florence Pugh, Christopher Walken, Austin Butler, Josh Brolin und Javier Bardem – was soll da schon schief gehen? Etwas mehr Leichtigkeit hätte das Wüstenspektakel allerdings vertragen, Villeneuve nimmt den Kampf um den galaktischen Spice sehr ernst. Humor hat da nichts verloren.

Dune: Part Two

DUNE: PART TWO ist genau der Film, den Teil eins versprochen hat: Nicht besser und nicht schlechter. Natürlich sollte man sich das im Kino anschauen, allein schon wegen der cinemascopehaften Bilder von Greig Fraser und Hans Zimmers gewohnt bombastischen BRRRAAAAMMM-Soundtracks.

Dune: Part Two

Dass die komplizierte Handlung (nicht umsonst gilt Frank Herberts Vorlage als das unverfilmbarste Buch aller Zeiten) und die verschachtelten Storylines über verfeindete Herrschaftshäuser nicht im Chaos enden, ist der souveränen Regie von Villeneuve zu verdanken. Der französisch-kanadische Filmemacher liefert erneut eine beeindruckende Melange aus STAR WARS, Shakespeare-Tragödie und GAME OF THRONES. Im Kern jedoch ist DUNE eine auf biblische Proportionen aufgeblasene Jugendromanze, verpackt in eine visuell prächtige Space Opera.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Dune: Part Two“
USA 2024
165 min
Regie Denis Villeneuve

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

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ARISTOTELES UND DANTE ENTDECKEN DIE GEHEIMNISSE DES UNIVERSUMS

ARISTOTELES UND DANTE ENTDECKEN DIE GEHEIMNISSE DES UNIVERSUMS

Die Bestsellerverfilmung über zwei ungleiche Freunde will zu viel und scheitert daran.

Ab 08. Februar 2024 im Kino

ChatGPT, fasse die folgenden 300 Seiten zusammen, unter Beibehaltung der Kernaussagen. Was mit Texten per KI halbwegs funktioniert, ist bei Buchverfilmungen immer noch ein Problem. Entscheidendes fehlt oder ans Herz gewachsene Charaktere werden gestrichen. Der Leser ist genervt. Bei ARISTOTELES UND DANTE ENTDECKEN DIE GEHEIMNISSE DES UNIVERSUMS ist das Gegenteil der Fall – und nun, was soll man sagen? Das macht es auch nicht besser.

Reichlich uninteressante Nebenhandlungen

Der einzelgängerische Aristoteles und der flamboyante Dante könnten unterschiedlicher nicht sein. Trotzdem oder gerade deshalb werden sie beste Freunde. Die „vielleicht“ oder „vielleicht nicht“-Liebesgeschichte zwischen den Jungs, angesiedelt im Texas der 1980er-Jahre, hätte als Coming-of-Age-Film genügend Potenzial. Leider wurden noch reichlich uninteressante Nebenhandlungen über Aris im Knast sitzenden Bruder, den Tod einer lesbischen Tante, die AIDS-Epidemie, Probleme mit den Eltern, Trennungsschmerz, Homophobie und vieles mehr ins Drehbuch gepackt. All die Nebenkriegsschauplätze rauben der eigentlichen Geschichte die Luft zum Atmen. Dramaturgisch besonders ungeschickt: Dante zieht für ein Jahr nach Chicago und verschwindet damit für gut die Hälfte des Films. Kein Wunder, dass man spätestens dann das Interesse an der ohnehin nicht besonders knisternden jungen Liebe verloren hat.

Krampfige oder ins Nichts laufende Dialoge, Charaktere, die eingeführt werden und wieder verschwinden, beliebige Ausstattung und Kostüme. Der Film könnte 1985 oder genauso gut 2024 spielen. Die Besetzung geht in Ordnung (Eva Longoria bleibt als verständnisvolle Mutter fast ungenutzt), doch die guten Schauspieler können das überfrachtete Drehbuch nicht retten.

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Originaltitel „Aristotle and Dante Discover the Secrets of the Universe“
USA 2023
96 min
Regie Aitch Alberto

alle Bilder © capelight pictures

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DIE FARBE LILA

DIE FARBE LILA

Aus Buch wird Film wird Broadwaymusical wird Film. THE COLOR PURPLE erzählt vom Triumph einer schwarzen Frau über ihren brutalen Ehemann. 1985 wurde der Stoff unter der Regie von Steven Spielberg verfilmt, 2005 kam eine mit Tony-Awards ausgezeichnete Broadway-Produktion auf die Bühne. Aus der hat Regisseur Blitz Bazawule nun wieder einen Kinofilm gemacht.

Ab 08. Februar 2024 im Kino

Musicals: Die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Daran wird auch die von Oprah Winfrey und Steven Spielberg produzierte Verfilmung des Broadway-Stücks DIE FARBE LILA nichts ändern. Die Geschichte von der misshandelten Celie, die unglücklich mit einem brutalen Drecksack verheiratet ist und deren geliebte Schwester von eben diesem vertrieben wird, ist bekannt. Neu ist, dass die Handlung diesmal singend erzählt wird.

Überbordende Gesangs- und Tanznummern

Regisseur Blitz Bazawule hat mit der Adaption des Pulitzerpreis-ausgezeichneten Romans von Alice Walker einen zeitlosen Film gemacht. Hier stört nichts unpassend Modernes, alles ist hochprofessionell inszeniert, perfekt ausgestattet und natürlich top gespielt und gesungen. Die Kamera von Dan Laustsen gleitet durch sonnendurchflutete oder dramatisch verregnete Südstaaten-Landschaften, umkreist und fliegt über die Darsteller in feist ausgestatteten Musicalnummern.

Dass es dabei nicht disneyhaft septisch wird, ist vor allem den grandiosen Schauspielerinnen zu verdanken, allen voran Fantasia Barrino in der Hauptrolle, Taraji P. Henson als Shug Avery und Scene-Stealer Danielle Brooks, deren Sofia sich in der von Männern dominierten Welt nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.

Die ersten zwei Stunden sind großes Kino: überbordende Gesangs- und Tanznummern und tolle Darbietungen von allen Beteiligten machen den Film zu einem Erlebnis. Doch am Ende ist es die letzte halbe Stunde, die zu viel ist. Je mehr die Bösen geläutert sind, desto kitschiger wird es. Ein Problem, das schon Spielbergs Version hatte. Wie in jeder echten Hollywoodproduktion ist auch hier das Happy End unvermeidlich, nur besonders glaubhaft ist es nicht.

Blitz Bazawule ist ein ghanaischer Multimediakünstler, der vor allem als Co-Regisseur bei Beyoncés „Black is King“ bekannt wurde. Seine Neuverfilmung von THE COLOR PURPLE ist ein visuelles Fest, handwerklich unglaublich gut gemacht, nur bei der Charakterentwicklung hapert es manchmal etwas. Wer Sinn für Musicals hat, sollte sich DIE FARBE LILA trotzdem auf keinen Fall entgehen lassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Color Purple“
USA 2023
145 min
Regie Blitz Bazawule

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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ARGYLLE

ARGYLLE

Eine globale Spionageorganisation. Ein Agent mit Katzenallergie. Und eine Schriftstellerin, die eigentlich nur ihre Ruhe haben will. Regisseur Matthew Vaughn schickt eine ganze Schar von Top-Stars auf eine knallbunte Jagd rund um die Welt.

Ab 01. Februar 2024 im Kino

Der nächste James Bond-Film lässt auf sich warten – bislang ist noch nicht mal ein neuer Darsteller gefunden, geschweige denn ein Start für die Dreharbeiten bekannt. In der spionagefreien Zeit also Gelegenheit, das Agentenfilmgenre neu zu definieren.

ARGYLLE ist keine Konkurrenz für Bond

Bryce Dallas Howard spielt die Autorin Elly Conway, die es sich am liebsten zu Hause gemütlich macht. Abends schreibt sie in Gesellschaft ihres Katers Alfie Spionage-Romane. Deren Hauptfigur ist Argylle (Henry Cavill), ein smoother James-Bond-Verschnitt mit Maßanzügen und furchtbarer Frisur. Doch eines Tages beginnen sich Fiktion und Realität zu überschneiden. Elly trifft scheinbar zufällig auf den echten Spion Aidan (Sam Rockwell). Bald findet sie sich inmitten einer lebensgefährlichen Mission wieder.

Um es gleich vorwegzunehmen: ARGYLLE ist keine Konkurrenz für 007. Gegen Matthew Vaughns Actiongroteske sind die Bond-Filme der Roger-Moore-Ära philosophisches Arthouse-Kino. Es ist wie bei einem aus dem Ruder gelaufenen Kindergeburtstag: Mehr und mehr und dann noch zehnmal mehr. Am Ende fühlt man sich wie nach einer Karussellfahrt mit fünf kandierten Äpfeln im Bauch.

ARGYLLE ist zu cheesy, die Action zu albern und die CGI-Effekte zu schlecht. Es gibt so viele Wendungen und Überraschungen, dass man kaum hinterherkommt. Der Untertitel könnte auch TWIST – DER FILM lauten. Auf etwas anstrengende Weise macht das eine zeitlang Spaß, aber mit 139 Minuten ist das Ganze entschieden zu lang.

Zum Cast gehören neben Howard, Rockwell und Cavill unter anderem John Cena, Sängerin Dua Lipa, Bryan Cranston, Catherine O’Hara, Samuel L. Jackson. Diese geballte Starpower lässt Kater Alfie allerdings kalt – Berühmtheiten kennt er von zu Hause. Denn im wahren Leben hört er auf den Namen Chip und gehört Regisseur Matthew Vaughns Frau, Supermodel Claudia Schiffer.

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Originaltitel „Argylle“
GB / USA 2024
139 min
Regie Matthew Vaughn

Argylle

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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THE HOLDOVERS

THE HOLDOVERS

Ab 25. Januar 2024 im Kino

Ein schlecht gelaunter Professor, ein rebellischer Teenager und eine trauernde Köchin bilden eine Zwangsgemeinschaft zu Weihnachten. Alexander Payns neuer Film kommt auf den Tag genau einen Monat zu spät in die Kinos. Aber weil THE HOLDOVERS ein moderner Klassiker ist, kann man sich den auch im Januar noch gut anschauen.

Schnee rieselt, der Baum ist geschmückt, es weihnachtet sehr. Doch im Elite-Internat Barton Academy ist zum Jahresende 1970 die Stimmung alles andere als festlich. Der bösartige, von Schülern wie Kollegen gehasste Lehrer Paul Hunham (Paul Giamatti) hat die undankbare Aufgabe, sich über die Feiertage um die „Überbleibsel“ (The Holdovers) zu kümmern, also jene Schüler, die nicht zu ihren Familien fahren konnten oder durften. In diesem Jahr bleibt am Ende nur der hochintelligente Einzelgänger Angus (Dominic Sessa) in seiner Obhut. Zusammen mit Kantinenköchin Mary (Da’Vine Joy Randolph) bildet die Zwangsgemeinschaft eine Art Ersatz-Familie, wenn auch auf begrenzte Zeit.

Das Leben ist hart

THE HOLDOVERS könnte ebenso gut aus der HAROLD AND MAUDE-Zeit stammen. Regisseur Alexander Payn erzeugt ein perfektes 70er-Jahre-Feeling ohne Klischees oder einen aufdringlichen Zeitgeist-Soundtrack. Es fängt schon beim altmodischen Universal-Logo an, geht über die hässlichen, aber sehr authentischen Titel-Einblendungen, bis hin zur perfekten Ausstattung samt Kostüme. Einen Glücksgriff hat Payne mit seinem bislang unbekannten Hauptdarsteller Dominic Sessa getan. Der steht hier zum allerersten Mal vor einer Kamera. Unglaublich. Dass er nebenbei auch noch wie die jugendliche Version von Donald Sutherland aussieht, macht die Reise in die 70er noch überzeugender. (Fragt sich, wieso die Macher vom TRIBUTE VON PANEM-Prequel den nicht auf dem Schirm hatten). Daneben der immer hervorragende, hier oscarreif spielende Paul Giamatti. Regisseur und Schauspieler verbindet eine lange Geschichte. Schon vor 20 Jahren stand Giamatti in SIDEWAYS für Payn vor der Kamera. Die in diesem Jahr mit dem Golden Globe für die beste Nebenrolle ausgezeichnete Da’Vine Joy Randolph vervollständigt das Trio als patente und großherzige Köchin, die mehr Tragik in sich trägt, als es auf den ersten Blick scheint.

Das Leben ist hart und THE HOLDOVERS macht daraus keinen Hehl. Die Weihnachtsgeschichte vom mürrischen Giftzwerg, der sich zum emphatischen Menschen wandelt, ist oft rührend, aber nie rührselig. Payne ist ein moderner Klassiker geglückt – bewegend, toll gespielt und mit viel authentischer 70er-Jahre-Atmosphäre. Unbedingt ansehen. 

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Originaltitel „The Holdovers“
USA 2023
133 min
Regie Alexander Payn

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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MEAN GIRLS – DER GIRLS CLUB

MEAN GIRLS – DER GIRLS CLUB

Ab 25. Januar 2024 im Kino

Zweimal Musical, zweimal pink: Kann die Neuverfilmung von MEAN GIRLS dem Blockbuster BARBIE das Wasser reichen?

Klingt komplizierter als es ist: MEAN GIRLS war vor gut zwanzig Jahren DER Kultfilm zum Thema High-School-Terror. Die Dynamiken von populären Schülern, Mobbern und Außenseitern wurde zur Blaupause für eine ganze Reihe von Filmen und Fernsehserien rund um die Hierarchien an US-Schulen. 2017 feierte eine Musical-Version des auf dem Ratgeberbuch „Queen Bees and Wannabes“ basierenden Films ihre Premiere am Broadway. Buch, Film, Musical – alles große Erfolge. Mit MEAN GIRLS – DER GIRLS CLUB kommt nun die Verfilmung des Broadwaymusicals in die Kinos.

Bunt, lustig und wild

Die neue Schülerin Cady freundet sich mit den elitären „Plastics“ an, einer Gruppe eingebildeter rich girls, angeführt von der hinterhältigen Regina. Als sich Cady in Reginas Ex-Freund Aaron verliebt, gerät sie ins Fadenkreuz der selbsternannten Highschool-Queen.

Der von Samantha Payne und Arturo Perez Jr. inszenierte Film hat seine besten Momente, wenn er sich mit voller Wucht in die überdrehte Musicalwelt stürzt: dann wird es bunt, lustig und wild. Das Komponisten- und Texterteam, bestehend aus Jeff Richmond und Nell Benjamin, hat dazu jede Menge catchy Songs geschrieben, die über ein paar inhaltliche Schwächen hinwegtrösten.

Glaubt man Teilen der US-Presse, stinkt der neue Film gegen das Original und die Broadway-Version ab. Als unbedarfter Zuschauer, der weder das eine noch das andere kennt, kann man dagegen großen Spaß haben. Das vor allem in den Nebenrollen prominent besetzte Musical (u.a. Tina Fey, John Hamm) ist schön böse, hat Drive und bietet jede Menge Ohrwürmer. Man kann sich das Ganze als eine Art GLEE mit besseren Gags vorstellen. Wem Musicals per se auf die Nerven gehen: Achtung, hier wird sehr viel gesungen. Ob MEAN GIRLS allerdings trotz gleichen Farbschemas den Erfolg von BARBIE wiederholen kann, ist zu bezweifeln. Spaßig-charmante Unterhaltung ist es allemal.

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Originaltitel „Mean Girls“
USA 2024
105 min
Regie Samantha Payne und Arturo Perez Jr.

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

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ROLE PLAY

ROLE PLAY

Ab 04. Januar 2024 im Kino

Happy 2024! Fangen wir das neue Jahr mit einem kleinen Quiz an: Was haben folgende Schlagzeilen mit dem Actionfilm ROLE PLAY zu tun? „Studio Babelsberg: Eben noch Hollywood, jetzt Flaute“ - „Steht das Filmstudio Babelsberg vor dem Aus?“

Die Antwort: Ganz einfach, die Babelsberger haben ROLE PLAY co-produziert und stehen jetzt vor der Insolvenz. Ob das eine mit dem anderen zu tun hat, ist nicht erwiesen, aber gut möglich. Schon bei der Auswahl seiner letzten Projekte zeigte das Studio ein feines Gespür für Kassenschlager: BAGHEAD, RETRIBUTION und DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER waren echte Rohrkrepierer.

So spannend sind wie das Warten auf die U-Bahn

Vor genau 30 Jahren kam TRUE LIES mit Arnold Schwarzenegger in die Kinos. Für ROLE PLAY gilt: anderer Film, gleiche Geschichte, gleiche Ideenarmut. Emma (Kaley Cuoco) führt mit ihrem Mann Dave (David Oyelowo) eine halbwegs glückliche Ehe, inklusive zwei nerviger Kinder. Beruflich ist sie viel unterwegs, angeblich zu langweiligen Seminaren. In Wahrheit ist sie eine hochbezahlte Auftragskillerin, die weltweit unangenehme Zeitgenossen ausschaltet. Die Familie hat von Muttis Doppelleben keine Ahnung – bis eines Tages … den Rest kann man sich denken.

Auch wenn die Undercover-Killer-Geschichte noch halbwegs interessant klingt – die Umsetzung ist es nicht. Statt packender Action gibt es endlose Dialoge, die so spannend sind wie das Warten auf die U-Bahn. Wenn dann doch mal was passiert, erinnert es eher an eine schlechte Kindergarten-Aufführung als an einen Actionfilm. Komödie? War wohl die Intention, ist aber eher unfreiwillig komisch. Was den eigentlich immer brillanten Bill Nighy dazu bewogen hat, hier eine Nebenrolle zu übernehmen, bleibt sein Geheimnis.

TV-Regisseur Thomas Vincent versucht verzweifelt, auf der KILLING EVE-Welle zu surfen, scheitert jedoch kläglich. Die öde Geschichte, die sich fürchterlich clever vorkommt, spielt irgendwann auch mal in Berlin – Studio Babelsberg sei Dank. Die einzige Erkenntnis, die man am Ende gewinnt: Die Hauptstadt ist dreckig und hässlich wie nie, es gibt Technoclubs an jeder Ecke, und wenn man nur will, kann man sogar den schlimmsten Feierabendverkehr in Kreuzberg umfahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Role Play“
USA / Deutschland / Frankreich 2024
100 min
Regie Thomas Vincent

alle Bilder © STUDIOCANAL

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PRISCILLA

PRISCILLA

Ab 04. Januar 2024 im Kino

Was vom Mythos übrigblieb – die wahre Geschichte von Elvis Presleys besserer Hälfte.

Text: Anja Besch

Wohl jeder kennt die Story von Priscilla Beaulieu, die als 14-Jährige auf einem deutschen Army-Stützpunkt Elvis kennenlernt und ihm aus Liebe in den goldenen Käfig Graceland nach Memphis folgt. Statt elterlicher Aufsichtspflicht gilt es nun, die kruden religiösen und modischen Lebensregeln des Elvis Aaron Presley aka „Elvis the Pelvis“ zu befolgen. Der hüftschwingende Superstar und Pin Up Boy einer ganzen kreischenden Backfischgeneration entpuppt sich im überladenen Heim als pillenkomatöser Sexmuffel, der sieben Jahre lang allenfalls Hand an die Optik seiner später Angetrauten legt. Vierzehn Jahre und ein überraschendes Kind später verlässt Priscilla den King und schreibt 1985 ihre Memoiren „Elvis und Ich“, auf denen die 20 Millionen US-Dollar teure Produktion von Regisseurin Sophia Coppola beruht.

Lehrstück in Make-up, Frisurenstyling und Raumausstattung

PRISCILLA ist zwar aufwendiger als ein Privatfernsehen-Biopic, doch keineswegs interessanter, aufschlussreicher oder subtiler. Was die Königin des Musik-Merchandise-Marketings zu eben dieser machte (Lebensaufgabe seit Elvis Tod 1977 – neben talentfreien Schauspielversuchen in DALLAS oder DIE NACKTE KANONE – Verwalterin der Pilgerstätte Graceland), ist allenfalls ein Lehrstück in Make-up, Frisurenstyling und Raumausstattung.

Natürlich zieht der Name der bekanntesten Ex-Ehefrau der Welt, doch ist nicht jedes vermeintliche VIP-Opfer gleich eine verfilmungswürdige Ikone. Um die Beziehung des Mythos‘ Elvis zu seiner Kindsbraut zu verstehen, hätte es mehr als die überdimensionierten 40 cm Größenunterschied der beiden Hauptdarsteller Cailee Spaeny und Jacob Elordi gebraucht. Der Zuschauer bleibt außen vor und leidet bei Tränchen der chronisch Unterliebten – deren Namenspatronin bezeichnenderweise eine vorchristliche Märtyrerin ist – allenfalls mit ihrer Wimperntusche. Zum Trost gibt es nicht einmal ein Wiederhören mit gefühlsverstärkenden Elvis-Songs, da aus rechtlichen Gründen der Score von Coppolas Ehemann Thomas Mars und dessen Poprockband „Phoenix“ stammt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Priscilla“
USA 2023
113 min
Regie Sofia Coppola

alle Bilder © MUBI

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BAGHEAD

BAGHEAD

Ab 28. Dezember 2023 im Kino

Vielleicht klappt’s ja mit Clickbait: Als wir erfuhren, wie schlecht dieser Film ist, wollten wir es zunächst nicht glauben! Lies die ganze Geschichte hier!

BAGHEAD ist ein Märchenfilm: Im Keller eines jahrhundertealten Pubs wohnt eine untote Hexe, die für zwei Minuten Tote ins Reich der Lebenden zurückbringen kann.

Märchenhaft schlecht

Märchenhaft schlecht ist nicht nur die Geschichte, sondern auch Schauspiel und Inszenierung. BAGHEAD ist eine weitere Perle aus der insolventen Studio-Babelsberg-Schmiede. Glaubt man Film und Ausstattung, ist das heutige Berlin (da spielt das Ganze aus nicht nachvollziehbaren Gründen) eine düstere, ständig verregnete Stadt voll geheimnisumwitterter Orte. Na gut, das mit verregnet mag ja noch stimmen – aber wo ist es denn bitteschön hier noch geheimnisvoll? Seit der über 20 Jahre andauernden Kernsanierung ist Berlin ungefähr so mystisch wie eine Starbucks-Filiale.

Regisseur Alberto Corredor hat seinen sehenswerten Kurzfilm von 2017 auf Spielfilmlänge ausgewalzt. Das funktioniert nur bedingt und auf vielen Ebenen überhaupt nicht. Außer zu lauten Toneffekten erzeugt sein hanebüchenes Erstlingswerk vor allem keinen Grusel. Das ist nicht gut bei einem Gruselfilm. Wie man eine sehr ähnliche Geschichte über Kontakte ins Totenreich originell und frisch erzählt, hat zuletzt der um Längen bessere australische Horrorfilm TALK TO ME gezeigt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Baghead“
USA / Deutschland 2023
95 min
Regie Alberto Corredor

alle Bilder © STUDIOCANAL

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THE QUEEN MARY

THE QUEEN MARY

Ab 28. Dezember 2023 im Kino

Rechtzeitig zum Jahresende kommt dieser komplett verkorkste Quatschfilm über ein dümpelndes Gespensterschiff in die Kinos.

Am Hafen von Long Beach liegt seit vielen Jahren die RMS Queen Mary vor Anker. In den 1930er-Jahren gebaut, früher stolzer Passagierdampfer, inzwischen zu einem Casino für spielsüchtige Touristen verkommen. Als neue Attraktion bieten die Eigner nun eine Geistertour an Bord. Der Film THE QUEEN MARY dient offensichtlich als Werbevehikel für den 65 $ teuren „Paranormal Ship Walk“.

Ein Meisterwerk des Scheiterns

THE QUEEN MARY macht den Eindruck, als hätten sehr viele Köche den Brei verdorben. Im Schnittraum wurde dann das Material ohne jeden Sinn und Verstand aneinander geschustert. Das Ergebnis: Ein Meisterwerk des Scheiterns. Wirr wäre untertrieben. Es gibt wohl zwei (oder drei?) Zeitebenen: Eine spielt 1938 und handelt von einer Gaunerfamilie, die sich trotz Dritte-Klasse-Tickets in den Speisesaal der First Class schmuggelt. Als man sie enttarnt, wird der Vater zum blutrünstigen Axtmörder, während seine kleine Tochter mit Fred Astaire einen schier unendlich langen Stepptanz aufführt (nicht fragen). Gleichzeitig stolpern in der Gegenwart die vollbusige Sarah (an der Bluse stets einen Knopf zu viel geöffnet), ihr Ex-Mann und der zwergwüchsige Sohn über das Deck, auf der Suche nach Gespenstern oder möglicherweise dem verloren gegangenen Drehbuch. In diesem filmischen Desaster sind einzig die Ausstattung des Schiffs mit seinen historischen Dekor und die schick gemachten Übergänge zwischen den Epochen erwähnenswert.

Regisseur Gary Shore hat schon den unsäglichen DRACULA UNTOLD verbrochen. Dass er früher mal Werbefilme gemacht hat, mag man kaum glauben. THE QUEEN MARY ist zu lang, zu schlecht gedreht und im wahrsten Sinne des Wortes unterbelichtet. Das funktioniert nicht mal als trashiger Spaß. Die beste Szene zeigt eine Gespensterfrau, die sich den Kopf auf der Tastatur eines Klaviers zu Matsch zerschlägt – als Zuschauer dieses Films kann man es ihr nachempfinden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Haunting of the Queen Mary“
USA / Großbritannien 2023
125 min
Regie Gary Shore

alle Bilder © Splendid Film

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THE IRON CLAW

THE IRON CLAW

Ab 21. Dezember 2023 im Kino

In der internationalen Wrestling-Szene waren sie jahrelang Stars. Privat lag ein Fluch auf den Von Erichs.

Texas, Anfang der 80er-Jahre: Fritz Von Erich ist ein berühmter Wrestler, dem der ultimative Sieg als World-Champion zeitlebens verwehrt bleibt. Also drängt er seine Söhne in den Sport. Dass die Jungs in erster Linie das Ego ihres Vaters befriedigen und mit unterwürfigem „Yes Sir!“ nur Befehle ausführen, kommt dem herrschsüchtigen Alten nicht in den Sinn.

Muskeln, Kraft und toxische Männlichkeit

Die Story vom Fluch, der angeblich auf den Von Erichs liegt, ist in Insiderkreisen Legende. Hätte sich das ein Drehbuchautor ausgedacht, würde man ihm maßlose Übertreibung vorwerfen. So viel sei verraten: Von fünf Brüdern (in Wahrheit sogar sechs) überlebt am Ende nur einer. Nicht umsonst wird die Familie oft als die Kennedys des Sports bezeichnet.

Die Besetzung ist das Highlight des Films. Neben dem besorgniserregend muskulösen Zac Efron (von einer He-Man-Gedächtnisfrisur verunstaltet) besteht sie aus lauter tollen Schauspielern, bei denen man auf Anhieb nicht so genau erinnert, woher man sie kennt: Jeremy Allen White (THE BEAR), Harris Dickinson (TRIANGLE OF SADNESS) und vor allem als gestrenger Vater Holt McCallany, der in der leider nie fortgesetzten Serie MINDHUNTER die Hauptrolle spielt.

Es riecht nach Testosteron. Für Wrestling sollte man sich auf jeden Fall interessieren, denn es gibt viel vom Sport zu sehen, von dem bis heute niemand weiß, wo Wettkampf aufhört und Show beginnt. Hier dreht sich alles um Muskeln, Kraft und toxische Männlichkeit. Die Von Erichs sind jahrelang Stars der Szene und eilen von Sieg zu Sieg. Es hätte nicht geschadet, wenn sich das Drehbuch dabei ein bisschen weniger an der Realität abgearbeitet hätte. So bleiben die Figuren von Anfang bis Ende in ihren Verhaltenskorsetts gefangen. Die Eltern behandeln ihre Kinder wie nützliches Werkzeug, Emotionen sind unerwünscht. Die ständige Wiederholung von Kämpfen im Ring und dem nächsten Schicksalsschlag ist nicht leicht zu verdauen. Doch die Realität war wohl noch viel schlimmer als das, was auf der Leinwand zu sehen ist. Einer der Söhne, Chris, kommt im Film gar nicht vor. Auch sein Leben endete früh durch Selbstmord. „Man kann das den Zuschauern nicht zumuten. Es wäre einfach zu unerbittlich.“, sagt Regisseur Durkin.

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Originaltitel „The Iron Claw“
USA / GB 2023
130 min
Regie Sean Durkin

alle Bilder © LEONINE Studios

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EILEEN

EILEEN

Ab 14. Dezember 2023 im Kino

Todd Haynes für Arme: EILEEN ist ein hochkarätig besetztes B-Picture.

Massachusetts im Winter 1964: Der Vater ein jähzorniger Säufer, die gemeinsame Wohnung heruntergekommen, der Job im Jugendgefängnis öde. Eileens Leben ist trostlos. Bis eines Tages die glamouröse Rebecca als ihre neue Chefin auftaucht – um das junge Mädchen ist es geschehen. Bald entwickelt sich eine zarte Bande zwischen den beiden Frauen. Doch dann konfrontiert Rebecca Eileen mit einem furchtbaren Geheimnis.

Der große Twist kommt viel zu spät

Oh Schreck, oh Graus! Klingt wie ein B-Picture? Ist es auch. Früher wäre so was als Schwarz-Weiß-Drama mit hysterischem Geigenscore in die Kinos gekommen. Todd Haynes, der andere moderne Regisseur mit einer Schwäche für Douglas-Sirk-Dramen, hat mit CAROL schon vor acht Jahren das bessere Retro-Drama gedreht. 

Die einen mögen sie, viele hassen sie: Anne Hathaway gibt dem Affen Zucker, ist in dieser zweitklassigen Produktion aber fast verschenkt. Die hervorragende Thomasin McKenzie (LAST NIGHT IN SOHO) spielt die Titelfigur Eileen als sexuell erwachende Kindfrau. Weshalb sich ein A-Cast für diese maue Produktion verpflichtet hat, bleibt ein Geheimnis. Aber das größte Rätsel ist, wohin das Drehbuch mit seiner Geschichte will. Der gar nicht so überraschende Twist kommt viel zu spät, da hat man schon längst das Interesse verloren. Und auch die mehr als dezent angedeutete homoerotische Liebe zwischen Eileen und Rebecca verpufft ohne nennenswerten Effekt. Am Ende des Films fragt man sich: Was genau sollte das alles?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Eileen“
USA 2023
97 min
Regie William Oldroyd

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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NAPOLEON

NAPOLEON

Ab 23. November 2023 im Kino

Kino, wie es sein soll: episch, spannend, lustig und lehrreich. Ridley Scotts neues Meisterwerk zeigt den französischen Kaiser, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat.

Stolze 85 Jahre alt ist Ridley Scott und er kann’s noch immer. Mit NAPOLEON ist dem britischen Regisseur erneut ein großer Wurf gelungen. Dass das alles toll aussieht und die Schlachtszenen bombastisch sind, versteht sich fast von selbst. Schließlich hat der Mann mit ALIEN, BLADE RUNNER und GLADIATOR ganze Genres neu erfunden oder zumindest jahrzehntelang geltende Maßstäbe gesetzt.

Trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie

Joaquin Phoenix ist die perfekte Besetzung und spielt den französischen Feldherrn und Kaiser als souveränes, rücksichtsloses Genie – zumindest wenn es um Kriegsführung geht. Im Privaten ist seine Hoheit dagegen das Gegenteil eines Genies. Unbeholfen, albern und dabei schwer in Josefine verliebt (fabelhaft: Vanessa Kirby). Von der Liebe seines Lebens, die ihm 15 Jahre (nicht immer) treu zur Seite steht, lässt sich Napoleon wegen ausgebliebener Nachkommen scheiden.

Überraschung: NAPOLEON ist trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie. Mindestens aber ein historisches Drama mit komischen Elementen. Kleine Missgeschicke, absurde Dialoge und ein sich oft gar nicht kaiserlich verhaltender Kaiser sorgen für Lacher. Überhaupt ist Scott eine ausgesprochen kurzweilige (bei 157 Minuten Laufzeit) und lehrreiche Geschichtsstunde gelungen. Höhepunkt ist die Schlacht von Austerlitz, in der die französische Armee die Streitkräfte Russlands und Österreichs dank Napoleons strategischem Geschick auf dem Schlachtfeld auslöscht. Selten genug in Historienfilmen: Man versteht die Zusammenhänge und geht klüger aus dem Kino.

Ridley Scotts vielleicht nicht 100 % historisch korrekte Version des Lebens von Napoleon Bonaparte hätte noch reichlich weitere Lobeshymnen verdient. Zum Beispiel, dass Joaquin Phoenix auf einen falschen (französischen) Akzent verzichtet – Scotts HOUSE OF GUCCI wurde wegen übertriebenen Englisch-Italienisch-Kauderwelschs zur unfreiwilligen Komödie. Aber vor allem ist NAPOLEON für die große Leinwand gemacht. Apple hat den Film zwar finanziert und früher oder später wird er auf Apple TV+ laufen – aber vorher sollte man sich NAPOLEON unbedingt im Kino anschauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Napoleon“
USA / England 2023
157 min
Regie Ridley Scott

alle Bilder © Sony Pictures

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THANKSGIVING

THANKSGIVING

Ab 16. November 2023 im Kino

Ein Riesenspaß für Groß und Klein ist THANKSGIVING nicht. Dafür ein Fest für Splatterfans.

Nach Horror-Weihnachten, Horror-Ostern und Horror-Halloween ist jetzt der nächste Feiertag dran: das amerikanische Erntedankfest „Thanksgiving“. Der Schrecken beginnt mit einem komplett aus dem Ruder gelaufenen „Black Friday“: Wie eine Horde fleischhungriger Zombies stürmt der Plebs ein Kaufhaus, nur weil Gratis-Waffeleisen winken. Voll cheugy, so ein Verhalten. Der Konsumrausch endet mit zahlreichen Verletzten und Toten. Genau ein Jahr nach der Katastrophe meuchelt ein als Pilgervater maskierter Killer die vermeintlich Verantwortlichen nieder.

Besonders garstige Tötungsszenen

Na gut. Die Ausgangsidee mit dem Maske tragenden Serienmörder, der vorzugsweise Teenager jagt, ist so abgedroschen, dass selbst Persiflagen darauf abgedroschen sind. Trotzdem schafft es Regisseur Eli Roth, dem Genre frisches Blut einzupumpen. Und sei es nur durch besonders garstige Tötungsszenen. Nach dem Film wird man jedenfalls nie mehr den Festtags-Truthahn ohne mulmiges Gefühl essen.

Auch besser als der übliche Splatter-Durchschnitt: Die Charaktere sind nicht komplett austauschbar und der Killer bleibt kein gesichtsloser Untoter wie Jason und Michael Myers, sondern lässt am Ende die Maske fallen. Dazu ein bisschen Sozialkritik, viel Schock und Blut, das Ganze mit einer angemessenen Portion Humor serviert – THANKSGIVING ist kein Meisterwerk, aber ein solides Stück Horrorkino mit immerhin Patrick Dempsey, dem gerade vom People-Magazin gekürten „Sexiest Man Alive“, in einer Hauptrolle.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Thanksgiving“
USA 2023
106 min
Regie Eli Roth

alle Bilder © Sony Pictures

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DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES

DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES

Ab 16. November 2023 im Kino

Und noch eine Fortsetzung: Das Prequel zu einer Trilogie, die schon in vier Teile zerdehnt war. Hat die Menschheit wirklich auf die Vorgeschichte zu den Hunger Games gewartet?

Erstmal: dett is nich meen Berlin! Wieso Berlin? Als es den Babelsberger Filmstudios noch gut ging und diverse Streiks nicht die halbe Industrie lahmlegten, wurde die US-Produktion DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES zu großen Teilen in der deutschen Hauptstadt gedreht – und das sieht man. Szenenbildner Uli Hanisch hat vom Olympiastadion über den Strausberger Platz bis zum Krematorium Baumschulenweg (werden da eigentlich auch noch Bestattungen durchgeführt oder nur noch Filme gedreht?) diverse Motive in beeindruckende Endzeit-Settings umgebaut. So macht der Film vor allem Berlinern Laune beim heiteren Locationraten.

Fühlt sich wie die komplette Staffel einer Serie an

Basierend auf der Bestseller-Reihe von Suzanne Collins werden „Die Tribute von Panem“-Kinofilme weiter ausgeschlachtet. Nachdem Regisseur Lawrence kürzlich selbst zugab, dass das Splitten des dritten Films in zwei Teile „ein schwerer Fehler“ gewesen sei, geht es nun mit dem fünften beziehungsweise ersten Prequel-Teil weiter. Die Vorgeschichte der gefürchteten Hungerspiele stellt den jungen Coriolanus (Tom Blyth) in den Mittelpunkt, lange bevor er zum Präsidenten von Panem wird (in Teil eins bis vier von Donald Sutherland gespielt). Als Sprössling einer einst vermögenden Familie wird er zum Mentor von Lucy Gray (Rachel Zegler) ernannt, einem Mädchen aus dem verarmten Distrikt 12. Schnell wittert er seine Chance, Familienehre und Macht zurückzuerlangen.

Bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzt: Oscarpreisträgerin Viola Davis goes full camp als Dr. Volumnia Gaul. Trotz aufgeplatzter Sofakissen-Frisur und grellem Make-up ist sie weniger furchteinflößend, als sie es hätte sein wollen und lässt dabei die Grenzen zum overacting weit hinter sich. Ausgezeichnet dagegen: Jason Schwartzman als schmieriger Showmoderator und der immer herausragende Peter Dinklage in der Rolle des tragischen Antihelden. Nach THE MARVELS trällert es auch in den Tributen gewaltig. Noch ein Actionspektakel, in dem gesungen wird. Man fragt sich, was das soll. Rachel Zegler hat zwar eine hübsche Stimme (schließlich war sie die Maria in Steven Spielbergs WEST SIDE STORY), aber das Gejodel wirkt in einem dystopischen Jugendfilm völlig fehl am Platz.

DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES. Langer Titel, langer Film. Der in drei Kapitel unterteilte 157-Minuten-Film fühlt sich wie die komplette Staffel einer Serie an. Vor allem der letzte Akt könnte glatt ein eigener Spielfilm sein. Fortsetzung folgt. Garantiert.

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Originaltitel „The Hunger Games: The Ballad of Songbirds & Snakes“
USA 2023
157 min
Regie Francis Lawrence

alle Bilder © LEONINE Studios

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THE MARVELS

THE MARVELS

Ab 08. November 2023 im Kino

Eine Fortsetzung, nach der niemand gefragt hat, allgemeine Superhelden-fatigue, keine Promo dank Streik: Die Voraussetzungen sind denkbar schlecht - wird THE MARVELS der erste große Flop der Marvel-Studios?

An der Kinokasse dürfte es das neue MCU-Abenteuer nicht leicht haben. Mittlerweile muss man als Zuschauer eine Menge Vorkenntnis mitbringen, um der zusehens verworrenen Figurenkonstellation aus diversen Multiversen folgen zu können. Achtung Fachchinesisch: Captain Marvel, Ms. Marvel und Captain Rambeau retten gemeinsam das Universum. Die Drei kennen Eingeweihte aus den TV-Serien WANDAVISION, SECRET INVASION, MS MARVEL und natürlich dem ersten Teil des Kinofilms CAPTAIN MARVEL.

Schaut sich so weg

Body-Swap-Komödie, Science-Fiction-Abenteuer und Superheldinnenfilm. THE MARVELS ist ein durchwachsenes Vergnügen. Schaurig-schlecht: ein Musicalplanet, auf dem die Bewohner den ganzen Tag schmalzige Lieder singen und sich dabei in Kostüme aus dem Fundus einer zweitklassigen Las-Vegas-Show kleiden. Das ist Disney at it‘s worst. Und leider nicht mal originell, sondern nur cringe. Sehr schön dagegen: eine unvergessliche Katzenszene, die bei Ailurophobikern nacktes Grauen auslösen wird. Und natürlich die Post-Credit-Szene, die auf ein von Fans heiß ersehntes neXt Chapter im MCU verweist.

Brie Larson hat mal einen Oscar gewonnen. Für THE ROOM, die wenigsten erinnern sich. Höchstwahrscheinlich ist sie also eine ganz gute Schauspielerin. Bei ihren Marvel-Auftritten versteckt sie das gekonnt und sieht aus, als hätte sie sich ans Set eines Films verlaufen, der sie nicht im geringsten interessiert. Zu ihrem und unserem Glück stehen ihr diesmal mit Teyonah Parris und Iman Vellani zwei spielfreudigere Partnerinnen zur Seite.

Lobenswerterweise setzen die Marvel-Studios weiterhin auf junge Talente und Frauenpower. Viele der Schlüsselpositionen wie Kamera und Musik sind weiblich besetzt. Das Drehbuch haben Megan McDonnell und Elissa Karasik gemeinsam mit der erst 33-jährigen Regisseurin Nia DaCosta geschrieben.

THE MARVELS ist ein typischer MCU-Superheldenfilm, wie sie in den letzten Jahren haufenweise in die Kinos geschwemmt wurden, nur eben etwas weiblicher und vielleicht ein bisschen lustiger. Eine gute Nachricht: Der Film dauert erträgliche 105 Minuten. Das schaut sich so weg. Technisch State of the Art, immer noch besser als vieles, was DC produziert, aber leider auch nichts weltbewegend Neues. Die goldenen Zeiten von IRON MAN und THE AVENGERS sind wohl endgültig vorbei.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Marvels“
USA 2023
105 min
Regie Nia DaCosta

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

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KILLERS OF THE FLOWER MOON

KILLERS OF THE FLOWER MOON

Ab 19. Oktober 2023 im Kino

Es ist offensichtlich, was den 80-jährigen Regisseur Martin Scorsese an dem Stoff gereizt hat: Ein Western in Cinemascope, eine Crimestory, eine intime Liebesgeschichte und ein großer Geschichtsfilm - KILLERS OF THE FLOWER MOON ist ein episches Drama voller Verrat und Abgründe.

Oklahoma, Anfang des 20. Jahrhunderts: Über Nacht werden die amerikanischen Ureinwohner des Osage-Stamms steinreich. Dank sprudelnder Ölquellen verfügen sie eine Zeit lang über das höchste Pro-Kopf-Vermögen der Welt. Wie so oft in der amerikanischen Geschichte zieht der Wohlstand weiße Eindringlinge an. Diebstahl, Erpressung und Mord sind unter der Führung des ebenso charmanten wie gerissenen William „King“ Hale (Robert De Niro) bald an der Tagesordnung. Verpackt in die ungewöhnliche Romanze zwischen Hales Neffen Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) und der Indigenen Mollie Kyle (Lily Gladstone) erzählt der Film die wahre und schreiend ungerechte Geschichte der „Osage-Morde“.

Ein spätes Meisterwerk

Das Dreamteam funktioniert auch bei seiner zehnten Zusammenarbeit immer noch hervorragend. Scorsese und sein Lieblingsschauspieler Robert De Niro kitzeln gegenseitig das Beste aus sich heraus. Als manipulativer Strippenzieher und Auftraggeber einer ganzen Serie von Morden ist De Niro das dunkle Zentrum des Films. Ganz hervorragend auch Lily Gladstone, die mit ihrer zurückgenommenen Art einen sanften Ruhepol in der blutigen Männerwelt bildet. Leonardo DiCaprio (Scorseses zweitliebster Schauspieler – dies ist ihre sechste Kollaboration) macht selbstredend auch als leicht unterbelichteter Handlanger eine gute Figur. Weshalb er diese Rolle allerdings mit einer Mischung aus Robert-de-Niro-Persiflage (permanent nach unten gezogener Mund plus in Falten gelegte Stirn) und Marlon Brandos DER PATE inklusive ausgestopfter Backentaschen spielt, bleibt sein Geheimnis.

Wie Scorsese seine Darsteller führt (in Nebenrollen sind unter anderem Jesse Plemons und der frisch oscargekrönte Brendan Fraser zu sehen), elegant Rückblenden in die verschachtelte Handlung einbaut, Dinge weglässt und manches erst im Nachgang aufschlüsselt, das ist bravourös. Ein 80-jähriger Künstler, immer noch auf der Höhe seines Schaffens. KILLERS OF THE FLOWER MOON ist trotz seiner unfassbaren 206 Minuten Laufzeit keinen Moment zu lang. Ein spätes Meisterwerk, das zudem ein grandioses und überraschend amüsantes Ende bereit hält. Allein wegen der letzten 10 Minuten lohnt es sich.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Killers of the Flower Moon“
USA 2023
206 min
Regie Martin Scorsese

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

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THE CREATOR

THE CREATOR

Ab 28. September 2023 im Kino

Wird Gareth Edwards demnächst wegen Diebstahls geistigen Eigentums vor Gericht gestellt? THE CREATOR ist ein einziger Ideen-Quilt aus schon gesehenen Film-Flicken.

TERMINATOR 2 – ALIENS – STAR WARS – AVATAR – EX MACHINA – CHAPPIE – BLADE RUNNER – WALL•E – ELYSIUM – THE MANDALORIAN – A.I. – WESTWORLD

Ein lustiges Trinkspiel: Für jede Idee, die Gareth Edwards von einem anderen Film geklaut hat, muss man einen Schnaps trinken. Am Ende von THE CREATOR wäre man sternhagelvoll.

Wenigstens drückt der Regisseur visuell dem Best-of-Science-Fiction seinen Stempel auf. Fans des seit GODZILLA und ROGUE ONE: A STAR WARS STORY kultivierten „düster-realistisch meets Apple-in-200-Jahren“-Looks kommen auf ihre Kosten. Und es gibt ein paar wirklich gute Szenen, wie die, in der ein Toter kurzfristig ins Leben zurückgeholt wird, um ihm noch ein paar Informationen abzupressen, bevor seine Synapsen endgültig erloschen sind. Aber sonst? Die Story vom Ex-Soldaten, der gegen eine durchgedrehte (oder vielleicht doch nicht durchgedrehte?) KI kämpft und sich dabei um ein kleines Roboter-Mädchen kümmern muss, fängt fulminant an. Aber nach dem ersten Kapitel geht es stetig bergab.

Die Geschichte lässt kalt

Das sieht zwar cool aus – aber wie oft soll man sich als Zuschauer für Bombenexplosionen und riesige Laserscanner begeistern? Auf Dauer ermüdet selbst Nietzsche die Wiederholung des immer Gleichen. Nicht jeder kann alles können. Edwards ist meisterhaft im Schaffen von realistisch wirkenden Zukunftswelten. Doch Emotionen sind nicht so sein Ding. Da können sich die Schauspieler noch so sehr bemühen, die Tränen in Strömen fließen und die Hans-Zimmer-Streicher im Soundtrack alles geben – die Geschichte lässt kalt. Je länger der Film dauert, desto mainstreamiger und uninteressanter wird er. Das letzte Drittel könnte glatt von Michael Bay inszeniert sein, und das ist nicht als Kompliment gemeint. Am Ende steht die Erkenntnis: Roboter sind die besseren Menschen. Halleluja.

Neues Feindbild: First reactions von Influencern. Da wird THE CREATOR als „ein Meisterwerk“ und als „neuer Klassiker“ gelobt, als der „beste Science-Fiction-Film in diesem Jahr“. Besser nicht hinhören. THE CREATOR ist ein gut aussehender, aber überlanger und schamlos zusammengeklauter Science-Fiction-Film, der kaum Eindruck hinterlässt.

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Originaltitel „The Creator“
USA 2023
133 min
Regie Gareth Edwards

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

A HAUNTING IN VENICE

A HAUNTING IN VENICE

Ab 14. September 2023 im Kino

Wie langweilig können 103 Minuten sein? Kenneth Branagh setzt mit seinem dritten Hercule-Poirot-Film neue Maßstäbe.

Venedig in den 1940er-Jahren. Noch keine Spur von Massentourismus. Morbide Stimmung in der ewig dem Untergang geweihten Stadt. Ein alter Palazzo, in dem die Geister von gequälten Kindern spuken. Peitschender Regen, Düsternis, ein Mord. Und mittendrin Hercule Poirot (Kenneth Branagh), der den Fall mit analytischem Verstand knacken will.

Todlangweiliges Schnarchfest

Klingt erst mal alles gut. Leider hat Regisseur Brannagh auch bei seiner dritten Agatha-Christie-Verfilmung vieles falsch gemacht. Obwohl Setting und Geschichte geradezu nach einem atmosphärischen, unheimlichen Thriller schreien, ist davon nichts zu spüren. A HAUNTING IN VENICE ist ein geschwätziges, todlangweiliges Schnarchfest.

Das Whodunit sieht dank famoser Ausstattung und exzentrisch weitwinkliger Kamera (Haris Zambarloukos) zwar ganz hübsch aus, doch weder die Figuren noch die Handlung wecken auch nur einen Funken Interesse. Von Spannung ganz zu schweigen. Die ganz großen Stars hat Branagh diesmal nicht verpflichtet (dabei macht der Cast aus aktuellen und ehemaligen Superstars ja gerade den Reiz der Agatha-Christie-Filme aus). Tina Fey, Michelle Yeoh und Jamie Dornan liefern solide Leistungen ab, doch für ihre zweidimensionalen Figuren interessiert man sich nie wirklich.

Bleibt die Erkenntnis, dass sogenannte „first reactions“ von Influencern ungefähr so ernst zu nehmen sind wie das Werbeversprechen, Nutella sei gesund. Da wird A HAUNTING IN VENICE als „großartig“ und das „Beste der drei Poirot-Abenteuer“ gelobt. Das Gegenteil ist der Fall: Seit dem annehmbaren MORD IM ORIENTEXPRESS verschlechterten sich die Filme von Mal zu Mal. Immerhin wurde diesmal weitestgehend in realen Sets gedreht, was gegenüber dem Greenscreen-Fiasko on TOD AUF DEM NIL ein kleiner Fortschritt ist.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A Haunting in Venice“
USA 2023
103 min
Regie Kenneth Branagh

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

RETRIBUTION

RETRIBUTION

Ab 14. September 2023 im Kino

Schon wieder fährt ein Mann mit einer Bombe im Auto durch die Großstadt. Diesmal tickt es unter dem Sitz von Liam Neeson.

2015 machte EL DESCONOCIDO aus Spanien den Anfang. Drei Jahre später folgte die deutsche Version des gleichen Stoffes: STEIG. NICHT. AUS! mit Wotan Wilke Möhring. Nun also der nächste Aufguss mit dem unkaputtbaren Liam Neeson in der Hauptrolle. Man sieht dem 71-jährigen Iren mittlerweile an, dass er seit Jahren von einem Gegen-die-Uhr-Thriller zum nächsten jagt. Als gestresster Geschäftsmann und Familienvater fährt er in RETRIBUTION mit dem Auto durch Berlin, während unter seinem Fahrersitz eine Bombe tickt. Steigen er oder seine beiden Kinder aus, fliegt alles in die Luft. Sandra Bullock kann davon ein Lied singen.

Es holpert gewaltig

Für deutsche Zuschauer, besonders Berliner interessant: RETRIBUTION wurde komplett in der Hauptstadt gedreht. Der Grund dafür müssen wohl Fördergelder sein, denn außer der üblichen „Wie kommen die mit einem Schnitt von da nach da?“-Spaßfrage könnte die Handlung genauso gut in London, New York oder Kassel spielen. Die Besetzung ist durchweg international, gesprochen wird englisch.

Nimród Antal – den Namen muss man sich merken. Denn der Regisseur trägt wohl die Hauptschuld daran, dass RETRIBUTION so schlecht ist. Dialoge, Schauspiel, Inszenierung: Es holpert gewaltig. Immerhin funktioniert die unfreiwillige Komik. Statisten stehen verloren in der Szene, als würden Sie noch auf das „Action“ des Regisseurs warten oder overacten, als sei dies ein Stummfilm. „Dad! Daaad!!“ Die beiden Kinder sind so nervig, dass man sich schon nach wenigen Minuten fragt, ob es nicht für alle Beteiligten besser wäre, wenn das Auto bald in die Luft flöge.

Nicht mal die Actionszenen können überzeugen: Die Verfolgungsjagden sind lahm und unglaubwürdig inszeniert – oder stellt die Berliner Polizei bei einer Straßensperre tatsächlich ihre Autos mit so großen Lücken auf, dass selbst ein SUV locker durchpasst? Obwohl RETRIBUTION nur 91 Minuten lang ist, schleppt es sich dahin wie eine Trabifahrt. Vor allem das übererklärende Ende ist zum Einschlafen. Praktisch: Im Trailer sind sämtliche Highlights zu sehen, sodass man sich den Kinobesuch doppelt sparen kann.

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Originaltitel „Retribution“
USA / Deutschland / Frankreich / Spanien 2023
91 min
Regie Nimród Antal

alle Bilder © STUDIOCANAL

THE INSPECTION

THE INSPECTION

Ab 24. August 2023 im Kino

In Elegance Brattons autobiografischem Film trifft MOONLIGHT auf FULL METAL JACKET. Ein Militärdrama mit gay-twist.

Der schwule Afroamerikaner Ellis French (Jeremy Pope) wird mit 16 von seiner homophoben Mutter (Gabrielle Union) verstoßen, neun Jahre später lebt er noch immer auf der Straße. Seine letzte Chance sieht er ausgerechnet in der Verpflichtung bei den US-Marines. Er hofft, sich und seiner streng-religiösen Mutter zu beweisen, dass er mehr „als eine obdachlose Schwuchtel“ ist. Das mehrwöchige Bootcamp und ein besonders sadistischer Ausbilder drohen den jungen Ellis zu brechen.

Jeremy Pope liefert eine oscarwürdige Leistung ab

Der Film von Drehbuchautor und Regisseur Elegance Bratton ist eine halb-autobiografische Erzählung über seine Zeit bei den Marines im Jahr 2005. Frei nach der DADT-Regel („Don’t ask, don’t tell“) wurden Anfang des Jahrtausends beim amerikanischen Militär Homosexuelle geduldet, solange sie nicht darüber reden. Ellis’ Problem ist, dass man ihm sofort anmerkt, was Sache ist. Nach einer unglückseligen Versteifung im Duschraum wird er nicht nur von Vorgesetzten, sondern auch von seinen Kameraden schikaniert.

THE INSPECTION fühlt sich stellenweise ein bisschen klischeehaft an, vor allem der Ausbilder (Bokeem Woodbine) wirkt wie eine Persiflage auf den legendären Sergeant Hartman aus FULL METAL JACKET. Dieses kleine Manko machen aber die Schauspieler mehr als wett: Klares Highlight ist Jeremy Pope, der in der Rolle des queeren Soldaten eine oscarwürdige Leistung abliefert und auch Gabrielle Union ist als seine kalte, distanzierte Mutter ausgezeichnet.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Inspection“
USA 2022
100 min
Regie Elegance Bratton

alle Bilder © X-Verleih

KANDAHAR

KANDAHAR

Ab 17. August 2023 im Kino

Zurück in die 90er-Jahre mit Gerard Butler. KANDAHAR ist ein Kriegsfilm von vorgestern.

Tom Harris (Gerard Butler) arbeitet als verdeckter CIA-Agent für hoch komplizierte Spezialeinsätze. Nachdem er im Iran eine unterirdische Atomanlage in den Boden sprengt und kurz darauf enttarnt wird, setzt er sich nach Afghanistan ab. Dort sind ihm nicht nur die Taliban, sondern die halbe iranische Armee und ein garstiger Killerspion auf den Fersen.

Nicht besonders mitreißend

Krieg wie gehabt: Hier die Generäle, die aus dem Hintergrund Befehle geben. Dort die Soldaten, die sich vor Ort die Hände schmutzig machen. Frauen haben in dieser Steinzeitwelt nichts verloren und tauchen höchstens am Telefon oder in Nebenrollen auf. Seit Winnetou hat sich nur die Wahl der Waffen geändert. Während sich früher Cowboys und Indianer mit Flinte und Pfeil und Bogen bekämpften, wird heute mit Maschinengewehr und Drohne gekillt.

KANDAHAR könnte locker 20 bis 30 Jahre alt sein. In den 90er und Nuller-Jahren standen für solche Filme Robert Redford oder (für die intellektuelleren Zuschauer) George Clooney vor der Kamera. Heute macht das Gerard Butler. Und der macht das, was er meistens macht: Den stoischen Haudrauf geben. KANDAHAR ist einer dieser Filme, die wahrscheinlich sehr kurz im Kino laufen und dann schnell bei einem Streaminganbieter landen. Das ist auch gut so, denn als Kriegsfilm ist er nicht besonders mitreißend und als Actionspektakel fehlt es ihm an Schauwert. Das Ganze ist vorhersehbar, nicht besonders glaubwürdig inszeniert und nur mäßig spannend. Kann man sich mal zu Hause anschauen, muss man nicht im Kino sehen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Kandahar“
USA 2023
119 min
Regie Ric Roman Waugh

alle Bilder © Leonine

BLUE BEETLE

BLUE BEETLE

Ab 17. August 2023 im Kino

Nachdem BARBIE und OPPENHEIMER nur vorübergehend Abwechslung auf die Leinwand brachten, kehren nun die Superhelden zurück.

Das ist mal wirklich eine originelle Idee: Einem (natürlich männlichen) Teenager wächst durch die Kraft eines antiken Skarabäus ein Zauberanzug, der ihm Superkräfte verleiht. Peter Parker und Tony Stark rollen mit den Augen – what else is new?

Die vorletzte Zuckung einer bereits vergangenen Ära

Immerhin das: In Angel Manuel Sotos Comicbuchverfilmung steht zum ersten Mal ein Latino (niedlich: Xolo Maridueña aus COBRA KAI) im Mittelpunkt der Handlung. Ansonsten ist BLUE BEETLE die vorletzte Zuckung einer bereits vergangenen Ära. Der im Dezember startende AQUAMAN 2 ist dann der finale Film, der unter alter DC-Führung in Auftrag gegeben wurde. Inzwischen haben James Gunn und Peter Safran das Ruder beim sinkenden Kahn übernommen und versprechen, endlich frischen Wind in das ewig Marvel hinterherhechelnde Studio zu blasen. Nötig ist es, denn zuletzt waren BLACK ADAM, SHAZAM! 2 und THE FLASH böse gefloppt. So richtig zündet das Reboot erst – wenn es denn zündet – 2025 mit James Gunns SUPERMAN: LEGACY (vorausgesetzt, die Drehbuchautoren- und Schauspielergewerkschaften haben sich bis dahin geeinigt).

Die Comicfigur Blue Beetle gibt es schon seit 1939, gehört aber trotzdem zu den unbekannteren Figuren des DC-Universums. Erfrischend, dass auch die schrägeren Comichelden eine Chance im Kino bekommen. Dass das keine schlechte Idee ist und überaus erfolgreich sein kann, haben James Gunns GUARDIANS OF THE GALAXY-Filme gezeigt.

BLUE BEETLE ist ein „Best-of“ Superheroes (von Spider-Man über Iron Man bis Hulk wird so ziemlich alles „zitiert“), hat ein paar gute Gags und penetriert ansonsten die übliche Botschaft: Familie geht über alles. Und sonst? Der Film ist besser als die letzten paar DC-Abenteuer, was keine große Kunst ist, leidet aber unter den gleichen Problemen wie alle Post-Snyder-Produktionen: zu bunt, zu albern, zu schlechter Look. Gegen die plastikhaften Effekte sieht die kitschigste Las-Vegas-Show hochwertig aus. Das färbt auch auf gestandene Schauspieler ab: Wer hätte gedacht, dass Susan Sarandon (hier als Bösewichtin) so schlecht sein kann? Aber vielleicht ist es auch egal, denn nach 15 Jahren Dauerbeschuss durch Marvel und DC hat sich eine schwere Superhelden-Fatigue breitgemacht. Die großen Erfolge von BARBIE und OPPENHEIMER zeigen: Die Zuschauer hungern nach neuen Geschichten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Blue Beetle“
USA 2023
125 min
Regie Angel Manuel Soto

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER

DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER

Ab 17. August 2023 im Kino

„Demeter“ ist nicht nur eine Biomarktkette, sondern auch das Schiff, auf dem sich Graf Dracula von den Karpaten nach London transportieren ließ.

Die Seereise des untoten Blutsaugers wird in einem Kapitel des Bram-Stoker-Romans „Dracula“ eher nebenbei erzählt. In älteren Verfilmungen wird die Fahrt auf der Demeter deshalb meist mit dem kurzen Einblenden einer Land- und Seekarte, auf der eine rote Linie die Route anzeigt, abgehakt. Nun hatte Universal die Idee, daraus einen abendfüllenden Spielfilm zu machen. Und der ist ungefähr so gruselig wie eine Folge der Kinderhörspielserie „Draculino“.

Schlichtweg langweilig

Analoge Effekte, düstere Stimmung (man sieht kaum was), einer nach dem anderen stirbt – der norwegische Regisseur André Øvredal hatte laut eigener Aussage „ALIEN auf einem Frachter 1897“ im Sinn. Obwohl er alle Register des klassischen Horrorfilms von Dauer-Unwetter, huschenden Schatten und knarrendem Gebälk zieht, hat DIE LETZTE REISE DER DEMETER ein großes Problem: Sie ist schlichtweg langweilig. Es will trotz guten Stils keine Spannung aufkommen. Bis auf ein, zwei Schockeffekte setzt schnell das große Gähnen ein.

Die Universal-Studios geben nicht auf. Das immerhin muss man dem x-ten Versuch, ein „Dark Univers“ zu kreieren, zugutehalten. Nach dem legendären Flop THE MUMMY weckte die Low-Budget-Produktion THE INVISIBLE MAN kurz Hoffnung, aus den angestaubten 30er-Jahre-Filmmonstern doch noch eine erfolgreiche Crossover-Welt à la MCU zu schaffen. DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER macht diesen Plan mit einem lachhaft schlechten Drehbuch wieder zunichtet. Schade um die guten Schauspieler, die hier alle hoffnungslos unterfordert bleiben.

Der Markt wird es richten – es wäre der größte Schocker, wenn der zahnlose Vampirfilm Erfolg an der Kinokasse hätte. Wem der Sinn nach echtem Horror auf einem Schiff im 19. Jahrhundert steht, dem sei die fantastische Miniserie THE TERROR empfohlen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Last Voyage of the Demeter“
USA / Deutschland 2023
118 min
Regie André Øvredal

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

PAST LIVES

PAST LIVES

Ab 17. August 2023 im Kino

Was wäre, wenn? Simple Entscheidungen können das Leben in dramatisch andere Richtungen wenden. Celine Songs zarte Liebesgeschichte über verpasste Chancen war der Publikumsliebling bei der Berlinale 2023.

Das kennt man aus der eigenen Kindheit: Eltern ziehen um, und schwups verschwindet der beste Freund oder die beste Freundin aus dem Leben. So geht es auch Hae Sung und Nora, als deren Familie aus Südkorea in die USA emigriert. 20 Jahre später treffen sich die Kindheitsfreunde in New York wieder, wo Nora inzwischen mit ihrem amerikanischen Mann lebt.

Das Festival-Publikum liebt PAST LIVES

Mit PAST LIVES – IN EINEM ANDEREN LEBEN gibt Celine Song ihr Kinodebüt als Regisseurin und Drehbuchautorin und geht den schicksalhaften „Was wäre, wenn…“-Fragen des Lebens klug und berührend auf den Grund. In den Hauptrollen spielen die wunderbare Greta Lee, Teo Yoo und John Magaro.

Das Festival-Publikum liebt PAST LIVES – in Berlin wie in Sundance. Und tatsächlich, beim Thema verpasste Chancen kann sich wohl jeder wiederfinden … wäre der Jugendfreund vielleicht doch der bessere Ehepartner gewesen? Aber niemand ist umsonst da, wo er ist und hat den Menschen geheiratet, den er geheiratet hat – so das Fazit des Films. Am Ende der berührenden Lebens- und Liebesgeschichte fließen die Tränen. Sowohl auf der Leinwand – als auch im Publikum.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Past Lives“
USA 2022
106 min
Regie Celine Song

alle Bilder © STUDIOCANAL

GRAN TURISMO

GRAN TURISMO

Ab 10. August 2023 im Kino

Von der Spielekonsole nach Le Mans - GRAN TURISMO erzählt die wahre und wahrhaft unglaubliche Geschichte eines Gamers, der zum erfolgreichen Rennfahrer wird.

Und da ist auch schon der erste inhaltliche Fehler: Gamer. Denn Gran Turismo ist kein klassisches Videospiel, sondern eine höchst komplexe Fahrsimulation. Lenkrad und Gaspedal inklusive. Und damit kennt sich der 17-jährige Jann Mardenborough (Archie Madekwe) bestens aus. Seine große Stunde schlägt, als der Marketingchef von Nissan Danny Moore (leicht schmierig und immer hart am Rande des overactings: Orlando Bloom) auf die Idee kommt, gemeinsam mit Sony PlayStation ein Fahrercamp einzurichten, um dort die besten Spieler der Welt zu echten Formel-3-Piloten auszubilden. Mit strenger Hand nimmt der Ex-Rennfahrer Jack Salter (schön schlecht gelaunt: David Harbour) die jungen Talente in die Mangel, bis der Beste von ihnen reif für sein erstes echtes Rennen ist.

Es riecht nach Adrenalin und Gummireifen

Viel Story gibt es in den 134 Minuten nicht. Neben den ohne großen Tiefgang erzählten Problemen Janns mit seinem Vater (hat er Verständnis? hat er kein Verständnis?) und einer ausgesprochen untertemperierten Liebesgeschichte konzentriert sich GRAN TURISMO vor allem auf zwei Dinge: schamlos Werbung für das Produkt PlayStation zu machen und jede Menge Autorennen. Die allerdings haben es in sich. Unglaublich rasant inszeniert und selbst bei der x-ten Wiederholung nicht langweilig. Im Gegensatz zu den mittlerweile lachhaften CGI-Schlachten der FAST AND FURIOUS-Reihe riechen die Rennszenen hier nach Adrenalin und Gummireifen, wirken extrem realistisch. Mit David Harbour und Archie Madekwe hat Blomkamp zudem zwei charismatische Hauptdarsteller, die selbst Drehbuch-Peinlichkeiten professionell wegspielen. In Nebenrollen, so klein, dass man sie fast verpasst, sind Maximilian Mundt (HOW TO SELL DRUGS ONLINE (FAST)) und der unvermeidliche Thomas Kretschmann dabei.

Vom bejubelten DISTRICT 9 über den nicht mehr ganz so geglückten ELYSIUM bis zum schrottigen DEMONIC verschlechtert sich der Output des südafrikanischen Regisseurs Neill Blomkamp von Film zu Film. GRAN TURISMO ist zwar keine Rückkehr zur Topform, aber immerhin mitreißende Unterhaltungsware, die ihren Zweck erfüllt. Die Adaption vom Spiel (nein: Simulation) zum Spielfilm ist geglückt – nicht das Game, sondern die Gamer sind clever in den Mittelpunkt der Handlung gerückt. Ob sich allerdings außer männlichen Teenagern genügend Zuschauer für den abendfüllenden Sony-Werbespot interessieren, bleibt abzuwarten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Gran Turismo“
USA 2023
134 min
Regie Neill Blomkamp

alle Bilder © Sony Pictures

HYPNOTIC

HYPNOTIC

Ab 10. August 2023 im Kino

Das INCEPTION des armen Mannes: Ben Affleck jagt als Cop einen hypnotisierenden Bankräuber durch Traumwelten.

Kurz auf dem Spielplatz nicht aufgepasst, schon ist das ganze Leben im Arsch. Seit der Entführung seiner Tochter versinkt Detective Danny Rourke (Ben Affleck) in Trauer und Verzweiflung. Doch dann stößt er bei den Ermittlungen zu einer Serie von Banküberfällen auf eine Spur seiner vermissten Tochter. Zusammen mit Diana Cruz (Alice Braga) macht er sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Bankräuber (William Fichtner), der sein Umfeld auf mysteriöse Weise kontrollieren kann.

Bedient sich schamlos bei INCEPTION

Da wird die Hypnosekröte neidisch! Menschen, die andere Menschen manipulieren und dazu bringen, schlimme Dinge zu tun. Der zweite M. Night Shyamalan Hollywoods, Robert Rodriguez, stellt mit seinem neuen Film HYPNOTIC nicht nur die Welt auf den Kopf, sondern auch die Geduld der Zuschauer auf die Probe. Gut eine Stunde muss man über sich ergehen lassen, bevor die krude Story mit einer überraschenden Wendung vorübergehend die Kurve kriegt. Bis dahin kann man kaum glauben, wie unterdurchschnittlich, um nicht zu sagen schlecht HYPNOTIC ist.

Regisseur Rodriguez ist für seine sparsame Arbeitsweise bekannt. Doch diesmal hat er es übertrieben: Sein neuer Psychothriller sieht wie ein billig produzierter TV-Pilotfilm aus, der sich schamlos bei INCEPTION bedient. Es gibt zwar im Mittelteil ein paar clevere Drehbucheinfälle, doch in keinem Moment wird die komplexe Genialität des Christopher Nolan-Films erreicht. Erstaunlich, dass sich Ben Affleck für so einen Schmarren hergibt. Eben noch zu alter Form in AIR zurückgefunden, nun Hauptdarsteller in einem C-Picture? Kein Wunder, dass der Oscar-Preisträger mit mahlendem Kiefer, starrem Blick und düsterer Batman-Resterampe-Stimme auf Autopilot spielt.

Ein lachhaft schlechter Anfang entwickelt sich zu einem halbwegs interessanten Thriller, der am Ende mit einer Über-Erklärung für Doofe alles wieder zunichtemacht. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Hypnotic“
USA 2023
93 min
Regie Robert Rodriguez 

alle Bilder © TELEPOOL

GEISTERVILLA

GEISTERVILLA

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Cash Grab: A product designed primarily or solely with the intent of generating profits or money. Der neue Disney-Film GEISTERVILLA ist Cash Grab in Reinstform.

Auf dem Stoff liegt kein Segen: Schon die 2003-Version mit Eddie Murphy war verflucht schlecht. Basierend auf der Vergnügungspark-Attraktion „The Haunted Mansion“ in Disneyland ist dies der zweite Versuch, aus keiner Story über ein Gespensterhaus einen Film zu zimmern. Ein Thrillride als Drehbuchidee kann unter Umständen funktionieren – wie beim ersten PIRATES OF THE CARRIBEAN – oder komplett schiefgehen, wie nun Justin Simiens lieb- und seelenlose Gruselkomödie zeigt.

Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten

Die unoriginelle Geschichte – eine von Geisterfotograf Ben zusammengewürfelte Truppe von Experten will der frisch in einer Südstaaten-Villa eingezogenen Sarah und ihrem 9-jährigen Sohn helfen, ungebetene Hausgeister loszuwerden – ist zwar mit namhaften Darstellern besetzt (unter anderem Danny DeVito, Jamie Lee Curtis, Owen Wilson), doch die Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten.

GEISTERVILLA funktioniert auf so vielen Ebenen nicht, dass es schon fast unheimlich ist. Man fragt sich, wer hat entschieden, den Film in dieser Version in die Kinos zu bringen? Ein Haus voller Untoter in New Orleans wäre eigentlich eine hübsche Ausgangsidee, wenn Drehbuch und Regie ein bisschen Humor oder wenigstens Mut zu echtem Schrecken hätten. Doch das Ganze ist so öde wie die Fahrt in einer Kirmesgeisterbahn am helllichten Tag.

Trotz aller gezogenen Spukhaus-Register kommt keinerlei Spannung oder gar Horror auf. Miserables Timing sorgt dafür, dass so gut wie jeder Gag verpufft. Na schön, der Film ist für ein junges Publikum gemacht. Aber selbst 10-Jährige dürften sich bei dem unter anderem von Burger King sehr sichtbar gesponserten Geisterquatsch zu Tode langweilen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Haunted Mansion“
USA 2023
123 min
Regie Justin Simien

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

OPPENHEIMER

OPPENHEIMER

Ab 20. Juli 2023 im Kino

Mehr Vielfalt geht nicht: Heute starten OPPENHEIMER und BARBIE parallel in den Kinos. Die US-Presse tauft den Boxoffice-Showdown der ungleichen Großproduktionen passenderweise „Barbenheimer“. Die Wetten stehen im Moment eher zugunsten BARBIE - Ist OPPENHEIMER wirklich zu intellektuell und anspruchsvoll für die breite Masse?

Ein neuer Film von Christopher Nolan: Das kann alles zwischen großartig und Kopfschmerzen bedeuten. Besonders in seinem letzten Werk TENET verzettelte sich der britische Regisseur in einer nicht nachvollziehbaren Story um den nonlinearen Ablauf von Zeit. Wer den Film verstanden hat, möge sich bitte melden. Aber natürlich steht Nolan auch für maximales Actionkino mit Hirn. INCEPTION, INTERSTELLAR oder die DARK KNIGHT-Trilogie sind moderne Klassiker. OPPENHEIMER, so viel Spoiler sei erlaubt, erzählt eine Geschichte, der man (halbwegs) folgen kann.

Größtmöglicher Schau- und Unterhaltungswert

Joseph M. Oppenheimer ist als Erfinder der Atombombe berühmt-berüchtigt. Erst nach den verheerenden Folgen von Hiroshima und Nagasaki ändert sich seine Haltung grundlegend, sodass ihn im paranoiden Amerika der 50er-Jahre bald das FBI ins Visier nimmt. „Er muss die Zerstörung der Welt riskieren, um sie zu retten“, wie das Presseheft den Kern der Story etwas reißerisch auf den Punkt bringt.

Nolan weiß genau, wie man selbst ein Biopic über einen nerdigen Wissenschaftler mit größtmöglichem Schau- und Unterhaltungswert inszeniert. Dazu hat er ein einfaches Erfolgsrezept entwickelt: Er schart die besten Leute um sich. Die in Schwarzweiß und Farbe gedrehten Bilder von Kameramann Hoyte van Hoytema sind so schön, dass man sich jedes einzelne Frame ausgedruckt an die Wand hängen möchte. Ludwig Göranssons Score erreicht Hans-Zimmer-Größe, Ausstattung, Schnitt, Sound – alles ist vom Feinsten.

Spektakulär auch die Besetzung: Cillian Murphy spielt den Vater der Atombombe mit Borderline verrückter Eleganz. Robert Downey jr. war lange nicht mehr so gut und schön aasig wie hier, Emily Blunt hat als Oppenheimers Ehefrau Kitty vor allem gegen Ende des Films eine grandiose Szene. In prominenten Nebenrollen sind unter anderem Gary Oldman, Casey Affleck, Rami Malek, Kenneth Branagh, Florence Pugh und Matt Damon dabei.

OPPENHEIMER ist ein erzählerischer und technischer Triumph in IMAX-Format gedreht. Größer und anspruchsvoller wird Kino in diesem Sommer nicht mehr. Und wer gewinnt nun den Barbenheimer-Showdown? Ganz klar, OPPENHEIMER ist der um Längen bessere Film. Aber gegen ein bisschen pinke Zuckerwatte zum Nachtisch ist auch nichts einzuwenden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Oppenheimer“
USA 2023
180 min
Regie Christopher Nolan

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

BARBIE

BARBIE

Ab 20. Juli 2023 im Kino

Die Zeichen stehen auf Pink - und nein, es liegt zwar auf der perfekt manikürten Plastikhand - aber in dieser Kritik wird auf keinen Fall „Barbie Girl“ von Aqua zitiert.

Warum auch? Greta Gerwigs nach gefühlt ewigem Hype endlich das Licht der Leinwand erblickende Film ist weit von miesem Eurodancetrash entfernt. BARBIE ist die wunderbar groteske Antwort auf die Frage: Was wäre, wenn sich Barbie und Ken aus ihrer makellosen Mattel-Plastikwelt in unsere Realität verirrten? Die Musik-Komödie ist gleichzeitig ein schlauer Kommentar auf unsere komplett dem Konsum und Oberflächlichkeiten erlegene Gesellschaft.

Knallbunte Lektion in Sachen Emanzipation

Aber keine Sorge: Schlau muss nicht langweilig sein. Dafür sorgen die perfekt besetzten Schauspieler, allen voran Margot Robbie, die dem ewig gut gelaunten Puppentraum fast aller Mädchen dank Existenzkrise eine erstaunliche Tiefe verleiht. Und Ryan Gosling stiehlt ihr als dumm-geiler Ken mit nacktem Oberkörper fast die Show.

Natürlich ist BARBIE vor allem ein einziger Augenschmaus. Vorausgesetzt, man hat keine Pink-Phobie. Aber an Sets und Kostümen kann man sich kaum sattsehen. Das ist ein herrlich künstlicher Fiebertraum und trotzdem niemals platt oder zu viel. Und wenn, dann nur im Liberace-Sinne.

BARBIE ist alles, was der Trailer verspricht … und ein bisschen mehr. Besonders die zweite Hälfte ist eine knallbunte und kindgerechte Lektion in Sachen Emanzipation. Kleine Mädchen mithilfe einer konsumbesessenen Plastikpuppe in ihrem Selbstbewusstsein stärken: Mehr kann man von einem Sommer-Blockbuster nicht erwarten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Barbie“
USA / GB 2023
114 min
Regie Greta Gerwig

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING TEIL EINS

MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING TEIL EINS

Ab 13. Juli 2023 im Kino

Mission accepted: Tom Cruise rettet nach TOP GUN: MAVERICK erneut das Sommerkino.

Kein Spoiler: Ethan Hunt und sein Team müssen die Welt retten. Mal wieder. Tagesaktuell wie selten ist die Bedrohung im siebten Teil der Franchise-Reihe eine Art Super-ChatGPT. Die artifizielle Intelligenz will (was sonst?) die Weltherrschaft übernehmen. Da blinkende Computerdisplays nicht besonders furchteinflößend sind und auf Dauer keinen allzu hohen Unterhaltungswert haben, gibt es natürlich auch Bösewichter aus Fleisch und Blut.

Traue nichts und niemandem

Seit Christopher McQuarrie im fünften Teil die Regie übernommen hat, lieben Fans die Mission: Impossible-Filme besonders wegen ihrer real gedrehten Stuntszenen. Tom Cruise geht dabei keiner Gefahr aus dem Weg, lässt sich an startende Flugzeuge schnallen, stellt neue Tauchrekorde auf oder klettert wie Spiderman am Burj Khalifa über die Glasfassade. Ganz ohne Trickserei. Das hebt die Filme wohltuend von den oft faden CGI-Schlachten der Marvel- und DC-Produktionen ab.

Wie bei Bond sollte man allerdings keine tiefschürfende Handlung erwarten. DEAD RECKONING ist eine Non-Stop-Hetze nach einem MacGuffin rund um die Erde. Die perfekt choreografierten Verfolgungsjagden, Schießereien und Stunts sind gewohnt atemberaubend. Weil das alleine keinen zweiteiligen Kinofilm rechtfertigt, gibt es dazwischen etwas langatmige Dialoge, in denen wieder und wieder der Plot erklärt wird. Wer am Ende der 164 Minuten immer noch nicht kapiert hat, dass ein blinkender Schlüssel über Wohl und Wehe der Menschheit entscheidet, leidet wohl an ADHS.

Seit dem Bild vom Papst im Daunenmantel gilt: Traue nichts und niemandem. Auch den Meistern der Täuschung vom IMF-Team fallen ihre eigenen Tricks vor die Füße. Da die lernfähige AI digitales Bildmaterial und sogar Stimmen über Funk manipulieren kann, muss auf altmodische Technik zurückgegriffen werden. Eine besonders hübsche Szene zeigt die Konsequenzen des digitalen Super-GAUs: Da sitzen Hundertschaften von Regierungsangestellten an altmodischen Schreibmaschinen und tippen die staatlichen Topsecret-Unterlagen ab. Sicher ist sicher. Wie es ausgeht und ob Tom wirklich die Menschheit vor dem Untergang bewahren kann, erfahren wir erst im nächsten Jahr – dann startet DEAD RECKONING TEIL 2.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One“
USA 2023
164 min
Regie Christopher McQuarrie

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

LOVE AGAIN

LOVE AGAIN

Ab 06. Juli 2023 im Kino

Flirten für Dummies. Reich werden für Dummies. BWL für Dummies. Schneckenzucht für Dummies. Von der berühmten US-Buchreihe gibt es mittlerweile unzählige Titel. Komplexe Themen einfach erklärt. LOVE AGAIN ist Romantic Comedy für Dummies.

Wenn zwischen zwei Verliebten im Café die Gespräche tief und die Blicke lang und intensiv sind, der Mann beim Rausgehen noch einmal schmachtend schaut – dann ahnt selbst der ahnungsloseste Zuschauer: Gleich passiert etwas Schlimmes. Und schon macht‘s Quietsch und Krach. Tot. Zwei Jahre später trauert Mira noch immer um ihre große Liebe. Eines besonders trüben Abends beschließt sie weinselig, ihrem toten Freund eine sms zu schicken. Die landet auf dem Handy von Rob, einem Musik-Journalisten, der gerade eine große Story über Céline Dion schreibt. Haha, dabei hört er privat viel lieber Rockmusik. Witzige Drehbuchidee. Wie die Liebesschnulze weitergeht, kann man sich denken.

LOVE AGAIN ist das US-Remake von SMS FÜR DICH

Wem das vage bekannt vorkommt – LOVE AGAIN ist das US-Remake des deutschen Kinoerfolgs SMS FÜR DICH von Karoline Herfurth. Allerdings macht die Neuverfilmung alles gründlich falsch. Aus einer charmanten Berlin-Komödie wird eine Romcom nach Schema F. F wie fad. Der größte Unterschied zum Original: LOVE AGAIN ist ein plumpes Werbevehikel für Céline Dion. Die spielt sich selbst und das gar nicht mal so gut. Die Sängerin verbrät ihre eigene tragische Liebesgeschichte und den Tod ihres Mannes, gibt öde Kalenderratschläge und singt ein paar Lieder.

Jede Wendung ist vorhersehbar, jede Emotion wird erklärt: Filmemachen für Dummies. Ein unglaubwürdiger Blödsinn, den man sich nicht einmal auf Netflix antun möchte. Vertane Zeit.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Love Again“
USA 2023
104 min
Regie Jim Strouse

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS

Ab 29. Juni 2023 im Kino

Da da da da ... da da da ... da da da da ... da da da da da: Indy is back in einem Best-of-Abschluss der Abenteuer-Saga.

„Regisseur James Mangold versucht verzweifelt, den Zauber des Hollywood-Films alter Schule wiederzuerlangen, greift dabei aber nur auf die abgenutzten Werkzeuge des heutigen Blockbuster-Filmemachens zurück.“

„… ein pflichtbewusstes, aber letztlich eher freudloses Stück nostalgischen Humbugs.“

„…eine fast völlige Zeitverschwendung und eine Erinnerung daran, dass manche Relikte besser dort bleiben sollten, wo sie hingehören.“ 

Keine Liebe für Indiana Jones: Die Kritiken sind – zumindest in den USA –  harsch. Da wird sich über „künstlich aussehende Bilder“ mokiert, die Geschichte sei albern und der Film insgesamt höchstens „ok“. 

Ein in Würde gealterter Harrison Ford

Das Gemecker kann man getrost ignorieren. Denn das fünfte und zu 99,9 % letzte Abenteuer (zumindest mit Harrison Ford) des fedoratragenden und peitschenschwingenden Archäologieprofessors hat alles, was man sich von echtem Kintopp erhoffen darf. Ja, der in den Anfangsszenen digital verjüngte Ford sieht ein bisschen wie eine animatronische Puppe aus. Ja, der Film ist mit 154 Minuten deutlich zu lang – aber welcher Film ist das heutzutage nicht? Und ja, eine Verfolgungsjagd weniger hätte auch nicht geschadet – aber – Indiana Jones hat (wie STAR WARS) seine Wurzeln in den Abenteuer-Serials der 30er-Jahre. Da geht es nicht um tiefschürfende Geschichten. Alles was zählt, sind Spannung und Action. Und dass die Effekte dabei manchmal ein bisschen künstlich aussehen, ist ja gerade Teil des Spasses.

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS ist ein wunderbar altmodischer Sommer-Blockbuster. Fans bekommen alles, was das Herz begehrt: fiese Nazis (mit einem ausgezeichneten Mads Mikkelsen), Non-stop-Action, exotische Locations, geheimnisvolle Grabkammern und einen in Würde gealterten, brummig-charmanten Harrison Ford. Nur die Damsel in Distress hat ausgedient und ist mit Phoebe Waller-Bridge als selbstbewusste und schlagkräftige Partnerin in der Neuzeit angekommen. Ein würdiger Abschluss nach 40 Jahren Abenteuer.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Indiana Jones and the Dial of Destiny“
USA 2022
154 min
Regie James Mangold

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

ASTEROID CITY

ASTEROID CITY

Ab 15. Juni 2023 im Kino

Nichts Neues aus der absurden Welt des Wes Anderson. ASTEROID CITY ist eine schräge-schlaue Komödie in Technicolor mit Starbesetzung.

Wer Wes Anderson bestellt, der bekommt Wes Anderson. Der Regisseur, der seit vielen Jahren gefühlt den immer gleichen Film in wechselnden Settings dreht, liefert mit ASTEROID CITY ein gewohnt liebenswert-spinnertes, überartifiziell inszeniertes Theaterstück. Die Besetzung liest sich wie das who is who von Hollywood. Es wäre wahrscheinlich einfacher, die Stars aufzuzählen, die NICHT in ASTEROID CITY mitspielen. Achtung, jetzt kommt eine lange Liste:

Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Steve Carell, Matt Dillon, Willem Dafoe, Margot Robbie, Jeff Goldblum und und und.

Dauert das noch lange?

Als Rahmenhandlung dient eine von Bryan Cranston moderierte Fernsehsendung aus den Fünfzigerjahren, die in Asteroid City, irgendwo in der amerikanischen Wüste spielt. Dort landet ein Außerirdischer, klaut den namensgebenden Mini-Asteroiden und haut mit seiner fliegenden Untertasse in den Nachthimmel ab. Die Kleinststadt wird darauf vom Militär zur Sperrzone erklärt, und so werden eine Reihe eigenwilliger Charaktere für ein paar Tage zur Zwangsgemeinschaft verdonnert. Keine Angst, Science-Fiction ist ASTEROID CITY nicht.

Wie so oft hat Anderson auch seinen neuen Film in Kapitel inklusive Zwischentafeln unterteilt. Die Struktur bewirkt, dass man sich spätestens nach dem zweiten Akt unweigerlich fragt: Dauert das noch lange? Denn die detailverliebten Sets und furztrocken ironisch agierenden Figuren kennt man bis zum Überdruss aus anderen Werken des Regisseurs. Jammern auf hohem Niveau: Die Schauspieler sind natürlich alle in Topform, die Dialoge schnittig, die Kulissen schön bunt und es gibt immer wieder niedliche Szenen, die die Fans begeistern werden. Es ist halt wie immer: alles hübsch, alles clever, alles Anderson – und ein kleines bisschen ermüdend.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Asteroid City“
USA 2023
105 min
Regie Wes Anderson

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

THE ADULTS

THE ADULTS

Ab 08. Juni 2023 im Kino

Nicht immer stinken Besuch und Fisch nach drei Tagen, manchmal kommt ein Familientreffen dann erst richtig in Schwung. Wie in THE ADULTS, einem Erwachsenenfilm frei ab 12.

„Alle glücklichen Familien ähneln einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“, wissen wir bereits seit Anna Karenina. Irgendwo dazwischen dürften die drei Geschwister anzusiedeln sein, deren muntere Mittelmäßigkeit die Dramedy THE ADULTS thematisiert.

Ein Film übers Erwachsen-geworden-sein

Als Pokerspieler Eric (Michael Cera) nach längerer Abwesenheit auf Stippvisite in seine Heimatstadt zurückkehrt, sind die Reaktionen gemischt. Seine mittlerweile geschiedene Schwester Rachel (Hannah Gross) wohnt wieder im Elternhaus und spart nicht mit Vorwürfen. Maggie (Sophia Lillis), die Jüngste, die sich durch Uni und Nebenjobs mäandert, charmiert und schmollt im Wechsel. Selbst die alte Zockerrunde lässt sich nicht ohne weiteres wieder zusammentrommeln.

Dass aus Kindern Leute werden, ist so banal wie anstrengend und selten so beiläufig und angenehm unaufgeregt im Kino dargestellt worden wie in THE ADULTS. Ein Film übers Erwachsen-geworden-sein, über Geschwisterliebe und verlorene Söhne.

Unter der Regie von Dustin Guy Defa entstand ein Psychogramm, das vor allem von seinen drei Hauptdarstellern getragen wird. Einzig die nachgeahmten TV-Dialoge, Teenietänzchen und Insiderspäßchen sind überdosiert und nervtötend. Der fremde Familienknatsch – insbesondere für Einzelkinder – durchaus interessantes Anschauungsmaterial.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Adults“
USA 2023
91 min
Regie Dustin Guy Defa

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

SPIDER-MAN: ACROSS THE SPIDER-VERSE

SPIDER-MAN: ACROSS THE SPIDER-VERSE

Ab 01. Juni 2023 im Kino

Multiversum und kein Ende. Nach diversen Marvel-Filmen spinnt nun die langerwartete Fortsetzung des Überraschungserfolgs A NEW UNIVERS die komplizierten Parallelwelten weiter. Ist der zweite Teil so gut wie der erste?

Selbst Menschen, die sich einen feuchten Kehricht um Superhelden- oder Zeichentrickfilme oder gar beides scheren, müssten am Vorgängerfilm SPIDER-MAN: A NEW UNIVERS ihren Spaß gehabt haben. Das liegt zum einen an der packend inszenierten Story, einem bahnbrechenden visuellen Stil und vor allem dem mitreißenden Soundtrack, mit dem die Geschichte vom freundlichen Spinnenjungen Miles Morales erzählt wird. Bei den Academy Awards 2019 gewann A NEW UNIVERS sogar den Oscar für den besten animierten Film. Die Latte liegt also hoch.

Das bisherige Superhelden-Highlight des Jahres

Die Zeitspanne zwischen Pressescreening und Kinostart wird immer kürzer. Zu kurz, um sich eine humorige Analyse aus den betäubten Fingern zu saugen. Zudem hat der Verleih um inhaltliches Stillschweigen gebeten. Die Sorge ist unbegründet, denn um zu spoilern, müsste man die Handlung wiedergeben, und um die mit all ihren Querverweisen und Eastereggs zu verstehen, müsste man mindestens zehn Semester Comicologie studiert haben.

Miles Morales muss sich diesmal mit noch mehr Spider-People herumplagen, das wird schon im Trailer verraten. Wie die (drei!) Regisseure 60 Jahre Spider-Man-Historie in den Film packen und dabei nie das große Ganze aus dem Blick verlieren, das ist schon meisterhaft. Zudem trägt ACROSS THE SPIDER-VERSE vielleicht als erster Film seinen Comic-Wurzeln zu 100 % Rechnung.

Kurz und knapp und spoilerfree: Mindestens so gut wie der Vorgänger. 140 Minuten vergehen wie ein Flug durch Hochhausschluchten. Und mittendrin ist‘s schon vorbei. Die Fortsetzung folgt im nächsten Jahr. SPIDER-MAN: ACROSS THE SPIDER-VERSE: Das bisherige Superhelden-Highlight des Jahres.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Spider-Man: Across the Spider-Verse“

USA 2023

140 min

Regie Joaquim Dos Santos, Kemp Powers und Justin K. Thompson 

alle Bilder © Sony Pictures

PEARL

PEARL

Ab 01. Juni 2023 im Kino

Ein gut geshakter Cocktail mit viel Blut: Regisseur Ti West hat für seinen neuen Slasher-Film ein paar Genre-Klassiker neu gemixt.

Man fülle einen guten Schuss PSYCHO ins Glas, dazu 0,5 cl TEXAS CHAINSAW MASSACRE, einen Spritzer UNSERE KLEINE FARM oder ersatzweise DIE WALTONS, gieße das Ganze großzügig mit WHATEVER HAPPENED TO BABY JANE? auf, gut schütteln – fertig ist PEARL. Das Prequel zum Überraschungserfolg X erzählt von den Jugendjahren der durchgeknallten Farmbesitzerin Pearl, die im Vorgänger-Film ein Siebzigerjahre-Porno-Drehteam killte.

Schock! Camp! Blutrausch!

USA 1918, in the middle of nowhere. Während andere Hunger leiden oder von der damals wütenden Spanischen Grippe dahingerafft werden, geht es Pearls Familie verhältnismäßig gut. Auf den ersten Blick. Doch hinter den Fliegengittern rumort es. Der Vater vegetiert als sabbernder Pflegefall im Rollstuhl, die Mutter ist ein verbittertes Biest und bei Pearl sitzt ein ganzer Schraubenkasten locker. So hat sie beispielsweise große Freude daran, friedliche Tiere mit einer spitzen Heugabel aufzuspießen und sie ihrer Freundin, dem Krokodil Theda zum Fraß vorzuwerfen. Ansonsten plant sie, eine berühmte Tänzerin zu werden und in die große weite Welt des Showbusiness zu ziehen. Lalala. Als im Gemeindehaus ein Vortanzen für eine christliche Revue stattfindet, wittert Pearl ihre Chance.

Schock! Camp! Blutrausch! Fans von X werden nicht enttäuscht sein. PEARL ist eine Perle des Horrorfilms im Technicolor-Look mit einer herausragenden Mia Goth in der Titelrolle. Ihre Darstellung der langsam immer verrückter werdenden jungen Frau ist eine schauspielerische Meisterleistung, furchteinflößend und tragisch zugleich. Höhepunkt ist ihr minutenlanger One-Take-Monolog gegen Ende des Films – grandios. Am besten als Double-Feature in umgekehrter Reihenfolge genießen: zuerst PEARL, dann X.

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Originaltitel „Pearl“
USA 2022
102min
Regie Ti West

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RENFIELD

RENFIELD

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Was tun, wenn der Chef ein echter Blutsauger ist und die Kündigungsfrist 100 Jahre beträgt? „Renfield“ erzählt die sterbenslangweilige Selbstfindungsgeschichte eines devoten Untoten.

Wie Siebenbürgens anderer Exportschlager Peter Maffay verweigert auch Ex-Transsylvanier Graf Dracula (Nicolas Cage) vehement den wohlverdienten Ruhestand. Schurigelt stattdessen im New Yorker Exil sein Faktotum Renfield (Nicholas Hoult), der ihn mit blutjungen Cheerleaderinnen und anderen Leckerbissen versorgt und ausgerechnet bei den Anonymen Beziehungsgeschädigten moralische Unterstützung sucht.

Auch die Besetzung reißt es nicht raus

Klingt albern, ist es leider nicht. Eher überfrachtet mit Prototypen sämtlicher Genres. Denn das unterbelichtete Reich des Fürsten der Finsternis wird bevölkert von dumpfbackigen Kleinkriminellen, Mobstern und korrupten Cops. Bram Stokers 1897 erschienene Horror-Novelle ist nicht totzukriegen, wurde seit der Stummfilmzeit mehr als zweihundertmal adaptiert. Was Chris McKay nun bewog, den Klassiker zu einer unspaßigen Komödie zu verhunzen, weiß der Regisseur allein.

Auch die Besetzung reißt es nicht raus: Nicholas Hoult als kulleräugiger Demkannmaneinfachnichtbösesein und Nicolas Cage, grimassierend und chargierend, dass man den Pflock ansetzten möchte. Einziger Lichtblick ist Awkwafina als toughe Polizistin, die ihre männlichen Filmkollegen an die Wand spielt – und prügelt. Wirklich spitze sind hier nur die Zähne, wahrhaft schauerlich die deutsche Synchronisation.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Renfield“
USA 2023
93 min
Regie Chris McKay

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU

ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Fünf Gründe, weshalb man sich die kitschige Neuverfilmung von der kleinen Meerjungfrau sparen kann

Disney hat es schon wieder getan und einen seiner Zeichentrickklassiker zu einem Realfilm verhunzt. Die simple Geschichte ist bekannt: Arielle verliebt sich in Prinz Erik. Da Meerjungfrauen der Umgang mit Menschen verboten ist, geht sie einen Pakt mit der bösen Meerhexe Ursula ein. Sie bekommt für drei Tage Beine, muss aber in dieser Zeit vom Prinzen geküsst werden.

„Under the Sea“ - das einzige Highlight des Films

Erstens: Notiz an mich selbst – Wenn man Musicals nicht mag, sollte man sich keine anschauen.

Zweitens: ARIELLE beeindruckt zwar technisch, ersäuft aber in quietschbuntem Las-Vegas-Kitsch.

Drittens: Halle Bailey singt ihre Powerballaden so laut und penetrant, dass es in den Ohren schmerzt. Im Gegensatz zu anderen Disney-Musicals hat ARIELLE nur einen echten Hit: „Under the Sea“ – das einzige Highlight des Films.

Viertens: Warum haben die Drehbuchautoren das Ganze nicht modernisiert? Es reicht nicht, ein Märchen aus der Mottenkiste mit einem diversen Cast zu besetzen. Die Geschichte wirkt im Jahr 2023 extrem altbacken und aus der Zeit gefallen.

Und Fünftens: Gutes Aussehen ist nicht alles. Wenn die Gags nicht zünden, die Figuren beliebig bis unsympathisch sind, der Cast verschenkt ist (unter anderem Javier Bardem, Melissa McCarthy, Awkwafina), dann lässt die ganze Pracht am Ende kalt.

Lieber noch mal das Original auf Disney+ schauen.

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Originaltitel „The Little Mermaid“
USA 2023
135 min
Regie Rob Marshall

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Dok-Film über die Leiden der Starfotografin Nan Golding

Ihr Leben beginnt furchtbar und wird von da an immer schlimmer. Der Selbstmord der depressiven Schwester. Das Schweigen der Eltern. Der Lebensgefährte, der sie fast totschlägt. Die zahllosen Freunde, die ab den 1980er-Jahren der AIDS-Epidemie zum Opfer fallen. Dazwischen Jobs als Tänzerin in einem Stripclub, später als Prostituierte in einem Puff.

Sie ist ein Star in der modernen Kunstwelt

Der Titel legt es nahe: Neben Schönheit ist Blutvergießen das bestimmende Thema in Nan Goldings Leben. Die amerikanische Fotografin ist ein Star in der modernen Kunstwelt. Verwurzelt in der New Yorker No-Wave-Underground-Bewegung, hat sie die Fotografie revolutioniert. Mit ihrem herausragenden Gespür, den richtigen Moment einzufangen, widmen sich ihre Arbeiten Themen wie Sexualität, Sucht und Tod – voll schonungsloser Direktheit. 

Der Medikamentenhersteller Purdue Pharma treibt seit Mitte der 90er-Jahre Millionen Amerikaner in die Sucht. Eine davon: Nan Goldin. Nach einer Operation wird sie vom Schmerzmittel Oxycontin abhängig. Im Gegensatz zu vielen anderen schafft sie den Ausstieg. Seitdem setzt sie sich unermüdlich als Aktivistin gegen die Familie Sackler ein, die als Besitzer von Purdue Pharma maßgeblich für die Opioid-Epidemie verantwortlich ist (mehr dazu in der herausragenden Miniserie DOPESICK). Allerdings zählen die Sacklers auch zu den bedeutendsten Mäzenen weltweit, auf deren Unterstützung viele Künstler angewiesen sind. Das hält Golding aber nicht davon ab, durch couragierte Aktionen bekannte Museen dazu zu bringen, sich von den Sacklers zu distanzieren.

Sucht, Krankheit, Tod: Regisseurin Laura Poitras konzentriert sich in ihrem Dokumentarfilm stark auf Nan Goldings Leidensstationen, die Arbeiten der Fotografin bleiben fast Nebensache. So viel geballtes Unglück erfordert Durchhaltevermögen, auch vom Zuschauer.

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Originaltitel „All the Beauty and the Bloodshed“
USA 2022
117 min
Regie Laura Poitras

alle Bilder © PLAION PICTURES

FAST & FURIOUS 10

FAST & FURIOUS 10

Ab 17. Mai 2023 im Kino

Diese Hände können sehen! Medium Madame Bauer weissagt die Kritik zum neuen FAST & FURIOUS

So was kennt man sonst nur von Til Schweiger: Ein neuer FAST & FURIOUS startet am Mittwoch in den Kinos, die Pressevorführung findet aber erst Dienstag Abend um 21 Uhr statt. Das kann nur zweierlei bedeuten: Entweder ist der Film so schlecht wie MANTA MANTA, ZWOTER TEIL. Oder noch schlechter.

Physikalische Grenzen sind im Hot oder Schrottversum schon lange aufgehoben

Neben Vin Diesel gibt es ein Wiedersehen mit Michelle Rodriguez, Charlize Theron, Tyrese Gibson und Helen Mirren. Neu dabei sind der einzig wahre Milleniumwolf Jason Momoa, sowie Oscar-Preisträgerin und Captain Marvel persönlich: Brie Larson. Höchstwahrscheinlich werden sich auch diesmal die Verfolgungsjagden von Szene zu Szene ins immer Groteskere steigern, physikalische Grenzen sind im Hot oder Schrottversum schon lange aufgehoben (zur Erinnerung: in Teil 9 fliegt ein Auto inklusive Fahrer und Beifahrer durchs Weltall). 

Aber ist es seriös, eine Kritik nur aufgrund von Presseheft und Vermutungen zu schreiben? Nein. Sich aber für einen Text zum zehnten Teil eines bis auf den letzten Tropfen Sprit ausgelutschten Franchise die Nacht um die Ohren zu schlagen, ist auch keine Option. Wir haben deshalb Medium Madame Bauer von Astro-TV befragt und sie gebeten, uns eine möglichst präzise Analyse des Actionblockbusters zu weissagen: „Ich sehe Zündschlüssel, Kupplung, ein Gaspedal und Reifen. FAST & FURIOUS 10 handelt vielleicht von schnell fahrenden Autos. (Mischt mit flinker Hand die Karten) Ein Mann mit vielen Haaren sinnt auf Rache oder will die Weltherrschaft an sich reißen. Oder beides. Ein anderer Mann ohne Haare – er heißt Don oder Dom – spricht viel von seiner Familie, kann aber dabei seine Gesichtsmuskeln nicht bewegen. Das Ganze dauert sehr lange, wahrscheinlich 141 Minuten. Schon bald wird es eine Fortsetzung geben …“  – soweit Madame Bauer.

23:15 Uhr, nach dem Screening. Hier kommt die ungebremste Wahrheit in einem Satz: FAST & FURIOUS 10 ist eine zarte, fast introvertierte Reflexion über geschlechtsbezogene Verhaltensweisen von Mann und Frau im heutigen Straßenverkehr.

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Originaltitel „Fast X“
USA 2023
141 min
Regie Louis Leterrier

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

Ab 11. Mai 2023 im Kino

So authentisch wie eine Packung Mirácoli: Vier aufgedrehte Seniorinnen machen einen Ausflug nach Bella Italia.

Kaum hat man sich vom katastrophalen BRADY’S LADIES erholt, biegt Jane Fonda schon mit der nächsten cineastischen Implosion um die Ecke: BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL ist die Fortsetzung der sehr erfolgreichen Ü-60-Komödie BOOK CLUB aus dem Jahr 2018.

Una festa di clichés

Wie so oft, wenn den Autoren nichts Besseres einfällt, wird die „Handlung“ von Amerika in ein exotisches Land verlegt, diesmal ins fotogene Italien. Es folgt una festa di clichés: Spanische Treppe, Seufzerbrücke und Zypressenlandschaft inklusive. Bei der Geschichte hat man sich in etwa so viel Mühe gegeben wie bei der nun folgenden Inhaltsangabe:

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Und sonst? Diane Keaton trägt Hut und Hosenanzug, Candice Bergen ist burschikos und trinkt, Mary Steenburgen spielt weiter niedlich und über Jane Fondas balsamiertes Aussehen ist schon jeder menschenmögliche Witz gemacht worden. Sie selbst nimmt ihren Beautywahn auch auf die Schippe, haha, wie schon in den letzten zwanzig Filmen davor. Was beim ersten Mal noch lustig war, ist mittlerweile nur noch faules Drehbuchschreiben.

Endstation Traualtar: Mit Büchern oder einem Lesezirkel hat der alberne Junggesellinnenabschied in Italien rein gar nichts zu tun. Der Film könnte ebenso gut SEX AND THE CITY 15 oder WEDDING CLUB heißen. Zwischen den Fantasy-Geschichten von jüngeren Männern, die scharf auf Mitte-80-jährige Frauen sind, verstecken sich ein, zwei nette Gags, der Rest ist trotz geballter Starpower kaum zu ertragen. Kann nicht mal jemand einen GUTEN Film mit dieser geriatrischen Traumbesetzung machen – bevor es zu spät ist?

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Originaltitel „Book Club: The Next Chapter“
USA 2023
107 min
Regie Bill Holderman

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

BEAU IS AFRAID

BEAU IS AFRAID

Ab 11. Mai 2023 im Kino

Joaquin Phoenix auf dem Weg zur nächsten Oscarnominierung

Wie? Warum? Was? Herzlich willkommen in der Welt von Ari Aster. Einem Regisseur, der mit HEREDITARY und MIDSOMMAR zwei Klassiker des modernen Horrorfilms geschaffen hat. Filme, die den Zuschauer gefangen nehmen und zutiefst verstört zurücklassen. BEAU IS AFRAID hat den gleichen Effekt hoch 10. Und das sind ein paar Potenzen zu viel.

Geniestreich oder Katastrophe?

Beau leidet. Vor allem unter seiner monströsen Mutter. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, denn der ist im Moment der Zeugung gestorben. Nun ist Beau erwachsen und lebt in einer höllischen Nachbarschaft. Halbverweste Leichen liegen auf der Straße, ein nackter Messermörder treibt sein Unwesen, die Polizei schaut tatenlos zu. Oben in Beaus Wohnung krabbelt eine Giftspinne über den Boden, der Nachbar spielt dröhnend laute Musik. Und dann verschläft Beau auch noch seinen Flug. Als er endlich zu seiner Mutter aufbricht, beginnt eine Odyssee, auf der er mit all seinen Ängsten konfrontiert wird.

BEAU IS AFRAID fängt schräg an, wird absurd und dann grotesk. Ein dreistündiges (!) Delirium durch die Seelenhölle eines Mannes, genial (wie immer) von Joaquin Phoenix verkörpert. Zwischendurch irrt der Held durch Zeichentricksequenzen und schaut sich ein im Wald aufgeführtes Theaterstück über sein eigenes Leben an, während er von einem Ex-Soldaten gejagt wird. Klingt verrückt? Ist es auch. Von einem riesigen, bissigen Penis, der auf einem Dachboden haust, ganz zu schweigen. Als Zuschauer ist man hin- und hergerissen. Zwischen ein paar ausgesprochen lustigen Szenen fragt man sich immer wieder, ob man schlicht zu dumm für Asters Visionen ist. Statt sich also in halbgaren Interpretationen zu verstolpern, soll der Regisseur selbst erklären:

„Wenn Sie einen Zehnjährigen mit (dem Antidepressivum) Zoloft vollpumpen und ihn Ihre Lebensmittel einkaufen lassen, dann ist das wie dieser Film.“

Aha. Noch präziser ist Asters Antwort auf die Frage, worum es in BEAU IS AFRAID eigentlich geht: „I don’t know. His dad’s a dick.“

Selten war es so schwer, einen Film zu bewerten. BEAU IS AFRAID kann man hassen oder lieben oder beides. Das ist zuletzt Darren Aronofsky mit MOTHER! gelungen. Ob die Geschichte vom paranoiden, angstzerfressenen Seelenkrüppel Geniestreich oder Katastrophe ist, kann jeder für sich selbst entscheiden.

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Originaltitel „Beau is afraid“
USA 2023
179 min
Regie Ari Aster

alle Bilder © Leonine

GUARDIANS OF THE GALAXY: VOL. 3

GUARDIANS OF THE GALAXY: VOL. 3

Ab 03. Mai 2023 im Kino

James Gunns MCU-Schwanengesang bringt die GUARDINAS OF THE GALAXY-Trilogie zu einem würdigen (und unterhaltsamen) Ende.

Peter Quill alias Star-Lord (Chris Pratt) und seine Freunde geraten im vorerst letzten Abenteuer der Weltraumwächter an den größenwahnsinnigen Genetiker High Evolutionary (Chukwudi Iwuji). Nomen est omen: Seine Durchgedrehtheit hatte vor vielen Jahren aus einem kleinen Waschbären den zynischen Piloten Rocket (Bradley Cooper) evolutioniert – alles im Dienste der Wissenschaft. Nun versucht der selbsternannte Gott mit allen Mitteln an das Gehirn des Waschbären zu kommen, um so das endgültig perfekte Wesen schaffen. Dr. Mengele lässt grüßen.

Liebe, Freundschaft und die Existenz des Universums

Interessiert sich beim 32. Marvelfilm noch jemand für eine Filmkritik? Entweder man mag es – oder man mag es nicht. Zuletzt hatte das MCU mit ein paar im eigenen Getöse untergehenden Langweilern enttäuscht. GUARDIANS OF THE GALAXY: VOL. 3 macht alles richtig, was ANT-MAN 3 falsch gemacht hat. Das bunte Fantasyabenteuer überzeugt mit Humor, epischen Schlachten, originellen Effekten und einer Story, in der es wieder mal um alles geht: Liebe, Freundschaft und die Existenz des Universums.

Marvel goes endgültig Disney. Besonders die Flashbacks in die Jugendjahre Rockets sind mehr BAMBI als IRON MAN. Fotorealistisch perfekt animierte und sehr putzige Tierchen liegen gemeinsam im Stroh, schauen in den Himmel und finden: Freunde haben ist gut! Da zittern Klopfer die Schnurrhaare vor Rührung. Dass die Mäusestudios vor ein paar Jahren Marvel geschluckt haben, macht sich nicht nur in der neuen Niedlichkeit bemerkbar. SPOILER: Am Ende siegt das Gute.

Auch hinter den Kulissen gibt es ein Happy End. Nachdem er wegen alter schlechte-Witze-Tweets gefeuert und nur dank der Unterstützung seiner Schauspieler zurückgeholt wurde, verabschiedet sich Regisseur James Gunn nun mit dem dritten Guardians-Abenteuer von Marvel. Seit Kurzem hat er eine schier unlösbare Aufgabe in Hollywood übernommen. Als Chefproduzent soll er den dümpelnden DC-Kahn zum Laufen bringen. Sein erstes Projekt: ein neuer Superman-Film.

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Originaltitel „Guardians of the Galaxy: Vol. 3“
USA 2023
147 min
Regie James Gunn

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

CHAMPIONS

CHAMPIONS

Ab 27. April 2023 im Kino

Gut remaked ist halb gewonnen. Fünf Jahre nach dem spanischen Original setzt auch Hollywood auf den Charme dribbelnder Außenseiter

Coach Carter drillte faule Lümmel zum Erfolg, das Million Dollar Baby brauchte erst einen Ziehvater und auch Karate Kid wäre ohne seinen Meister nie aus den Puschen gekommen. Im neusten Vertreter des Trainerfilmgenre – der US-Komödie CHAMPIONS – übernimmt Woody Harrelson die vorbildliche Rolle.

each one teach one

Den Ball flach halten ist nicht die Königsdisziplin von Basketballtrainer Marcus (Woody Harrelson) und so landet der schnoddrige Hitzkopf zur gerichtlich angeordneten Strafe bei einer Gruppe behinderter Jungsportler, die er für die Special Olympics coachen soll. Gemäß „each one teach one“ profitiert auch er von der liebenswerten Truppe schräger Charaktere, sodass am Ende nicht nur die jungen Spieler, sondern vor allem der alte Hase seine Lektion gelernt hat.

Zwar handelt es sich beim neusten Regiewerk von Komödienspezialist Bobby Farrelly (DUMM UND DÜMMER, VERRÜCKT NACH MARY) nur um eine Neuverfilmung des spanischen Überraschungserfolgs CAMPEONES – WIR SIND CHAMPIONS von 2018, doch muss sich das Remake nicht verstecken. Der weiße Junge Harrelson bringt’s auch in seinem dritten Basketballfilm noch, perfekt umdribbelt von einem Team bislang unbekannter Jungdarsteller und versierter Comedy-Altmeister wie Cheech Marin und Ernie Hudson.

CHAMPIONS ist ein Wohlfühlfilm ohne Weltverbesserungsansatz und Betroffenheitsdogma. Empfehlenswert für alle, die bewegende Geschichten mögen und das Original verpasst haben.

Text: Anja Besch

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Originaltitel „Champions“
USA 2023
123 min
Regie Bobby Farrelly

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

EVIL DEAD RISE

EVIL DEAD RISE

Ab 27. April 2023 im Kino

Zum Lachen und zum Fürchten. Warum man sich auch als Nicht-Horrorfan den neuen EVIL DEAD anschauen kann

Es soll Menschen geben, die setzen sich Sonntag abends vor den Fernseher, schalten das ZDF ein und schauen sich einen Rosamunde-Pilcher-Film an. Und haben Spaß dabei. Da kann der Tatort-Fan nur verständnislos den Kopf schütteln. Genauso gibt es Menschen, die sich an einem bluttriefenden, brutalen Horrorfilm erfreuen. Während feinnervige Zuschauer fluchtartig das Kino verlassen, um die nächstgelegene Kloschüssel zu suchen, amüsieren sich Hardcore-Splatter-Fans wie Bolle über Spiegelscherben, die in Körper gebohrt werden, oder eingedrückte Augäpfel. Alles eine Frage des Geschmacks.

Eine blutige Achterbahnfahrt

EVIL DEAD RISE ist eine Achterbahnfahrt des Grauens, die sich gewaschen hat. Mit Blut. Im mittlerweile fünften Teil der legendären Horrorfilmserie verlegt Regisseur Lee Cronin die Handlung von einer Waldhütte in ein abbruchreifes Art-Deco-Mietshaus in Downtown. Dort lebt die alleinerziehende Ellie mit ihren drei Kindern in gepacktem Kisten-Chaos, in einer Woche muss sie ausziehen. Schlechtes Timing, genau jetzt klopft ihre entfremdete Schwester Beth an die Tür. Die unharmonische Familienzusammenkunft wird schon bald von einem kurzen, aber heftigen Erdbeben gestört. Die Wände wackeln, das Geschirr klappert, in der Tiefgarage bricht der Boden auf und legt den Zugang zu einem alten Tresorraum frei. Neugierig wie Paulinchen klettert Ellies Sohn Danny in das längst vergessene Kellerverlies. Dort verbirgt sich zwischen Spinnweben und Kakerlaken das unheilvolle Book of Evil. Kurz darauf öffnen sich die Tore zur Hölle.

Die Dämonen sind zurück und sie haben sehr schlechte Laune. Lee Cronin inszeniert mit blutiger Hand eine aufs Wesentliche reduzierte Horrorstory. Die Figuren haben Tiefe, die Geschichte ist nervenzerreißend, die Schocks sind zahlreich, das Blut fließt in Strömen und dazu ist das Ganze – in guter EVIL DEAD-Tradition – auch noch echt komisch. Was will man mehr?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Evil Dead Rise“
USA 2023
97 min
Regie Lee Cronin

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

THE WHALE

THE WHALE

Ab 27. April 2023 im Kino

Brendan Fraser spielt die Rolle seines Lebens

Der zurückgezogen lebende Englischlehrer Charlie (Brendan Fraser) ist so fett wie ein Wal. Todkrank versucht er, sich mit seiner bockigen Teenager-Tochter zu versöhnen. Es ist seine letzte Chance auf Wiedergutmachung, nachdem er acht Jahre zuvor seine Familie wegen eines Mannes verlassen hat.

Oscar für Brendan Fraser als Bester Hauptdarsteller

Es gibt tatsächlich nur einen Grund, THE WHALE anzuschauen – und der heißt Brendan Fraser. In eine groteske Fatsuit gesteckt, spielt er die Rolle seines Lebens. Ihm gelingt das Kunststück, Charlie nicht als Freak der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern als einen warmherzigen Menschen darzustellen, der Respekt verdient. Fraser reanimiert mit einer schauspielerischen Tour de Force seine seit Jahren dümpelnde Kinokarriere und macht THE WHALE im Alleingang zu einem besseren Film.

THE WHALE von Samuel D. Hunter gehört in die Kategorie der verfilmten Theaterstücke wie WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOLF? oder DEATH OF A SALESMAN, die in erster Linie durch ihre Schauspieler beeindrucken. Ansonsten muss man sich fragen, was die Botschaft von THE WHALE sein soll. Dass sehr, sehr dicke Menschen neben Bluthochdruck auch ein Herz haben? Rein cineastisch gesehen ist das Kammerspiel mit seinen gestelzten Dialogen und eindimensionalen Nebenfiguren keine große Kunst.

Personen treten auf, halten dramatische Monologe und gehen wieder ab. Bei der Adaption von Bühne zu Film hätte ein bisschen mehr Kreativität nicht geschadet. Fehlt nur noch der rote Vorhang am Ende. Gemessen an BLACK-SWAN-Regisseur Darren Aronofskys letztem Fiasko MOTHER!, ist es aber immerhin ein Schritt zurück zu alter Form.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Whale“
USA 2022
117 min
Regie Darren Aronofsky

alle Bilder © PLAION PICTURES

BRADY’S LADIES

BRADY’S LADIES

Ab 20. April 2023 im Kino

Was hat American Football mit Schönheitschirurgie zu tun? BRADY'S LADIES weiß die Antwort

Lily Tomlin, Jane Fonda, Sally Field, Rita Moreno und Tom Brady: Eine echte Kunst, vier Hollywood-Legenden (plus eine Sportlegende) vor der Kamera zu versammeln und einen so grottigen Film zu machen.

You know what it cost me to look like this?

BRADY’S LADIES erzählt die (wahre) Geschichte von vier Ü-80 Damen, deren größter Wunsch es ist, ihren NFL-Helden Tom Brady einmal live beim Super Bowl zu sehen. Es geht zwar um Football, aber Sportkenner muss man nicht sein, um der simplen Geschichte zu folgen. 80 FOR BRADY (so der Originaltitel) reiht ein Klischee ans nächste und scheut sich nicht, die Handlung durch absolut lachhafte Wendungen voranzubringen. Ja, es gibt ein paar nette Momente und drei, vier gute Gags, aber das ist alleine der Traumbesetzung zu verdanken. Man fragt sich, was ein begabterer Regisseur als Kyle Marvin aus dieser Geschichte und diesem Cast herausgeholt hätte.

Immerhin bezieht BRADY’S LADIES Stellung – für oder gegen zu viele Facelifts, das liegt im Auge des Betrachters. Mehr als drei bis maximal vier werden im Laufe eines Lebens nicht empfohlen. Jane Fonda dürfte bei ca. neununddreißig sein. Ihr Gesicht ist glatter als ein Kinderpopo. Aufgepasst: Das auf dem Bild oben, die Zweite von links ist Jane Fonda. Mit getackertem Antlitz und diversen Barbarella-Gedächtnis-Frisuren macht sich die 85-Jährige zwar lustig über ihre Schönheits-OPs – „You know what it cost me to look like this?“ – aber gruselig anzuschauen ist die lebendige Einbalsamierung halt doch.

Über weite Strecken erweckt BRADY’S LADIES den Eindruck, als hätten die Produzenten ihr gesamtes Budget in die Besetzung und deren Perücken gesteckt, für ein originelles oder geschmeidigeres Drehbuch hat es dann leider nicht mehr gereicht. Der unterdurchschnittliche Film ist nur sehenswert, weil die vier Ladies den Mumpitz mit ihren zusammen 335 Jahren Starpower retten.

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Originaltitel „80 For Brady“
USA 2023
98 min
Regie Kyle Marvin

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

COCAINE BEAR

COCAINE BEAR

Ab 13. April 2023 im Kino

Hält, was der Titel verspricht: Ein Bär auf Koks

Kokain bewirkt im Zentralnervensystem eine Stimmungsaufhellung, ein Gefühl gesteigerter Leistungsfähigkeit sowie das Verschwinden von Hunger- und Müdigkeitsgefühlen. Weiss Wikipedia.

Trash mit Budget

Alles soweit richtig. Nur das mit dem Verschwinden des Hungergefühls stimmt nicht ganz. Schließlich zernagt der zugekokste Titelheld in Elisabeth Banks Horror-Creature-Komödie reihenweise Opfer. Eine wahre Geschichte: 1985 schmeißt Andrew Carter Thornton säckeweise Koks aus einem Flugzeug, die wertvolle Fracht landet zwischen Fauna und Flora in den Wäldern Georgias. Eine Bande Drogenschmuggler macht sich auf die Suche nach dem weißen Pulver – nicht ahnend, dass ihnen ein Schwarzbär zuvorgekommen ist und bereits Geschmack an der Droge gefunden hat. Völlig druff tobt er durch den Wald und beißt nieder, was sich ihm und seiner neuen Sucht in den Weg stellt.

Hält, was der Titel verspricht: COCAINE BEAR ist ein Trashfilm – aber mit Budget. Vollkommen blödsinnig, gerade deshalb unterhaltsam. Und immerhin mit Ray Liotta in einer seiner letzten Rollen. Vor allem für die Szenen, in denen der (von Weta computeranimierte) Bär mitspielt, lohnt sich der Spaß. Das ist herrlich blutig und besonders ein Gemetzel in einem Krankenwagen ist zum Einrollen schrecklich. Noch lustiger wäre das Ganze wahrscheinlich nur, wenn man sich selbst vorher eine fette line gelegt hätte.

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Originaltitel „Cocaine Bear“
USA 2021
95 min
Regie Elisabeth Banks

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

AIR – DER GROSSE WURF

AIR – DER GROSSE WURF

Ab 06. April 2023 im Kino

Warum der neue Film von und mit Ben Affleck so gut ist

Ein Film über die Vermählung von Nike mit Michael Jordan. Turnschuh trifft Rookie. Ben Affleck führt Regie. Klingt nach einem Kinoerlebnis, das sich allenfalls Sneaker Fanatiker herbeisehnen. Doch manchmal hauen einen genau die Filme um, von denen man gar nichts erwartet. Was Ben Affleck hier abliefert, ist ein perfekter Slam Dunk.

Ein Feelgood Movie für alle

In den letzten Jahren wäre vor lauter Jlo, Sad ‘ffleck Memes und Dunkin’ Donuts Kaffee-Paparazzi-Promenieren in Pacific Palisades (Ben mit dem Kaffeebecher der Fettgebäck-Kette vor seiner Haustüre war ein vielfach verbreitetes Fotomotiv während des Covid-Lockdowns) beinahe in Vergessenheit geraten, was für ein begabter Regisseur der Mann ist. Wie herzerwärmend die Chemie immer noch zwischen seinem Jugendfreund Matt Damon und ihm funktioniert, wie instinktsicher er seine Mannschaft zu Höchstleistungen dirigieren kann, ohne dass es in Over-Acting endet.

Die Geschichte ist bekannt, vielleicht nicht jedem im Detail: Es sind die 80er, Marktführer Adidas und Converse stehen bei den Kids hoch im Kurs und Nike kann als biederer Joggingschuh kaum punkten. Bis Basketball-Nerd Sonny Vaccaro (Matt Damon hervorragend als verplauzter Nike Manager) gegen die Vorbehalte von Nike Boss Phil Knight (Ben Affleck genau richtig zwischen verkauzt und berechnend) das gesamte Marketingbudget auf einen jungen Ausnahmespieler setzt, um die Konkurrenz endlich mit Coolness zu besiegen.

Die Verhandlungen sind zäh, der Film ist alles andere. Schlagfertige Dialoge wechseln sich ab mit magnetisierenden Ultra-Closeups, die Entscheidung, Michael Jordan immer nur von hinten zu zeigen, statt einen Method Actor zu besetzen sehr schlau, denn überhaupt geht es hier nicht um die NBA Ikone, sondern seine Mutter. Eine umwerfende Viola Davis diktiert als Deloris Jordan dem Weltkonzern neue Regeln. Ja, die omnipräsente 80er-Jahre Mucke ist sehr hitparadenorientiert, doch passt zur sentimentalen Absicht Afflecks. Ein Feelgood Movie für alle.

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Originaltitel „Air“
USA 2023
112 min
Regie Ben Affleck

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

DIE FABELMANS

DIE FABELMANS

Kinostart 09. März 2023

Steven Spielberg ist in Hochform und keiner will es sehen. Wie schon zuletzt seine Neuverfilmung der WEST SIDE STORY ist auch DIE FABELMANS an den amerikanischen Kinokassen gefloppt. Filme für Erwachsene funktionieren nicht mehr, unkt die US-Presse. Dabei sollte man gerade Filme wie DIE FABELMANS im Kino auf der großen Leinwand sehen. Nicht nur wegen Janusz Kamińskis magischen Bildern, sondern weil die 151 Minuten lange Kindheits- und Jugenderinnerung Spielbergs einen Sog entfaltet, dem man sich ohne Ablenkung hingeben muss.

Michelle Williams wird als Kandidatin für den Oscar gehandelt

Cecil B. DeMilles THE GREATEST SHOW ON EARTH öffnet dem kleinen Sam die Augen, besonders eine Kollisionsszene mit zwei Zügen und einem Auto. Zu Hause stellt er das Unglück mit Spielzeug nach. Seine Mutter bringt ihn auf die Idee, das Ganze zu filmen, damit er es sich so oft ansehen kann, wie er will. Voilà. Das erste Werk des Jungregisseurs ist fertig. In immer aufwändigeren Produktionen setzt er bald seine Schwestern und Freunde in Szene. Während sich seine Eltern mehr und mehr auseinanderleben, hat Sam Fabelman seine Bestimmung gefunden: das Filmemachen.

Großartig: Gabriel LaBelle als junger Sammy Fabelman aka Steven Spielberg und Judd Hirsch in einer Gastrolle als schräger Onkel Boris. Michelle Williams, die die Mutter spielt, wird als Kandidatin für den Oscar gehandelt. Für ihre Gesamtleistung hätte sie es verdient, obwohl sie in manchen Szenen dermaßen überdreht spielt, dass man sich fragt: Ist das noch Schauspielkunst oder schon Overacting?

Im Januar diesen Jahres gewann THE FABELMANS den Golden Globe als bestes Drama. Er habe sich lange nicht getraut, so eine persönliche Geschichte zu erzählen, sagt der Regisseur bei der Preisverleihung. Quatsch, denn den viel persönlicheren Film über die Ängste seiner Kindheit hat er schon vor 40 Jahren gedreht: ET.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Fabelmans“
USA 2022
151 min
Regie Steven Spielberg

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA

ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA

Kinostart 15. Februar 2023

Neues von der Konditorenzunft: Es gibt Hochzeitstorten, mehrstöckig, reich verziert mit Zuckerguss und Marzipan, die sehen gut aus, schmecken aber nicht. Zu süß, zu mächtig, nach einem Stück ist man pappsatt. Und dann gibt es einen ehrlichen Apfelkuchen. Guter Boden, etwas Eiermasse, Äpfel. Fertig. Lecker. Noch ein Stück bitte. Backwerk und Marvel haben mehr gemeinsam, als man denkt.

Computergenerierte Märchenwelt

Thanos ist seit AVENGERS ENDGAME Geschichte. Zeit für einen neuen Bösewicht im MCU. Der heißt Kang der Eroberer und sitzt seit Jahren unfreiwillig im Quantenreich fest. Nun will er raus, um weiter zu „erobern“, was in seinem speziellen Fall bedeutet, Multiversen zu zerstören und Milliarden Leben zu vernichten. Scott Lang alias Ant-Man (Paul Rudd) macht mit Freundin Hope Van Dyne (Evangeline Lilly), Tochter Cassie und den Schwiegereltern (Michelle Pfeiffer und Michael Douglas) einen Familienausflug in die subatomare Welt, um das Schlimmste zu verhindern.

Agierten die Marvel-Superhelden in Phase I noch in halbwegs realen Settings, so ist davon in der mittlerweile fünften Phase nicht mehr viel übrig. Außer den ersten paar Minuten spielt der neue ANT-MAN in einer komplett computergenerierten Märchenwelt. Könnte auch irgendwo im Weltenraum sein. Erweitertes Crossover: STAR WARS und MARVEL gehören zum allmächtigen Disney-Konzern. Das merkt man spätestens daran, dass sich QUANTUMANIA schamlos im KRIEG DER STERNE-Universum bedienen darf. Die Fantasygeschöpfe erinnern mit ihren Kostümierungen an alte Kantinen-Bekannte vom Planeten Tatooine.

ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA ist ein eher belangloser Beitrag zum immer weiter expandierenden MCU, der lärmt und blinkt und dabei – wie eine Hochzeitstorte – zwar ganz nett aussieht, aber von allem viel zu viel hat. Da sehnt man sich nach der vergleichsweise simplen Apfelkuchen-Welt der IRON-MAN-Anfänge zurück.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“
USA 2023
125 min
Regie Peyton Reed

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

KNOCK AT THE CABIN

KNOCK AT THE CABIN

Kinostart 09. Februar 2023

Das schwule Elternpaar Eric und Andrew (Jonathan Groff und Ben Aldridge) plant mit Töchterchen Wen eine Auszeit vom Alltag. In einer einsam gelegenen Holzhütte will die Kleinfamilie ein paar unbeschwerte Tage verbringen. Doch dann tauchen vier unheimliche Fremde auf und verlangen eine unmögliche Entscheidung: Eines der Familienmitglieder müsse durch ein anderes getötet werden. Sollten sie sich weigern, werde „die Welt enden“.

Shyamalan holt aus Schauspielern oft das Schlechteste heraus

Das Presseheft sagt: „Das Einzige, dessen man sich sicher sein kann, wenn man für einen neuen Film von M. Night Shyamalan ins Kino geht, ist, dass man nicht weiß, was einen erwartet“. Das ist so nicht richtig, denn meist erwartet einen etwas sehr, sehr Schlechtes. Deshalb ist das Erstaunlichste an KNOCK ON THE CABIN, dass er vergleichsweise gar nicht mal so übel ist.

Shyamalan ist seit THE SIXTH SENSE ein Regisseur der ewigen Hoffnung. Doch wieder und wieder hat der einstige „nächste Spielberg“ enttäuscht. Er holt aus Schauspielern oft das Schlechteste heraus (Marc Wahlberg kann davon ein Lied singen) und nervt mit an Haaren herbeigezogenen Handlungstwists. Wer sich durch die letzten Werke des Ed Woods der Neuzeit quälen musste (OLD, GLASS, THE HAPPENING, AFTER EARTH – die Liste des Grauens ist lang) und deshalb auf das Schlimmste gefasst ist, wird von KNOCK AT THE CABIN positiv überrascht.

Natürlich ist auch dieser Horror-Mystery-Film ein Schmarren in Reinstform. Vier apokalyptische Reiter in einer Waldhütte, die den Weltuntergang prophezeien – also bitte! Trotzdem punktet der Thriller mit Atmosphäre und einer überzeugend spielenden Besetzung (unter anderem David Bautista). Auch wenn es gegen Ende wieder höchst albern wird – die ersten zwei Drittel von KNOCK AT THE CABIN sind gut gemachtes, halbwegs spannendes Unterhaltungskino.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Knock at the Cabin“
USA 2021
100 min
Regie M. Night Shyamalan

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

DIE AUSSPRACHE

DIE AUSSPRACHE

Kinostart 09. Februar 2023

Selten hat es ein Filmtitel so gut zusammengefasst: DIE AUSSPRACHE heißt im Original WOMEN TALKING. Und genau das tun sie. Schließlich geht es um lebenswichtige Entscheidungen. Wie spannend so ein Dialogfilm sein kann, weiß man spätestens seit DIE ZWÖLF GESCHWORENEN.

Oscarwürdiges Schauspielensemble

2010 – In einem kleinen Ort in den USA lebt eine Gruppe Mennoniten, die sich von der heutigen modernen Gesellschaft abschottet. Doch seit geraumer Zeit liegt ein Schatten über der Religionsgemeinschaft. Die Frauen werden nachts betäubt und vergewaltigt. Nun müssen sie entscheiden, wie es weitergehen soll: Nichts tun? Im Dorf bleiben und sich gegen die Männer wehren? Oder die Gemeinschaft mit den Kindern verlassen?

DIE AUSSPRACHE folgt weniger einer klassischen Handlung, ist mehr eine Anregung zum Nachdenken, ein Abwägen des Für und Wider von Rache und Vergebung. In langen Gesprächen diskutieren die Frauen die möglichen Konsequenzen ihrer Entscheidung. Regisseurin Sarah Polley vermeidet dabei jeden Voyeurismus: Die Geschichte hinter den Ereignissen mag zwar gewalttätig sein, doch der Film zeigt nie die Gewalt, die die Frauen erfahren. Nur kurze Ausschnitte des Danach sind zu sehen.

Das Schauspielensemble ist oscarwürdig, allen voran Rooney Mara und Claire Foy. Bis in die kleinste Nebenrolle ausgezeichnet besetzt, sorgen unter anderem Ben Whishaw und Frances McDormand für dramaturgisches (Schwer-)Gewicht. Fast monochrom, Gesichter im Halbschatten: Die Bilder (Kamera: Luc Montpellier) und die Farbgebung sind so düster wie die Geschichte selbst.

DIE AUSSPRACHE erinnert an eine Folge der TV-Serie THE HANDMAID’S TALE mit dem Unterschied, dass die Dystopie von Margaret Atwood Fiktion ist und DIE AUSSPRACHE auf wahren Begebenheiten beruht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Women Talking“
USA 2021
104 min
Regie Sarah Polley

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

THE SON

THE SON

Kinostart 26. Januar 2023

Depression: ein ernst zu nehmendes Thema. Gerade bei Jugendlichen. Die oft schamhaft verschwiegene Krankheit kann gar nicht genug mediale Aufmerksamkeit bekommen. Fragt sich nur, ob Regisseur Florian Zeller mit seinem durch und durch künstlich wirkenden Film den Betroffenen einen Gefallen getan hat. Denn THE SON ist das filmische Äquivalent zu einem Coffee Table Book aus der Psychiatrie.

Melodramatik statt Dramatik

Schöne Menschen in schöner Umgebung haben … Probleme. Ja, selbst sehr reiche New Yorker in perfekt eingerichteten Traumwohnungen machen sich beim Tragen frisch gebügelter Hemden Sorgen. Der geschiedene Anwalt Peter (Hugh Jackman) versteht das Verhalten seines 17-jährigen Sohns Nicholas (Zen McGrath) nicht mehr. Der schwänzt seit Wochen die Schule, hat keine Freunde und ist auch sonst ein schwieriger, verschlossener Junge. Für Peter kommen die Probleme mit dem Junior ungelegen, denn er richtet sich gerade ein neues Leben mit seiner Freundin Beth (Vanessa Kirby) und dem frisch geborenen Sohn Theo ein. Doch weil ihn das schlechte Gewissen plagt, bietet er Nicholas an, bei ihm einzuziehen. Er will beweisen, ein besserer Vater zu sein, als es sein eigener war. Der wiederum wird in einem Gastauftritt von Sir Anthony Hopkins als echtes Scheusal von Hannibal Lecterschen Ausmaßen verkörpert.

THE FATHER und THE SON. Zwei Filme über geistige Erkrankungen, die auf Theaterstücken von Florian Zeller basieren. Im Gegensatz zum künstlerisch anspruchsvollen THE FATHER ist dem französischen Regisseur mit seinem zweiten Spielfilm kein großer Wurf gelungen. Alles wirkt überinszeniert und unecht. Selbst gestandene Mimen wie Hugh Jackman spielen, als ständen sie auf einer Theaterbühne. Den papierraschelnden Dialogen kann auch er kein Leben einhauchen. Zudem greift Hans Zimmer in seinem Soundtrack auf penetrante Geigen zurück und erzeugt so Melodramatik statt Dramatik. Die Wendungen, mit denen Zeller in seinem Oscar®-Gewinner THE FATHER noch überraschen konnte, sind hier hohl und erwartbar. Der Regisseur kann sich nicht von seinen erprobten Inszenierungstricks befreien.

Nach dem grandiosen Vorgängerfilm eine echte Enttäuschung.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Son“
GB 2022
122 min
Regie Florian Zeller

alle Bilder © LEONINE

BABYLON – RAUSCH DER EKSTASE

BABYLON – RAUSCH DER EKSTASE

Kinostart 19. Januar 2023

Wer schon mal berauscht war, von welcher Droge auch immer – Adrenalin, Kokain, Serotonin – kennt dieses Gefühl. Die Zeit rast und scheint gleichzeitig stillzustehen. Eine Minute fühlt sich wie eine Stunde an, die Nacht wie ein Moment. „Babylon – Rausch der Ekstase”, der neue Film von Damien Chazelle („La La Land”, „Whiplash”) entlässt einen nach drei Stunden acht Minuten ähnlich betäubt und beschwingt. Amerikanische Zuschauer ließen sich vom Trailer täuschen – ein durchgedrehter Kostümschinken mit Elefant und Jazzmusik? Und blieben dem Epos fern. Sie wissen nicht, was ihnen entgeht.

Was Hollywood prägt: Rassismus, Sexismus, Gier

Allein die ersten dreissig Minuten sind eine Party, bei der man vor lauter Sinneseindrücken kaum Luft bekommt. Doch genau dann, wenn es zu viel der Ekstase wird, legt Chazelle den Schalter um. Der Cast ist vorzüglich, Brad Pitt als verderbt melancholischer Douglas Fairbanks Typ am Ende seiner Karriere und Margot Robbie in der Rolle des süchtigen Starlets, die in ihrer modernen Aufmachung verstört und nicht nur Träumer wie Newcomer Diego Calva magnetisiert.

Chazelle will viel: eine Choreografie wie „Apocalypse Now” und hinter die Kulissen der Industry leuchten wie einst „Boogie Nights”. Er wirft alles in den Ring, was Hollywood immer noch prägt: Rassismus, Sexismus, Gier, sogar Tobey Maguire in einer widerlichen Gastrolle und klärt nebenbei noch ein paar Mythen auf: In der Stummfilmära gab es offenbar mehr Westernfilm-Regisseurinnen als hundert Jahre später, der Mullholland Drive war wirklich nur eine Schotterstraße und Filmkritikerinnen hatten Macht! Was sollen wir sagen: Wir haben uns prächtig amüsiert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Babylon“
USA 2022
188 min
Regie Damien Chazelle

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

RACHE AUF TEXANISCH

RACHE AUF TEXANISCH

Kinostart 19. Januar 2023

„Nicht jeder weiße Mann aus New York braucht einen Podcast“ Produzentin Eloise (Issa Rae) ist zunächst wenig begeistert von Bens (B.J. Novak) Idee, die x-te Podcast-Serie über ein ungelöstes Verbrechen zu machen. Doch die Geschichte ist vielschichtiger, als es zunächst den Anschein hat.

Das Porträt einer „typisch“ texanischen Familie

Ben Manalowitz, ein selbstverliebter Redakteur für den renommierten New Yorker, erhält mitten in der Nacht einen Anruf. Abilene ist tot. Ben muss hektisch in seinen Kontakten suchen, um sich zu erinnern, wer Abbie überhaupt war – eine zufällige Sex-Bekanntschaft unter vielen. Doch ihre Familie glaubt, dass Ben die Liebe ihres Lebens war. Von den Tränen der Angehörigen erweicht, reist er nach Texas, nimmt an der Beerdigung teil und hält sogar eine Trauerrede. Abbie ist an einer Überdosis gestorben, doch ihr Bruder Ty (ausgezeichnet: Boyd Holbrook) glaubt, seine Schwester sei ermordet worden. Beweise hat er keine, nur ein Bauchgefühl. Deshalb will er Rache üben, Texas-Style. Ben wittert seine Chance, aus der Geschichte einen True-Crime-Podcast zu machen.

„Rache auf Texanisch“ ist eine Komödie, bei der nicht jeder Gag zündet und ein Krimi, der nur mäßig spannend ist. Aber vor allem – und das ist der interessantere Teil – das Porträt einer „typisch“ texanischen Familie, inklusive Rodeo, Waffenliebe und ungesundem Essen. Gleichzeitig wirft der Film einen Blick auf ein tief gespaltenes Land. Hier die vernünftigen Liberalen an Ost- und Westküste, dazwischen die rotnackigen MAGA-Idioten – so das allgemein verbreitete Klischee.

Ganz rund tickt das Regiedebüt des vor allem aus der US-Serie „The Office“ bekannten Schauspielers B.J. Novak nicht. Hinter vermeintlichen Hobos und Verschwörungsgläubigen verbergen sich mitunter liebenswerte Menschen, bei denen der Blick hinter die Fassade lohnt – eine etwas simple Erkenntnis. Aber der Regisseur und Drehbuchautor beweist ein gutes Händchen für Dialoge und Charakterzeichnung. In Zeiten, in denen Fakten oft als lästig empfunden und gerne für das eigene Narrativ verdreht werden, ist seine Botschaft, sich gegenseitig wieder etwas besser zuzuhören, nicht die schlechteste.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Vengeance“
USA 2022
111 min
Regie B.J. Novak

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

M3GAN

M3GAN

Kinostart 12. Januar 2023

Spielzeugentwicklerin Gemma steht unter Druck. Der Markt ist hart umkämpft, etwas Neues muss her. Als die alleinstehende junge Frau unerwartet zum Vormund ihrer verwaisten Nichte Cady wird, nimmt sie die Hightech-Puppe M3GAN (Model 3 Generative Android) mit nach Hause. Warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: dem trauernden Mädchen eine Spielgefährtin zur Seite stellen und gleichzeitig den Prototyp vor Markteinführung in Aktion testen?

Diese Woche bei „Shopping Queen“: Kombiniere ein zeitloses Outfit rund um das angesagte It-Piece Ringelshirt. Mit dabei: Chucky, Annabelle und als erste Kandidatin M3GAN. Doch die macht alles falsch: ein altbackenes Kleid über weißen, blickdichten Strumpfhosen, dazu schwarze Lackschuhe. Als Krönung ein überdimensionierter Schlupf, der das matronenhafte Outfit endgültig zum modischen Super-GAU macht. Das tut nichts für sie! Ganz lieb gemeinte 0 Punkte.

Aber wie soll eine Roboter-Puppe auch Sinn für Fashion haben? Obwohl M3GAN sonst so ziemlich alles kann: Zuhören, trösten, lachen, ans Händewaschen nach dem Toilettengang erinnern, Gefühle erkennen. Und wenn es sein muss, auch morden.

Anders als die von bösen Geistern besessene Mörderpuppen-Konkurrenz ist M3GAN eine Art Androide, bei dem die Sicherungen durchbrennen. Zwar ist ihre Geschichte nicht besonders überraschend erzählt und voller Logikbrüche, aber was soll’s? Gerard Johnstone Horrorfilm ist sich in jeder Sekunde bewusst, dass er hochgradig albern ist. Und genau das macht ihn so unterhaltsam. Die grundböse Killer-Puppe, die zum Einschlafen mit metallischer Stimme Lieder von SIA singt und sich im Angriffsmodus besorgniserregend verrenken kann, bereitet trotz gruseligen Modegeschmacks mörderischen Spaß.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „M3GAN“
USA 2023
102 min
Regie Gerard Johnstone

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

OPERATION FORTUNE

OPERATION FORTUNE

Kinostart 05. Januar 2023

Was ist ein McGuffin? Wer jetzt genervt mit den Augen rollt, der darf schnell zum nächsten Abschnitt weiterspringen. Für alle anderen eine kleine Filmlektion: Der Begriff McGuffin stammt von Alfred Hitchcock. Er bezeichnet einen beliebigen Gegenstand (vom Diamanten über einen Brief bis zum Aktenkoffer kann das alles Mögliche sein), der in einem Film dazu dient, die Handlung auszulösen oder voranzutreiben. Der (beispielsweise) Aktenkoffer ist dabei vollkommen nebensächlich, denn es geht nur darum, die Protagonisten auf Trab zu halten und damit Spannung zu erzeugen.

Es riecht nach neuem Franchise

Kein Spion in Sicht: Tom Cruise alias Ethan Hunt geht erst im kommenden Sommer wieder auf unmögliche Mission und 007 macht eine wohlverdiente Pause – ein neuer Darsteller ist noch nicht gefunden. In diese Lücke drängt sich nun Guy Ritchie mit seinem stylishen Actionfilm „Operation Fortune“. Und es riecht nach neuem Franchise. Der eingangs erwähnte McGuffin ist hier eine ominöse Festplatte. Darauf befindet sich ein Code, mit dem das internationale Bankensystem zerstört werden kann. Topspion Orson Fortune (Jason Statham) und sein Team müssen verhindern, dass die Daten einem milliardenschweren Waffenhändler (Hugh Grant) in die Hände fallen. Dazu werden pausenlos Computer gehackt und Bösewichte verdroschen. Wie üblich in solchen Filmen führt die Jagd dabei einmal sinnlos rund um den Globus. Exotische Locations sind ein Muss, auch wenn ein Großteil der Arbeit vom Rechner zu Hause erledigt werden könnte.

Bond- und Mission-Impossible-Filme verfügen über astronomische Budgets und sind visuell entsprechend hochklassig. Da ist man als Zuschauer verwöhnt. Bei Guy Ritchie wirkt alles ein bisschen kleiner und normaler und dadurch auch preisgünstiger im Look. Obwohl das Stuntteam von „John Wick“ und „Deadpool“ am Werk war, sehen viele der Actionszenen eher nach gehobenem TV-Format aus. Verfolgungsjagden und Explosionen hat man schon weitaus eindrucksvoller und bombastischer gesehen. Dass „Operation Fortune“ trotzdem großen Spaß macht, liegt an der Top-Besetzung. Neben dem knochentrockenen Jason Statham sind besonders Aubrey Plaza als schlagfertige Computerexpertin und Hugh Grant als zwielichtiger Waffenhändler herausragend. Coole Sprüche, britischer Humor und eine temporeiche Jagd machen „Operation Fortune“ zwar nicht zu großer Kunst, aber zu extrem kurzweiliger Unterhaltung.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Operation Fortune: Ruse de Guerre“
USA 2022
114 min
Regie Guy Ritchie

alle Bilder © LEONINE

AVATAR: THE WAY OF WATER

AVATAR: THE WAY OF WATER

Kinostart 14. Dezember 2022

Groß, größer, Cameron. Der Erfolgsregisseur präsentiert mit „Avatar: The Way of Water“ im Grunde eine Neuverfilmung von „Avatar: Aufbruch nach Pandora“. Nur ist diesmal alles noch gewaltiger und farbenprächtiger, die Bilder noch plastischer. Vor allem in IMAX und 3D ist der Film ein visueller Rausch.

Avatar ist bis heute der erfolgreichste Film aller Zeiten

Das sieht schon sehr gut aus. Vor allem die Unterwasseraufnahmen. Da ist James Cameron in seinem Element. Und er weiß, was seine Fans wünschen: Schiffskatastrophe a la „Titanic“, check. Schillernde „Abyss“-Unterwasserwelten, check. „Aliens“-Machosoldaten, doppel-HOOAH-check! Viele der Versatzstücke kommen einem verdächtig bekannt vor. Der Meister zitiert sich selbst. 

Inhaltlich unterscheiden sich Avatar 1 und 2 kaum. Kurze Auffrischung: Der ehemals gelähmte Kriegsveteran Jake Sully (Sam Worthington) ist mittlerweile komplett zum blauhäutigen Na’vi geworden und hat mit Neytiri (Zoe Saldana) reichlich Nachwuchs in die pandorische Welt gesetzt. War der erste Teil noch eine simple Liebesgeschichte, erzählt die Fortsetzung eine soapige Familiensaga. Die Kleinen sind inzwischen zu pubertierenden Teenagern herangewachsen. Und da es im Weltenraum überall gleich zugeht, ignorieren die Kids auch hier bockig den Rat der Alten und provozieren dadurch eine gefährliche Situation nach der anderen. Aus denen sie dann von den Eltern gerettet werden müssen – Eine Geschichte so dünn wie ein Schluck Wasser.

Auch die Rollenverteilung zwischen Gut und Böse bleibt wie gehabt: Hier die teuflischen Menschen, die profitgierig auf den Umweltschutz spucken. Da die edlen Wilden, mit der Natur stets im Einklang und im ewigen Kampf gegen den weißen Mann. Winnetou, I see you.

James Cameron kann mit seinem Hybrid aus Real- und Computeranimationsfilm das Blockbusterkino nicht noch einmal revolutionieren. Der Reiz des Neuen ist weg. Gelegentlich droht die Schönheit der Bilder in Enthnokitsch und Pathos unterzugehen. Aber immerhin: Die im Rechner erschaffenen fantastischen Welten und die perfekt choreografierten Actionsequenzen haben Wucht. Wer im trüben Wintergrau für drei Stunden in türkisfarbenen Südsee-Welten versinken möchte, der ist hier genau richtig.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Avatar: The Way of Water“
USA 2022
192 min
Regie James Cameron

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

TERRIFIER 2

TERRIFIER 2

Kinostart 08. Dezember 2022

„Zuschauer mussten ohnmächtig aus dem Kino getragen werden“, verkündet das Presseheft voller Stolz. Abgebrühten Splatterfans mag da nur ein müdes Lächeln übers Gesicht huschen. Alle anderen seien hiermit gewarnt.

Schnipp, schnapp, Rübe ab

„Terrifier 2“ ist Hardcore-Trash in Vollendung. Das ist jetzt bitte nicht abwertend gemeint. Denn Regisseur Damien Leone hat eine echte Perle des Slashergenres geschaffen. „Terrifier 2“ pfeift auf Halloween-Retroromantik und geht noch zehn Schritte weiter. Der Film spielt zwar in der Jetztzeit (es gibt Handys), sieht aber aus und klingt (dank des Soundtracks von Paul Wiley) wie ein Independentmovie, das 1975 in einem heruntergekommenen New Yorker Grindhouse zur Mitternachtsmatinee gezeigt wird. Deshalb aufgepasst: „Terrifier 2“ läuft bei uns nur für kurze Zeit in ausgewählten Kinos. Je später die Vorstellung und je abgeranzter die Location, desto stilechter. 

Wie alle guten Horrorfilme hat auch „Terrifier 2“ einen besonders garstigen Bösewicht. Der stumme „Art the Clown“ ist eine wahre Ausgeburt der Hölle. Unsterblich wie Mike Myers und Jason hat er im Gegensatz zu seinen killenden Kollegen richtig Freude an der sadistischen Arbeit. Ulkige Grimassen schneidend befördert er ein Opfer nach dem anderen auf möglichst brutale Art und Weise ins Jenseits. Schnipp, schnapp, Rübe ab. Ein echter Künstler seines Fachs.

Die Geschichte um ein Teenagermädchen und ihren Bruder tut nichts zur Sache, denn Hauptsache, die Gore-Effekte haben es in sich. Regisseur Damien Leon setzt dabei komplett auf physische Tricks, keine glatte CGI-Optik, das Blut spritzt hier noch handgemacht und ist daher umso wirkungsvoller. Wer sich also für ausgerissene Augen, mit dem Hammer zu Brei zerschlagenes Hirn oder heraushängendes Gedärm begeistert: Hier ist euer Schocker des Jahres. Uncut.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Terrifier 2“
USA 2022
137 min
Regie Damien Leon

alle Bilder © 24 Bilder

SHE SAID

SHE SAID

Kinostart 08. Dezember 2022

Der verurteilte Sexualstraftäter und Ex-Filmproduzent Harvey Weinstein ist ein echtes Schwein. Über Jahrzehnte missbraucht er Frauen körperlich und emotional. Das Bekanntmachen seiner Vergehen löst zunächst in den USA und später weltweit die #MeToo-Bewegung aus. In ihrem Buch „She Said: Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement“ erzählen die beiden New-York-Times-Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kanto von der Recherche, die den einst mächtigen Miramax-Boss vor fünf Jahren zu Fall bringt. Maria Schrader gibt nun mit der Verfilmung des Sachbuchs ihr US-Regie-Debüt.

Eine fast anämische Aneinanderreihung von Begebenheiten

Hollywood, Skandal, Machtmissbrauch. Das hätte auch schnell ein reißerischer Thriller werden können. Doch „She Said“ ist eine erstaunlich nüchterne, fast anämische Aneinanderreihung von Begebenheiten. Der Film lässt vieles aus – es fehlt eine Erklärung, wer Harvey Weinstein überhaupt ist und welche unangreifbare Machtposition er jahrzehntelang in Hollywood innehat – fokussiert sich auf die beiden Journalistinnen: So leidet Megan Twohey beispielsweise nach der Geburt ihres Kindes unter postpartaler* Depression. Schlimm, aber so what, möchte man sagen – eine Information, die weder besonders geschichtsrelevant ist, noch der Figur nachhaltig Tiefe verleiht.

Ein Vergleich drängt sich auf: „She Said“ ist eine MeToo-Variante von „All the President’s Men – Die Unbestechlichen“. Investigativen Journalisten bei der Arbeit zusehen, kann auch spannend sein. Das beweist Alan J. Pakulas Film über die Watergate-Affäre noch heute, fast 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung. Der sehr deutsche Blick von Emmy-Gewinnerin Maria Schrader auf eine US-amerikanische Geschichte ist zwar in Ansätzen erfrischend, doch die Regisseurin verweigert sich in ihrer braven Nacherzählung der Fakten zu sehr den Möglichkeiten des Kinos. Und auch wenn journalistische Recherche im wahren Leben tatsächlich aus vielen Telefonaten bestehen mag: Muss man die alle in einem Kinofilm zeigen?

Kitty Green hat mit „Die Assistentin“ vor zwei Jahren den eindringlicheren und besseren Film zum Thema gemacht.

* Mansplaining mit Framerate: Mit postnatal beschreibt man die Zeit nach der Geburt, bezogen auf das Kind. Mit postpartal hingegen meint man den Zeitraum nach dem Gebären, bezogen auf die Mutter. Somit ist hier die medizinisch korrekte Bezeichnung „Postpartale Depression“.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „She Said“
USA 2022
133 min
Regie Maria Schrader

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

CALL JANE

CALL JANE

Kinostart 01. Dezember 2022

Joy ist schwanger. Doch etwas stimmt nicht. Immer wieder wird ihr schwindlig, verliert sie das Bewusstsein. Der Arzt rät zu einem Schwangerschaftsabbruch, da sonst Lebensgefahr bestehe. Das Problem: Ende der 60er-Jahre sind Abtreibungen in den USA verboten und der rein männlich besetzte Klinikvorstand lehnt den Eingriff ab. Die Lage scheint aussichtslos, bis Joy auf eine illegale Gruppe trifft. Die „Janes“ helfen Frauen, ungewollte Schwangerschaften zu beenden und notfalls vor Gericht zu ziehen. Joy wird Teil des Untergrundkollektivs.

Ein wichtiges Thema, gerade in Zeiten, in denen das Recht auf Abtreibung in vielen Ländern wieder zur Diskussion steht (im Juni diesen Jahres wurde das generelle Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in den USA abgeschafft). Umso bedauerlicher, dass „Call Jane“ nicht richtig packt. Phyllis Nagy, die schon das Drehbuch zu Todd Haynes „Carol“ geschrieben hat, interessiert sich in ihrem Regiedebüt überraschend wenig für die aufkommende Frauen- und Hippiebewegung in den USA. Ihr eher konventioneller, zu netter Film fokussiert sich hauptsächlich auf die Frage: Finden Joys Ehemann und Tochter heraus, dass sich Mutti mit gesetzlosen neuen Freundinnen umgibt?

„Call Jane“ ist solide, gut gespielte, aber letztendlich biedere US-Ware. Einen weitaus besseren Film zum Thema hat die Französin Audrey Diwan mit „Das Ereignis“ gemacht, der im März diesen Jahres in den Kinos lief.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Call Jane“
USA 2022
121 min
Regie Phyllis Nagy

alle Bilder © DCM

ZEITEN DES UMBRUCHS

Kinostart 24. November 2022

Dass ein Schmock wie Ronald Reagan der nächste US-Präsident werden könnte, versetzt Irving Graff (Jeremy Strong) in Unglauben. Der liberale jüdische Familienvater lebt Anfang der 1980er-Jahre in Queens, New York. Mit seiner Frau Esther (Anne Hathaway) hangelt er sich so durch, vom klassischen Wunsch getrieben, die beiden Kinder mögen es „mal besser haben“. Doch Undank ist der Welten Lohn: Sohn Paul (Banks Repeta) ist verträumt und mehr am Zeichnen als an Lehren fürs Leben interessiert. Verständnis findet er nur bei seinem Großvater (Anthony Hopkins), dem einzigen Erwachsenen, auf den der Junge hört.

Der Film findet keinen großen dramatischen Bogen, bleibt skizzenhaft

Wer hat sich nicht schon mal gefragt, ob die eigene Familiengeschichte es nicht wert wäre, aufgeschrieben oder verfilmt zu werden? Da aber die meisten von uns kein Soap-Opera-Leben führen, hielte das Ergebnis den Rest der Menschheit vermutlich nicht in Atem. Und auch die Kindheitserinnerungen von James Gray sind weniger aufregend, als es der Drehbuchautor und Regisseur vermutet. Sein Film findet keinen großen dramatischen Bogen, bleibt skizzenhaft und ist nur mäßig interessant. Ständig wartet man auf einen großen Knall, Gefühle oder Drama, doch es passiert fast nichts. Wenigstens hat er eine fabelhafte Besetzung vor der Kamera versammelt: Neben Jeremy Strong und Anne Hathaway vor allem Anthony Hopkins, der endlich aufgehört hat, drittklassige Thriller fürs Geld zu drehen, und seit „The Father“ wieder zu Bestform zurückgefunden hat.

„Armageddon Time“ – der Originaltitel klingt brachial und vielversprechend. Überraschend, dass sich dahinter eine so fade Familiengeschichte verbirgt. Wie schon zuletzt „Ad Astra – Zu den Sternen“ ist auch Grays neuer Film kein Unterhaltungsfeuerwerk, eher eine Beobachtung von Zuständen. „Zeiten des Umbruchs“ möchte ein bildgewordener Jonathan Franzen-Roman sein: eine ausführliche Beschreibung vom Leben, bei der nicht viel passieren muss, die aber trotzdem fesselt. Das funktioniert bei Franzen auf dem Papier. Kino folgt anderen Regeln. Da können zwei Stunden ohne nennenswerte Geschichte ganz schön lang werden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Armageddon Time“
USA 2022
114 min
Regie  James Gray

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

BONES AND ALL

Kinostart 24. November 2022

Das Rückgrat geknickt,
Die Knochen zerknackt,
Die Schenkel gespickt,
Die Lebern zerhackt.

Joachim Ringelnatz beschreibt in seinem Gedicht „Silvester bei den Kannibalen“ genau wie’s geht. Derlei Anleitung könnte auch Maren gut gebrauchen, denn sie ist seit Kindesbein scharf auf Menschenfleisch. Als sich pünktlich zu ihrem 18. Geburtstag ihr Vater aus dem Staub macht, begibt sie sich auf die Suche nach ihrer verschollen geglaubten Mutter – ein Roadtrip quer durch die Vereinigten Staaten der Reagan-Ära. Unterwegs trifft sie Gleichgesinnte (man kann sich gegenseitig erschnuppern) und findet im Wild Boy Lee ihre erste große Liebe. Liebe unter Kannibalen. Schön.

Regisseur Luca Guadagnino ist ein Meister der Stimmung

„Bones and All“ würde in der modernen Gastronomie wohl „Nose to Tail“ heißen. Denn in der Adaption von Camille Deangelis’ Jugendroman geht es (auf den ersten Blick) genau darum: das Verspeisen von Menschen mit Haut und Haar. Regisseur Luca Guadagnino hat sich dafür erneut Timothée Chalamet vor die Kamera geholt und der macht, was er am besten kann: mit niedlichem Hundeblick unter der Lockenfrisur hervorschauen und sexuelle Ambivalenz verströmen. Sehr putzig auch Oscarpreisträger Mark Rylance als gruselig-irrer Körperfresser mit Prinzipien: Ihm kommen nur bereits Verstorbene auf den Teller. Die Hauptrolle ist mit Taylor Russell besetzt, die schon im sträflich vom Publikum ignorierten Coming-of-Age-Drama „Waves“ begeistern konnte.

Was dem Immobilienmakler „Locatio, Location, Location“, ist für Luca Guadagnino „Mood, Mood, Mood“. Die Filme des italienischen Regisseurs sind in erster Linie perfekt eingefangene Atmosphäre, weniger klassisch erzählte Geschichte. Wer wollte nach „Call Me by Your Name“ nicht sofort die Koffer packen und einen sonnenflirrend verliebten Urlaub im Süden verbringen? Ein Meister der Stimmung also. Mit „Bones and All“ hat er nun einen – sich selbst vielleicht etwas zu ernst nehmenden – romantischen Arthousefilm mit Horrorelementen gedreht. Top besetzt, zwischendurch mit Längen, aber insgesamt sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Bones and All“
Italien / USA 2022
131 min
Regie Luca Guadagnino

alle Bilder © Warner Bros. Pictures (international)

SHATTERED – GEFÄHRLICHE AFFÄRE

Kinostart 24. November 2022

Große Sorge um John Malkovich! Der preisgekrönte Schauspieler ist in finanziellen Schwierigkeiten! Oder warum sonst spielt er in diesem zweitklassigen C-Picture mit?

Die überraschungsfreie Geschichte wird inklusive aller Twits bereits im Trailer verraten: Der in einem Luxusanwesen in den Bergen lebende Tech-Millionär Chris (Cameron Monaghan) verliebt sich in die attraktive Sky (Lilly Krug). Als der bebrillte Beau bei einem Überfall verletzt wird, springt die junge Frau kurzerhand als Privatkrankenschwester ein. Doch die hilfsbereite Fassade täuscht, Sky verfolgt einen perfiden Plan. Natter!

„Shattered“ ist eine Mischung aus „Misery“ und „Fatal Attraction“, nur mit schlechteren Darstellern und überschaubarerem Production Value. Früher landeten solche Filme als Direct-to-DVD in Videotheken, heute werden sie auf Streamingplattformen verheizt. Weshalb es „Shattered“ auf die große Leinwand ins Kino geschafft hat, bleibt rätselhaft. Trotz seiner Schlichtheit in jeder Hinsicht, ist der Thriller wenigstens in der zweiten Hälfte ein bisschen spannend.

Stupid German Money goes Hollywood: Veronica Ferres ist nicht nur die Mutter der Hauptdarstellerin, sondern auch Produzentin des Films und privat mit Malkovich befreundet. Ach so, drum.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Shattered“
USA 2022
94 min
Regie Luis Prieto

alle Bilder © Leonine

LAND OF DREAMS

Kinostart 03. November 2022

Irgendwann in naher Zukunft in New Mexico: Die gebürtige Iranerin Simin arbeitet als Faktenprüferin und „Traumfängerin“ für das US-Zensusbüro. Ihre Aufgabe besteht darin, von Haus zu Haus zu gehen und die Menschen nach ihren Träumen zu befragen. In ihrer eigenen Wohnung verkleidet sie sich abends als die Personen, die sie interviewt hat, und übersetzt deren Traumaussagen ins Farsi. Diese Performance lädt sie dann online auf einer Social-Media-Plattform hoch. Klingt nach Kunst? Ist es auch.

Sanfte Anleihen bei Luis Buñuel und deutlichere Anleihen bei David Lynch machen „Land of Dreams“ vor allem visuell interessant. Mit prominenten Schauspielern wie Matt Dillon (als zynischer Bodyguard) und Isabella Rossellini, die covidbedingt nur eine Gastrolle per Monitorzuschaltung hat, erzählt die Regisseurin Shirin Neshat (Co-Regie: Shoja Azari) eine surreale Geschichte, die sich in 113 Minuten etwas zu lang entfaltet. Trotz des überbetonten Themas vom „Staat, der die Träume seiner Bürger kontrollieren will“, sind es die poetischen Bilder und die Musik von Michael Brook, die „Land of Dreams“ sehenswert machen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Land of Dreams“
Deutschland / USA 2021
113 min
Regie Shirin Neshat und Shoja Azari

alle Bilder © W-Film

AMSTERDAM

Kinostart 03. November 2022

Anstrengend! Überladen! Nicht so clever, wie er glaubt zu sein! Selten wurden große Stars derart verheizt! Keine Chemie! Totalausfall! Die Kritik ist sich in ihrem vernichtenden Urteil ziemlich einig: David O. Russells neuer Film ist ein kolossaler Flop.

Drama, Screwball-Komödie, Thriller

Die Geschichte von den beiden verwundeten Soldaten, die am Ende des Ersten Weltkriegs eine Krankenschwester kennenlernen, um dann mit ihr gemeinsam eine unvergessliche Jules und Jim-Zeit in Amsterdam zu verbringen, sei von Anfang an von allem zu viel. Drama, Screwball-Komödie, Thriller, Kriegsfilm: Wie soll das zusammenpassen? Erst als sich die Handlung ins New York der 1930er-Jahre verlegt und die drei Freunde einer (wahren) Verschwörung auf die Spur kommen, die das Schicksal der ganzen Welt beeinflussen könnte, finde der Film Tritt, aber dann sei es schon zu spät. So die seltsame, nicht nachvollziehbare Meinung der Kritiker.

Der Film erzählt eine Geschichte – und dass die mal lustig, mal dramatisch ist und auch einmal kurz im Krieg spielt – na und? Sicher, ein paar Kürzungen hätten nicht geschadet, denn 134 Minuten klingen nicht nur lang, sie sind es auch. Aber sich über eine abwechslungsreiche Handlung zu echauffieren, das klingt eher wie eine persönliche Abrechnung mit dem Regisseur.

„Amsterdam“ beginnt stark, schwächelt ein bisschen in der Mitte und fängt sich dann wieder zum Ende. Die Namen aller mitspielenden Stars aufzulisten, würde zu weit führen, aber Christian Bale, John David Washington, Margot Robbie und Chris Rock seien genannt. Und natürlich Robert DeNiro, Rami Malek und Anya Taylor-Joy. Und nicht zu vergessen Taylor Swift. Russel hat große Namen zusammengetrommelt und liefert einen stellenweise lustigen, fast hitchcockschen Thriller mit herausragender Ausstattung, toller Kamera und einem spielfreudigen Mega-Cast.

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Originaltitel „Amsterdam“
USA 2022
134 min
Regie David O. Russell 

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

BROS

Kinostart 27. Oktober 2022

„Bros“ ist leider kein Biopic über die gleichnamige britische Boygroup aus den 1980er-Jahren (When Will I Be Famous?), sondern eine nervige Gay-Rom-Com aus den USA.

Die im Stil einer 80er/90er-Jahre-Liebeskomödie gedrehte Satire auf eine Liebeskomödie aus den 80er/90er-Jahren leidet vor allem unter ihrer unsympathischen Hauptfigur. Bobby (Billy Eichner) ist ein dauersabbelnder Besserwisser, der sich nicht binden kann oder will. Eines Abends lernt er in einem Club den attraktiven Anwalt Aaron kennen. Der ist ein genauso großer Beziehungsmuffel, und so dauert es eine Weile, ehe die beiden zueinanderfinden. Auf dem Weg ins Glück wird pausenlos geredet. Geredet und geredet. Die eigentlich charmante Geschichte erstickt an ihrer penetranten Geschwätzigkeit, es ist kaum auszuhalten.

Ja, es gibt schon ein paar witzige Dialoge über straight actors, die in Hollywoodfilmen schwule Charaktere spielen, nur um einen Oscar zu gewinnen. Und auch der Gastauftritt von Debra Messing als Debra Messing hat komisches Potenzial. Doch die guten Szenen aus dem schwulen Alltag eines New Yorker Museumsdirektors werden unter einem Berg von zwanghafter LGBTQ+-political-correctness begraben. Dazwischen ein paar explizite Sexszenen, die leider auch noch lustig sein sollen – es aber größtenteils nicht sind.

Regisseur Billy Eichner macht Homophobie für den Kassenflop seines Films in den USA verantwortlich

„Bros“ will romantische Komödie, Satire, politisches Statement und LGBTQ+-Geschichtsstunde sein. Unter der Last geht dem Film bald die Puste aus und was anfangs noch für ein paar Lacher sorgt (wie die peinvollen Grindr-Dates der Hauptfigur), zieht sich ab der zweiten Hälfte furchtbar in die Länge. Zum Glück sind die Geschmäcker verschieden. Aber der einhellige Tenor nach der Pressevorführung überrascht dann doch: Wunderbar! Köstlich! Wahnsinnig lustig! Da fragt man sich: Haben die den gleichen Film gesehen?

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Originaltitel „Bros“
USA 2022
115 min
Regie Nicholas Stoller

alle Bilder © Universal Picture International Germany

BLACK ADAM

Kinostart 20. Oktober 2022

„Black Adam“ ist ein typischer DC-Superheldenfilm. Kenner der Materie wissen, was das bedeutet. Es gibt viele Kampfszenen in Slow Motion, Blitz und Donner in Videogameoptik und ein paar lachhafte Kostümierungen. Und gerade als man denkt, es sei vorbei, geht es noch eine halbe Stunde weiter.

Dr. Strange oder Dr. Fate? Ant-Man oder Atom Smasher? Cyclone oder Storm? Handlung und Figuren kommen einem aus diversen X-Men und Marvelfilmen vage bekannt vor. Doch bei der Unmenge an Halbgöttern mit Superkräften, die sich mittlerweile auf der Leinwand tummelt, behält ohnehin nur der eingefleischte Nerd den Überblick.

Doofe Unterhaltung, aber nicht der schlechteste DC-Film aller Zeiten. Mehr Lob geht beim besten Willen nicht.

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Originaltitel „Black Adam“
USA 2022
130 min
Regie Jaume Collet-Serral

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

HALLOWEEN ENDS

Kinostart 13. Oktober 2022

Zeit heilt alle Wunden und wenn Du nicht darüber sprechen willst, dann zünde einen Kürbis an oder schreib ein Buch. Gesagt, getan. Die ewige Screamqueen Laurie (Jamie Lee Curtis) verarbeitet ihre fast 45 Jahre währende Geschichte mit Michael Myers in selbstgetippten Memoiren, Bestseller garantiert. Vier Jahre nach den Ereignissen von „Halloween Kills“ scheint der maskierte Serienkiller spurlos verschwunden zu sein. Doch als der junge Babysitter Corey versehentlich einen kleinen (und ausgesprochen nervigen) Jungen tötet (Es war ein UNFALL, euer Ehren!), zeigt das Städtchen Haddonfield seine hässliche Fratze. Corey wird trotz Freispruchs gemobbt, wo er geht und steht. Was all das mit Michael Myers zu tun hat? Berechtigte Frage, denn es dauert eine ganze Weile, bis der in die Handlung zurückfindet und wieder das Metzelmesser schwingen darf.

Was man dem Film anrechnen muss: Trotz unzähliger Persiflagen und Kopien in den letzten Jahrzehnten ist „Halloween Ends“ ein überraschend gut funktionierendes, effektvolles Stück Horrorkino geworden. Als trashiger Slasherfilm hat er alle Zutaten, die man von diesem Genre erwarten darf: ausreichend Schockmomente, ein bisschen selbstironischen Humor, nostalgische Flashbacks auf die Anfänge der Halloween-Saga und viel, viel Blut. Auch wenn sich die Geschichte vor allem in der ersten Hälfte weit vom klassischen Halloween-Franchise entfernt und sich dabei großzügig bei allerlei anderen Horrorklassikern bedient, ist es doch erfrischend, mal einer originellen Handlung zu folgen, die mehr als das typische Abarbeiten des „Zehn kleine Jägermeister“-Klischees zu bieten hat.

Am Ende (SPOILER!) ist Michael Myers dann aber wirklich und endgültig tot. Oder?

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Originaltitel „Halloween Ends“
USA 2022
111 min
Regie David Gordon Green

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

NOPE

Kinostart 11. August 2022

Schon wieder drei Sterne! Lang-wei-lig!! Aber wie sonst soll Freude über die erste und zunehmender Frust über die zweite Hälfte eines Films bewertet werden? Irgendwas zwischen zwei und vier? Eben.

Worum es geht, verrät bereits der Trailer, der ein einziger großer Spoiler ist. Kurz gefasst: OJ und seine Schwester Emerald betreiben eine Farm, auf der sie Pferde für Hollywoodproduktionen trainieren. Eines Tages macht OJ eine beunruhigende Entdeckung am Himmel. So weit, so „Unheimliche Begegnung der dritten Art“.

„Nope“ nimmt sich viel Zeit, Spannung aufzubauen. Unwohlsein und die Ahnung, dass gleich etwas Entsetzliches passieren wird, kriechen den Nacken hoch. Problematisch nur, wenn all die aufgebaute Spannung immer wieder verpufft.

Jordan Peele gehört zu den interessantesten neuen Regisseuren Hollywoods, droht mit seinem dritten Spielfilm aber einen ähnlichen Weg wie der einstmals gefeierte M. Night Shyamalan einzuschlagen. Peeles Filme sind zwar um Längen cooler und besser inszeniert als beispielsweise „Old“ (oder fast alle anderen Filme Shyamalans), aber das Einzelkämpfertum – Drehbuch, Produktion und Regie aus einer Hand – tut der Sache nicht immer gut. Vor allem der Story hätten noch ein bisschen Feintuning und Straffung nicht geschadet. Zu Anfang gibt es eine besonders schön schreckliche Szene mit einem Schimpansen im Fernsehstudio. Diese und eine spätere Rückblende darauf sind für sich genommen schockierende Szenen mit echtem Horror. Im Gesamtfilm wirken sie aber wie ein Fremdkörper und haben nur sehr bedingt mit der restlichen Handlung zu tun.

So lässt „Nope“ mit gemischten Gefühlen zurück: Lob für die originelle Idee, die Besetzung und den tollen IMAX-Look. Doch das teils unausgegorene Drehbuch und das schwache Ende trüben den Spaß. Eine Empfehlung mit Einschränkung.

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Originaltitel „Nope“
USA 2022
130 min
Regie Jordan Peele

alle Bilder © Universal Pictures

BULLET TRAIN

Kinostart 04. August 2022

Wozu mit langen Inhaltsangaben aufhalten, wenn es der Klappentext der Romanvorlage perfekt zusammenfasst: Ein Zug. Fünf Killer. Ein Koffer voller Geld.

Und noch ein typischer Guy-Ritchie-Film, den Guy Ritchie nicht gedreht hat. Das Beste an der Highspeed-Action-Komödie in einem japanischen Schnellzug ist zweifelsohne Brad Pitt als Auftragskiller in Existenzkrise. Regisseur David Leitch bleibt seinem überdrehten Comicstil aus „Atomic Blonde“ und „Deadpool 2“ treu und deckt die ganze Bandbreite von ziemlich lustig bis absolut dämlich ab. „Bullet Train“ ist ein blutiges Gemetzel mit hohem Bodycount, kombiniert mit Selbstironie. Das ist nun wirklich nichts Neues, in diesem Tempo aber wenigstens unterhaltsam.

Dank halbwegs interessanter Charaktere und Dialogen aus dem Tarantino-Handbuch nicht ganz so hirnlos wie befürchtet, aber auch längst nicht so clever, wie es die Macher glauben. Slapstickhaftes Popcornkino für zwei Stunden Eskapismus.

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Originaltitel „Bullet Train“
USA 2022
126 min
Regie David Leitch

alle Bilder © Sony Pictures

ELVIS

Kinostart 23. Juni 2022

Er war Superstar
Er war populär
Er war so exaltiert
Because er hatte Flair
Er war der wahre King, der größte Rock’n Roll Star aller Zeiten.
Bis heute hat kein Solokünstler mehr Musikträger verkauft als Elvis Presley.

Baz Luhrmann ist einer der Regisseure, deren Handschrift man schon nach wenigen Einstellungen erkennt. Diesmal dauert es nicht einmal eine Sekunde, denn schon das diamantenfunkelnde 3D-Logo von Warner Brothers zeigt, wohin die Reise geht. Getreu dem Liberace-Motto „Too much of a good thing is wonderful“ schöpft der Regisseur aus dem Vollen. Alles ist überinszeniert, gefiltert und auf maximale Wirkung inszeniert. Wer Luhrmanns Arbeiten kennt, weiß, dass bei ihm Form vor Inhalt geht. Das sieht alles erwartungsgemäß toll aus, Catherine Martins Kostüme und das Produktionsdesign sind eine Hommage an Presleys Blütezeit von den 1950er bis zu den 1970er-Jahren.

Doch unter all dem Glamour und Glitter verbirgt sich eine komplexe Geschichte. Der Film beleuchtet das Leben und die Musik des Superstars durch das Prisma seiner schwierigen Beziehung zu seinem berüchtigten Manager Colonel Tom Parker, mit reichlich Fettprothesen schön ölig von Tom Hanks gespielt.

Egal, ob man Luhrmanns trailerartiges Schnittgewitter nun mag oder nicht, sein opulentes Biopic ist vor allem eins: A superstar in the making. Austin Butler gibt mit sexueller Dynamik alles, shakes, rattles and rolls mit so viel Hingabe, dass er nach Ende der Dreharbeiten für zwei Wochen mit Erschöpfungssymptomen ins Krankenhaus musste. All die Mühe hat sich gelohnt, denn sogar Elvis-Witwe Priscilla ist begeistert: Kein anderer Film habe „Elvis jemals besser dargestellt“ als dieser.

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Originaltitel „Elvis“
USA 2022
159 min
Regie Baz Luhrmann

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

PRESS PLAY AND LOVE AGAIN

Kinostart 16. Juni 2022

Eine berühmte Anekdote: Billy Wilder erzählte einmal, er habe im Schlaf immer die besten Drehbuchideen. Eines Nachts machte er sich nach einem besonders lebhaften Traum Notizen. Als er am nächsten Morgen den Zettel las, stand da: Boy meets girl.
So ähnlich muss auch das Drehbuch zu „Press Play and Love again“ entstanden sein.

Laura verliebt sich in Harrison. Harrison macht Laura ein Mixtape. Harrison stirbt (sorry, SPOILER). Laura hört sich ein paar Jahre später die Musikkassette an und wird wie durch Zauberhand in die Vergangenheit zurückgeschleudert. Zukunfts-Laura versucht Vergangenheits-Harrison zu retten.

Multiversum ist gerade das neue Schwarz. Warum nicht eine banale Lovestory mit Zeitreise und verschiedenen Schicksalsvarianten kreuzen? Kann man machen, sollte nur abgedrehter umgesetzt werden. „Everything Everywhere All at Once“ und „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ zeigen gerade, wie es richtig geht. Greg Björkmans Film ist seichte Konfektionsware, erinnert in seinen besten Momenten an eine laue Black-Mirror-Episode. Zu vorhersehbar spult sich die Geschichte ab, die beiden Hauptdarsteller Clara Rugaard und Lewis Pullman sind blass und langweilig. Dass der Film von der ersten bis zur letzten Minute mit klimpriger Musik zugekleistert ist, macht das Ganze auch nicht besser. Einzig die Location entschädigt: Die hawaiianische Insel Oahu sieht gut aus, da könnte man auch mal hin.

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Originaltitel „Press Play“
USA 2022
85 min
Regie Greg Björkman

alle Bilder © splendid film

LIGHTYEAR

Kinostart 16. Juni 2022

Dass wir in düsteren Zeiten leben, zeigt folgende Meldung: In Saudi-Arabien wird „Lightyear“ verboten, weil er einen Kuss zwischen zwei Frauen zeigt. Herr im Himmel!

Jetzt wird’s kompliziert: „Lightyear“ ist weder Prequel oder Sequel, sondern ein Film im Film. In „Toy Story“ besitzt der Junge Andy ein Spielzeug namens Buzz Lightyear. Diese Actionfigur basiert auf dem Kinofilm „Lightyear“, der in der fiktiven Toy-Story-Welt ein Kassenschlager war. Franchise auf Metaebene sozusagen.

Man muss das alles nicht verstehen und auch die Pixar-Trilogie muss man nicht kennen, um an „Lightyear“ großen Spaß zu haben. Für Nerds gibt es unzählige Zitate und Querverweise auf beinahe alle Science-Fiction-Klassiker der Filmgeschichte, von Alien über Kampfstern Galactica, bis zu 2001, Star Wars und Trek. Doch auch ohne Hintergrundwissen bietet die Geschichte vom zeitreisenden Space Ranger und seiner Trümmertruppe den Zuschauern jede Menge Spannung, Herz und Humor.
Kein neuer Pixar-Klassiker, aber sehr gut gemachte Unterhaltung. Diese Woche der mit Abstand empfehlenswerteste Filmstart.

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Originaltitel „Lightyear“
USA 2022
105 min
Regie Angus MacLane

alle Bilder © Walt Disney Motion Pictures Germany

TOP GUN: MAVERICK

Kinostart 26. Mai 2022

36 Jahre später setzt sich Tom Cruise noch einmal die Ray-Ban auf die Nase, bleckt die Zähne und steigt – pünktlich zu Christi Himmelfahrt – mit seinem Kampfjet in die Stratosphäre auf.

Der ewige Testpilot Pete „Maverick“ Mitchell wird nach einem Streit mit seinem Vorgesetzten an seine alte Ausbildungsstätte strafversetzt. Dort soll er die zehn besten Top-Gun-Absolventen auf eine gefährliche Spezialmission vorbereiten. Angriff auf den Todesstern: Für ihren Einsatz müssen die Piloten eine langgezogene Schlucht in einer maximalen Höhe von 30 Metern durchfliegen, um dann ein unterirdisches Uranlager in die Luft zu jagen, und zwar schnell genug, bevor irgendjemand sie bemerkt und abschießt.

Nach mehreren covidbedingten Verschiebungen ist „Top Gun: Maverick“ endlich startklar und enttäuscht nicht. Cheesy 80er-Jahre-Synthiepop (Harold Faltermeyer hat den Soundtrack komponiert), echte Helden (plus eine Quotenheldin) und großes Pathos – die verbesserte Kopie des Originalfilms hat alles, was die Fans begehren.

Marvel-Superhelden-Filme seien „wie ein Besuch im Vergnügungspark“ , meckerte Martin Scorsese vor Kurzem – diese vermeintliche Kritik trifft hier ins Schwarze: „TG:M“ ist eine 130 Minuten lange Achterbahnfahrt mit jeder Menge Nervenkitzel und Adrenalin. Die Geschichte ist zwar vorhersehbar – das Uranlager ist nur ein klassischer MacGuffin, um möglichst spektakuläre Actionszenen zu rechtfertigen – und natürlich sieht das ganze zackige Salutieren wie ein Werbeporno für die US-Navy aus, doch das tut dem Spaß keinen Abbruch.

Alles richtig gemacht, „Top Gun: Maverick“ ist ein klassischer Actionfilm nach alter Schule. Wenn schon Sequels, dann bitte schön so. Selbst eingefleischte Pazifisten dürften an der waghalsigen Luftnummer ihre Freude haben.

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Originaltitel „Top Gun: Maverick“
USA 2021
130 min
Regie Joseph Kosinski

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

ONE OF THESE DAYS

Kinostart 19. Mai 2022

Nichts Geringeres als das in der US-amerikanischen Verfassung verankerte Streben nach Glück („Pursuit Of Happiness“) steht im Mittelpunkt einer Produktion, die – Corona sei schuld – erst zwei Jahre nach ihrem Berlinale-Erfolg ins reguläre Kino kommt: „One Of These Days“ – ein eindringliches Filmdrama um eine kuriose Kompetition, das auf wahren Begebenheiten basiert.

Alle Jahre wieder veranstaltet ein Autohaus in der texanischen Provinz seinen beliebten Ausdauerwettbewerb, bei dem zwanzig Menschen buchstäblich Händchen halten müssen – mit einem Pick-up. Der Gewinn ist zum Greifen nah, denn eben dieser Truck gebührt dem Ausdauerndsten, was dubiose Glücksritter anzieht, Späthippies oder verzweifelte Underdogs wie den jungen Familienvater Kyle (Joe Cole). Ein klassischer Antiheld, der im Durchhalten um jeden Preis seine einzige Chance auf ein vermeintlich besseres Leben sieht.

Die deutsch-amerikanische Ko-Produktion ist spätestens dann mehr als nur statisches Kammerspiel auf einem Parkplatz, wenn die Kamera die Protagonisten auch in ihre Pinkelpausen begleitet oder ins traute Heim. Wie das von Mittfünfzigerin Joan Riley (Carrie Preston), die als unermüdliches Missing Link zwischen Teilnehmern und Publikum des PR-Rummels fungiert – und in jeglicher Hinsicht als rechte Hand ihres verheirateten Chefs.

Mit einem hervorragend besetzten Ensemblefilm zeigt Wahlamerikaner Bastian Günther in Realityformat menschliche Tragödien von grenzenloser Gier und Sozialdarwinismus im Stil von „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“. Zunächst chronologisch erzählt, springt die Handlung zuletzt in die jüngere Vorvergangenheit zurück, was dem Unhappy Ending des Films eine bitter-süße Note verleiht und die abgedroschene Weisheit, der Weg sei das Ziel, unwiderruflich ad absurdum führt.

Anja Besch

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Originaltitel „One Of These Days“
Deutschland / USA 2022
120 min
Regie Bastian Günther

alle Bilder © Weltkino Filmverleih

DOG

Kinostart 19. Mai 2022

Channing Tatum legt mit „Dog“ seine erste Regiearbeit vor. Besonders mutig ist er dabei nicht, denn sein Film ist ein simpel gestricktes Roadmovie.

Ex-Army Ranger Jackson Briggs (Tatum) und Lulu (ein belgischer Schäferhund) haben es eilig, sie müssen es rechtzeitig zur Beerdigung eines Kameraden und Lulus Herrchen schaffen. Die beiden haben ohnehin nichts Besseres vor: Briggs ist arbeitslos, leidet unter den Folgen einer Kriegsverletzung und Lulu steht kurz davor, eingeschläfert zu werden. Die für Kriegseinsätze trainierte Hündin hat sich seit dem Tod ihres Herrchens in ein beißwütiges Ungeheuer verwandelt, das am besten mit Maulkorb in einen Käfig gesperrt bleibt. Briggs und Lulu gehen sich – wie es sich für eine klassische Romcom gehört – zunächst gehörig auf die Nerven. Während ihrer Reise treffen die beiden dann auf allerlei skurrile Mitmenschen, die einer nach dem anderen dazu beitragen, dass sich Hündin und Herrchen näher kommen. SPOILER: Am Ende des Roadtrips sind die beiden zu unzertrennlichen best buddies geworden.

„Dog“ erzählt die Geschichte zweier vom Krieg traumatisierter Lebewesen. Doch das unausgewogene Drehbuch wird dem Thema nicht gerecht. Besonders störend ist der oft unangebrachte Humor. Channing Tatum überzeugt zwar mit jeder Menge Charme, doch die Story bleibt zu oberflächlich und zu allem Übel hat Hund Lulu trotz des Namens keinerlei Lobi-Qualitäten.

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Originaltitel „Dog“
USA 2021
97 min
Regie Channing Tatum & Reid Carolin

alle Bilder © Leonine

X

Kinostart 19. Mai 2022

„Lustig!“ ist vielleicht nicht die Antwort, die die Mitarbeiterin des Verleihs auf ihre Frage, wie der Film gefallen habe, hören wollte. Vielleicht: Schockierend? Unheimlich? Düster? All das ist „X“ natürlich auch. Aber wenn sehr alte Menschen während eines Pornodrehs zu blutrünstigen Killern werden, dann ist das eben auch lustig.

Texas, Ende der 1970er-Jahre. Ein Independent-Filmteam will auf einer abgeschiedenen Farm in the middle of nowhere einen Film für Erwachsene drehen: „The Framer’s Daughter“. Doch schon die Begrüßung vor Ort fällt ausgesprochen feindselig aus: Mit geladenem Gewehr zeigen die greisen Vermieter deutlich ihre Abneigung gegen die „Städter“. Als das unheimliche Ehepaar dem pornographischen Treiben seiner Gäste auf die Spur kommt, hat das blutige Konsequenzen.

„X“ ist sowohl eine Hommage als auch eine gelungene Neuinterpretation klassischer Slasher- und Horrorfilme mit einer gehörigen Prise Arthouse. Dank zurückgenommenem Erzähltempo kann sich die Spannung immer weiter aufbauen, bevor das unvermeidliche Gemetzel beginnt. Die Gewaltszenen sind zwar blutig, aber nicht so widerlich, dass sensible Zuschauer schreiend den Saal verlassen müssen. Immer wieder gibt es Momente der Komik, was den Film wohltuend von den üblichen Schlachteplatten des Genres abhebt. Wem der Sinn nach gut gemachtem Retrosplatter steht, sollte sich „X“ nicht entgehen lassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „X“
USA 2022
105 min
Regie Ti West

alle Bilder © Capelight Pictures

THE LOST CITY

Kinostart 21. April 2022

Sympathisch, sexy und etwas verpeilt erscheint Sandra Bullock seit Jahrzehnten in vorwiegend romantisch-komödiantischen, gelegentlich auch genreabweichenden Rollen, bedankt mit einem Dauerstatus als Everybody‘s Darling und 2010 sowohl einem Oscar® als auch der Goldenen Himbeere. Umso größer das Erstaunen, als sie unlängst ihren Abschied von der Leinwand verkündete, um sich als Vollzeitmutti neuen Herausforderungen zu stellen. Ihren Schwanengesang gibt es ab 21. April zu sehen: „The Lost City – das Geheimnis der verlorenen Stadt“.

Der Inhalt der Actionkomödie ist schnell erzählt: Erfolgreiche Autorin von Historienschnulzen wird von bemacktem Milliardär gekidnappt, um auf exotischer Insel antiken Schatz zu suchen. Mit dabei ein pinker Pailletten-Jumpsuit, Mörder-Highheels und das ebenso dschungeluntaugliche Buchcovermodel Alan – gespielt von Channing Tatum.

Wo in „Magic Mike“ noch Schamtücher die Männlichkeit bedeckten, fallen unter der Regie von Adam und Aaron Nee alle Hüllen, wenn Sandra Bullock in peinlichen Posen ihrem Co-Darsteller Blutegel vom gestählten Körper pult. Zwar macht die 57-Jährige dabei eine mindestens ebenso knackige Figur, doch möchte man vor lauter Fremdscham kaum noch auf die Leinwand sehen.

Neben einem wenig zauberhaften Daniel Radcliffe verstärkt Brad Pitt in einem vorbeigehuschten Auftritt den Cast, was das Spektakel auch nicht mehr retten kann. Leider ist die vorhersehbare Klamotte keine Persiflage aufs Genre, sondern nur ein 112-minütiges Déjà-vu. Bleibt zu hoffen, dass dieses unwürdige Karrierefinale Sandra Bullock zu einem baldigen Wiedergutmachungs-Comeback bewegt.

Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Lost City“
USA 2022
112 min
Regie Adam & Aaron Nee

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

RED ROCKET

RED ROCKET

Kinostart 14. April 2022

Man sollte einen Film nie nach seinem Plakat beurteilen. Trotz des dümmlichen Motivs (siehe unten) ist „Red Rocket“ keinesfalls Popcornkino für Menstrip-Groupies und Fans neckischer Beziehungskomödien – auch mit Waschbrettbäuchen lassen sich durchaus andere Geschichten erzählen.

Mikey Saber (Simon Rex) ist ein Mann im besten Alter, was in der Erwachsenenfilmbranche so viel bedeutet wie Frührentner. Pleite und perspektivlos kehrt er nach Jahrzehnten in seine texanische Heimatstadt zu Noch-Ehefrau Lexi (Suzanne Son) zurück. Dort übernimmt er flugs die örtliche Drogenversorgung und kommt mithilfe kleiner blauer Pillen seinen ehelichen Pflichten nach. Auch bei der minderjährigen Donut-Verkäuferin „Strawberry“ (Bree Elrod) macht der Mittvierziger einen auf dicke Hose und träumt langfristig von einem Film-Comeback als Agent des frühreifen Naturtalents.

Nach dem oscarnominierten Werk „The Florida Project“ kehrt Indie-Regisseur Sean Baker auch mit seinem neuesten Film wieder an den Rand der Gesellschaft zurück. In 16-mm-Aufnahmen im Stil der 70er kommt die fast schon dokumentarische Inszenierung größtenteils ohne Sozialromantik aus. Poppig untermalt mit Musik von *NSYNC, dazu aufschlauende Fakten aus der Pornoindustrie und Wissenswertes über Donut-Toppings.

Absoluter Besetzungscoup ist Hauptdarsteller Simon Rex, dessen eigene Karriere Pate für die Story gestanden haben könnte. Nicht zuletzt dank seiner chronisch gut gelaunten Unbekümmertheit ist „Red Rocket“ keine der üblichen Milieustudien des White Trashs, vielmehr eine post-pornografische Tragikomödie ohne sittliche Ansprüche. Denn die Moral von der Geschicht? Es gibt sie nicht.

Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Red Rocket“
USA 2021
130 min
Regie Sean Baker

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

MORBIUS

MORBIUS

Kinostart 31. März 2022

Selten hat ein Film im Vorfeld größere Probleme mit sich rumgeschleppt als „Morbius“. Wieder und wieder wurde der Starttermin verschoben. Jared Leto spielt die Titelrolle – auch keine unbedingte Qualitätsgarantie (Never forget: „House of Gucci“). Und dass das Embargo für Berichterstattungen bis wenige Stunden vor dem Kinostart bestehen bleibt, ist normalerweise sicheres Indiz für eine filmische Vollkatastrophe.

Dr. Michael Morbius (Jared Leto) leidet seit seiner Geburt an einer seltenen Blutkrankheit. Er macht es zu seiner Lebensaufgabe, andere zu retten, die dasselbe Schicksal teilen. Indem er die menschliche DNA mit der von Fledermäusen vermischt, gelingt ihm das Unglaubliche: Sein geschwächter Körper erholt sich in Sekundenschnelle und er entwickelt Superkräfte. Unangenehmer Nebeneffekt: Er braucht jede Menge frisches Blut. Fledermaus-DNA halt. Isso. Kann man leider rein gar nichts machen.

Abgesehen von großen strukturellen Problemen – zwischendurch scheinen immer wieder Handlungsblöcke herausgeschnitten worden zu sein – und abscheulichen Spezialeffekten – die meisten Szenen sind unter einem grotesken Haufen hysterischer Partikelströme begraben – ist der neueste Teil von Sonys Spider-Man-Universe einen winzigen Hauch besser als befürchtet und somit auch nicht schlechter als „Venom“.

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Originaltitel „Morbius“
USA 2021
112 min
Regie Daniel Espinosa

alle Bilder © Sony Pictures

AMBULANCE

AMBULANCE

Kinostart 24. März 2022

Mehr, mehr, immer mehr: Michael Bay liefert mit „Ambulance“ einen weiteren größer-lauter-schneller-Actionfilm ab, der beim Zuschauer nach spätestens 10 Minuten pochenden Kopfschmerz auslöst. „Shut the fuck up“ brüllt die Hauptdarstellerin zweimal während des Films. Leider folgt niemand ihrem Wunsch.

Die ungleichen Brüder Will und Danny planen einen 32-Millionen-Dollar-Bankraub in LA. Der eine braucht das Geld, um seine kranke Frau zu retten, der andere ist Verbrecher aus Leidenschaft. Doch als der Überfall spektakulär schief geht, entführen die beiden einen Krankenwagen mit einem schwer verwundeten Polizisten und der Rettungssanitäterin Cam an Bord. In einer irrwitzigen Verfolgungsjagd versuchen Will und Danny dem massiven Polizeieinsatz zu entkommen.

Bay nutzt seit Jahren die gleichen Zutaten: Heroische Shots von unten, güldenes Sonnenlicht in Spiegelfassaden, markerschütternde Musik zu einfach jeder Szene und eine komplett entfesselte, vom Himmel herabstürzende Kamera. Neben permanentem Wackeln und Zoomen wird auch noch die belangloseste Dialogszene mindestens 670 Millionen Mal unterschnitten. Ein spektakulärer Autocrash folgt auf den nächsten, die immer grotesker werdende Verfolgungsjagd erinnert bald an eine Slapstickszene aus „Die nackte Kanone“ – das ist oft komisch, wenn auch unfreiwillig.

Fast and Furious mit Krankenwagen. Der adrenalingeschwängerte Bilderrausch kaschiert die dünne Story nur mühsam. Besonders enervierend: Die banalen Dialoge werden fast durchweg schreiend vorgetragen – wer nichts zu sagen hat, wird eben laut. Passend dazu schaltet Hauptdarsteller Jake Gyllenhal in full Nicolas Cage-Modus – sein overacting passt zum immer hysterischer werdenden Inszenierungsstil Bays.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ambulance“
USA 2021
133 min
Regie Michael Bay

alle Bilder © Universal Pictures Germany

COME ON COME ON

COME ON COME ON

Kinostart 24. März 2022

Joaquin Phoenix spielt den Radiojournalisten Johnny, der quer durch die USA reist, um junge Menschen nach ihrer Meinung zum Leben im Allgemeinen zu befragen. Auch ein Job. Als seine Schwester (Gaby Hoffmann) Probleme mit ihrem psychisch kranken Mann hat, bittet sie ihren Bruder, sich um ihren 9-jährigen Sohn (Woody Norman) zu kümmern. Johnny nimmt den Jungen mit zu sich nach New York. Es ist das erste Mal, dass er für ein Kind verantwortlich ist – und das erste Mal, dass Jesse längere Zeit von seiner Mutter getrennt ist. Nach und nach entwickelt sich eine tiefe emotionale Verbindung zwischen Onkel und Neffe.

Kritiker und Arthousefans werden begeistert sein:  „Come on Come on“ ist eine Familienaufstellung in atmosphärischem schwarz-weiß, die Raum für eigene Coloration lässt. Joaquin Phoenix spielt menschlicher und subtiler als sonst, und obwohl er einen Großteil seiner Dialoge unverständlich in den Bart nuschelt, ist ihm der nächste Oscar gewiss. Woody Norman hat eine beeindruckende natürliche Präsenz vor der Kamera, verbirgt eine alte Seele in kindlichem Körper – eine echte Entdeckung! Hinter der wundervollen Musik findet das hektische Großstadtleben Amerikas einen neuen Rhythmus. Der Film erzählt eine ergreifende symbiotische Beziehungsgeschichte zwischen jung und alt.

Weniger euphemistisch könnte man auch sagen, „Come on Come on“ bietet neben einem altklugen Kleinkind einen ganzen Strauß deprimierender Themen: Alzheimer, bipolare Störungen, Geschwisterstreit, Einsamkeit – unterbrochen durch tiefgründige Statements von Teenagern. Not the feelgood-movie of the year, aber Kunst. Wer als kinderloser Erwachsener bisweilen zweifelt, ob es nicht doch besser gewesen wäre, Nachwuchs in die Welt zu setzen, dem sei dieser Film als mahnende Erinnerung empfohlen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „C’mon C’mon“
USA 2021
108 min
Regie Mike Mills

alle Bilder © DCM

BLUE BAYOU

BLUE BAYOU

Kinostart 10. März 2022

Antonio LeBlanc (Justin Chon) ist gebürtiger Koreaner, als 3-Jähriger wird er von einer weißen Familie in Louisiana adoptiert. 30 Jahre später ist er mit Kathy (Alicia Vikander) verheiratet und der Stiefvater von Jessie. Er kämpft um ein glückliches Leben für seine Familie, doch die Geister der Vergangenheit holen ihn immer wieder ein. Als er in eine Schlägerei mit einem Polizisten gerät, droht ihm die Abschiebung nach Korea.

Die Intention, auf die teils schreiend ungerechte Einwanderungspolitik der USA aufmerksam zu machen, ist löblich. Doch Jusin Chons Film ist weder Fisch noch Fleisch. Die Geschichte hat durchaus berührende Momente. Einerseits. Andererseits ist das Drama um Antonio, dem wegen eines Formfehlers bei seiner Adoption die Abschiebung droht, dermaßen konstruiert, dass man als Zuschauer bald genervt geistig abschaltet. Immer wieder gibt es schier unglaubliche Zufälle, die ausschließlich den Unglücksfaktor der Geschichte erhöhen sollen. Dazu heulen die Streicher oder klimpert die lieblich-sanfte Singer-Songwriter-Musik. Wenigstens sind die Bilder im erlesenen Arthouse-16-mm-Look wunderschön. L’art pour l’art.

„Blue Bayou“ balanciert auf einem schmalen Grat zwischen zu viel Inhalt (Abschiebung, Verbrechen, Familienstreit, Krankheit, Kindheitstrauma) und sentimentaler Manipulation. Blame it on the Drehbuch. An den Schauspielern liegt es nicht: Alicia Vikander ist hervorragend, Justin Chon zeigt eine starke Präsenz, nur seine Entscheidungen als Regisseur bleiben unklar. Sollte „Blue Bayou“ eine melodramatische Liebesschmonzette werden? Oder lieber ein künstlerisch wertvoller Film mit Anspruch? Beides zusammen verträgt sich nicht. Und so bleibt am Ende der Eindruck, dass sich irgendwo in all dem Drehbuchkitsch ein besserer Film versteckt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Blue Bayou“
USA 2021
118 min
Regie Justin Chon

alle Bilder © Universal Pictures International Germa

THE BATMAN

THE BATMAN

Kinostart 03. März 2022

Huch, ist schon wieder Batman-Zeit? Der letzte Auftritt ist gerade mal vier Jahre her, da kommt schon die nächste Symphonie in Düsternis ins Kino. Wie alles im Leben ist auch Matt Reeves supergehypte Interpretation der unsterblichen Comicsaga Geschmacksache. Den überstylten Musikvideo-Look muss man mögen. Es regnet unentwegt, die Farben sind entsättigt und die Bilder künstlerisch unscharf. Überhaupt ist Kameramann Greig Fraser ganz verliebt in schlierige Makroshots. Dass der Film zwischen Grungedystopie, „Seven“-Horror und James-Bond-Action schlingert, auch darüber muss man hinwegsehen (wollen). Von der fehlenden Chemie zwischen Robert Pattison und Zoë Kravitz ganz zu schweigen: Selten wirkte eine Kusszene so pflichtschuldig. Meckerblock Ende.

Im Gegensatz zu anderen MCU oder DC-Filmen haben sich die Drehbuchautoren diesmal eine richtige Story ausgedacht. So ist „The Batman“ mehr finstere Detektivgeschichte als hirnloser, computergenerierter Sommerblockbuster. Der Riddler ist auf Rachefeldzug in Gotham City und tötet sich munter durch die städtische Politik- und Polizeiszene. Immer wieder hinterlässt er Grußkarten mit kryptischen Botschaften, die auf das nächste Opfer hinweisen. Zum Glück vermag Batman die Rätsel schneller zu lösen, als Catwoman miau sagen kann. Matt Reeves kaut dankenswerterweise nicht schon wieder die Originstory Batmans durch, sondern fokussiert sich auf dessen Wandlung vom Rächer zum Menschenfreund.

Und sonst? Vorher noch mal aufs Klo gehen, der Film ist fast 3 Stunden lang. Robert Pattison macht seine Sache als brooding Antihero mit vampirhafter Blässe gut – Just staying in character, schließlich gehört eine Fledermaus ja auch zur Gattung der Blutsauger. Die große Überraschung dann im Abspann: Colin Farrell spielt den Pinguin. Kompliment an die Maskenbildner – so unkenntlich, das hätte auch Florian Silbereisen sein können. Die Special-Effects sind State of the Art und halten sich zum Glück halbwegs an physikalische Gesetzte. Alles wirkt überzeugend handgemacht. Sieht gut aus, klingt auch gut: Michael Giacchino setzt bei seinem Soundtrack auf die große Überwältigung, Hans Zimmer lässt grüßen. Vor allem das Catwoman-Thema erinnert stark an einen Bond-Score.

„The Batman“ hat nicht die genreverändernde Kraft der Nolan-Filme. Allerdings liegt die Latte nach dessen Trilogie (bis auf den letzten Teil) sehr hoch und es darf berechtigterweise gefragt werden, ob die Zeit nach dem müden Ben Affleck-Auftritt wirklich schon wieder reif für einen weiteren Fledermausmann ist. Die Aussage des Regisseurs, sein Film sei eine vom DCU entkoppelte, eigenständige Geschichte (ähnlich wie „The Joker“) wird am Ende Lügen gestraft: Im berüchtigten Arkham Asylum lauert schon der nächste Bösewicht. Fortsetzung garantiert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Th Batman“
USA 2022
176 min
Regie Matt Reeves

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

KING RICHARD

KING RICHARD

Kinostart 24. Februar 2022

„Das gefährlichste Lebewesen auf Erden ist eine Frau, die ihren Verstand einsetzt.“
Richard Williams weiß, dass seine Töchter kluge Mädchen sind und er hat einen Plan: Mit viel Liebe, hartem Training und unkonventionellen Methoden will er Venus und Serena zu Weltklasse-Tennisspielerinnen aufbauen.

Doch die nicht nur kleidungstechnisch sehr weiße Sportart empfängt den Vater aus dem Getto lange Zeit mit verschränkten Armen. Immer wieder weisen ihn potenzielle Trainer und Förderer ab: eine Karriere im Tennis braucht den richtigen Background – also Geld, Herkunft und Verbindungen.

Venus und Serena Williams: Beide belegten Platz 1 der Weltrangliste, beide gewannen unzählige Titel im Einzel und Doppel. Der interessante Twist: „King Richard“ rückt den (un)-berühmten Vater der übererfolgreichen Tennisspielerinnen in den Mittelpunkt seiner Geschichte. Statt einer naheliegenden, klassischen Biografie, die die Karriere-Stationen der Schwestern artig abhandelt, erzählt Regisseur Green das Heldenepos vom Vater, der trotz aller Widrigkeiten niemals aufgibt. Unklar, ob das in Wirklichkeit so glorreich abgelaufen ist oder Richard Williams nicht auch seine eigenen Eitelkeiten bedient hat. Venus und Serena Williams sind Mit-Produzentinnen – könnte schon sein, dass da ein paar Kanten glatt geschliffen wurden und einiges idealisiert dargestellt wird.

Wie bei einem Film über den Aufstieg zweier Tennisstars nicht anders zu erwarten, gibt es jede Menge Szenen auf dem Platz. Auch wenn das für sich genommen spannend ist (wenigstens für Tennisfans) sind ausgerechnet dies die uninteressantesten Momente des Films. „King Richard“ ist ein Schauspielerfilm: Will Smith ist in Bestform, spielt auf dem Niveau seiner oscarnominierten Leistungen in „Das Streben nach Glück“ und „Ali“. Neben ihm eine Reihe ausgezeichneter Newcomer, allen voran Saniyya Sidney als Venus und Demi Singleton als Serena.

„King Richard“ ist ein fesselndes, gut gemachtes Drama mit erstklassiger Besetzung. Sehenswert, auch wenn man Tennis nichts abgewinnen kann.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „King Richard“
USA 2022
140 min
Regie Reinaldo Marcus Green

alle Bilder © Telepool

UNCHARTED

UNCHARTED

Kinostart 17. Februar 2022

Es gibt gute Quatschfilme und es gibt weniger gute Quatschfilme. „Uncharted“ gehört zur letzteren Kategorie. Man kann es sich geradezu vorstellen, wie die 12-jährigen Drehbuchautoren bei einer Tasse heißen Kakaos im Kinderzimmer sitzen und sich die hanebüchene Geschichte ausdenken. Bei der Plünderung des „Best of Abenteuerfilms“ wird gecopy-pasted was das Zeug hält. Wie bei den Spätwerken der „The Fast and the Furious“-Reihe spielen physikalische Gesetzte und erzählerische Wahrscheinlichkeiten dabei keine Rolle.

Von der Verfilmung eines Videospiels darf und soll man sich nichts erwarten, so die in vielen Jahren gelernte Regel. Ohne große Erwartungen sind dann wohl auch die Schauspieler in dieses Projekt gegangen: Mark Wahlberg merkt man die Unlust jedenfalls deutlich an. Auch die weiblichen Figuren (eine Bösewichtin und eine überflüssige Mit-Schatzsucherin) bleiben den ganzen Film über blutleeres Beiwerk. Retten muss es also (wieder mal) Spiderman: Tom Holland scheint der einzige zu sein, dem die kunterbunte Kirmesfahrt Spaß macht und der seinen ihm zur Verfügung stehenden Charme plus gestählten Oberkörper zum Einsatz bringt.

Hirn aus, Augen auf: Die Schauwerte sind enorm. Gleich zu Beginn wird der Held von einem roten Sportwagen angefahren. Nicht auf der Straße, sondern an der geöffneten Ladeluke eines Transportflugzeugs. Der daraus resultierende fallschirmlose Sturz ist der Auftakt für eine Reihe immer absurder werdender Actionszenen. Bei der Jagd nach einem legendären Goldschatz aus dem 16. Jahrhundert führt die Reise von Amerika durch spanische Katakomben bis in die Südsee. Natürlich – die analogen Jahre sind vorbei – ist in diesem Film nichts echt, sieht aber wenigstens halbwegs echt aus. Dem Fortschritt in der Erstellung computergenerierter Welten sei Dank. Nur wenn diese Welten jede Bodenhaftung verlieren und sich irgendwann zwei riesige Segelschiffe an Ketten hängend von zwei Helikoptern getragen, fliegend durch die Lüfte jagen und auf den Schiffsdecks währenddessen Faust- und Schwertkämpfe stattfinden, dann ist das nur noch gaga.

FAZIT

Doof, aber unterhaltsam.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Uncharted“
USA 2022
115 min
Regie Ruben Fleischer

alle Bilder © Sony Pictures Germany

LICORICE PIZZA

LICORICE PIZZA

Kinostart 27. Januar 2022

Wäre Autokorrektur nicht so dumm, würde sie neben den Namen des US-Regisseurs Paul Thomas Anderson automatisch ein Herzemoji setzen. Aber weil Computer fast so wenig können wie Roboterfrau Gisela, muss man das eben immer noch händisch machen. Paul Thomas Anderson ❤️ hat im Laufe seiner noch gar nicht so langen Karriere schon einige Meisterwerke gedreht: „Boogie Nights“, „Magnolia“ oder „There will be Blood“. Sein neuer Film „Licorice Pizza“ wird von der US-Kritik bereits als bester Film des Jahres gefeiert. Zurecht.

Gary Valentine ist ein „Hustler“, also ein Typ, der mit ausgeprägtem Geschäftssinn und viel Arbeit schnell reich werden möchte, es dabei aber mit Gesetzen und Regeln nicht allzu genau nimmt. Das Besondere an Gary: Er ist erst 15 Jahre alt. Eines sonnigen Tages im San Fernando Valley verliebt er sich in die zehn Jahre ältere Alana und kann sie mit charmanten Worten – noch eine Begabung: Gary kann das Eckige rund quatschen – zu einem Date überreden. Aus den beiden wird zwar kein Paar, aber eine platonische Freundschaft entsteht – auch wenn Gary das gerne anders gehabt hätte.

Die Parallelen zu „Once Upon a Time…in Hollywood“ sind unübersehbar: Gleiche Ära – Anfang der 1970er-Jahre, gleicher Ort – Großraum Los Angeles, gleiches Milieu – Gary ist Jung-Schauspieler und Alana drängt es auch ins Filmgeschäft. „Licorice Pizza“ wirkt allerdings wie eine entspannte Coming-of-age-Version von Tarantinos Hollywood-Universum, ohne dessen Hang zu unerwarteten Gewaltausbrüchen.

Gelegenheitsjobs, Wasserbetten, Barbra Streisand und Trucks im Leerlauf – die 133 Minuten sind voller Überraschungen. Mit seinen genauen Beobachtungen erinnert Andersons ❤️ Film an einen der vielschichtigen Romane von Jonathan Franzen. Großartig auch die Besetzung: Sängerin Alana Haim spielt die bezaubernde Alana Kane und hat gleich ihre komplette (echte) Familie mitgebracht, um – genau – ihre Filmfamilie zu spielen. Cooper Hoffman, Sohn des verstorbenen Philip Seymour, hat nicht nur das Aussehen, sondern auch das Talent seines Vaters geerbt – zum Verlieben, wie er den jugendlichen G’schäftlemacher mit riesengroßem Charme spielt. Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn die Lakritzpizza in diesem Jahr nicht ein paar Oscars abräumen würde.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Licorice Pizza“
USA 2021
133 min
Regie Paul Thomas Anderson ❤️

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

SCREAM

SCREAM

Kinostart 13. Januar 2022

Großes Spoilerverbot, denn das ist wirklich mal eine Spitzenidee für einen Horrorfilm: Ein Typ mit schwarzem Umhang und weißer Faschingsmaske verkleidet, ermordet scheinbar wahllos Teenager. Am Ende stellt sich heraus, es waren sogar zwei Killer, die noch dazu aus dem engsten Freundeskreis der Opfer stammen. Was? Die Idee gab es schon? In vier Teilen und einer Fernsehserie sagen Sie? Das kann nicht sein.

Der fünfte „Scream“ ist ein Requel, also ein Film, der irgendwo zwischen einer Fortsetzung, einem Neustart und einem Remake angesiedelt ist. Andere Beispiele für Requels sind „Ghostbusters: Legacy“, „Jurassic World“ oder „Mad Max: Fury Road“.

Noch genauer wird das von den Darstellern im Film erklärt, denn – wie kann es heutzutage anders sein – alles ist extrem meta und ironisch. Überraschend nur, dass die Schauspieler nicht unentwegt in die Kamera zwinkern: Wir sind Teil eines kultigen Franchises und uns dessen voll bewusst.

Wie zuletzt im gründlich misslungenen Matrix-Requel „Resurrections“ ist „Scream“ in erster Linie Fanservice. Und dazu gehört das Wiedersehen mit bekannten Gesichtern. Manchen steht das Alter besser, andere haben ein bisschen zu intensiv versucht, die Spuren der Zeit zu beseitigen. Um die Veteranen versammelt sich eine Schar austauschbarer TV-Serien-Gesichter. Das Lösen des Whodunit macht einigermaßen Spaß, große Spannung will dabei aber nicht aufkommen. Am Ende dieser x-ten Neuauflage einer komplett ausgekauten Idee fragt man sich: Wozu das Ganze?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Scream“
USA 2021
115 min
Regie Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

THE 355

THE 355

Hollywood benimmt sich wie ein Hundewelpe, der schon wieder sein Geschäft auf dem Wohnzimmerteppich verrichtet hat. Da hilft nur, ihn kurz mit der Schnauze reinzustupsen, sonst lernt Lobi nie. Wie viele „All Female Reboots“ von erfolgreichen Filmen soll es noch geben, bevor Hollywood begreift: Das will niemand sehen. Fairerweise muss erwähnt werden, „The 355“ ist kein Reboot, sondern eine Zitatensammlung besserer Actionfilme. Die Autoren Theresa Rebeck und Simon Kinberg haben ihr Drehbuch nach dem copy/paste-Prinzip verfasst, ohne jemals die Qualität der zitierten Vorbilder zu erreichen. Vielmehr erinnert das Ganze an eine ungute Nacherzählung von Mission Impossible meets Jason Bourne meets Charlie’s Angels (minus Campfaktor).

Auf der Jagd nach einem klassischen MacGuffin (hier eine Festplatte, mit der man die Welt beherrschen kann) müssen sich eine CIA-Agentin (Jessica Chastain), eine britische Technikspezialistin (Lupita Nyong‘o) und eine deutsche BND-Agentin (Diane Kruger) zusammentun, um besagte Festplatte wiederzufinden und die Menschheit vor dem Untergang zu retten. An ihrer Seite kämpft die seltsam fehl am Platz wirkende Penélope Cruz als chilenische Psychologin mit perfekter Frisur und zu dicker Oberlippe.

Öde nicht nur die Geschichte, „The 355“ sieht trotz exotischer Locations auch noch erstaunlich schäbig aus. Das hätten die Macher vom Traumschiff auch nicht schlechter hinbekommen. Die Kampfszenen sind lahm, die Logikbrüche absurd und die Musik klingt wie ein vom Praktikanten komponierter Restposten. So rechte Lust scheint keiner gehabt zu haben.

Achtung Aluhut-Verschwörungstheorie: Werden Hollywoodstars gezwungen, in miserablen Filmen mitspielen, um Studiogelder zu waschen? Oder warum geben sich Oscarpreisträgerinnen für so einen Schmarren her? Der Name des Regisseurs hätte ihnen Warnung sein sollen: Simon Kinberg hat mit „Dark Phoenix“ schon den schlechtesten Teil der X-Men-Saga zu verantworten. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The 355″
China / USA 2022
124 min
Regie Simon Kinberg
Kinostart 06. Januar 2022

alle Bilder © Leonine

MATRIX RESURRECTIONS

MATRIX RESURRECTIONS

Kinostart 23. Dezember 2021

2003 sagten Keanu Reeves und die Zuschauer gemeinsam leise Servus. Die Regisseurinnen Lana und Lilly (damals noch Larry und Andy) Wachowski hatten es schlicht übertrieben. Ihre beiden Fortsetzungen des wegweisenden Science-Fiction-Thrillers „Matrix“ von 1999 waren so enervierend und langweilig geraten, dass kaum noch jemand Lust hatte, sich den Mumpitz weiter anzuschauen.

Etwa zur gleichen Zeit ging es den Machern einer anderen Serie ganz ähnlich: Seit dem legendär schlechten PlayStation-1-Wellenritt von James Bond in „Stirb an einem anderen Tag“ (hier geht’s zum Ausschnitt) war auch hier eine Grundsanierung überfällig, wollte man sich bei den Fans nicht weiter zum Gespött machen. Nach einer Erfrischungspause von vier Jahren und einer Neubesetzung begann mit „Casino Royale“ die künstlerisch erfolgreichste und umsatzstärkste Zeit für 007.

Gelingt dem Matrix-Universum mit seiner Mischung aus Bekanntem und Neuem eine ähnlich erfolgreiche Auferstehung wie der Bond-Reihe? Immerhin ist seit dem letzten Kapitel genug Zeit ins Land gegangen, ein brauchbares Script zu schreiben. Kleiner Spoiler: Offensichtlich hätten es noch ein paar Jahre mehr sein dürfen. „Resurrections“ fängt grandios an, scheitert im Mittelteil und berappelt sich halbwegs zum Finale. Selbstreferenzielle Witze auf Kosten der oft kritisierten Unverständlichkeit der Geschichte gibt es reichlich. Alles ist meta und die Macher können nicht widerstehen, unentwegt zu betonen, dass sie sich dessen bewusst sind. Doch auch das kann auf Dauer fad sein. Von den 148 Minuten könnte man locker auf ein Drittel verzichten. Wie schon in den letzten beiden Teilen nerven zu lange Dialogszenen mit pseudopsychologischem Geschwurbel aus dem Küchenkalender.

Neben Inhalt zählt bei Matrix-Filmen natürlich in erster Linie der Look. Die berühmten Bullet Time Effekte waren Ende der 90er-Jahre bahnbrechend, tauchten aber danach zu oft und zu schlecht kopiert in unzähligen Musikvideos und Werbespots auf. Das immerhin hat „Resurrections“ auf der Habenseite: Die Effekte sind größtenteils State of the Art, ein paar Szenen sehen wirklich atemberaubend aus.

FAZIT

Das war nicht schwer: „Resurrections“ ist besser als „Reloaded“ und „Revolutions“. Die visionäre Kraft des Originals bleibt unerreicht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Matrix Resurrections“
USA 2021
148 min
Regie Lana Wachowski 

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

FAZIT

FAZIT

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ANNETTE

ANNETTE

Kinostart 16. Dezember 2021

Toxische Männlichkeit, das Musical. Das Beste kommt gleich am Anfang: Ein grandioser one-take eröffnet den Film. Regisseur Leos Carax, die Hauptdarsteller Adam Driver und Marion Cotillard laufen gemeinsam mit den Komponistenbrüdern Ron und Russell Mael („Sparks“), „So May We Start“ singend aus einem Tonstudio ins nächtliche LA. Dabei schlüpfen die Schauspieler nach und nach in ihre Rollen – die Geschichte kann beginnen.

Mit den Musicalerfolgen „A Star is Born“ und „La La Land“ hat „Annette“ nur die Grundidee gemeinsam: Zwei Künstler verlieben sich ineinander. Ann ist eine berühmte Opernsängerin, Henry ein misanthropischer Stand-Up Comedian. Als mediengefeiertes Star-Pärchen reiten sie eine Weile auf einer Erfolgswelle durchs Leben und singen „We love each other so much“ dazu. Doch nach der Geburt ihrer Tochter Annette wandelt sich die große Liebe in noch größeren Hass. Ein Bootsausflug hat verhängnisvolle Folgen, Natalie Wood und Robert Wagner können davon ein Lied singen.

Und plötzlich mutiert das Musical zum Puppenfilm: Titelfigur Baby Annette wird in den meisten Szenen von einer hölzernen Marionette gespielt. Dieser schräge Kunstgriff wird mit keiner Silbe erwähnt oder erklärt. Zu grotesk, wenn Ann und Henry ihr unheimliches Puppenkind in den Armen halten oder singend an dessen Wiege stehen. Apropos: Gesungen wird sehr viel. Der Film verzichtet fast gänzlich auf gesprochene Dialoge. Adam Driver ist zwar kein begnadeter Sänger, doch den nicht besonders liebenswerten Henry spielt er mit konsequenter fuck-you-Haltung grandios. Interessante Idee, gute Musik, tolle Schauspieler – und trotzdem macht der Film nur bedingt Freude.

Regisseur Leos Carax („Die Liebenden von Pont-Neuf“) hat den Ruf eines schwierigen Künstlers, dessen Arbeiten oft als sperrig gelten. „Annette“ ist weniger Musical, mehr experimentelle, moderne Oper, die man nicht unbedingt verstehen muss. Manche werden das für große Kunst halten, weil es so schön schräg und anders ist. Die meisten wird das seltsame, oft ermüdende Musikdrama ratlos zurücklassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Annette“
Frankreich / Belgien / Deutschland / USA 2021
140 min
Regie Leos Carax

alle Bilder © Alamode Film

SPIDER-MAN: NO WAY HOME

SPIDER-MAN: NO WAY HOME

Kinostart 15. Dezember 2021

Selten wurde im Vorfeld einer Marvel-Produktion so viel um die Besetzung spekuliert wie beim neuen „Spider-Man: No Way Home“. Die große Frage, die alle Fans umtreibt: Gibt es neben Doc Ock, dem Green Goblin und Electro auch ein Wiedersehen mit Tobey Maguire und Andrew Garfield, den beiden Ex-Spiderman-Darstellern? Denn diesmal gerät der freundliche Held aus der Nachbarschaft ins Multiversum, wo diverse Varianten seiner Vergangenheit und eventuell auch seiner selbst auf ihn warten. Ist kompliziert.

Nachdem Peter Parker am Ende von „Far from Home“ enttarnt wurde und nun alle Welt weiß, dass er Spider-Man ist, sucht er Hilfe bei Doctor Strange. Der soll die Zeit zurückdrehen und den Zustand vor der verhängnisvollen Demaskierung wiederherstellen. Doch die Zauberei geht gründlich schief und öffnet ungewollt Tore zu anderen Dimensionen, das Raum-Zeit-Kontinuum gerät aus den Fugen.

Nach allen Regeln der Fortsetzung muss der neueste Teil den vorherigen an Bombast übertreffen. Ob das „Immer noch mehr“ dem Produkt guttut, sei dahingestellt. Gerade das erste Kapitel der Tom-Holland-Trilogie fühlte sich dank Humor und Herz statt übermäßiger CGI-Schlachten erfrischend anders an.

„No Way Home“ ist ein einziger großer Fan-Service: Jon Watts nimmt die losen Enden aller bisherigen Spider-Man-Filme auf und spinnt sie zu einem befriedigenden Finale. Die emotionale Achterbahnfahrt kreuz und quer durch die Vergangenheit hat alles, was das Herz der Spideyasten höher schlagen lässt: Tempo, Witz, Action und so viele Eastereggs, dass dem Lindt-Goldhasen vor Glück das Glöckchen bimmelt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Spider-Man: No Way Home“
USA 2021
148 min
Regie Jon Watts

alle Bilder © Sony Pictures

WEST SIDE STORY

WEST SIDE STORY

Überflüssig, hier nochmal die Geschichte von Tony, Maria, den Jets und den Sharks nachzuerzählen. Selbst eingefleischten Musicalhassern dürfte die Handlung von West Side Story vertraut sein: Shakespeares Romeo und Julia, nur eben im New York der späten 1950er-Jahre angesiedelt.

Im Laufe seiner sagenhaft erfolgreichen Karriere hat Steven Spielberg unzählige Blockbuster gedreht, Preise gewonnen, Klassiker für die Ewigkeit kreiert. Nun also eine Neuverfilmung des zehnfach oscargekrönten Leonard-Bernstein-Musicals. An der 2021er Version ist erstmal nichts falsch: Paul Tazewells Kostüme strahlen in allen Farben des Regenbogens, die Sets stimmen bis ins kleinste Detail und Director of Photography Janusz Kaminski konnte gewohnt viele Lampen in Richtung Kameraoptik drehen, sodass sein Markenzeichen – Flares in jeder Einstellung – gebührend zur Geltung kommen. Choreografie und Gesang sind spotless. Alle beteiligten Gewerke sind auf der Höhe ihrer Schaffenskunst. Und dennoch fragt man sich während der gesamten 155 Minuten: Warum?

Warum eine neue Version, die der alten nichts Nennenswertes hinzuzufügen hat, außer schickerer Optik und uncharismatischeren Hauptdarstellern? Vor allem der ewige Klassensprecher Ansel Elgort ist als Tony die Inkarnation von netter Langeweile. Such a pretty face: Rachel Zegler, eine echte Disney-Prinzessin mit glockenklarer Stimme, wird als Maria in jeder Szene von der temperamentvolleren Ariana DeBose (als Anita) an die Wand gespielt und gesungen. Überhaupt sind sämtliche Nebenfiguren besser besetzt als das blasse Paar im Zentrum der Geschichte. It’s alarming how uncharming they are. 

Steven Spielberg hatte wohl einfach Lust, einen seiner Lieblingsfilme neu zu inszenieren – mit feisteren Bildern und besserer Technik. Dabei vermeidet er alles Moderne. „La La Land“, „In the Heights“ oder Baz Luhrmanns „Romeo + Juliet“ sind da deutlich mutiger und verspielter. Spielbergs Film wirkt, als sei er ein perfekt restauriertes Werk aus den 1950er-Jahren. Wenigstens sind diesmal die Puertoricaner echt und werden nicht von braun geschminkten Gringos gespielt.

I feel pretty: „West Side Story“ 2021 sieht gut aus und ist ganz okay, reicht aber bei weitem nicht an die Originalversion heran. Eine Empfehlung für alle, die gerne schöne Menschen in schönen Kostümen sehen wollen, die hübsch choreografiert tanzen und dazu berühmte Lieder singen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „West Side Story“
USA 2021
155 min
Regie Steven Spielberg
Kinostart 09. Dezember 2021

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

GUNPOWDER MILKSHAKE

GUNPOWDER MILKSHAKE

BAM, BAMM, BAAM
BOING
PAFF,PAFPAF
BUMMMS
PENG, PENG
KLIRRR
AHHHR
URGH
WHOOOM
KA-BOOOOM
ÄCHZ!

Waaas? Der Film basiert NICHT auf einem Comic?

„Gunpowder Milkshake“ ist eine trashig-unterhaltsame Tarantino-John-Wick-Kopie mit schießwütigen Frauen und einer blassen Hauptdarstellerin.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Gunpowder Milkshake“
USA 2019
114 min
Regie Navot Papushado
Kinostart 02. Dezember 2021

alle Bilder © STUDIOCANAL

RESPECT

RESPECT

Als Aretha Franklin 1967 komplett besoffen von der Bühne fällt, hat sie endgültig ihren persönlichen Whitney-Houston-Tiefpunkt erreicht. Der übermächtige Vater, der brutale Ehemann, die Sucht, das ewige Unglücklichsein trotz des überragenden Talents: es gibt viele Ähnlichkeiten zum Lebenslauf anderer Pop- und Souldiven. Tina Turner kann davon ein Lied singen. Wie der Rockröhre aus Nutbush/Tennessee haben die 1980er-Jahre auch Aretha Franklin ein Comeback beschert. „Respect“ lässt diesen Teil des Karriere-Herbstes aus, konzentriert sich ganz auf die Jugend- und frühen Erfolgsjahre der Queen of Soul.

Was für ein Leben: Schon als Kleinkind wird Aretha nachts vom Vater aus dem Bett gezerrt, um Onkel Duke (Ellington) und Tante Della (Reese) ein Lied vorzusingen. Bei dem prominenten Umgang kein Wunder, dass die kleine Ree professionelle Sängerin wird. Die geliebte Mutter stirbt früh, mit 12 wird Aretha das erste Mal schwanger. Mit Anfang 20 heiratet sie Ted White, die Ehe ist von Misshandlung und Brutalität geprägt. Ihr oft divenhaftes Verhalten, Suff und verpasste Termine führen schließlich zum Absturz. Rettung bringt erst der Weg (zurück) zum Herren, gekrönt von ihrem legendären Gospel-Livekonzert 1972 in Los Angeles. Halleluja!

Kein R-E-S-P-E-C-T vom Feuilleton: Das wirft dem Biopic vor, es sei zu „soapig“ geraten. Wenn das eine Umschreibung für „zu unterhaltsam“ sein soll, dann stimmt die Kritik ausnahmsweise. Die 145 Minuten sind erstaunlich kurzweilig. Natürlich gab es diese Art Künstlerbiografie schon hundert Mal, auch hier werden alle Stationen der Karriere artig abgearbeitet, da betritt der Film kein Neuland.

„Respect“ ist vor allem Jennifer Hudsons Film, mit dem sie sich nach ihrem Oscarerfolg „Dreamgirls“ und vielen mittelmäßigen Filmen wieder in schauspielerischer Bestform zeigt. Abgesehen von ihrer großartigen Singstimme spielt sie Franklins Qualen und Selbstzweifel so gekonnt, dass ein paar Drehbuch- und Inszenierungsschwächen nicht weiter ins Gewicht fallen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Respect“
USA 2021
145 min
Regie Liesl Tommy
Kinostart 25. November 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

GHOSTBUSTERS: LEGACY

GHOSTBUSTERS: LEGACY

Wozu gibt es Fortsetzungen? Kann man es bei Serien nicht einfach bei einer Staffel belassen? Wer soll den ganzen Content überhaupt schauen? Das Gleiche gilt für Filme. Sequel, Prequel, Schniequel. Beim Ghostbusters-Franchise ging der zweite Teil noch in Ordnung, völlig überflüssig hingegen war das All-Female-Remake von 2016. Jetzt also noch eine Fortsetzung, diesmal mit Teenagern. Klingt schlimm, ist aber großartig!

Vor dem Presse-Screening läuft eine kurze Videobotschaft des Regisseurs Jason Reitman, dessen Vater Ivan die ersten beiden Teile inszeniert hat, in der er inständig bittet, keinerlei Spoiler oder Storyelemente zu verraten. Sehr gerne! Das Nacherzählen des Inhalts gehört sowieso zu den langweiligsten Bestandteilen einer Framerate-Kritik.

Let’s lieber talk about Sterne: Nein, 0 Sterne gab es noch nie und wird es nie geben. Es sei denn, „Monster Hunter“ wird fortgesetzt. 5 Sterne gibt es nur in absoluten, lebensverändernden Ausnahmen. Also auch so gut wie nie. „Ghostbusters Legacy“ würde in einer gerechteren Welt 5 Sterne bekommen. Denn es gibt nichts auszusetzen an dieser liebevollen und liebenswerten Fortsetzung des 80er-Jahre-Hits. Alles richtig gemacht: Die Kinderdarsteller perfekt gecastet (und nerven nicht, dafür einen Extrastern), die Dialoge witzig, die Geschichte spannend und der Soundtrack von Rob Simonsen weckt nostalgische John-Williams-Gefühle.

„Ghostbusters: Legacy“ ist die perfekte Reinkarnation eines Steven Spielberg-Films aus der ET-Poltergeist-Ära. Und warum dann nur 4 Sterne? Weil es halt alles schon mal da war. Das tut dem Vergnügen zwar keinen Abbruch, aber wenn überhaupt, dann hätte das Original von 1984 fünf Sterne verdient.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ghostbusters: Afterlife“
USA 2021
124 min
Regie Jason Reitman
Kinostart 18. November 2021

alle Bilder © Sony Pictures Germany

THE MANY SAINTS OF NEWARK

THE MANY SAINTS OF NEWARK

Regisseur Alan Taylor findet offensichtlich Gefallen daran, es sich mit Hardcore-Fans zu verderben. Nach einhelliger Zuschauer- und Kritiker-Meinung hat er den schlechtesten Marvel-Film zu verantworten: „Thor: The Dark Kingdom“ (wenigstens bis „Eternals“ in die Kinos kam). Direkt danach drehte er „Terminator: Genesis“. Diese Fortsetzung fand so wenig Gefallen, dass anschließend das gesamte Franchise einem Reboot unterzogen wurde (ohne Erfolg). Nun legt sich Taylor mit einer besonders strengen Fangruppe an: „A Sopranos Story“ heißt sein neuer Film im Untertitel und ist ein Prequel zur legendären Mafiasaga.

Der unerwartete Tod von James Gandolfini vor acht Jahren machte alle Pläne, die preisgekrönte HBO-Serie jemals fortzusetzen, zunichte. Deren Abschluss (ein schlichter Schnitt auf Schwarz) wird von Fans bis heute als entweder genial oder enttäuschend empfunden. Statt das überraschend abrupte Ende aufzuklären, gibt es nun eine Reise zu den Anfängen. Die Rolle des jungen Tony Soprano spielt der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnittene Michael Gandolfini. Ein genialer Besetzungscoup, Ähnlichkeit ganz ohne Computer-Tricks.

Im Mittelpunkt des Films steht Tonys Onkel Dickie Moltisanti. Ein schlimmer Finger, dem trotzdem die Sympathien des Publikums gehören. Als Mitglied der DiMeo-Verbrecherfamilie betreibt er den örtlichen Glücksspielring in Newark. Tony Soprano, noch ein Teenager, steht am Scheideweg: bürgerliches Leben oder dem Vorbild seines Onkels folgen und Berufsverbrecher werden? Wie die Geschichte ausgeht, ist bekannt.

Alan Taylor hat sich rehabilitiert. Auch ohne jemals eine Folge der Serie gesehen zu haben, funktioniert der Film. In zwei spannenden Stunden lernt der Zuschauer den Soprano-Clan in seinen mörderischen Anfängen kennen. Mit großem Aufwand und exzellenter Besetzung erzählt „The Many Saints of Newark“ eine epische Familiensaga, in der Erpressung und Gewalt Alltag sind. Sicher bleiben für Nicht-Kenner einige Verweise auf die Serie unverständlich, das macht aber nichts. „The Many Saints of Newark“ ist auch ohne Insiderwissen sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Many Saints of Newark“
USA 2021
120 min
Regie Alan Taylor
Kinostart 04. November 2021

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

ETERNALS

ETERNALS

Marvel wird erwachsen. Und was ist die Definition von erwachsen werden? In erster Linie weniger Spaß, mehr Schwere, mehr Ernsthaftigkeit. Die guten alten Zeiten, in denen ein arroganter Milliardär einen Metallanzug zusammenschweißt, um dann gegen einen anderen Mann in einem Metallanzug zu kämpfen, sind vorbei. Inzwischen ist das Marvel Cinematic Universe ungleich komplexer und verschachtelter geworden.

Indie Darling und Oscarpreisträgerin Chloé Zhao wurde als Regisseurin verpflichtet, doch alle Fans von „Nomadland“ dürften spätestens nach 10 Minuten schreiend das Kino verlassen. Schluss mit Arthouse im Dokustyle, hier kommt Blockbusterkino.
Kann ein Superheldenfilm gigantomanisch, episch und trotzdem langweilig sein? „Eternals“ gibt die Antwort. Die scientologyartige Story erzählt von gottgleichen Wesen, die sich seit 7.000 Jahren unerkannt auf der Erde herumtreiben. Ursprünglich sollten sie die Menschheit vor Deviants (CGI-Drachen ohne Haut) schützen. Nun droht neuer Ungemach, die Eternals müssen sich noch einmal zusammenfinden und gemeinsam kämpfen.

„Eternals“ sieht gut aus (viel Gold, viele echte Locations), ist sehr lang und leidet unter Übervölkerung. Das Drehbuch konfrontiert die Zuschauer mit zehn neuen Charakteren. Das sind ungefähr acht zu viel. Die Geschichte springt willkürlich durch die Jahrhunderte und manche der Figuren sind so uninteressant, dass sie den Film komplett ausbremsen. Auch der Humor will nicht recht zünden, ein Novum im MCU. Am Ende (nach einer naja-Mid- und einer hm-Endcreditszene) heißt es drohend: „Eternals will return“. Dann hoffentlich mit einer strafferen Story.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Eternals“
USA 2021
157 min
Regie Chloé Zhao
Kinostart 03. November 2021

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

RON LÄUFT SCHIEF

RON LÄUFT SCHIEF

Der schönste Tag 2021 war der 4. Oktober: Facebook, Instagram und WhatsApp gingen für sieben Stunden offline. Die Welt konnte durchatmen. Was für ein Segen!

Dass sich so etwas in nächster Zeit wiederholt, ist eher unwahrscheinlich. Denn das Sammeln von Daten und das Absaugen unserer Lebenszeit ist für Social Media Konzerne überlebenswichtig. Please, like me! Das Grundübel begann schon 2007 mit der Einführung des iPhones. Apple hat die Menschen zu Smombies (© Jugendwort 2015) gemacht. Erstaunlich, dass die längst überfällige Abrechnung nun ausgerechnet in Form eines leicht zuckrigen Animationsfilms im Appledesign daherkommt.

Barney ist ein socially challenged Teenager. Freunde hat er keine, im Pausenhof steht er meist alleine rum. Kein Wunder, denn er ist der einzige Schüler ohne B-bot. Die übergroßen Tamagotchi-Eier können fahren, laufen, sprechen und natürlich sämtliche Social Media App-Funktionen erfüllen. Nebenbei speichern sie die persönlichen Daten ihrer Besitzer, verknüpfen sich untereinander in der Cloud. Das Ganze erinnert an eine Datingapp für Kinder. Du magst Schokolade und Einhörner? Match! Als Barney endlich seinen eigenen Bot zum Geburtstag bekommt, stellt er schnell fest, dass sein Gerät ein paar Macken hat.

Visuell orientiert sich „Ron läuft schief“ an Pixar-Produktionen, erreicht aber nicht ganz deren Qualitätslevel. Auch die fröhlich poppige Musikauswahl ist etwas gewöhnungsbedürftig. Aber der Humor stimmt, es gibt einige lustige Seitenhiebe auf fehlfunktionierende Technik und B-bot Ron ist ausgesprochen niedlich. Für den Voicecast in der Originalversion wurden unter anderem Jack Dylan Grazer, Zach Galifianakis und Olivia Colman verpflichtet.

„Ron läuft schief“ ist gute Familienunterhaltung mit sanftem Biss und hat das Herz am rechten Fleck. Ganz mit dem System brechen will der Film dann aber doch nicht, denn die Moral von der Geschicht’ ist ambivalent: Am Ende haben sich die sprechenden tictacs zu noch angepassteren Freunden der Kinder gewandelt. Konsequenter wäre es gewesen, die Scheißdinger einfach abzuschalten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ron’s Gone Wrong“
USA 2021
106 min
Regie Sarah Smith und Jean-Philippe Vine
Kinostart 28. Oktober 2021

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

DEAR EVAN HANSEN

DEAR EVAN HANSEN

Es gab mal eine Schauspielerin namens Joan Crawford. Die war dafür berühmt, dass sie ihren Kindern unter Wutanfällen verbot, Kleidung auf Drahtbügeln aufzuhängen. NO WIRE HANGERS! Im Trash-Camp-Klassiker „Mommie Dearest“ glaubhaft nachgestellt. (hier die Szene) Joan hatte im wahren Leben eine Adoptiv-Tochter. Christina Crawford war ebenfalls Schauspielerin, unter anderem wirkte sie in der Serie „The Secret Storm“ mit. Eines Tages wurde sie schwer krank. Die Produzenten fanden es eine gute Idee, die Rolle ersatzweise mit Christinas Mutter Joan zu besetzten. Warum das erwähnenswert ist? Christina war damals in ihren 20ern, Joan 62.

„Dear Evan Hansen…“, so beginnt der schüchterne Evan einen Brief an sich selbst am ersten Tag in der Oberstufe – ein Rat seines Therapeuten. Durch unglückliche Umstände gerät ein Ausdruck dieses Briefes in die Hände von Evans Mitschüler Connor. Die beiden kennen sich kaum, Connor ist ein schwieriger Einzelgänger. Kurz darauf nimmt er sich das Leben, wird mit dem Brief in der Tasche gefunden, den seine Eltern als Abschiedsbrief an Evan interpretieren. Evan, der der trauernden Familie Trost spenden will, behauptet, Connors bester Freund gewesen zu sein und spinnt die erfundene Geschichte immer weiter aus.

Und was hat nun Joan Crawford mit „Dear Evan Hansen“ zu tun? Die Hauptrolle in der Broadway-Musicalverfilmung wird von Ben Platt gespielt. Der ist 28. Die Figur, die er spielt, soll ein 17-jähriger Highschoolschüler sein. Platts Aussehen ist wie der viel zitierte Unfall, bei dem man nicht wegschauen kann. Trotz puppenhaft geschminktem Gesicht, aufgetufften Haaren und Kinderklamotten sieht er wie ein verkleideter Mittdreißiger mit Doppelkinn aus. Creepy!

Wie es sich für ein amerikanisches Musical gehört, sind die Songs von Benj Pasek und Justin Paul (u. a „The Greatest Showman“, „La La Land“) nett und catchy. Es wird viel geweint (vor und auf der Leinwand) und würde nicht der irritierende Anblick des fehlbesetzten Hauptdarstellers ablenken, wäre „Dear Evan Hansen“ ganz okay, wenn auch mit 137 Minuten Laufzeit entschieden zu lang.
Achtung: Bei uns startet der Film synchronisiert, schauderhafterweise wurden auch die Songs ins Deutsche übersetzt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Dear Evan Hansen“
USA 2021
137 min
Regie Stephen Chbosky
Kinostart 28. Oktober 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

ANTLERS

ANTLERS

Wie kommt es, dass Kinder-Zeichnungen in Filmen oft wie abstrakte expressionistische Meisterwerke aussehen? Auch der erst 12-jährige Lucas malt seitenweise künstlerisch Hochwertiges in sein Schulheft. Die blutigen Bilder sind Ausdruck seiner Ängste, denn zu Hause verbirgt er ein entsetzliches Geheimnis. Dass er einerseits niemandem etwas davon verraten will, andererseits ausführliche Storyboards dieses Geheimnisses malt – das Drehbuch will es so. Seine Lehrerin Julia macht sich große Sorgen und bittet ihren Bruder Paul, den örtlichen Sheriff, der Sache nachzugehen.

Ein Feuilletonist würde jetzt irgendwas von „atmosphärisch dicht“ schwadronieren – aber das ist ja schließlich Framerate hier. Also kurz und knapp gesagt: „Antlers“ fängt gut an, verliert sich aber schnell in langweiligen Klischees.
„Let the right one in“, „Twin Peaks“, „Alien“, „The Thing“ – die Reihe der zitierten Klassiker ließe sich beliebig fortsetzen. Dazu noch ein alter Indianer, der geheimnisvolles Zeug von mythologischen Kreaturen nuschelt, ein bisschen Gesellschaftskritik und verdrängte Traumata aus der Kindheit. Zuviel des Guten. Nur Humor geht dem Arthouse-Horror komplett ab. Dafür nimmt er sich selbst viel zu ernst.

„Antlers“ ist ein großes Gewurschtel. Es entsteht der Eindruck, als hätte der Film eine verlustreiche Testscreeningschlacht verloren. Ganze Sequenzen wurden scheinbar entfernt oder nachträglich umgestellt. Das Stückwerk führt dazu, dass die Geschichte nie richtig in Fahrt kommt.
Am gelungensten sind die Szenen zwischen der besorgten Lehrerin Julia und ihrem schwer verstörten Schüler Lucas (sehr gut: Jeremy T. Thomas). Das hätte ein schön düsteres Drama über Missbrauch werden können, doch leider ist es nur ein durchschnittlicher Horrorfilm geworden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Antlers“
USA 2021
99 min
Regie Scott Cooper
Kinostart 28. Oktober 2021

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

HALLOWEEN KILLS

HALLOWEEN KILLS

Malus. Peius. Pessimus.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Halloween Kills“
USA 2021
105 min
Regie David Gordon Green
Kinostart 21. Oktober 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

VENOM: LET THERE BE CARNAGE

VENOM: LET THERE BE CARNAGE

Der Verleih besteht auf Spoiler-Verbot. Aber was soll man schreiben, wenn weder über die Geschichte noch über die überall gehypte Midcreditscene etwas verraten werden darf? Venoms pränormatives Interesse gilt dem Phänomen der Rache in seiner historischen und begriffsgeschichtlichen Genese, seiner ethnologisch und kulturanthropologisch fundierten Ausprägung und seinen Darstellungsformen im Bereich des Imaginären.

ODER ein Zitat aus dem Presseheft:

Venom wird erneut von Tom Hardy verkörpert. Die Regie übernahm Andy Serkis. In weiteren Hauptrollen sind Michelle Williams und Naomie Harris zu sehen. Den Bösewicht Cletus Kasady/Carnage spielt Woody Harrelson (im Woody-Harrelson-Auto-Modus / Anm. d. Red.)

Statt Kritik eine lahme Checklist:
Schauspieler – gut
Geschichte – nicht vorhanden
Effekte – okay
Der ganze Film – naja

Die gute Nachricht: Das blutleere CGI-Blutbad dauert nur 97 Minuten. In den USA hat „Venom: Let there be Carnage“ am Startwochenende 90 Millionen Dollar eingespielt. Beeindruckend. Und erstaunlich.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Venom: Let there be Carnage“
USA 2021
97 min
Regie Andy Serkis
Kinostart 21. Oktober 2021

alle Bilder © Sony Pictures

THE FRENCH DISPATCH

THE FRENCH DISPATCH

Wes Anderson ist ein Genie.

5/5

Es gibt wohl kaum einen Regisseur der Gegenwart, der so vor Originalität und visuellem Einfallsreichtum strotzt wie Wes Anderson. Sein neuester Film ist eine liebevoll komische Hommage an den Journalismus. Mit spielerischer Fantasie und visionärem Geist erweckt der Meisterregisseur eine Sammlung von herrlich schrulligen Geschichten zum Leben, die in der letzten Ausgabe des fiktiven Magazins „The French Dispatch“ veröffentlicht werden.
Neben seinem hochkarätigen Stammensemble (u. a. Bill Murray, Owen Wilson, Adrien Brody) haben diesmal die Oscarpreisträgerin Frances McDormand und Jungstar Timothée Chalamet einen unvergesslichen Auftritt. Für das typische Wes-Anderson-Feeling sorgen die fantastische Ausstattung und das liebevolle Spiel mit Miniaturen und Zeichentricksequenzen. „The French Dispatch“ ist ein Muss für Fans. In Cannes gab es dafür minutenlang Standing Ovations.

Wes Anderson ist ein überschätztes One-Trick-Pony.

1/5

Das englische Wort „pretentious“ wurde eigens für den US-amerikanischen Regisseur erfunden. Im Gegensatz zu Woody Allen, der auch nur eine Geschichte in sich trägt, diese aber wenigstens durch wechselnde Genres immer wieder neu verpackt, ergeht sich Anderson in reiner Selbstverliebtheit und zitiert sich am liebsten selbst. Den visuellen Schnickschnack, wie das Spiel mit Farbe und Schwarz-Weiß oder theaterhaft aufgeschnittene Sets kennt man mittlerweile zur Genüge.
Neben den üblichen Verdächtigen sind die immer latent genervt wirkende Frances McDormand und Jungstar Timothée Chalamet mit dabei. Letzterer macht ein paar ironische Bemerkungen über seine knabenhafte Figur. So originell sind Drehbuchautoren: Den gleichen Scherz gab es gerade erst in „Dune“ zu hören.
Wer bisher nicht mit dem Anderson-Universum warm geworden ist, den wird auch „The French Dispatch“ nicht bekehren. Für eine halbe Stunde mögen der visuelle Witz und die sprachliche Akrobatik ganz amüsant sein – auf 108 Minuten gedehnt ist es nur aufgeplusterte Langeweile.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The French Dispatch“
USA 2020
108 min
Regie Wes Anderson
Kinostart 21. Oktober 2021

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

THE LAST DUEL

THE LAST DUEL

Ritter Jean (Matt Damon) und Junker Jacques (Adam Driver) werden zu erbitterten Feinden, nachdem Jeans Frau, Marguerite (Jodie Comer), behauptet, von Jacques brutal vergewaltigt worden zu sein. Der beteuert zwar seine Unschuld, doch Jean glaubt seiner Frau und bringt den ehemaligen Freund vor Gericht. Der Ausgang eines vom König angeordneten Duells soll über Schuld und Unschuld entscheiden.

#metoo im 14. Jahrhundert – Die Drehbuchautoren Matt Damon, Ben Affleck und Nicole Holofcener lassen die Männer im Kettenhemd ausgesprochen schlecht aussehen. Die Handlung wird aus drei Perspektiven gezeigt: der des Ehemanns, der des Vergewaltigers und zuletzt der des Opfers. Den Kunstgriff, die gleiche Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen, kennt man zum Beispiel von der 40 Jahre alten ZDF-Miniserie „Tod eines Schülers“.

Matt Damon, durch eine Vokuhila und einen abscheulichen Kinnbart entstellt, liefert wie immer eine solide Leistung ab – dröge kann er gut. Ganz ausgezeichnet: Jodie Comer als missbrauchte Frau, die sich zur Wehr setzt. Adam Driver bleibt im Star Wars-Modus und gibt erneut den ambivalenten Shakespeare-Schurken, dessen britischer Akzent kommt und geht wie Ebbe und Flut. Die große Überraschung ist der Auftritt des platinblond gefärbten Ben Afflecks, der sich mit seinem losen Mundwerk aus einem lustigeren Film hierher verirrt hat.

Ridley Scotts visuelles Universum bleibt seit „Gladiator“ unverändert und kennt nur zwei Farbstimmungen: stahlblau und kerzenwarm. Auch die immer gleichen Schlachten bei beständig schlechtem Matsche-Wetter kennt man aus zahllosen anderen Abenteuerfilmen. Hundertfach kopiert und zitiert, sieht aber immer noch gut aus.

FAZIT

Ja, so san’s, die alten Rittersleut’ – wenn sie sich nicht gerade die Köpfe einschlagen, gibt es außer Saufen und Schnackseln wenig Freizeitbeschäftigung. „The Last Duel“ bietet nicht viel Neues, ist aber dank seiner Erzählstruktur – wie der Engländer sagen würde – growing on you. Häufig genug, dass bei einer Laufzeit von 2,5 Stunden in der letzten Stunde das große Mopsen einsetzt. Hier aber ist das Gegenteil der Fall: Anfangs ein bisschen zäh, doch je länger es dauert, desto interessanter wird es. Also Geduld, es lohnt sich am Ende.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Last Duel“
USA 2021
153 min
Regie Ridley Scott
Kinostart 14. Oktober 2021

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

TED BUNDY: NO MAN OF GOD

TED BUNDY: NO MAN OF GOD

Als sie das Drehbuch zugeschickt bekommt, fragt sich Regisseurin Amber Sealey zu Recht: „Warum wollen die noch einen Ted-Bundy-Film machen?!“, gibt es doch mittlerweile unzählige Spiel- und Dokumentarfilme, die sich mit dem Leben des Serienkillers auseinandersetzen. Bundy vergewaltigte und tötete laut eigener Aussage mehr als 30 Frauen und Mädchen. Bill Hagmaier, einer der ersten Profiler, die dazu ausgebildet wurden, psychologische Täterprofile von Serienmördern zu erstellen, sollte im Auftrag des FBI den zum Tode Verurteilten zum Reden bringen. Das Interview zog sich über fünf Jahre, die Tonbandaufzeichnungen lieferten später die Vorlage für den Bestseller „Ted Bundy: Conversations with a Killer“.

„Ted Bundy: No Man of God“ ist ein Kammerspiel: Die meisten Szenen finden im Verhörraum statt. Bundy strahlt eine subtile Bösartigkeit aus, der sich Hagmaier kaum entziehen kann. Ein wenig erinnert das Katz- und Mausspiel an Hannibal Lecter und Clarice Starling. Elijah Wood spielt Hagmaier mit einer unaufdringlichen Energie, sanft und großäugig. Luke Kirby, der dem echten Bundy frappierend ähnlich sieht, verkörpert die Manierismen und Sprache des Mörders hervorragend. Obwohl sich einige der Interviewszenen unnötig in die Länge ziehen, bleibt die Spannung dank der schauspielerischen Leistungen durchweg erhalten. Regisseurin Amber Sealey versteht es, ihre weibliche Sicht unaufdringlich in den Film einzuweben. Manchmal verharrt die Kamera wie nebenbei kurz auf einer Frau am Rande einer Einstellung – eine Statistin auf dem Bürgersteig, in einem Auto, in einem Flur – als leise Erinnerung daran, dass in Filmen über männliche Serienmörder die Opfer oft vergessen werden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „No Man of God“
USA 2021
100 min
Regie Amber Sealey
Kinostart 23. September 2021

alle Bilder © Central Film

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE 10 RINGS

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE 10 RINGS

Dass es Marvel mit dem asiatischen Markt ernst meint, beweist schon die Anfangsszene: Da wird gefühlt 20 Minuten lang ausschließlich Mandarin mit Untertiteln gesprochen. Eine kleine Sensation für einen US-Blockbuster.

„Shang-Chi“ erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sich dem Einfluss seines Vaters entziehen möchte, einem der mächtigsten Verbrecher der Welt. Es geht um Familie, Trauer und natürlich wie immer bei Marvel um Heldenbildung. So wie zuletzt „Black Panther“ die schwarze, integriert nun „Shang-Chi“ die asiatische Community ins Superhelden-Universum.

Der neue Marvel-Film ist Teil der PHASE IV (Nichtkenner lesen jetzt sowieso nicht weiter) und bläst kräftig frischen Wind ins MCU. „Shang-Chi and the Legend of the 10 Rings“ besticht durch eine wilde Mischung aus Martial-Arts und Fantasy. Die furiosen Kampfszenen (vor allem in einem Bus und später auf einem wackligen Hochhausgerüst) sind perfekt choreografiert und bereiten großen Spaß. „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ auf Speed. Wie üblich bei Marvel, ist der dritte Akt mit seiner kopfschmerzerzeugenden CGI-Schlacht der uninteressanteste Teil des Films. Dafür gibt es ein unerwartetes Wiedersehen mit Fuchur, dem Glücksdrachen aus der unendlichen Geschichte … Oder zumindest einem engen Verwandten.

Obwohl die 133 Minuten Laufzeit ein paar Längen haben, ist „Shang-Chi“ visuell aufregendes, äußerst unterhaltsames Überwältigungskino. Und das Sitzenbleiben bis zum Ende des Abspanns lohnt sich: die beiden After-Credit-Szenen machen schon mal Appetit auf die nächsten Marvel-Abenteuer.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Shang-Chi and the Legend of the 10 Rings“
USA 2021
133 min
Regie Destin Daniel Cretton
Kinostart 02. September 2021

alle Bilder © Marvel Studios

BLACK WIDOW

BLACK WIDOW

Nach Corona-Zwangspause und mehreren Startverschiebungen sind die Erwartungen an den neuesten Superhelden-Blockbuster hoch. Erste Reaktionen auf Twitter waren überschwänglich, es sieht so aus, als starte Marvel seine 4. Phase mit einem weiteren Gewinner.

Es gab Zeiten (noch gar nicht so lange her), da war es unvorstellbar, dass sich kleine Mädchen weibliche Actionhelden zum Vorbild nehmen konnten. Superman, Ironman, Batman, Spiderman: Auf der Leinwand hatten lange die Männer das Sagen. Das änderte sich erst mit dem Auftauchen von Natasha Romanoff, alias Black Widow in „Iron Man 2“. Scarlett Johansson machte die no-nonsense Agentin mit Intelligenz und Charisma zu einer der beliebtesten Figuren im Marvel Cinematic Universe. Ganz erstaunlich, dass es zehn Jahre dauern sollte, bis sie ihren ersten eigenen Film bekam. Da war DC ausnahmsweise schneller und brachte schon 2017 die extrem erfolgreiche „Wonder Woman“ in die Kinos.

Es ist alles dabei: Perfekt choreographierte Kampfszenen, gigantische CGI-Schlachten, finstere Bösewichte, actionreiche Verfolgungsjagden, ausreichend interessante Figuren, clevere Dialoge – und trotzdem – eine leise Superhelden-Fatigue macht sich breit. Die immer gleichen Zutaten sind inzwischen wie eine Menükarte beim Asiaten um die Ecke – man kennt es, man mag es, es macht satt, aber so richtig originell und neu ist das alles nicht mehr.

Die Geschichte von der im Verborgenen zum Killer ausgebildeten Superagentin wurde schon wiederholt im Kino erzählt, unter anderem in „Nikita“ oder zuletzt in „Red Sparrow“. Cate Shortlands Comicverfilmung orientiert sich dementsprechend mehr am „Mission: Impossible“-Franchise als an der Avengers-Fantasywelt. Mehr Realismus, weniger blaue Köpfe..

Marvel beweist wie gewohnt ein gutes Händchen für den Cast: Florence Pugh stiehlt als sarkastische Yelena Belova Scarlett Johansson die Show und empfiehlt sich in der Post-Credit-Szene gleich als Nachfolgerin der (kein Spoiler) in „Avengers: Endgame“ den Opfertod gestorbenen Natasha. Die weiteren Neuzugänge Rachel Weisz und David Harbour bringen die Marvel-typische Portion Humor und sillyness in die etwas voraussehbare Agentenstory.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Black Widow“
USA 2020
134 min
Regie Cate Shortland
Kinostart 08. Juli 2021 und ab 9. Juli auf Disney+ mit VIP-Zugang

alle Bilder © Walt Disney Studios

THE LITTLE THINGS

THE LITTLE THINGS

Wenn in US-amerikanischen Thrillern junge Frauen nachts mit dem Auto über die Landstraße fahren und dabei laut zur Radiomusik mitsingen, dann nimmt das meist kein gutes Ende. Catherine Martin kann davon ein Lied singen. Kurz nach ihrer Gesangseinlage saß es in einem Brunnenschacht und sollte sich mit der Lotion eincremen.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen Thriller zu etwas Besonderem machen: eine schauspielerische Leistung, wie beispielsweise die von Anthony Hopkins, der mit seiner Performance in „Das Schweigen der Lämmer“ den kannibalistischen Hannibal Lector unsterblich machte. Oder der perfekte Einsatz von Licht und Musik, wie bei David Finchers modernem Klassiker „Sieben“. „The Little Things“ hat nichts davon. Der Film ist eine lahme Kopie von besseren Thrillern und wirkt seltsam aus der Zeit gefallen.

Wenig neu schon die Grundidee: Zwei Ermittler jagen einen Serienmörder, die Zweihundertste. Die Konstellation „altgedienter Hase und schlauer Jungspund“ ist mittlerweile ein Klischee ihrer selbst. Kein Wunder, dass Denzel Washington seine Rolle im Automodus spielt. Rami Malek lässt dafür seinen schauspielerischen Manierismen umso mehr freien Lauf, das schrammt am overacting vorbei. Spätestens beim hohläugigen Auftritt von Jared Leto (der dritte Oscarpreisträger im Bunde) ist klar, wer hier höchstwahrscheinlich der Bösewicht ist. Das „whodunit“ wird zum weniger spannenden „did he really do it?“. Die beiden Cops setzen sich bei ihrer Täterüberführung natürlich über jede Vorschrift hinweg, auch das nichts Neues.

Die Geschichte spielt in den 1990er-Jahren und seitdem scheint auch das Drehbuch in einer Produzentenschublade gegammelt zu haben. Weshalb „The Little Things“ 30 Jahre zu spät mit einer so hochkarätigen Besetzung noch verfilmt wurde, bleibt rätselhaft.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Little Things“
USA 2020
128 min
Regie John Lee Hancock
Kinostart 08. Juli 2021

alle Bilder © WARNER BROS. PICTURES

GLITZER UND STAUB

Die eine Hand am Sattelknauf, die andere elegant über den Kopf gehalten, wie um die Augen vor dem Sonnenlicht zu schützen. Einziges Ziel ist es, das Gleichgewicht zu halten. Ein kurzer, brutaler Tanz – wer herunterfällt, hat verloren.

Bullenreiten ist ein unerfreulicher Sport. In seiner Sinnlosigkeit rückt er in die Nähe des spanischen Stierkampfs. Tiere leiden zum Amüsement des Zuschauers. Zum Glück hat „Glitzer und Staub“ mehr zu bieten als Bilder von gequälten Tieren, denen mit der Spore in die Seite getreten wird. Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms stehen vier Mädchen zwischen 10 und 17 Jahren, die der Traum verbindet, ein echtes Cowgirl zu werden. Mit dem Klischee vom rosa gekleideten, mit Puppen spielenden Mädchen wird dabei gründlich aufgeräumt.

Die Filmemacherinnen Anna Koch und Julia Lemke erzählen vom Mut und Ansporn, sich in einem gefährlichen, männerdominierten Sport zu beweisen. „Never scared“ steht auf dem Gürtel von Ariyana Escobedo. Eine toughe Aussage für ein kleines Kind. „Jetzt erst recht“ könnte das trotzige Motto von Maysun lauten. Die 10-Jährige saß schon auf einem Pferd, bevor sie laufen konnte. Ihr Vater, der sich eigentlich einen Sohn gewünscht hätte und daraus auch keinen Hehl macht, glaubt, dass die Zuschauer „krasse Typen auf einem krassen Bullen sehen wollen“ – keine besonders ermutigenden Worte für seine Tochter.

Bullenreiten, praktiziert von kleinen Mädchen: eine Nische in der Nische. Die Neugierde der Zuschauer wird sich in Grenzen halten – schade, denn „Glitzer und Staub“ ist ein sehenswerter, exzellent fotografierter Dokumentarfilm über eine verborgene, seltsame Welt im Wilden Westen.

Deutschland 2020
93 min
Regie Anna Koch und Julia Lemke
Kinostart 29. Oktober 2020

alle Bilder © Port au Prince Pictures GmbH

THE OUTPOST – ÜBERLEBEN IST ALLES

„The Outpost“ basiert auf dem gleichnamigen Buch des CNN-Reporters Jake Tapper und beschreibt die „Schlacht von Kamdesh“, die als eine der blutigsten Auseinandersetzungen im Afghanistan-Krieg gilt. 

Der entlegene Außenposten einer amerikanischen Militäreinheit in Afghanistan – eingekesselt, komplett von Bergen umgeben. Heckenschützen und Granaten stellen eine ständige Gefahr für die stationierten US-Soldaten dar. Keine gute Ausgangsposition. „Es wird nicht besser“, hat einer an die Wand neben seinem Feldbett geschrieben – Den Männern ist die Sinnlosigkeit ihres Auftrags schmerzlich bewusst. Trotz der Versuche, den Einheimischen Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Gemeinde anzubieten, kommt es regelmäßig zu Scharfschützen-Angriffen der Taliban. Eines Tages eskaliert die Situation.

„The Outpost“ stellt den Wahnsinn einer komplett überflüssigen Militär-Mission bloß. Das ist teilweise erschütternd – ziemlich genau so muss es im realen Krieg zugehen – aber natürlich auch US-typische Heldenverehrung, weshalb es vor allem zum Ende reichlich Pathos gibt.

Die Besetzung ist gut, dass Orlando Bloom mitspielt, realisiert man erst beim Abspann: Wie das mit kurz geschorenen Köpfen so ist – man kann sie nur schwer auseinanderhalten. Hinzu kommt, dass den ähnlich aussehenden Charakteren vom Drehbuch nicht allzu viel Hintergrundgeschichte mitgegeben wird. Dabei wäre es ja durchaus hilfreich, wenn man die Figuren etwas besser kennenlernen würde, bevor sie alle niedergeschossen werden.

FAZIT

Gar nicht so schlecht, reicht aber nicht an die Qualität von modernen Kriegsfilm-Klassikern wie „American Sniper“ heran.

Originaltitel „The Outpost“
USA 2020
119 min
Regie Rod Lurie
Kinostart 17. September 2020

SPACE FORCE

Immer drei Sterne – lang-wei-lig! Aber was soll man machen? Zwei ist „na ja“, vier schon „sehr gut“ und danach kommt nur noch „fantastisch“!
Drei ist eben „ganz gut“. So wie diese neue Netflix-Serie.

Wer mit den künstlerisch ambitionierten Filmen „Beautiful Boy“ oder „Foxcatcher“ nichts anfangen konnte und lieber wieder den „lustigen“ Steve Carell (nicht verwandt mit Rudi, der schreibt sich ja auch mit zwei R im Nachnamen) zurück will – good news: „Space Force“ ist so eine Art „The Office“ beim Militär. General Mark R. Naird (Carell) wird zum Chef der neugegründeten 6. US-Streitkraft, der Space Force, ernannt. Wenig begeistert siedelt er mit seiner Frau und Tochter auf einen abgelegenen, um nicht zu sagen sterbenslangweiligen Militärstützpunkt in Colorado um. Ziel der Mission ist es, wieder Astronauten auf den Mond zu bringen, bzw. kerniger ausgedrückt: bis 2024 wollen die USA „Boots on the moon“ bringen. Davon zumindest träumt der US-Präsident – der wird zwar namentlich nicht erwähnt, doch sein Tweet „Boops on the moon“ lässt keinen Zweifel, um wen es sich handelt. 

Die ersten zehn Folgen sind kurzweilig und es gibt ein paar wirklich komische Szenen. Vor allem immer dann, wenn John Malkovich mit von der Partie ist. Der steht als brillanter Dr. Mallory General Naird zur Seite. Malkovich spielt den Wissenschaftler mit schöner Süffisanz und entgegen seinem sonstigen Rollenprofil als relativ normalen Menschen – ein Highlight der Serie.

FAZIT

Für eine Militär-Komödie ziemlich lustig. Kuckt sich gut weg.

Originaltitel „Space Force“
USA 2020
10 Folgen, je 30 min
Created by Greg Daniels
ab 29. Mai 2020 auf Netflix

HUSTLERS

„Das ganze Land ist ein Stripclub. Auf der einen Seite sind die Leute, die mit dem Geld um sich werfen, auf der anderen Seite die Menschen, die dafür tanzen.“ 

Diese tierschürfende Erkenntnis teilt Stripperin Ramona (Jennifer Lopez) am Ende des Films mit den Zuschauern. Sie muss es wissen, denn mit Arschwackeln und Poledance hat sie es im angesagtesten Club der Stadt weit gebracht. Doch 2008 kommt es zum großen Börsencrash, plötzlich bleiben die spendablen Sugardaddys weg – und damit das Geld. Statt für ein paar Dollar zu tanzen, greift Ramona mit ihrer Freundin Destiny (Constance Wu „Crazy Rich Asians“) zu rabiaten Mitteln. Gemeinsam gründen sie eine Gaunerbande, die die Wall-Street-Kunden mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht setzt, um dann deren Kreditkonten leer zu räumen. 

Der Film beruht auf einem Zeitungsartikel, erschienen im New York Magazine 2015. Also fast eine wahre Geschichte. Musik, Drogen, Klamotten, Penthouses – so schön kann das Leben als Stripperin sein. Und ja, für ungefähr eine Stunde ist das auch ganz unterhaltsam anzusehen. Es gibt ein paar lustige Momente und J-Lo sieht wirklich toll aus. Aber das Crime-Drama über Stripperinnen mit Herzen aus Gold ist zu leichtgewichtig. Dauer-Party in allen Varianten, ein paar Gastauftritte von Usher, Cardi B und Lizzo und sich ständig wiederholende Szenen, in denen durchweg unsympathische Scheißkerle um ihr Geld erleichtert werden sind zu wenig für fast zwei Stunden Laufzeit.

FAZIT

Nicht ganz so großartig wie überall behauptet, aber immerhin besser als „Showgirls“.

Originaltitel „Hustlers“
USA 2019
110 min
Regie Lorene Scafaria
Kinostart 28. November 2019

SKIN

Tattoos sind Scheiße. Das Stechen tut weh, das Entfernen noch mehr. Diese Wahrheit muss Bryon (Jamie Bell) am eigenen Leib erfahren. Nach seinem Entschluss, sich von seinen rassistischen White-Supremacy-Freunden loszusagen, wartet eine schmerzhafte Enttintungsprozedur auf ihn. Bei seinem Weg ins neue Leben helfen ihm ausgerechnet schwarze Menschenrechtsaktivisten und natürlich die Liebe, denn Freundin Julie hat mit dem Nazipack ebenso abgeschlossen.

Der israelische Filmemacher Guy Nattiv erzählt in seinem ersten US-Spielfilm die wahre Geschichte des Szeneaussteigers Bryon „Babs“ Widner. „Skin“ basiert auf Nattivs gleichnamigen, in diesem Jahr mit einem Oscar prämierten Kurzfilm.

FAZIT

Eindringliches und authentisches Thriller-Drama. Hervorragend besetzt, vor allem Jamie Bell („Billy Elliot“) überzeugt als bekehrter Rassist. 

Originaltitel „Skin“
USA 2019
117 min
Regie Guy Nattiv
Kinostart 03. Oktober 2019

CRAWL

Da kann Greta Thunberg mit noch so schmalen Augen predigen – das Klima geht unaufhaltsam weiter den Bach runter. Kein Wunder, dass bei all den Hurrikans und sintflutartigen Regengüssen auch die Tierwelt durchdreht.

Der Amerikaner hat eine abstoßende architektonische Eigenart: Anstelle eines gescheiten Untergeschosses mit gemauerten Wänden, Licht und Partykeller baut er seine Papphäuser oft auf ein paar primitive Steinsäulen. So bleibt statt des Fundamentes nur der sogenannte Crawlspace, eine gebückt begehbare Lücke zwischen Erdreich und Unterboden. Darin verbirgt sich neben der Strom- und Gasleitung auch allerhand Getier. Aber was hat Klimawandel mit Hausbau zu tun?

Ein Sturm tobt an der Küste Floridas, Land unter. Haley ignoriert alle Aufrufe zur Evakuierung – ihr Vater wird vermisst. Sie macht sich auf die Suche und findet ihn schließlich schwer verletzt im Crawlspace unter seinem Haus. Die Zeit, ihn zu retten, wird immer knapper. Das Wasser steigt und neben Ratten und Spinnen kriecht noch eine weitere, weitaus größere Gefahr da unten. Crawl in mehrfacher Hinsicht.

Ein Vergleich mit „Jaws“ drängt sich auf, auch dort wird der Mensch zur Beute eines wütend schnappenden Untiers. Regisseur Aja inszeniert seinen atavistischen Horror-Thriller ohne Firlefanz, kommt schnell zur Sache und nervt nicht mit Metaebene und Subtext. So schön kann Genrekino sein. 

FAZIT

Ist das alles logisch? Nö, dafür aber extrem spannend.

Originaltitel „Crawl“
USA 2019
88 min
Regie Alexandre Aja
Kinostart 22. August 2019

ROCKETMAN

Die Geschichte geht ungefähr so: Regisseur Bryan Singer nervt bei den Dreharbeiten zum Queen-Film „Bohemian Rhapsody“ so sehr, dass ihn das Studio mitten in der Produktion rausschmeißt. Auftritt Dexter Fletcher. Der Ersatzmann bringt „Bohemian Rhapsody“ nicht nur ohne Zickereien zu Ende – der Film wird ein riesiger Kassenhit und beschert Hauptdarsteller Rami Malek seinen ersten Oscar. Nach diesem Erfolg darf Fletcher ein schon lange geplantes Wunschprojekt realisieren: Die Verfilmung von Elton Johns Lebensgeschichte – „Rocketman“.

Derselbe Regisseur, die gleichen Stärken.
Wie im Queen-Biopic wird auch hier ein ausgezeichnetes Ensemble von einem tollen Hauptdarsteller angeführt. Taron Egerton verkörpert Elton John mit Haut und (ausgedünntem) Haar. Der Schauspieler geht komplett in seiner Rolle auf. Besonders beeindruckend, dass Egerton nicht nur die Lippen zum Playback bewegt, sondern alle Songs selbst singt. Und dabei erstaunlich gut klingt. Stimme, Aussehen, Bewegung – alles auf den Punkt.

Derselbe Regisseur, die gleichen Schwächen.
„Rocketman“ ist in weiten Teilen Malen nach Zahlen. Schade, dass der Film nicht mehr wagt. Denn ein paar, fast surreale Szenen, wie zum Beispiel das buchstäbliche gemeinsame Abheben des Sängers mit seinem Publikum haben echte Größe. Warum nicht mehr davon? Schräger und noch mehr Mut zum Camp, dann hätte das richtig gut werden können. Die theaterhafte Inszenierung der 60er und 70er-Jahre hat schon aus „Bohemian Rhapsody“ ein zu braves, familientaugliches Mainstream-Musical gemacht.

FAZIT

Die Musik ist mitreißend, die Songs weltberühmt, die Schauspieler top und die Frisuren sehen so unecht wie Faschingsperücken aus. Also alles genau wie beim Queen Film. Wer den mochte, wird auch hier seinen Spaß haben.

Originaltitel „Rocketman“
USA 2019
121 min
Regie Dexter Fletcher
Kinostart 30. Mai 2019

Friedhof der Kuscheltiere

Dreißig Jahre nach der ersten Verfilmung kommt jetzt eine ebenfalls misslungene Version der unheimlichsten Stephen King-Geschichte ins Kino.

An den Schauspielern liegt es nicht, denn der Thriller ist mit Jason Clarke, John Lithgow, Amy Seimetz und der Newcomerin Jeté Laurence gut besetzt. Aber das beherrschende Thema des Romans, die Urangst, von toten Familienmitgliedern nachts heimgesucht zu werden – schon 1902 das Thema des Gruselklassikers „Die Affenpfote“ – teilt sich kaum mit.

Die Horror-Geschichte vom Vater, der sein tödlich verunglücktes Kind mittels eines alten Indianer-Hokuspokus-Friedhofs wieder ins Reich der Lebenden zurückholt, schleppt sich in dieser Neuverfilmung ohne große Überraschungen dahin. Jeden Schreckensmoment hat man schon allzu oft gesehen – inklusive der kalten Hand, die nach dem Fuß greift, der knarrenden Kellertür und dem stets flackernden Licht. Wenn dann die Leichen in der unheiligen Stätte hinter dem Tierfriedhof verscharrt werden, sieht das unglücklicherweise auch noch wie in einer 60er-Jahre-Studioproduktion der „Hammer Films“ aus: Der Bodennebel kriecht und am Himmel gewittert es. Gruseleffekte aus der Mottenkiste.

Dem Regieteam Kevin Kölsch und Dennis Widmyer gelingt es nur in wenigen Momenten, die bedrohliche Atmosphäre des Romans auf die Leinwand zu übertragen. Der neue Friedhof der Kuscheltiere  ist zwar schön düster, bleibt aber zu vorhersehbar und damit größtenteils langweilig.

FAZIT

Vielleicht lässt sich das Buch einfach nicht fürs Kino adaptieren.  Eine weitere, der unendlich vielen misslungenen Stephen King-Romanverfilmungen.

USA 2019
100 min
Regie Kevin Kölsch und Dennis Widmyer
Kinostart 04. April 2019

Escape Room

Nerdalarm: wer weiß, was sogenannte „Escape Room“-Computerspiele sind? 
Das geht so: Ein Raum, nur eine Tür – und die ist verschlossen. Der Spieler muss durch das Lösen von Rätseln den Schlüssel zur Tür finden, um weiterzukommen und am Ende zu gewinnen. Wem das zu virtuell ist, der kann diesen Nervenkitzel auch real erleben, nur dass man dazu nicht mit Chipstüte und Joggingbuxe vorm PC sitzt. Wie beim Computerspiel werden auch hier mehrere Personen in „Themenräume“ eingesperrt (z.B. Serienkiller oder Russenmafia – oder ist das dasselbe?), aus denen sie dann in vorgegebener Zeit herausfinden müssen. 
Der Film Escape Room geht nun wieder einen Schritt zurück in die Lethargie – zuschauen, statt dabei sein.
Sechs Personen, die scheinbar nichts miteinander verbindet, müssen unterschiedlich knifflige Rätsel lösen, um am Ende 10.000 $ zu kassieren. Da das alleine ein bisschen zu fad wäre, gibt’s anstelle von Punkteabzug Lebensabzug. Wer falsch reagiert, zu langsam oder schlicht zu doof ist, stirbt. Einer nach dem anderen, in guter alter „Zehn kleine Jägermeister“-Tradition. Gestalterisch einigermaßen fantasievoll umgesetzter Thriller, das offene Ende droht mit unnötiger Fortsetzung.

FAZIT

Wen Logik nicht schert, der kann hier seinen Spaß haben. Albern, aber unterhaltsam.

USA 2019
99 min
Regie Adam Robitel
Kinostart 28. Februar 2019 

Hard Powder

Armer Liam Neeson. So wie der Bäcker, der jeden Tag die gleichen fünf Brote backt, oder die Aldi Kassiererin, die tagaus, tagein im grellen Neonlicht Waren über den Scanner zieht, muss auch der irische Superstar Langeweile verspüren. Seit Jahren spielt er den „Rächer mit dem guten Herzen“ im immer gleichen Film. Es schadet also nichts, wenn nach Taken 1-3, The Commuter, Non-Stop (und wie sie alle heißen) mal Abwechslung ins Spiel kommt.

Hard Powder ist tatsächlich nicht die übliche Fließbandware und um einiges origineller inszeniert, als die Zug/Flugzeug/Autojagden, bei denen Liam sonst seine Feinde platt macht. Ungewöhnlich schon die Locationwahl: ein im Tiefschnee versinkender Skiort in den Rocky Mountains. Hier pfeift von früh bis spät eine steife Brise, das hat beinahe Shining-hafte Atmosphäre. Nels Coxman (Liam Neeson) ist der örtliche Schneepflugfahrer und sorgt verlässlich für freie Straßen. Sein harmonisches Familienleben mit Frau und Kind wird jäh unterbrochen, als Drogengangster seinen Sohn ermorden. Genauso stoisch wie den Schnee beseitigt er daraufhin die bösen Buben und löst nebenbei noch einen blutigen Bandenkrieg aus – Blut auf Schnee macht sich immer gut.

Sein trockener, schwarze Humor hebt Hard Powder wohltuend von der sonstigen 08/15-Konfektionsware ab. Vielleicht liegt es ja tatsächlich, wie Liam Neeson im Interview vermutet, am europäischen Regisseur. Der Norweger Hans Petter Moland beweist mit dem US-Remake seines eigenen Films Einer nach dem Anderen (2014), dass es doch noch kleine Überraschungen im ausgelutschten Rächergenre zu entdecken gibt.

FAZIT

Besser als erwartet. Und macht neugierig aufs Original, das im Norwegischen den hübschen Titel „Kraftidioten“ trägt.

USA, 2018
119 min
Regie Hans Petter Moland
Kinostart 28. Februar 2019

Bird Box

Bird Box erzählt von einer – wieder mal – dystopischen Zukunft: Eine unbekannte Macht treibt alle Menschen, die sie zu Gesicht bekommen, in den spontanen Selbstmord. Diese Macht ist überall, niemand kann ihr entkommen. Nur Innenräume mit zugeklebten Fenstern bieten Schutz, oder einfach die Augen zu machen. Das ist zwar nicht unbedingt logisch, aber Logik ist sowieso nicht die Stärke von Bird Box.

Zu Beginn des Films besteigt Malorie, gespielt von Sandra Bullock, die immer mehr Michael Jackson in seiner ausoperierten Endphase ähnelt, mit zwei Kindern ein Boot (alle mit verbunden Augen, um sich vor dem Anblick der todbringenden Macht zu schützen). Die kleine Truppe paddelt blind einen Fluss herunter, denn Malorie hatte zuvor über Funk erfahren, dass es ein paar Tagesreisen entfernt einen sicheren Zufluchtsort gebe. Mit an Bord ist ein Pappkarton mit zwei Sittichen darin, eine Bird Box eben (wie sich herausstellt, sind Vögel so eine Art Frühwarnsystem für die unheimliche Macht).

Die Szenen mit den drei unfreiwillig Blinden auf dem engen Boot bilden die Rahmenhandlung des Films und sind von Regisseurin Susanne Bier gekonnt umgesetzt. Das ist schön klaustrophobisch, beklemmend und unterschwellig bedrohlich. Wenn nur der Rest des Films genauso spannend wäre.

Die Parallelhandlung, fünf Jahre vorher: Malorie ist hochschwanger. Von einer Vorsorgeuntersuchung kommend, bricht um sie herum plötzlich das absolute Chaos aus: Menschen verlieren von einer Sekunde auf die andere den Verstand und begehen Massenselbstmord (wer M. Night Shyamalans The Happening gesehen hat, dem wird das bekannt vorkommen). Malorie kann sich in ein Haus retten, wo sich bereits ein stereotyper Hollywood-Cast versammelt hat: ein zynischer Alter (gewohnt souverän: John Malkovich), ein Drogendealer, ein gutmütiger Schwarzer, noch eine Schwangere, usw. Nach ein paar Tagen mit den erwartbaren zwischenmenschlichen Spannungen und lahm anbahnenden Liebesgeschichten stößt ein weiterer, zunächst harmlos wirkender Mann zu der Gruppe der Überlebenden. Vor allem Malories Sittiche reagieren nervös auf den Neuankömmling. Nicht lange darauf eskaliert die Situation, das vorhersehbare Unheil nimmt seinen Lauf…

Wer kennt das nicht: Man läuft sehenden Auges mit nackten Füßen gegen den Bettpfosten und reißt sich dabei beinahe den kleinen Zeh ab. Mit verbundenen Augen würde man wahrscheinlich schon im Rollstuhl sitzen. Folglich sind die „Verbundene-Augen-Challenges“, die durch den Hype um Bird Box ausgelöst wurden (80 Mio Abrufe in den ersten vier Wochen bei Netflix), nicht empfehlenswert – Netflix warnte sogar auf Twitter vor den Verletzungsrisiken.

FAZIT

A Quiet Place ist der bessere Film über eingeschränkte Sinnesorgane. Zu Tode riechen wäre dann die nächste naheliegende Filmidee. Bird Box ist für einen Horrorthriller über lange Strecken überraschend langweilig. Nur am Ende wird’s dann doch nochmal richtig gruselig: Da sieht der Film plötzlich wie ein kitschiger Zeugen-Jehova-Werbespot aus.

USA, 2018
124 min
Regie Susanne Bier
Netflix

The Possession of Hannah Grace

Ein Leichenschauhaus bei Nacht. Lange, finstere Gänge. Flackerndes Neonlicht. Überlaute Geräusche. Entstellte Mordopfer, die in ihrem Kühlfach wieder zum Leben erwachen.
Das sind die eigentlich vielversprechenden Versatzstücke von The Possession of Hannah Grace, einem weiteren Kapitel aus der scheinbar unendlichen Reihe der „Leichenhallenhorrorthriller“.

Das Rezept geht diesmal nicht auf, der neu angerührte Brei aus den bekannten Zutaten schmeckt fad. Ein paar wenige, gelungene Schreckmomente gibt es zwar, aber so richtige weiße Fingerknöchel-Spannung will nicht aufkommen. Der Film schafft es trotz seiner sehr kurzen Laufzeit von 86 Minuten, zwischendurch langweilig zu werden. Das ist auch eine Kunst. Aber wie oft soll man sich auch erschrecken, wenn zum gefühlt zwanzigsten Mal die Schublade des Kühlfachs von selbst aufspringt…und dann…nichts passiert? Das hat man alles schon mal genauso bzw. besser gesehen.

FAZIT

Freunde dieses Sujets sind mit The Autopsy of Jane Doe von 2017 deutlich besser bedient. Sehr ähnliche Geschichte, aber um ein Vielfaches gruseliger.

USA, 2018
86 min
Regie Diederik Van Rooijen
Kinostart 31. Januar 2019

The Mule

Ein mexikanisches Drogenkartell will Heroin schmuggeln. Da liegt es nahe, den neunzigjährigen Blumenzüchter Earl zu fragen, ob er eventuell so nett wäre, die Ware von A nach B zu fahren. Schließlich hat er noch nie einen Strafzettel bekommen, das ist Qualifikation genug.
Auftritt Clint Eastwood.
Die Geschichte vom alten weißen Mann, der ganz unvermittelt zum gefragten und gut bezahlten Drogenschmuggler wird, ist leidlich unterhaltsam erzählt. Eine Kurierfahrt folgt auf die Nächste – es plätschert so vor sich hin. Die Entschleunigung passt, denn im Herzen ist The Mule kein Actionfilm, sondern ein Appel an den Familiensinn. Für den altgedienten Korea-Veteran sind die bis unter die Augenbrauen tätowierten Mexikaner-Gangster keine Bedrohung. Sein größter Wunsch ist es, sich auf seine alten Tage mit seiner Tochter auszusöhnen. 

Zum ersten Mal seit Gran Torino (2009) steht Clint Eastwood wieder gleichzeitig vor und hinter der Kamera. Als Regisseur ist der 88-Jährige berühmt dafür, extrem effizient zu arbeiten und Szenen oft nur einmal zu drehen. Das hat über viele Jahre gut funktioniert, erweist sich hier aber als problematisch. Selten wirkten die beiden Oscargewinner Bradley Cooper und Diane Wiest verlorener und haben weniger Eindruck hinterlassen.
Ausser den prominenten, aber blassen Nebendarstellern gibt es noch reichlich Altmännerfantasien zu bewundern: so klebt die Kamera minutenlang genüsslich an den halbnackten Hintern von tanzenden, natürlich jungen Mädchen, die sich begierig an Clint Eastwood reiben. Und – vielleicht zu viel Information – auch der greise Earl hat noch regelmäßig Sex (bevorzugt flotte Dreier).

FAZIT

The Mule ist ein halbgares Alterswerk mit einem unausgereiften, unglaubwürdigen Drehbuch. Nicht gerade ein Highlight in Clint Eastwoods Gesamtwerk.

USA, 2018
117 min
Regie Clint Eastwood
Kinostart 31. Januar 2019

Die unglaublichen Abenteuer von Bella

Lucas, der irritierenderweise wie die erwachsene Version von Heintje aussieht, lebt noch bei seiner Mutter, obwohl er schon locker Mitte 20 ist. Die ist Kriegsveteranin (Ashley Judd, selten war eine Rolle fehlbesetzter) und hat, wie ihr Sohn, ein großes Herz für Tiere. Da passt es gut, dass Lucas’ Hobby die Rettung von herrenlosen Katzen und Hunden ist. So gerät er an Bella, einen niedlichen Rottweilerwelpen. Die beiden werden ein Paar.
Wegen komplizierter (und uninteressanter) Umstände – es hat etwas mit einem städtischen Gesetz zu tun, das verbietet, Rottweiler auf die Straße zu lassen, weshalb Mutter und Sohn umziehen müssen – wird Bella für ein paar Tage zu Freunden aufs Land gegeben. Das kann sie beim besten Willen nicht verstehen und beschließt – in alter Lassie-Tradition – wieder zurück nach Hause, zu ihrem Herrchen zu laufen.
Die Reise dauert über zwei Jahre. Unterwegs durchlebt und -leidet Bella allerhand Abenteuer. So trifft sie unter anderem auf eine (offensichtlich computeranimierte) Wildkatze, mit der sie sich eine zeitlang anfreundet.
Zwischendurch wird Bella von einem schwulen Paar adoptiert, aber ihre Sehnsucht nach Heintje Lucas ist so groß, dass sie (unverständlicherweise) aus dem sehr geschmackvollen Haus der beiden Männer, in dem sie auch noch mit Liebe überschüttet wird, ausbüxt. Das verstehe, wer will – aber wer kann schon in einen Hundekopf schauen?

Die unglaublichen Abenteuer von Bella ist ein Film, der Fragen aufwirft.
War es die Idee von Regisseur Charles Martin Smith oder war es eine nach den Testscreenings gefällte Entscheidung, Bella eine Stimme zu geben? Es ist nun nicht so, dass die Hündin, wie seinerzeit Schweinchen Babe, die Lippen bewegt und wirklich spricht, aber man hört ständig ihre Gedanken. Und die sind nicht besonders tiefgründig. Dabei ist es wissenschaftlich erwiesen, dass Hunde hochintelligent sind. Bella hingegen scheint nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein. In der Originalversion spricht Bryce Dallas Howard erschütternd banale Sätze mit einer solch nervigen Naivität ein, dass man sich sehnlichst wünscht, diesen Teil der Tonspur stumm stellen zu können. Vielleicht rettet es ja diesmal die deutsche Synchronisation.

Unbeantwortet bleibt auch die Frage, was mit dem Gesicht von Ashley Judd passiert ist und ob sie ihren Schönheitschirurgen erfolgreich verklagt hat.

FAZIT

Kann sein, dass SEHR kleine Kinder an Die unglaublichen Abenteuer von Bella ihren Spaß haben.

USA, 2018
95 min
Regie Charles Martin Smith
Kinostart 24. Januar 2019

Boys in trouble

Diesmal drei Filme zum Thema „Jungs in Schwierigkeiten“:

Beautiful Boy

Nic steht die Welt offen. Er ist kreativ, schlau, hübsch, ein guter Schüler und könnte ein sorgloses Leben bei seinen wohlhabenden Eltern führen. Wie ein privilegierter Teenager als Crystal Meth-Junkie enden und welche verheerenden Auswirkungen das auf die ganze Familie haben kann, davon erzählt Felix Van Groenings neuer Film.
Beautiful Boy basiert auf gleich zwei Büchern: dem eines verständnisvollen Vaters und dem seines drogensüchtigen Sohns. Beide beschreiben jeweils aus ihrer Sicht den sich wiederholenden Kreislauf von Sucht, Entzug und Rückfall. Ein interessanter Ansatz, aber zugleich auch das große Problem des Films: wenn sich Nic zum x-ten Male eine Spritze in die salzstangendünnen Arme setzt, hat sich die Empathie des Zuschauers irgendwann aufgebraucht. Die Geschichte wiederholt sich wieder und wieder und dabei bleibt das Interesse am Schicksal der Figuren auf der Strecke. Auch tut dem Film seine anstrengende, in der Zeit springende Erzählweise nicht gut.
Sehenswert machen das Ganze nur die Darsteller: Steve Carell spielt den Vater angenehm zurückhaltend und Jungstar Timothée Chalamet schafft es, seine Figur gerade noch zerbrechlich liebenswert und schon in der nächsten Szene abgestumpft und unsympathisch erscheinen zu lassen.

Eine ähnliche und doch ganz andere Geschichte erzählt

Ben is back

Ben (Lucas Hedges) kehrt am Weihnachtsabend überraschend aus der Entzugsklinik zu seiner Familie zurück. Seine Mutter Holly (Julia Roberts) freut sich zwar, ist aber gleichzeitig verunsichert, denn ihr Sohn hat auf eigenen Wunsch hin die Therapie unterbrochen.
Den Schmuck und die Medikamente im Badezimmer versteckt sie vorsichtshalber, Schwester und Stiefvater bleiben skeptisch. Sie haben dem Junkie schon zu oft vertraut und sind dann doch belogen und enttäuscht worden. Holly beschließt, nicht mehr von der Seite ihres Sohns zu weichen, um so einen möglichen Rückfall zu verhindern.
Während Beautiful Boy vom Auf und Ab einer Eltern-Junkiekind-Beziehung über Jahre hinweg erzählt, konzentriert sich Ben is back auf 24 Stunden im Leben seiner Protagonisten. In diesem kurzen Zeitfenster wird die Mutter/Sohn-Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Holly erfährt in einer schicksalshaften Nacht mehr über Ben und seine Vergangenheit, als ihr lieb ist.
Julia Roberts überzeugt mit ihrer bewegenden Performance einer  verzweifelten Mutter, die um jeden Preis ihren Sohn retten will. In der zweiten Hälfte wandelt sich Ben is back von der Charakterstudie überraschend zum düsteren Thriller. Sehenswert. 

Wieder neunzehn Jahre alt. Wieder Lucas Hedges. Diesmal nicht als Ex-Junkie, sondern als schwuler Teenager in

Der verlorene Sohn (Boy erased)

Jared (Lucas Hedges), der Sohn eines Baptistenpredigers in Arkansas – mitten im Bible Belt der USA – outet sich gegenüber seinen strenggläubigen Eltern (Nicole Kidman und Russell Crowe) als schwul. Keine gute Idee. Die drängen ihn daraufhin an einem Umerziehungsprogramm teilzunehmen, um so von seiner Homosexualität „geheilt“ zu werden. Andernfalls werde er aus der Familie und Gemeinde ausgeschlossen.

Die Geschichte vom sexuellen Exorzismus basiert auf den Memoiren von Garrard Conley, der sich in seiner Jugend in die unguten Hände der Konversionsorganisation „Love in Action“ begab. Dass es solche zweifelhaften Vereine im konservativen Amerika tatsächlich immer noch gibt, ist schlimm. Über diesen Missstand einen Film zu machen, ist ehrenwert und löblich.
Und trotzdem: obwohl Der verlorene Sohn herausragend besetzt ist und sich sehr ernsthaft mit seinem Thema auseinandersetzt, ist es leider kein empfehlenswerter Film geworden. Zu zäh, zu kühl, zu trist erzählt Regisseur Joel Edgerton die doch eigentlich ergreifende Geschichte vom gepeinigten Teenager. Die Figuren bleiben eindimensional, der Blick auf sie zu distanziert. Die erlebten Qualen in der Umerziehungshölle befremden zwar, lassen aber trotzdem kalt.
Wie bei Beautiful Boy wird auf eine lineare Erzählweise verzichtet. Der Geschichte mit ihren verschachtelten Rückblenden ist deshalb auch hier bisweilen schwer zu folgen. Vielleicht liegt die sich einstellende Langeweile aber auch an dem visuellen Grauschleier, der den ganzen Film überzieht.

FAZIT

Drei neue Filme über Jungs in Schwierigkeiten, dreimal naja. Am empfehlenswertesten ist Ben is back, wegen einer überragenden Julia Roberts.

Beautiful Boy
USA, 2018
121 min
Regie Felix Van Groeningen
Kinostart 24. Januar 2019

Ben is back
USA, 2018
102 min
Regie Peter Hedges
Kinostart 10. Januar 2019

Der verlorene Sohn (Boy erased)
USA, 2018
115 min
Regie Joel Edgerton
Kinostart 21. Februar 2019

Bad Times at the El Royale

⭐️⭐️⭐️

„Die Hölle, das sind die anderen“, wusste schon Satre. Die „anderen“ sind in diesem Fall sieben Fremde, die 1969 während einer stürmischen Nacht im Hotel El Royale festsitzen. Es gibt kein Entkommen. Wer ist gut? Wer ist böse? Wem kann man vertrauen? Und vor allem: Wer wird die Nacht überleben?

MACHART

Unter anderem checken Jeff Bridges, Dakota Johnson, Jon Hamm und Chris Hemsworth in das heruntergekommene  Hotel ein. Hervorragende Schauspieler, die sich, ganz im Tarantino-style, mit ausschweifenden Monologen in Szene setzen dürfen. Dazu gibts heftige Brutalität und einen schönen Soundtrack mit Best of Soulhits. Die eigentlichen Stars des Films aber sind das Hotelset und die Ausstattung. Da wird die Besetzung fast zur Nebensache. Mit seinen perfekt durchgestylten Breitwandbildern erinnert „Bad Times at the El Royale“ an die gute, alte Zeit Hollywoods. Sehr hübsch anzusehen.

FAZIT

Den Hotelaufenthalt kann man vor allem wegen der tollen 60er-Jahre-Ausstattung genießen.
Wem „The Hateful 8“ gefallen hat, sollte auch hier seinen Spaß haben.
USA, 2018
Regie Drew Goddard
141 min
Kinostart 11. Oktober 2018

The Happytime Murders

Ein Killer metzelt nacheinander die ehemaligen Darsteller der Kinderserie „The Happytime Gang“ nieder. Privatdetektiv Phil macht sich mit seiner Partnerin Connie Edwards (Melissa McCarthy) an die Lösung des Falls. Das Besondere an „The Happytime Murders“: Die Hälfte der Darsteller sind sesamstraßenartige Puppen. Hm.

MACHART

Genau. Die Hauptdarsteller sind Puppen. Und zwar komplett versaute. Das ist dann auch mehr oder weniger der einzige Witz des Films. Der Gag, sich Stoffpuppen daneben benehmen und sie dreckige Sprüche raushauen zu lassen, hat sich relativ schnell erschöpft. Zumal das Niveau stetig sinkt. Warum soll  es nach der x-ten Wiederholung noch lustig sein, dass jemand „Du Arschloch“ oder „fick dich!“ sagt? Darüber beömmelt sich bestenfalls ein 10-Jähriger. Andererseits ist der Film für Kinder komplett ungeeignet: Den größten Lacher hat eine obszöne Pornofilmszene mit einer Milch abspritzenden Kuh und einem Kraken. Wenigstens sind beide aus Stoff und mit Watte gefüllt.

FAZIT

Liebe Melissa McCarthy, laut Presseheft bist Du „aktuell nach Jennifer Lawrence und Scarlett Johansson die drittbestverdienende Schauspieler in der Welt“. Dann mach doch bitte mal wieder einen guten Film!

USA, 2018
Regie Brian Henson
91 min
Kinostart 11. Oktober 2018

Christopher Robin

FAST OOOOOOOOH!

Christopher Robin (Ewan McGregor), der einst mit seinen Stofftieren jede Menge Abenteuer im Hundertmorgenwald erlebte, ist erwachsen geworden. Sein schlecht bezahlter Job macht ihn unglücklich. Ehefrau Emily (Hayley Atwell) und Tochter Madeline (Bronte Carmichael) fühlen sich zusehends vernachlässigt. Obendrein ist sein Chef Keith Winslow (Mark Gatiss) ein gemeiner Ausbeuter, der ihn zur Wochenendarbeit zwingt. Weil er deshalb einen Familienausflug absagen muss, ist Christopher am seelischen Tiefpunkt angelangt. Doch plötzlich, nach über 30 Jahren, steht sein sprechender Stoffbär Winnie Puuh (Stimme im Original: Jim Cummings) wieder vor ihm. Zunächst glaubt Christopher, er habe den Verstand verloren. Doch je mehr er sich auf seinen alten Freund einlässt, desto glücklicher und befreiter wird er. Der Honig liebende Bär erinnert Christopher mit seinen schlichten aber wahren Weisheiten daran, wie schön die scheinbar endlosen Tage der Kindheit waren.

MACHART

Der Anfang ist vielversprechend: In kurzen, sehr hübsch inszenierten Buchkapiteln, wird noch während des Vorspanns das bisherige Leben von Christopher Robin erzählt. Danach ist’s erstmal mit der Niedlichkeit vorbei. Denn so, wie aus dem unbeschwerten Kind ein verlorener Erwachsener geworden ist, so verliert auch der Film in diesem ersten Drittel seinen Schwung. Erst durch das Auftauchen von Tigger, I-Ah, Ferkel und all den anderen Freunden, kommt die Leichtigkeit und die nötige Portion Humor zurück. „Christopher Robin“ ist nicht unbedingt ein Kinderfilm geworden. Eher ein Gleichnis für Erwachsene, die sich ein Herz für Stofftiere bewahrt haben. Das 50er-Jahre Setting ist liebevoll ausgestattet und die Animation der Tiere technisch perfekt. Genauso würde es wohl aussehen, wenn Teddybären zum Leben erwachen würden. Trotzdem, das letzte Quäntchen Herz fehlt. Paddington 2 hat das letztes Jahr irgendwie besser hinbekommen.

FAZIT

Fast der ganz große Familienfilm 2018. Aber etwas fehlt. Hätte die Lobi AG (www.lobiag.com) diesen Film produziert, wäre er womöglich DEUTLICH niedlicher und herzerwärmender geworden.

USA, 2018
Regie Marc Forster
104 min
Kinostart 16. August 2018

Breaking In

KONVENTIONELLER THRILLER

Shaun Russel (Gabrielle Union) besucht mit ihren beiden Kindern Jasmine und Glover das Anwesen ihres verstorbenen Vaters. Dort werden sie von vier Ganoven erwartet. Denen ist es trotz Hightech- Überwachungsanlage gelungen, ins Haus einzubrechen. Denn in einem Safe sollen Millionen Dollar Bargeld versteckt sein, aber nur Shaun weiß, wo der sich befindet. Um sie zum Reden zu bringen, werden die Kinder als Geiseln genommen. Shaun kann entkommen und versucht mit allen Mitteln, ihre Familie zu retten.

MACHART

Das hätte Potential gehabt. Powerfrau macht Bösewichte platt. Leider wurde das in „Panic Room“ schonmal besser und deutlich spannender erzählt. „Breaking In“ ist lieblos gemachte Konfektionsware und weder die Drehbuchautoren noch der Regisseur und seine Darsteller haben sich viel Mühe gegeben. Die Geschichte ist vorhersehbar, klischeehaft oder oft lächerlich übertrieben. So entwickelt sich die Mutter unglaubwürdigerweise im Laufe des Films zu einer Art Rambo. Die teils in Slow Motion gedrehten Actionszenen wirken konzeptlos und stellenweise unfreiwillig komisch. Nicht erwähnenswert ist leider auch der uninspirierte Score von Tom Tykwer-Mitstreiter Johnny Klimek. Ein Übriges trägt (wiedermal) die deutsche Synchronisation bei.

FAZIT

Ohne nennenswerte Überraschungen. Bleibt von Anfang bis Ende mittelmäßig. In jeder Hinsicht ein C-Picture.

USA, 2018
Regie James McTeigue
88 min
Kinostart 16. August 2018

Vollblüter

FASZINIERENDER THRILLER

Teenager Lilly ist freundlich, hilfsbereit und hat das Aussehen einer Porzellanpuppe. Zusammen mit ihrer Mutter lebt sie im Luxusanwesen ihres reichen Stiefvaters. Ihre beste Freundin heißt Amanda: große Augen, niedliches Gesicht, hochintelligent. Perfekte Upperclass-Welt in Connecticut. Soweit der erste Eindruck.

Doch hinter der repräsentativen Fassade verbirgt sich eine dysfunktionale Familie. Stiefvater Mark schleicht wie ein Sittlichkeitsverbrecher durchs Haus und macht Lilly das Leben schwer. Nicht weiter verwunderlich, dass sie ihn zutiefst verachtet. Die Mutter brät stundenlang im Solarium, da der Gatte „einen dunkleren Teint bevorzugt“. Und Amanda hat in Wahrheit das Gefühlsleben eines Roboters. Problemlos kann sie wahlweise Tränen oder ein perfekt einstudiertes Lächeln abrufen. Je mehr Zeit die beiden Freundinnen miteinander verbringen, desto mehr versuchen sie, sich gegenseitig zu manipulieren. In vier Kapiteln legt der Film Schicht um Schicht den verrotteten Kern frei, bis es zur Katastrophe kommt.

MACHART

Schon mit der ersten Szene entwickelt „Vollblüter“ seine düstere Sogkraft. Nachts, ein Mädchen, ein Pferd, ein Messer. Unheilvoll. Damit ist die Stimmung für den ganzen Film gesetzt. Ständige Bedrohung liegt in der Luft. Die ruhigen, eleganten Kameraeinstellungen, kombiniert mit dem Knistern und Knacken der nervenaufreibenden Musik erzeugen eine konstante Spannung.

„Vollblüter“ funktioniert gleichermaßen als dunkle Komödie und Thriller. Die wahre Bedrohung ist nicht der Stiefvater, sondern versteckt sich hinter den maskenhaft-hübschen Gesichtern der Hauptdarstellerinnen. Somit ist die Geschichte perfekt auf Olivia Cooke und Anya Taylor-Joy zugeschnitten, denen in ihren Rollen jegliche Emotion und Empathie abgeht. Zwei eiskalte Mörderinnen in hübscher Verpackung.

FAZIT

Cory Finley liefert mit der Verfilmung des von ihm verfassten Bühnenstücks „Thoroughbreds“ sein beeindruckendes Regiedebüt ab. Präzise und souverän inszeniert. Eine Entdeckung.

USA 2018
Regie Cory Finley
92 min
Kinostart 09. August 2018
Mission: Impossible - Fallout

Mission: Impossible – Fallout

MISSION ACCOMPLISHED

SPOILER:  Ethan Hunt und sein Team retten auch diesmal die Welt.

Und wie sie das tun! Tom Cruise und Regisseur Christopher McQuarrie haben mit „Mission: Impossible – Fallout“ nochmal einen draufgesetzt. Schön selbstironisch – und trotz 2,5 Stunden Laufzeit keine Sekunde langweilig.

Schon unsere Großeltern wussten: Tom Cruise altert nicht. „Kaum zu glauben, dass der 56-Jährige seine Stunts immer noch selbst macht“ (©BUNTE+GALA). Für den neuen Film hat er nun jedenfalls das Helikopterfliegen gelernt. Also keine Ermüdungserscheinungen in Sicht, ganz im Gegenteil. „M: I – Fallout“ ist der vielleicht gelungenste Teil der Spionagefilmreihe. Wie immer spielt die Story nur eine Nebenrolle, hier geht es in erster Linie um Action und Thrill. Und davon gibt’s reichlich. Allein wegen der fulminanten Verfolgungsjagden quer durch Paris lohnt sich das Anschauen. Das sieht alles extrem echt und gefährlich aus. Nie hat man das Gefühl, die Bilder seien zu Tode manipuliert oder gar komplett im Computer entstanden. Regie und Drehbuch sind straff und auf den Punkt; schließlich ist McQuarrie der einzige Regisseur, der nach „M: I – Rogue Nation“ noch einen weiteren Teil des Franchise inszenieren durfte. Er weiß also, wie’s geht.

FAZIT

Keiner rennt so schön wie Tom. Fast schon beruhigend zu hören, dass er sich bei den Dreharbeiten den Knöchel verletzt hat. Er scheint also doch aus Fleisch und Blut zu sein.

„M: I – Fallout“ ist der bisher beste „klassische“ Actionfilm in diesem Jahr – perfekte Unterhaltung ohne Zeit zum Durchatmen. 007, die Latte liegt hoch.

USA 2018
Regie Christopher McQuarrie
147 min
Kinostart 02. August 2018

Papillon

STIMMUNGSVOLLES FLUCHTDRAMA

Der Film erzählt die wahre Geschichte von Henri „Papillon“ Charrière (Charlie Hunnam), einem Safeknacker aus dem Paris der 30er Jahre. Seinen Brustkorb ziert ein prächtiges Schmetterlingstattoo, daher der Spitzname. Zu Unrecht wegen Mordes verurteilt, wird er nach Französisch-Guayana in eine Strafkolonie deportiert. Wegen der Haie und starken Strömungen gilt die Gefangeneninsel als absolut ausbruchssicher. Trotz dieser Widrigkeiten bleiben sein Überlebens- und Freiheitsdrang ungebrochen. Im Laufe der Jahre versucht er immer wieder, zu entkommen. Zur Seite steht ihm dabei sein Freund, der Fälscher Louis Dega (Rami Malek). Der finanziert die Fluchtversuche Papillons und lässt sich im Gegenzug vor den Angriffen der anderen Häftlinge beschützen.

MACHART

Die Vorlage für den neuen Film des Regisseurs Michael Noer liefern nicht nur die autobiografischen Romane „Papillon“ und „Banco“, sondern auch das Originaldrehbuch von 1973. Damals mit Steve McQueen und Dustin Hoffman kongenial besetzt. Ein Vergleich drängt sich also auf. Dabei kann die Neuauflage zunächst nur verlieren. Aber: blendet man den Klassiker mal aus und lässt sich auf Papillon 2018 unvoreingenommen ein, dann funktioniert das ausgesprochen gut. Sanft modernisiert, zeitgemäßer Look (Kamera Hagen Bogdanski) und hervorragend besetzt. Charlie Hunnam hungerte sich für seine Rolle nicht nur 20 Kilo runter, sondern ließ sich auch noch 8 Tage in eine Zelle einsperren „um eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich das für Charrière angefühlt haben muss“.

FAZIT

Spannende, stimmungsvolle Neuinterpretation des Klassikers. Besser als erwartet.

USA, 2018
Regie Michael Noer
119 min
Kinostart 26. Juli 2018

Catch Me!

PUBERTÄT FOREVER!

Jerry (Jeremy Renner) ist der un(ab)geschlagene Held des Spiels „Tag“ (so auch der Originaltitel). Es handelt sich im Grunde um ein „Fang mich“ für Erwachsene. Jedes Jahr im Mai ist „Tag“-Zeit; das bedeutet, frei übersetzt: „Du bist!“-Zeit. Dabei sollen sich die Gegner mit möglichst ausgefallenen Tricks und Verkleidungen gegenseitig überraschen und dann „taggen“. Fünf Freunde (u.a. Ed Helms und Jon Hamm) spielen dieses Spiel seit ihrer Kindheit. Jeder war schonmal dran, außer eben Jerry. Über 30 Jahre hat er es geschafft, nie abgeschlagen zu werden. Als er aber genau im Mai heiratet, sehen die anderen ihre große Chance gekommen, ihn vor dem Traualtar endlich auch mal dranzukriegen. Soweit die „Geschichte“.

MACHART

Wer liest diese Inhaltsangabe und schüttelt dabei nicht ungläubig den Kopf? Erwachsene Männer spielen Fangen. Im Ernst, das ist die ganze Idee. Jerry soll so eine Art Superheld sein, der immer genau weiß, welche Attacken seine Freunde planen und der dementsprechend vorbereitet ist. Das wird dann wieder und wieder, in immer gleich aufgelösten Slowmotionszenen gezeigt. Beim ersten mal vielleicht noch einigermaßen amüsant, wird es durch die ständige Wiederholung rasch ermüdend. Dazwischen wird unglaublich viel geredet. Das bekommt dem Film nicht gut, denn auch die Dialoge sind nur mäßig witzig. Und weil es im Grunde um nichts geht, ist der Ausgang des Spiels am Ende auch egal. Wenigstens scheinen die Schauspieler ihren Spaß beim Dreh gehabt zu haben.

FAZIT

„Catch Me!“ basiert erstaunlicherweise auf einer wahren Geschichte. Wirkt aber wie ein sehr müder Stiefbruder von MTVs „Jackass“, nur ohne jede Gefahr und ohne jeden Biss.

USA 2018
Regie  Jeff Tomsic
100 min
Kinostart 26. Juli 2018

Hotel Artemis

MEMBERS ONLY

2028, auf den Straßen von Los Angeles herrscht Bürgerkrieg. Als ein Banküberfall gründlich schiefgeht, schaffen es die angeschossenen Gangster gerade noch schwerverletzt ins Hotel Artemis. Hinter dessen schäbiger Fassade verbirgt sich eine Art Club für Verbrecher in Not, inklusive moderner Klinik. Die Regeln sind ultrastreng und nur registrierten Mitgliedern wird der Eintritt gewährt. Wer der „Nurse“ (Jodie Foster) keinen Code vorzeigen kann, kommt nicht rein. Egal, ob er (oder sie) gerade verblutet. Im Laufe der Nacht checken immer mehr rachdurstige Schwerverbrecher ins Hotel ein. Die Situation gerät zusehends außer Kontrolle.

MACHART

Ausnahmsweise mal kein Prequel, Sequel oder keine Comicverfilmung, sondern eine eigenständige, originelle Geschichte. Auf alt geschminkt, tippelt  Jodie Foster – wie immer hervorragend – durch die endlosen Gänge des Hotels und hält dabei die Geschichte zusammen. Der Film ist schön düster und schafft vom ersten Bild an eine klaustrophobische Stimmung. Das hätte eigentlich für ein etwas schräges, schönes Stück Genrekino gereicht. Doch selbst der ansehnliche Cast (u.a. Jeff Goldblum, Sofia Boutella, Zachary Quinto) kann nicht verhindern, dass der Film im letzten Drittel kippt. Was zunächst wie ein ganz guter Terry-Gilliam-Film daherkommt, wird leider gegen Ende zu einer ausufernden Gewalt- und Splatterorgie.

FAZIT

Originelle Geschichte, tolle Ausstattung, am Ende unnötig viel Gewalt – trotzdem empfehlenswert.

USA, 2018
Regie Drew Pearce
110 min
Kinostart 26. Juli 2018

Ant-Man and the Wasp

MACHT SPASS!

Scott Lang (Paul Rudd) – aka Ant-Man – langweilt sich zu Tode. Seit fast zwei Jahren ist er mit einer elektronischen Fußfessel ans Haus gekettet. Aber nur noch wenige Tage, dann ist er wieder frei – vorausgesetzt er hält sich an die Auflagen. So lange können Dr. Pym (Michael Douglas) und seine Tochter Hope (Evangeline Lilly) allerdings nicht warten. Sie brauchen seine Hilfe sofort. Denn die seit Jahren im Quantum Realm (bitte nicht fragen…) verschollen geglaubte Mutter von Hope kann gerettet werden. Doch die Zeit ist knapp und Scott der einzige, der mit Janet van Dyne (Michelle Pfeiffer) Verbindung aufnehmen und sie finden kann.

Hope van Dyke ist „The Wasp“. Also im Grunde ein weiblicher Ant-Man. Wie der, hat auch sie ein cooles Outfit, mit dem sie sich (bzw. Fahrzeuge, Salzstreuer, Häuser oder PEZ-Spender) beliebig verkleinern oder vergrößern kann. Außerdem kann sie fliegen – ist ja schließlich eine Wespe – und versteckt ein beachtliches Waffenarsenal in ihrem Anzug. Also eine mehr als ebenbürtige Partnerin. Die Widersacher der Superhelden sind der fiese Geschäftsmann Sonny Burch (Walton Goggins) und Metawesen Ghost (Hannah John-Kamen).

MACHART

Freunde des perfekten Action- und Popcornkinos werden auch an diesem neuesten Werk aus dem MCU ihren Spaß haben. Humor, Geschichte, Cast, Umsetzung – alles passt. Das Sequel ist sogar besser als sein Vorgänger „Ant-Man“ und einer der bislang unterhaltsamsten Marvelfilme überhaupt. Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt, die Dialoge sind witzig und Evangeline Lilly hat diesmal sogar eine anständige Frisur (r.i.p. Pagenkopfperücke).

Wie Alice im Wunderland spielt die Geschichte geschickt mit den verdrehten Verhältnissen von groß und klein. Das ist ausgesprochen amüsant und sehr kurzweilig.

FAZIT

Temporeicher Sommerblockbuster mit Herz und Humor.

USA, 2018
Regie Peyton Reed
125 min
Kinostart 26. Juli 2018

Book Club – Das Beste kommt noch

TRINKEN HILFT

Hotelbesitzerin Vivian (Jane Fonda) wechselt ihre Männer im Tagesrhythmus. Diane (Diane Keaton) ist frisch verwitwet. Bei Carols (Mary Steenburgen) Ehe ist nach 35 Jahren die Luft raus. Und Bundesrichterin Sharon (Candice Bergen) schmust lieber mit ihrer Katze.

Schon seit Jahrzehnten treffen sich die vier Freundinnen zum monatlichen „Book Club“. Dabei geht es zwar auch um Bücher, in erster Linie wird aber über Männer und Beziehungen getratscht. Und dabei sehr viel Weißwein getrunken. Bis Vivian eines Tages „Fifty Shades of Grey“ als Lektüre empfiehlt. Damit bringt sie das Gefühlsleben ihrer Freundinnen – und auch ihr eigenes – unerwartet in Wallung.

MACHART

“Sex and the City” für die Generation Ü60. Bei der Besetzung konnte nicht viel schiefgehen. Möglicherweise stört sich der ein oder andere an den etwas zu stark weichgezeichneten Gesichtern. Oder an den bemerkenswert schlechten Greenscreen-Aufnahmen. Oder an den zwei Facelifts, die Jane Fonda zuviel hatte. Aber was soll’s? Die Gags sind nett genug, die Damen in sichtlicher Spiellaune. Und Diane Keaton darf mal wieder ihre Privatgarderobe auftragen. Das Beste an „Book Club“ ist ohnehin die Besetzung. Neben den hochkarätigen Hauptdarstellerinnen glänzen noch Andy Garcia, Don Johnson, Richard Dreyfuss, Ed Begley Jr. und Craig T. Nelson in Nebenrollen. Viele Stars für’s Kinogeld.

FAZIT

Sex sells auch im Alter. Harmloser Spaß mit legendärer Besetzung. „Book Club“ – am besten mit einem großen Glas Weißwein genießen.

USA, 2018
Regie Bill Holderman
97 min

The First Purge

BLUTIGES PREQUEL

„The First Purge“ erzählt, wie die jährlich wiederkehrenden „zwölf Stunden Gesetzlosigkeit“, oder auch  „The Purge“, begannen. Die Partei des ultrarechten US-Präsidenten (nein, das ist kein Dokfilm) verfügt, dass eine Nacht lang alle Gewalttaten straffrei bleiben. Ohne Konsequenzen, mitmachen kann jeder. Damit soll die Verbrechensrate in den USA für den Rest des Jahres gedrückt werden. Für 5.000 $ sollen sich Freiwillige neonblaue Kontaktlinsen mit integrierter Kamera ins Auge einsetzen, damit das Morden live im Fernsehen übertragen werden kann. Die Bevölkerung will zunächst nicht mitspielen und feiert lieber Straßenfest. Deshalb heizt die Regierung die Gewalt durch gezielte Attacken künstlich an. Was als Sozialexperiment im New Yorker Stadtteil Staten Island beginnt, gerät so rasch außer Kontrolle.

MACHART

Ja, auch dieser Film hat seine Momente. Leider sind die zu kurz und zu selten. In erster Linie wird viel erschossen, aufgeschlitzt, verbrannt und erschlagen. Hauptsache blutrünstig. Dabei bleibt die Spannung zugunsten billiger Schockmomente auf der Strecke. Und auch die pseudo-politische Botschaft verpufft in der unglaubwürdigen Geschichte. Wenigstens gibt’s was zu lachen, wenn auch unfreiwillig. Zum Beispiel,  wenn Held Dmitri (Y’lan Noel) unvermittelt Jacke und Hemd ablegt, um im weißen Tanktop – ganz in alter „Die Hard“-Tradition – in die Schlacht zu ziehen. Mit einem Maschinengewehr bewaffnet, fast größer als er selbst. Auch die deutsche Synchronisation sorgt für Erheiterung, will sie sich doch partout nicht zwischen hipper Jugendsprache, Ghettoslang und gestelztem Schriftdeutsch entscheiden.

FAZIT

Insgesamt ganz schön menschenverachtend und daher dröge.

USA, 2018
Regie Gerard McMurray
112 min

How to party with Mom

HARMLOSER SPASS

Der Ehemann verkündet aus dem Nichts, er habe sich in eine andere Frau verliebt und wolle die Scheidung. Für Hausfrau Deanna (Melissa McCarthy) bricht erstmal die Welt zusammen. Aber schnell reißt sie sich zusammen und startet einen Neuanfang. Sie will ihr abgebrochenes Studium der Archäologie wieder aufnehmen und geht deshalb ausgerechnet aufs College ihrer Tochter. Die ist natürlich zunächst alles andere als begeistert. Aber Mutti kommt bei den Kommilitoninnen gut an und stürzt sich voll ins Studentenleben: inklusive Partys, Saufen und Spaß mit Jungs, die ihre Söhne sein könnten.

MACHART

Melissa McCarthy muss man einfach mögen. Selbst in durchschnittlichen Fließbandkomödien wie dieser hier. Dass das Drehbuch- und Ehegespann McCarthy/Falcone nicht unbedingt Garant für Topkomödien ist, zeigten sie schon in den eher mittelmäßigen „Tammy“ und „The Boss“. Leider ist auch hier die Geschichte recht lieblos zusammengezimmert, viele der Gags wollen einfach nicht zünden. Und wenn doch, dann versanden lustige Situationen oft im Nichts. Gerade so, als wären den Drehbuchautoren die Ideen ausgegangen oder als hätten sie schlicht keine Lust mehr gehabt. Natürlich ist ein Film mit Melissa McCarthy nie komplett unkomisch. Und so funktioniert „How to party with Mom“ immer dann am besten, wenn die Darsteller von der Leine gelassen werden und sich in „physical comedy“ austoben können. Dann merkt man auch, was für ein großes Potenzial hier mal wieder verschenkt wurde.

FAZIT

Zu gut besetzte Komödie mit zu wenig Lachern. Aber um 90 Minuten den Alltag auszublenden, ok.

USA, 2018
Regie Ben Falcone
107 min

Ocean’s 8

FEDERLEICHTER GANGSTERFILM

Elf Jahre nach Steven Soderberghs Ocean 11- 13 Trilogie gibt es nun eine Art Fortsetzung, diesmal mit weiblichem Cast. Sandra Bullock spielt Debbie Ocean, die Schwester von George Clooneys Danny. Nach einer 5-jährigen Haft wieder auf freiem Fuß, plant sie einen millionenschweren Raub in der New Yorker Met. Ein von Cartier geliehenes Diamantcollier soll von Daphne Klugers (Anne Hathaway) zartem Hals geklaut werden. Dazu benötigt Debbie, genau wie ihr Bruder, eine Crew von Spezialistinnen. Mit dabei als beste Freundin die übercoole Cate Blanchett. Daneben gibt Sarah Paulson die vermeintlich brave Hausfrau, Rihannna, gegen ihr Image besetzt, den Technerd und Helena Bonham Carter overacted als überdrehte Modedesignerin.

MACHART

Zwar kein aktueller Kommentar zu #metoo, aber dafür glitzert es wenigstens gewaltig: vom Diamantcollier bis zum Teint der Darstellerinnen. Der geplante Raub ist ein Kinderspiel und läuft so reibungslos wie ein Schweizer Uhrwerk ab. Genau das aber ist das Manko des Films. Alles läuft viel zu glatt und harmonisch. Es gibt keine wirklichen Überraschungen (außer ein paar Twists gegen Ende) und deshalb will auch keine rechte Spannung aufkommen. Was für einen Film des „Heist“-Genres ein Problem ist. Zu federleicht ist die Geschichte inszeniert, die Charaktere werden nur angedeutet, dadurch bleibt es ein oberflächliches Vergnügen.

Bleibt allein die Frage: Was ist mit Sandra Bullocks Profil passiert? Sah das schon immer so computeranimiert perfekt aus?

FAZIT

Empfehlenswert für alle, die mittlerweile genug Testosteron-Superhelden in Weltuntergangsschlachten gesehen haben und sich nach (sehr) leichter Kost für einen lauen Sommerabend sehnen. Ocean’s 8 sieht super aus, hat eine Topbesetzung und tut niemandem weh. Ein Film wie ein Soufflé.

USA, 2018
Regie Gary Ross
111 min

Isle of Dogs – Ataris Reise

FÜR HUNDEFREUNDE

Der extra gemeine Bürgermeister der japanischen Stadt Megasaki City verdonnert alle Hunde zu Isolationshaft. Angeblich mit einem tödlichen Schnupfenvirus infiziert, müssen des Menschen beste Freunde auf Trash Island vor den Toren der Stadt vegetieren. Als der 12-jährige Atari mit einem Flugzeug auf der Insel abstürzt, retten ihn die dort lebenden Kläffer. Die Herren der Insel, die Alphahunde Boss, Chief, Rex und Duke, helfen Atari bei der Suche nach seinem Hund Spots.

MACHART

Ein Leben ohne Hunde ist möglich, aber sinnlos. Das ist – frei nach Loriot – das Motto dieses Films.

„Isle of Dogs“ ist einfach toll. Und augenscheinlich mit unendlich viel Liebe gemacht. Ein weiteres Meisterwerk von Wes Anderson. Wie schon „The Fantastic Mr. Fox“ in Stop-Motion-Technik hergestellt und mit einem großartigen Voice-Cast (zumindest im Original) gesegnet.

Bryan Cranston, Bill Murray, Jeff Goldblum, Edward Norton und Scarlett Johansson machen die animierten Tiere lebendig und lassen den Zuschauer schnell vergessen, dass es sich „nur“ um einen Puppenfilm handelt. In Wes Anderson-typischen Bildern, alle so schön wie Gemälde, gibt es so viele Details und Kleinigkeiten zu entdecken, dass man den Film auf jeden Fall zweimal anschauen sollte.

FAZIT

Facettenreiche Wundertüte, klare Empfehlung.

USA, 2018
Regie Wes Anderson
105 min

Avengers – Infinity War

ERSTE HALBZEIT

Die Handlung kann man nicht wirklich wiedergeben. Es sei denn, man hat alle, alle Marvelfilme seit Iron Man gesehen, verstanden und in Erinnerung behalten.

In Kürze geht es um den ultimativen Bösewicht Thanos (Josh Brolin), der irgendwelche Infinity-Mumpitzsteine zusammensuchen und dadurch das mächtigste Wesen des Universums werden will. Um dann, auf einer Bank sitzend, in den Sonnenuntergang zu schauen. Da bei diesem teuflischen Plan auch noch gleich die Hälfte aller lebenden Wesen (inklusive der gefühlt 30 Superhelden) getötet, beziehungsweise in Luft aufgelöst werden soll, muss das natürlich mit vereinten Superkräften verhindert werden.

MACHART

Wer hätte das gedacht? Eine echte Überraschung. Ausgesprochen unterhaltsam, kurzweilig, witzig und ideenreich umgesetzt. Einer der besten Marvelfilme bis dato.

Obwohl so viele Köche den Brei hätten verderben können, behält man Dank der souveränen Inszenierung der Russo Brüder stets den Überblick. Die Figuren sind mittlerweile alle hinlänglich bekannt, das spart Zeit und die Geschichte kann direkt durchstarten.

Wäre das tatsächlich der letzte Avengersfilm, würde man wohl depressiv das Kino verlassen. Aber da es ja schon nächstes Jahr weitergeht, ahnt man, dass die recht hohe Sterblichkeitsrate der Helden wohl eher vorübergehend ist.

FAZIT

Grosses Unterhaltungsspektakel.

USA, 2018
Regie Anthony und Joe Russo
149 min

7 Tage in Entebbe

SOLIDES DRAMA

1976 – eine mit 248 Passagieren besetzte Air France Maschine wird auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris von Terroristen entführt. In Entebbe, Uganda, gelandet, werden zunächst die nicht-jüdischen Passagiere freigelassen. Mit den übriggebliebenen jüdischen Passagieren soll die Freilassung von inhaftierten Palästinensern erzwungen werden. Der Plan – 40 Jahre alter Spoiler – geht nach 7 Tagen schief, die Terroristen sterben, die Geiseln kommen frei.

Die Befreiungsaktion wurde übrigens damals von Yonatan Netanjahu geleitet, dem älteren Bruder des amtierenden israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Sogar noch was gelernt.

MACHART

Daniel Brühl gibt zur Abwechslung mal wieder den schmallippigen, humorbefreiten Deutschen, Rosamund Pike die eiskalte Terroristin.

Sehr ungewöhnlich ist der Kunstgriff, die Terrorszenen mit einer israelischen Tanztheateraufführung zu unterschneiden. Klingt absurd, funktioniert aber überraschenderweise gut.

FAZIT

Ist solide inszeniert und einigermaßen spannend, aber am Ende nicht mehr als ein ganz guter TV-Film. Hat man alles irgendwie schonmal gesehen.

USA/GB, 2018
Regie José Padilha
107 min

Rampage – Big meets Bigger

RIESEN QUATSCH

Eine Raumstation stürzt auf die Erde und setzt dabei grünes Giftgas frei. Kurz darauf mutieren ein Gorilla, ein Wolf und ein Alligator zu riesengroßen Monstern, die drohen, Chicago zu zerstören. Nur der Affenfachmann Davis Okoye (Dwayne Johnson) kann retten, was zu retten ist. Als Stichwortgeber stehen ihm dabei der schwer unterforderte Jeffrey Dean Morgan (bekannt aus „The Walking Dead“) und Naomie Harris als Gen-Forscherin zur Seite.

MACHART

Liebes 12-jähriges Ich, heute möchte ich Dir einen Film empfehlen, der ganz nach Deinem Geschmack sein dürfte: „Rampage“. Es geht um Monster und fiese Wissenschaftler. Der Humor ist ein bisschen pubertär und zotig, aber auch entwaffnend selbstironisch. Bei den Spezialeffekten wirst Du aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen. Schon toll, was heutzutage alles möglich ist. Und ganz bestimmt besser als „King Kong vs. Godzilla“ von 1962, den Du Dir neulich in der Sonntags-Matinee angeschaut hast. Na gut, wenn man ganz genau hinschaut – die Szenen, in denen die menschlichen Charaktere mit den Monstern interagieren, sehen ein bisschen fake aus, aber sonst…Zum Glück gibt’s auch keine nervige Liebesgeschichte (Augenroll), außer der zwischen „The Rock“ und seinem Albinoaffen.

Eins noch: Die „Bösen“ (Malin Akerman und Jake Lacy als Geschwisterpaar) sind in „Rampage“ wirklich schlecht. Charakterlich und schauspielerisch. Die beiden chargieren, als ob sie in einer sehr miesen 80er-Jahre Soap mitspielen würden.

Ansonsten: Großer Unsinn, großer Spaß!

FAZIT

Bloss nicht nach Logik fragen, einfach unterhalten lassen.

USA, 2018
Regie Brad Peyton
107 min

Das Flüstern des Wassers – The Shape of Water

FANTASTISCH BERÜHREND

„Shape of Water“ erzählt die Geschichte von Eliza (Sally Hawkins), einer stummen Putzfrau, die ihren Seelenverwandten in Form eines Amphibienmenschen (Doug Jones) in einem amerikanischen Geheimlabor der 50er Jahre trifft.

MACHART

Regisseur des Films ist Guillermo del Toro, dessen Oeuvre zwischen genial (Pans Labyrinth) und unerträglich (Pacific Rim) schwankt.

Ausstattung, Effekte, Musik. Hier ist alles perfekt. Der Amphibienmensch ist eine überzeugende Mischung aus „Schauspieler im Kostüm“ und unaufdringlichem CGI-enhancement.

FAZIT

Der Film ist menschlich, wunderschön anzusehen und sehr lustig, vor allem, sobald Richard Jenkins eine Szene stiehlt.

Der schönste Liebesfilm seit Jahren. Zurecht ein vierfacher Oscargewinner.

USA, 2017
Regie Guillermo del Toro
123 min