MONSTER HUNTER

MONSTER HUNTER

Paul W.S. Anderson ist der Ed Wood des 21. Jahrhunderts. Wie es der hochgradig untalentierte Regisseur schafft, wieder und wieder Filme finanziert zu bekommen, bleibt ein Rätsel unserer Zeit. 

Milla Jovovich, die Ehefrau des Regisseurs, übernimmt diesmal die Rolle von Natalie Artemis, einer toughen persönlichkeitslosen U.S. Army Rangerin. Auf der Suche nach einer vermissten Einheit werden sie und ihr Kanonenfutter-Team aus unserer Welt in die „New World“ transportiert, wo sie gegen riesige Monster kämpfen müssen.

Das Furchterregendste an „Monster Hunter“ ist die groteske Donald-Trump-Gedächtnis-Perücke auf Ron Perlmanns Kopf. Das muss ein Witz sein. Der Film hat keine erwähnenswerte Geschichte, dafür Charaktere, die nicht wissen, was sie hier eigentlich verloren haben. Keine der Figuren hat Tiefe – wie auch ohne irgendeine Backgroundstory. Das Schauspiel beschränkt sich aufs Grimassieren und die Dialoge hätte sich ein Suppenhuhn ausdenken können. Effekte und CGI sind höchst durchschnittlich, das Drehbuch nicht existent, die Actionszenen so schlecht und hektisch zusammengeschnitten, dass man nie Gefahr läuft, sich in irgendeiner Form für das Geschehen auf der Leinwand zu interessieren.

FAZIT

Schrott.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Monster Hunter“
Deutschland, Japan, USA, China, Kanada 2020
103 min
Regie Paul W.S. Anderson
Kinostart 01. Juli 2021

alle Bilder © Constantin Film

DER SPION

DER SPION

Chruschtschow ist auf Krawall gebürstet: Der sowjetische Präsident plant, Atomwaffen auf Kuba zu stationieren, um so dem Erzfeind USA auf die Pelle zu rücken. Vor dem Hintergrund der Krise von 1962 erzählt „Der Spion“ die wahre Geschichte des britischen Geschäftsmannes Greville Wynne (Benedict Cumberbatch), der sich auf Geheiß des britischen MI-6 und einer CIA-Agentin (Rachel Brosnahan) auf eine gefährliche Mission in Moskau einlässt. Dort soll ihm der sowjetische Offizier Oleg Penkovsky (Merab Ninidze) brisante Informationen liefern, die eine nukleare Konfrontation verhindern könnten.

Die Codes erklären sich von selbst: Der Osten ist grau, der Westen bunt. Im Osten sind die Menschen mürrisch, im Westen warmherzig. Die gelernten Klischees machen „Der Spion“ zu just another spy movie, immerhin zu einem gut aussehenden. Mit seinen ästhetischen 60er-Jahre Settings und der stimmigen Ausstattung (inklusive dauerrauchenden Protagonisten) erscheint Dominic Cookes Film wie eine Coffee Table Book-Version aller bekannten Kalte-Kriegs-Spionagefilme. Leider ist bei all der Ästhetik die Spannung auf der Strecke geblieben.

Obwohl die Besetzung top ist, bleiben die Figuren eindimensional. Greville Wayne ist angeblich ein harter Trinker, der auch einem Seitensprung nicht abgeneigt ist, doch Cumberbatch spielt den behauptet wilden Playboy-Spion als einen äußerst normalen Familienvater ohne besondere Eigenschaften. Rachel Brosnahan (als CIA-Agentin) ist zwar immer gerne gesehen, schafft es aber nicht, ihre Marvelous Mrs. Maisel abzulegen. Es ist fast irritierend, dass sie während des gesamten Films keinen einzigen zotigen One-Liner raushaut.

Zu oft verliert sich der Agententhriller in Montagesequenzen, die Oleg Penkovsky beim Abfotografieren von geheimen Dokumenten, der Übergabe der Mikrofilme an seinen britischen Mittelsmann und die anschließend besorgte Auswertung der Bilder im Westen zeigen. Das ist nur leidlich spannend, das hat man schon zu oft gesehen. Richtig interessant wird es erst im letzten Drittel, bis dahin bleibt der Film eine blasse Version von Spielbergs „Bridge of Spies“.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Courier“
GB 2020
110 min
Regie Dominic Cooke
Kinostart 01. Juli 2021

alle Bilder © TELEPOOL

NOBODY

NOBODY

„Mister Cellophane shoulda been my name ‚cause you can look right through me“

Der Song aus dem Musical „Chicago“ trifft zu 100 Prozent auf Hutch Mansell zu – dem Inbegriff eines durchsichtigen Zellophan-Mannes. Der Familienvater führt ein eXtra-langweiliges Leben und wird von Kollegen, Frau und Kindern konsequent übersehen. Erst ein nächtlicher Einbruch bei ihm zu Hause setzt eine Ereigniskette in Gang, die aus dem braven Langweiler einen blutigen Rächer macht.

„John Wick“ lässt grüßen – Die Ähnlichkeiten sind kein Zufall, Drehbuchautor Derek Kolstadt hat sich neben „Nobody“ auch das enorm erfolgreiche Keanu Reeves-Franchise ausgedacht. Dementsprechend brilliert „Nobody“ vor allem mit seinen blutigen Action-Szenen. Die sind ausgeklügelt choreografiert, rasant geschnitten und haben hohen Unterhaltungswert. An der ein oder anderen Stelle gibt’s zwischen den Schägereien auch was zu lachen, Punkte aber vor allem für die Besetzung: Bob Odenkirk macht es sichtlich Spaß, endlich mal körperlich zu werden, nachdem er sich jahrelang als aalglatter Anwalt Saul Goodman aus allen brenzligen Situationen nur rausquatschen durfte. Leider raubt die deutsche Synchronisation mindestens 80 % seines Charmes – wenn möglich, die Originalversion schauen.

Kein Spoiler-Alert: Dass hinter der Mr. Nobody-Fassade ein Berufskiller steckt, ist spätestens seit dem Trailer keine Überraschung mehr. Ist „Nobody“ ein guter Film? Nicht unbedingt. Aber Bob Odenkirks neue Karriere als Actionheld funktioniert ganz gut. Bleibt nur zu hoffen, dass er nicht den gleichen Weg wie Liam Neeson oder Bruce Willis einschlägt, zwei ehemals hervorragende Schauspieler, die mittlerweile nur noch mit den immer gleichen Action-Flics ihr Geld machen.

FAZIT

Gehobene Konfektionsware mit guten Schauspielern.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Nobody“
USA 2021
92 min
Regie Ilya Naishuller
Kinostart 01. Juli 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

GEFANGEN IM NETZ

GEFANGEN IM NETZ

Da kann der RTL 2-Zuschauer nur müde gähnen: Schon vor mehr als 10 Jahren schickte der Schmuddelsender Ex-Bundesverteidigungsministergattin Stephanie zu Guttenberg auf die Jagd nach Kinderschändern: „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder“ hieß das trashige Reality-TV-Format.

Im Gegensatz zur reißerischen Schnappatmigkeit des deutschen Fernsehversuchs nähert sich der tschechische Dokumentarfilm „Gefangen im Netz“ dem schwierigen Thema Cybergrooming um einiges behutsamer an. Wie bei einer aufwändigen Spielfilmproduktion findet zunächst ein Casting statt. Drei mädchenhaft aussehende, aber volljährige Frauen sollen sich im Internet als 12-jährige Kinder ausgeben. Schon diese Szene zu Beginn des Films hat es in sich: da erzählen die jungen Schauspielerinnen, wie sie selbst als Jugendliche belästigt und im Netz gemobbt wurden. Die Grenze zwischen Inszenierung und Realität verwischt von Anfang an.

Aus im Studio nachgebauten Zimmern, von Kameras und einem Team Seelsorger begleitet, chatten die “Mädchen” dann mehrere Wochen mit Männern aller Altersgruppen. Dabei gilt es, die zuvor festgelegten Regeln zu beachten: So muss gleich zu Beginn auf das Alter hingewiesen werden, es darf nicht selbst angerufen werden und es darf nicht geflirtet, verführt oder provoziert werden.

Trotzdem fordern fast alle Männer die Mädchen früher oder später dazu auf, sich nackt vor der Kamera zu präsentieren oder zumindest explizite Fotos hochzuladen. Einige der Männer versuchen nach Erhalt, die Mädchen zu erpressen (die versendeten Nacktbilder sind im Photoshop entstanden).

Um das Aussehen der Täter zu verfremden, wurde ihnen in der Postproduktion eine runde, milchige Maske über das Gesicht gelegt, nur Augen- und Mundpartie bleiben klar zu erkennen. Ein gespenstischer Effekt, der die Täter noch bedrohlicher wirken lässt.

FAZIT

Finsteres, gut gemachtes Dokuexperiment. Mit über einer halben Millionen Zuschauern war “Gefangen im Netz” in Tschechien die erfolgreichste Kinoproduktion des Jahres 2020.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „V síti – caught in the net“
CR 2020
100 min
Regie Barbora Chalupová & Vít Klusák
Kinostart 24. Juni 2021

alle Bilder © Filmwelt

PROXIMA: DIE ASTRONAUTIN

PROXIMA: DIE ASTRONAUTIN

Annalena Baerbock nervt das: Helmut Kohl wurde im Laufe seiner politischen Karriere nie gefragt, wie er Beruf und Kindererziehung unter einen Hut bringt. Die Regeln der Politik gelten auch im Weltraum: Papa fliegt zum Mond und ist ein Held. Mama fliegt zur ISS und ist eine Rabenmutter. Das arme Kind einfach so zurücklassen! Wie kann sie nur?

Schon als Mädchen träumt Sarah (Eva Green) davon, Astronautin zu werden. Als sie für eine Marsmission auserwählt wird, beginnt eine physisch und psychisch stressige Vorbereitungszeit im ESA-Trainingslager. Der Haken am großen Weltraumabenteuer: Bald wird sie nicht nur die Erde für ein Jahr verlassen, sondern auch ihre kleine Tochter Stella. Lebenstraum oder Mutterliebe: Sarah steht vor einer schweren Entscheidung.

Der Titel klingt nach Science-Fiction, doch „Proxima: Die Astronautin“ ist alles andere als das. Tatsächlich spielt keine einzige Szene im All, die Handlung findet ausschließlich auf der Erde statt. Regisseurin Alice Winocour erzählt ein stilles Drama über Liebe und Abnabelung und wirft dabei einen kritischen, feministischen Blick auf die von Männern dominierte Berufswelt.

Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Star City und Baikonur. Die Regisseurin wählt eine fast dokumentarische Form für ihre universelle Mutter-Tochter-Geschichte. Neben einer herausragenden Eva Green spielen Lars Eidinger, Matt Dillon und Sandra Hüller.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Proxima“
Frankreich / Deutschland 2019
107 min
Regie Alice Winocour
Kinostart 24. Juni 2021

alle Bilder © Koch Films

FREAKY

FREAKY

We need to talk about Dackelhunde! Nachdem die klugen und eleganten Tiere in den 1970er-Jahren zu Spießerkötern auf Audi-Hutablagen degradiert wurden, feiern sie nun ein verdientes Comeback. Die herrlich dicken Stummelbeine, das selbstbewusst durchgestreckte Kreuz, der scharfe, kritische Blick: WeenerDogs sind Hunde zum Verlieben und mittlerweile omnipräsent. Auf Kaffeetassen, in Instastories, als Möbelstücke und sogar als Muster auf dem Schlafanzug einer serienmordenden Highschool-Schülerin. In „Freaky“ spielen Teckel somit zwar nur eine dekorative Nebenrolle, doch die schwarze Komödie lohnt das Ansehen trotzdem. Zwei alte, schon oft benutzte Filmideen werden hier miteinander kombiniert und – siehe da – es entsteht etwas Neues, Originelles. Ursprünglich sollte der Film „Freaky Friday the 13th“ heißen – inhaltlich auf den Punkt: eine Titel-Vermählung der Body-Swap-Komödie „Freaky Friday“ und der Horror-Film-Reihe „Freitag der 13.“.

Zauberei: Die 17-jährige Schülerin Millie findet sich nach einer Messerattacke unversehens im Körper eines gesuchten Serienkillers wieder. Umgekehrt ist der „Blissfield Butcher“ plötzlich ein verunsichertes Highschool-Girl, das mithilfe ihrer Freunde (politisch korrekt: eine Schwarze und ein Schwuler) den 24 Stunden währenden Fluch um jeden Preis rückgängig machen will.

Regisseur Christopher Landon schreckt in seiner Horror-Komödie vor keinem Klischee zurück: Extra-bitchige Mitschülerinnen, tumbe, notgeile Footballspieler und sadistische Lehrer – hier haben sich die typischen Genre-Vertreter versammelt. Sie alle ereilt ihre gerechte Strafe. Die Art und Weise des Gemetzels ist dabei schön blutrünstig und einfallsreich umgesetzt.

Wie schon „Scream“ funktioniert „Freaky“ auch als Komödie, dank der ausgezeichneten Darsteller: Kathryn Newton nimmt man eiskalte Killerin und gemobbte Schülerin gleichermaßen ab. Und Vince Vaughn hat als Teenager-Mädchen die Rolle seines Lebens gefunden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Freaky“
USA 2020
102 min
Regie Christopher Landon
Kinostart 24. Juni 2021

alle Bilder © Universal Pictures Germany

BREAKING NEWS IN YUBA COUNTY

BREAKING NEWS IN YUBA COUNTY

Immer wieder wird die Frage gestellt, ob es bei Framerate auch mal eine Null-Sterne-Bewertung gäbe. Bisher nicht. Doch „Breaking News in Yuba County“ wäre ein würdiger Kandidat. Lausiger Film mit scheußlicher deutscher Synchronisation.

Der einzige Verdienst von Regisseur Tate Taylor besteht darin, überqualifizierte Schauspieler überredet zu haben, in diesem Anwärter auf die Goldene Himbeere mitzuwirken: Allison Janney, Mila Kunis, Matthew Modine, Awkwafina, Ellen Barkin, Juliette Lewis, Wanda Sykes und viele mehr. Warum?

Die Geschichte wiederzugeben lohnt nicht. Irgendwas satirisch gemeintes mit Verbrechern, Lösegeld und dem Wunsch, im Fernsehen aufzutreten. „Breaking News in Yuba County“ wirkt, als habe sich ein sehr sehr unbegabter Regisseur zwanzig Jahre zu spät entschlossen, mal einen Film im Stil der Coen-Brothers zu versuchen. Das ist in jeder Hinsicht schief gegangen.

FAZIT

Top-Favorit für den schlechtesten Film 2021.

INFOS ZUM FILM

USA 2021
96 min
Regie Tate Taylor
Kinostart 24. Juni 2021

alle Bilder © Constantin Film

A QUIET PLACE 2

A QUIET PLACE 2

Die Fortsetzung (die dankenswerterweise nicht „A Quieter Place“ heißt) knüpft nahtlos an den Überraschungshit von 2018 an. Wobei, nicht ganz: der Film beginnt zunächst mit einem Rückblick auf den ersten Tag der Katastrophe – und der hat es in sich. Selten sah man ein Kinopublikum synchron so in den Sitzen hochschrecken.

Wer bis jetzt nur Bahnhof verstanden hat – hier eine kurze „Was bis jetzt geschah“-Zusammenfassung: Nach der Invasion von außerirdischen Monstern ist die Menschheit stark dezimiert. Die bitterbösen Viecher töten jeden, der ihnen in die Quere kommt. Ihr extrem gut ausgeprägter Gehörsinn ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits darf niemand, der überleben will, einen Mucks machen, andererseits lassen sich die Monster mit hochfrequenten Tönen halbwegs in Schach halten. Familie Abott – Vater, Mutter, zwei gehörlose Kinder – sind auf der Flucht. Ganz leise versteht sich. Am Ende des ersten Teils hat die Mutter – in einer nervenzerreißend stillen Szene – ein Baby zur Welt gebracht und ein Familienmitglied musste sein Leben lassen.

„A Quiet Place 2“ steht dem ersten Teil in nichts nach. Drehbuchautor und Regisseur John Karsinski (im wahren Leben der Ehemann von Hauptdarstellerin Emily Blunt) ist ein extrem spannender Film geglückt. Thriller inszenieren kann er. Was ihm nicht so liegt, sind Dialogszenen. Die sind in ihrer tranigen Labrigkeit ermüdend, da hängt der Film durch. Zum Glück gibt’s davon nicht allzu viele und der nächste Jump-Scare lauert schon um die Ecke.

FAZIT

Mehr Monster, mehr Stille, mehr Spannung. Gelungene Fortsetzung.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A Quiet Place 2“
USA 2020
100 min
Regie John Krasinski
Kinostart 24. Juni 2021

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

CHAOS WALKING

Juni 2021

„Chaos Walking“ ist ein wandelndes Chaos, indeed. Die Idee mag im Roman noch funktioniert haben, auf der Leinwand nervt sie schon nach wenigen Minuten: Noch so banale Gedanken oder Überlegungen manifestieren sich als bunte Partikelwolke um die Köpf der Menschen und jeder kann die Gedanken des anderen hören und sehen.

Todd Hewitt (Spiderman Tom Holland) lebt auf einem fernen Planeten in einer Gesellschaft, in der es keine Frauen mehr gibt. Die sind alle tot, scheinbar von bösartigen Aliens ermordet. Eines Tages crasht das Raumschiff von Viola (Daisy Ridley) auf dem Planeten. Schlecht für sie, denn Frauen können ihre Gedanken verbergen und werden daher als Bedrohung angesehen. Die Männer reagieren ausgesprochen feindselig auf die Fremde. Bald wird Viola vom oberfiesen Bürgermeister der Stadt (Mads Mikkelsen, wie immer gut) zur Jagd freigegeben. Der spontanverliebte Todd will seiner Angebeteten helfen.

Nein, das Herstellungsjahr weiter unten ist kein Tippfehler, „Chaos Walking“ wurde tatsächlich schon 2017 gedreht. Zwei Jahre später gab es noch mal einen Nachdreh, wohl um zu retten, was zu retten ist. Der Kinostart wurde etliche Male verschoben, teils Corona-bedingt, tatsächlich aber, weil das Studio erkannt hat, dass der Film nichts taugt. Die Zutaten zum Desaster: Bösewichter mit nicht nachvollziehbarer Motivation, Charaktere, die kommen und gehen, ohne für die Geschichte eine Rolle zu spielen, dystopische Klischees zuhauf und planetengroße Löcher im Drehbuch. „Chaos Walking“ ist leider nicht einmal ein unterhaltsames B-Movie.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Chaos Walking“
USA 2017
108 min
Regie Doug Liman
Kinostart 17. Juni 2021

alle Bilder © STUDIOCANAL

FRÜHLING IN PARIS

FRÜHLING IN PARIS

Ganz erstaunlich: Im Alter von 15 schreibt sie das Drehbuch, mit 20 führt sie Regie. Nebenbei spielt sie noch die Hauptrolle und singt sogar das Titellied. Ihr Debüt-Film schafft es in die Auswahl von Cannes 2020.: Suzanne Lindon ist seit „Seize Printemps“ Frankreichs neues Film-Wunderkind.

Aus dem Leben eines Teenagers: Die sechszehnjährige Suzanne ist zutiefst gelangweilt. Jungs in ihrem Alter findet sie extra öde. Auf einer Skala von eins bis zehn sind bei ihr alle eine durchschnittliche Fünf.
Eines Tages begegnet sie Raphaël. Der Schauspieler ist Mitte dreißig und Suzanne sofort hin und weg. So wie das Mädchen von Schule und Freunden, so ist Raphaël von seinen allabendlichen Auftritten im immer gleichen Theaterstück ermüdet. Langweile kann eben auch verbinden. Als sich die beiden in die Augen schauen, ist es um sie geschehen – Liebe auf den ersten Blick.

Vom Erdbeermarmeladenbrot über Raphaëls Vespa bis zu Suzannes Lieblingsgetränk (Limonade mit Grenadine): Die Farbe Rot zieht sich symbolhaft durch die ganze Geschichte. Das ist ein bisschen plump und auch der Kunstgriff, die Darsteller als Zeichen ihres Verliebtseins in spontane Balletttänze ausbrechen zu lassen, wirkt künstlerisch bemüht. Doch die stilistischen Übertreibungen macht die talentierte Regisseurin mit ihren unverkrampften Dialogszenen und der stimmig eingefangenen Pariser Atmosphäre wieder wett.

FAZIT

Küsschen rechts, Küsschen links, Croissants zum Frühstück: „Frühling in Paris“ erfüllt, was der Titel verspricht – ein bisschen „Lolita“, ein bisschen „La Boum“ und französisch durch und durch.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Seize Printemps“
Frankreich 2020
74 min
Regie Suzanne Lindon
Kinostart 17. Juni 2021

alle Bilder © MFA+ FilmDistribution

BERLINALE SUMMER SPECIAL – TEIL 2

BERLINALE SUMMER SPECIAL – TEIL 2

Heute geht’s in Teil 2 weiter mit dem Programm vom 13. bis 20. Juni

ENCOUNTERS

NOUS

Das Leben ist eine lange, ruhige Bahnfahrt. „RER B“ heißt ein Nahverkehrszug, der Paris und sein Umland von Norden nach Süden verbindet. Regisseurin Alice Diop hat sich vom gewöhnlichen Leben entlang dieser Bahnlinie inspirieren lassen. Ihr Film beschreibt eine zerrissene Gesellschaft in einer Art Patchwork-Porträt. „Nous“ konserviert das alltägliche Leben in französischen Vorstädten. Die Existenz all der Migranten, Außenseiter und Alten wäre ohne dieses filmische Denkmal früher oder später vergessen gewesen. Gewinner der Encounters-Reihe.

Frankreich 2021
115 min
Regie Alice Diop 
Sommer-Berlinale ab 13. Juni

PANORAMA

CENSOR

England, 1980er-Jahre: Enid nimmt ihren Job als Filmzensorin ausgesprochen ernst. Schließlich müssen die unschuldigen Zuschauer vor brutalen Splatterszenen bewahrt werden. Blutige Enthauptungen und Vergewaltigungen fallen ihrer gestrengen Schere zum Opfer. Als Enid einen besonders verstörenden Film sichtet, ruft das Erinnerungen an ihre seit Jahren verschollene Schwester hervor.

Prano Bailey-Bond liefert mit „Censor“ eine liebevolle Hommage an die Ära der unterm Videotheken-Ladentisch gehandelten VHS-Horrorfilme der 80er-Jahre. Eine echte Entdeckung ist die Hauptdarstellerin: Niamh Algars spielt Enids zunehmend verstörte Wahrnehmung perfekt, während sich die Grenzen zwischen Realität und Einbildung langsam aufheben. Leider verliert der Film in der zweiten Hälfte an Spannung. Regisseur Bailey-Bond ist zu sehr in seine David Cronenberg-Zitatensammlung verliebt, die Geschichte wird immer wirrer.

GB 2021
84 min
Regie Prano Bailey-Bond
Sommer-Berlinale ab 14. Juni

PERSPEKTIVE DEUTSCHES KINO

WOOD AND WATER

Die frisch gebackene Rentnerin Anke freut sich auf einen gemeinsamen Familienurlaub mit den Kindern, doch Sohn Max sagt in letzter Minute ab. Er sitzt in Hongkong fest, die Flughäfen sind wegen der Protestbewegung geschlossen. Seine Mutter beschließt kurzerhand, um die halbe Welt zu fliegen und ihren Sohn zu besuchen.

Wenn Mutti eine Reise tut. Jonas Bak begleitet in seinem Spielfilmdebüt die eigene Mutter vom beschaulichen Schwarzwald in die chinesische Mega-Metropole. „Wood and Water“ bleibt dabei dicht an seiner Hauptfigur. Auf ihren Erkundungen in der Fremde begegnet sie verschiedenen Menschen, versucht zarte Freundschaften zu knüpfen. So entsteht ein stilles Porträt über das Älterwerden und die damit verbundene Einsamkeit in einer chaotischen Welt.

Die etwas laienhaft vorgetragenen Dialoge erinnern an die Regiearbeiten von Klaus Lemke. Und obwohl die Inszenierung teils unbeholfen wirkt – „Wood and Water“ ist ein Zwitter aus Spiel- und Dokumentarfilm – fühlt man sich Mutter Anke bald sehr nah und schaut ihr gerne dabei zu, wie sie sich in Hongkong einlebt und dabei einiges über sich selbst herausfindet.

Deutschland / Frankreich / Hongkong 2021
79 min
Regie Jonas Bak
Sommer-Berlinale ab 16. Juni

ENCOUNTERS

BLUTSAUGER

Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian verfolgen konsequent ihre Vision, aus der Berlinale ein verkopftes Undergroundfilmfestival zu machen. Viel schwer verdauliche Kost, die höchste intellektuelle Ansprüche erfüllt, plumpe Unterhaltung hat da nichts verloren.

Der deutsche Encountersbeitrag „Blutsauger“ passt ganz hervorragend ins neue Muster. Ein russischer Schauspieler wartet auf seine Überseefahrt nach Amerika. Beim Strandspaziergang lernt er eine mondäne Fabrikantin kennen, die sich als Vampir entpuppt. Es wird viel über Marx und Lenin diskutiert, und obwohl die Geschichte Ende der 1920er-Jahre spielt, tauchen immer wieder Coca-Cola-Dosen oder andere moderne Elemente im Bild auf. Klingt interessanter, als es ist. Julian Radlmaiers „Blutsauger“ hat den bemühten Charme einer Filmhochschul-Abschlussarbeit, besetzt mit Laiendarstellern. Dass Corinna Harfouch in einer kleinen Nebenrolle auftaucht, lässt sich nur als Freundschaftsdienst erklären.

Deutschland 2021
128 min
Regie Julian Radlmaier
Sommer-Berlinale ab 18. Juni

PANORAMA DOKU

THE LAST FOREST

Davi Kopenawa ist Schamane und Ältester der Yanomami, einer indigenen Gemeinschaft von Ur-Einwohnern an der brasilianisch-venezolanischen Grenze. Sein Volk ist in Gefahr, denn Brasilien wird seit 2019 von einem Verbrecher regiert. Jair Bolsonaro hat (neben vielen anderen Untaten) auch dafür gesorgt, dass tausende von Goldsuchern in den bislang geschützten Lebensraum der Yanomami eindringen dürfen. Die Fremden bringen Gift, Krankheit und Tod in den Regenwald.

Luiz Bolognesis erhellender Dokumentarfilm „The Last Forest“ gibt einen Einblick in die über tausendjährige Geschichte des Naturvolks. Er lässt dabei die Betroffenen selbst zu Wort kommen und verzichtet auf belehrende Offtexte. In einigen Szenen spielen die Yanomami mythologische Erzählungen ihres Volks nach – das ist zwar ein wenig schülertheaterhaft, hat aber auch einen gewissen Charme.

Originaltitel „A Última Floresta“
Brasilien 2021
74 min
Regie Luiz Bolognesi
Sommer-Berlinale ab 19. Juni

DAS LÄUFT SONST NOCH VOM 13. BIS 20. JUNI

BAD LUCK BANGING OR LOONY PORN

Wettbewerb - Goldener Bär Bester Film

NATURAL LIGHT

Wettbewerb - Silberner Bär Beste Regie

WHEEL OF FORTUNE AND FANTASY

Wettbewerb - Silberner Bär Großer Preis der Jury

HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE

Wettbewerb - Silberner Bär Preis der Jury

JE SUIS KARL

Berlinale Special Gala

INDUSTRY EVENT ZUM NACHLESEN

BERLINALE SUMMER SPECIAL – TEIL 1

BERLINALE SUMMER SPECIAL – TEIL 1

Die Berlinale in zwei Stufen:
Nach dem Industry Event im März geht es jetzt mit viel Sonne und niedrigen Inzidenzwerten in die zweite Runde:
Das Summer Special für das öffentliche Publikum findet vom 9. bis zum 20. Juni als Open Air-Veranstaltung in Berlin statt.

Heute Teil 1 mit dem Programm vom 09. bis 12. Juni

FORUM

ANMAßUNG

Eine echte ANMAßUNG: Großbuchstaben mit einem ß gemischt!

Stefan S., ein zurückhaltender, höflicher Mann, verziert in seiner Freizeit gerne Grußkarten mit zarter Fadenstickerei. Stefan S. ist außerdem ein brutaler Frauenmörder. Vier Jahre vor seiner Haftentlassung starten die beiden Filmemacher Wright und Kolbe eine Dokumentation über den Sexualstraftäter. Der lässt sich nur widerwillig auf den Film ein. Er möchte nicht erkannt werden. Also greifen Wright und Kolbe zu einem ungewöhnlichen Kunstgriff: Stefan S. wird von einer Kinderpuppe gespielt. Die creepy Puppenszenen sind nur ein Teil des Projekts, „Anmaßung“ rekonstruiert den Weg vom unscheinbaren Bürger zum Gewaltverbrecher.

Ein weiteres Feel-Bad-Movie auf der Berlinale. Obwohl das Thema hochgradig deprimierend ist: Man kann sich der unheimlichen Sogkraft der Geschichte nicht entziehen.

Deutschland 2021
111 min
Regie Chris Wright und Stefan Kolbe
Sommer-Berlinale ab 09. Juni

PANORAMA

GLÜCK

Alltag in einem Berliner Bordell. Im Stundenrhythmus müssen die Frauen mit Männern schlafen, zu zweit, zu dritt, ganz wie es der Kunde wünscht. Sascha arbeitet hier schon seit Jahren als Prostituierte. Der Umgang mit den Kolleginnen und der Chefin ist liebevoll entspannt. Als eine Neue anfängt, fühlt sich Sascha sofort von ihr angezogen. Maria ist Italienerin, tätowiert und unangepasst. Die beiden ungleichen Frauen verlieben sich ineinander.

Regisseurin Henrika Kull hat jahrelang in Bordellen recherchiert, das merkt man ihrem zarten Liebesfilm an. Ohne zu moralisieren, schafft „Glück“ eine Begegnung auf Augenhöhe mit den Sexarbeiterinnen. Prostitution wird als Job dargestellt, als Service, als eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Die „Arbeitsszenen“ wirken deshalb so glaubhaft und authentisch, weil sie bei laufendem Betrieb in einem echten Bordell gedreht wurden.

Englischer Titel “Bliss“
Deutschland 2021
90 min
Regie Henrika Kull
Sommer-Berlinale ab 09. Juni

PANORAMA

GENDERATION

Sind Sie ein Mann oder eine Frau? Ja.

Transsexualität verwirrt immer noch viele Menschen, Diskriminierung und Anfeindung sind die Folgen. 23 Jahre nach „Gendernauts“ besucht Monika Treut erneut die Protagonisten ihres vielfach preisgekrönten Dokumentarfilms. Der Zusammenhalt in der Trans-Gemeinde in San Francisco erodiert, white money hat die Stadt fest im Griff. Wohnraum ist kaum noch bezahlbar, wer nicht vorgesorgt hat, kann sich das Leben in der Bayarea nicht mehr leisten. Vier schlimme Jahre Trump-Regierung haben mehr Schaden verursacht als so manches Erdbeben. Gelder wurden gekürzt oder gestrichen, die Kulturszene kämpft ums Überleben.

Die 90er-Jahre sind noch gar nicht so lange her, und trotzdem hat sich die Welt seitdem von links auf rechts gedreht. Vieles ist glatter, professioneller, gleichzeitig unsolidarischer und kälter geworden. Monika Treut verklärt nicht, wird nicht unnötig nostalgisch. „Genderation“ ist ein freundschaftlicher Besuch im Leben der Frauen, die zu Männern wurden und der Männer, die zu Frauen wurden.

Deutschland 2021
88 min
Regie Monika Treut
Sommer-Berlinale ab 10. Juni

Toupierte Kurzhaarperücke, Ausnahmestimme und ein Tanzstil, den sich Mick Jagger bei ihr abgeschaut hat: Tina Turner – der Überstar der 1980er und 90er-Jahre. 

Klassisch, vielleicht etwas zu brav strukturiert, erzählt „Tina“ anhand von Archivaufnahmen und Interviews die außergewöhnliche Story vom Aufstieg Anna Mae Bullocks zum Weltstar mit bis heute über 180 Millionen verkauften Platten.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird sie lange auf ihre Zeit mit Ike Turner reduziert. Kein Talkshow-Auftritt, bei dem sie nicht früher oder später nach ihrem gewalttätigen Ex-Mann befragt wird. 

Beste Entscheidung ihrer Karriere: Nach der Scheidung besteht sie darauf, den Künstlernamen „Tina Turner“ weiter führen zu dürfen. Mit bemerkenswerter Ehrlichkeit versucht sie zunächst in einem Interview mit dem People Magazine, später in einer Autobiografie (ein Bestseller) ihre Version der Geschichte darzulegen. Erst mit dem Einsetzen ihres großen Erfolgs als Solokünstlerin kann sie sich befreien. Sehenswerter Film über eine Frau, von der man schon alles zu wissen glaubte.

USA 2020
118 min
Regie Daniel Lindsay und T.J. Martin
Sommer-Berlinale ab 10. Juni

BERLINALE SPECIAL

COURAGE

„Courage“ erzählt vom Sommer 2020 während der Präsidentschaftswahlen in Weißrussland. Regisseur Aliaksei Paluyan begleitet die drei Schauspieler:innen Maryna, Pavel und Denis mit der Kamera. Familienmanagement, gemeinsame Theaterproben und der andauernde Kampf um das Recht auf Meinungsfreiheit und Demokratie bestimmen ihren Alltag. Belarus steht am Rande eines Bürgerkriegs. Immer wieder werden die friedlichen Massenproteste vom Sicherheitsapparat des Regimes brutal niedergeschlagen. Deprimierend, denn das Land ist kein weit entfernter Schurkenstaat, sondern Teil Europas. Erst vor Kurzem hat der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko mit der erzwungenen Landung eines Flugzeugs der Welt gezeigt, was er von Demokratie hält – wenig bis gar nichts. 

Deutschland 2021
90 min
Regie Aliaksei Paluyan
Sommer-Berlinale ab 11. Juni

PERSPEKTIVE DEUTSCHES KINO

IN BEWEGUNG BLEIBEN

DDR, Januar 1988: Das Tanzstück „Keith“ von Birgit Scherzer (mit der Musik vom berühmten Köln Concert) wird an der Komischen Oper in Berlin uraufgeführt. Knapp ein Jahr später haben vier der sieben Tänzer mit der Choreografin die DDR verlassen.

Regisseur Salar Ghazi besucht für seinen Dokumentarfilm „In Bewegung bleiben“ die „Republikflüchtlinge“ 30 Jahre später. Die Erinnerungen an ihre Ausbildung, unterschnitten mit privaten VHS-Aufnahmen, geben einen interessanten und teils sentimentalen Einblick in das Lebensgefühl in Ostdeutschland vor der Wende.

Deutschland 2021
140 min
Regie Salar Ghazi
Sommer-Berlinale ab 12. Juni

DAS LÄUFT SONST NOCH VOM 09. BIS 12. JUNI

THE MAURITANIAN

Berlinale Special Gala

ALBATROS

Wettbewerb

INTRODUCTION

Wettbewerb - Silberner Bär: Bestes Drehbuch

DIE SAAT

Perspektive Deutsches Kino

MEMORY BOX

Wettbewerb

ICH BIN DEIN MENSCH

Wettbewerb - Silberner Bär Beste Hauptrolle Maren Eggert

UNA PELICULA DE POLICIAS

Wettbewerb - Silberner Bär Herausragende künstlerische Leistung

RENGETEG – MINDENHOL LÁTLAK

Wettbewerb - Silberner Bär Beste Nebenrolle Lilla Kizlinger

Vị

Encounters

INDUSTRY EVENT ZUM NACHLESEN

MALASAÑA 32 – HAUS DES BÖSEN

MALASAÑA 32 – HAUS DES BÖSEN

„Malasaña 32 – Haus des Bösen“ hat alles, was ein echter Haunted-House-Thriller braucht: dunkle Korridore, knarzende Schaukelstühle, schrill klingelnde Telefone und natürlich einen bösen Geist.

Im Jahr 1976 ziehen die Olmedos von ihrem Heimatdorf in die spanische Hauptstadt Madrid. Die Familie kauft ein möbliertes Apartment in der begehrten Calle de Manuela Malasaña. Dort hoffen die Sechs auf einen Neuanfang. Doch schon bald müssen sie feststellen, dass in ihrer neuen Wohnung etwas ganz und gar nicht stimmt.

Inszenatorisch ist das alles kein Neuland: Die oft gesehenen Versatzstücke kennt man aus „Amityville Horror“ und vor allem der „Conjuring“-Serie. Der 5-jährige Rafa sieht als erster Gespenster – Kinder haben für so was Antennen, das weiß man spätestens seit “Poltergeist”. Originell geht anders. „Malasaña 32“ ist trotz Drehbuchschwächen und zu vieler Jumpscares ein stimmungsvoller Horrorfilm: Die Kulissen, die Farbgebung, die Kameraführung – visuell ist der Film herausragend und erinnert an eine Guillermo del Toro-Produktion.

FAZIT

Eine kleine Prise Extragrusel gibt es obendrauf: Angeblich basiert die Geschichte auf wahren Begebenheiten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Malasaña 32“
Spanien 2019
104 min
Regie Albert Pintó
Kinostart 17. Juni 2021

alle Bilder © STUDIOCANAL

AZNAVOUR BY CHARLES

AZNAVOUR BY CHARLES

Der absolute Albtraum für jeden Influencer: Jahrzehntelang Aufnahmen machen und dann sieht sie keiner. Bei heutigen Instagram-Stars wäre das nicht weiter tragisch, bilden sie doch entweder den schnöden Alltag ab, den man eh selbst erlebt, oder zeigen die immer gleichen Strand-, Body-, Party-, Food-Arrangements.

Ganz anders Charles Aznavour. Der armenisch-französische Schauspieler und Chansonnier hat wirklich was erlebt und war seiner Zeit weit voraus: Seit Ende der 1940er-Jahre führte er ein filmisches Tagebuch auf Schmalfilm und 16 mm. Der Legende nach bekam er seine erste Kamera von Édith Piaf geschenkt, deren Sekretär er damals war.

Aznavour entpuppt sich im Nachhinein nicht nur als fabelhafter Sänger und Schauspieler, sondern auch als talentierter Chronist. Beinahe hätte die Nachwelt von all dem nichts erfahren, denn bis kurz vor seinem Tod lagerten die Filmschätze in einer geheimen Kammer in Aznavours Haus. 2017 übergab er das bis dahin ungesichtete Material dem Filmemacher Marc di Domenico und gewährte ihm freie Hand.

Die über 40 Stunden gefilmtes Leben wurden geschnitten, mit Aznavours Musik und Auszügen aus seinen Memoiren unterlegt, gesprochen von Schauspieler Romain Duris. Das hat den Charme eines privaten Kinoabends, bei dem Opa von früher erzählt. Allerdings ein formidabler Opa mit einer aufregenden Vergangenheit.

Wie im wahren Leben hat der Blick zurück zwischendurch auch mal zähe Momente, vor allem wenn die Bilder zu artig aufs Wort geschnitten sind oder wenn sich der Begleittext in zu allgemeinen Lebensweisheiten ergeht.

Umso fesselnder sind die Bilder von unwiderruflich vergangenen Zeiten im Paris oder New York der 60er-Jahre und (natürlich) die sehr privaten Erinnerungen: Aznavour, ein Meister der Euphancolie (© Benedict Wells), analysiert seine Beziehungen zu den Frauen – den Weg vom ersten euphorischen Verliebtsein bis zum melancholischen Ende.

Aznavours Karriere war eine der beständigsten des 20. Jahrhunderts. Er stand in zahlreichen Filmen vor der Kamera, unter anderem für Truffaut und Schlöndorff. Bis heute verkaufte er fast 200 Millionen Platten und war Autor von über 1.000 Chansons. Sein letztes Konzert gab er 2018 in Japan, nur wenige Wochen vor seinem Tod.

FAZIT

„Aznavour by Charles“ – ein ungewöhnlich intimer Einblick in das Leben eines großen Entertainers.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Le regard de Charles“
Frankreich 2019
83 min
OmU
Regie Charles Aznavour und Marc di Domenico
Kinostart 17. Juni 2021

alle Bilder © Arsenal Filmverleih