DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN

DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN

Kinostart 21. April 2022

Choupette wäre entsetzt. Unvorstellbar für Lagerfelds elegante Weggefährtin, doch es gab eine Zeit in der Menschheitsgeschichte – lange nach dem alten Ägypten, nicht so lange vor den süßesten YouTube-Katzenvideos – da waren Miezen Nutztiere, in Haus und Hof bestenfalls zur Mäuse- und Rattenjagd geduldet.

Heutzutage können Katzen selbstverständlich Whiskas kaufen, und dass es so weit kam, haben sie einem eigenwilligen Künstler aus Großbritannien zu verdanken: Louis Wain fabrizierte unzählige Gemälde, in denen er die schnurrenden Samtpfoten in menschlicher Pose darstellte. Seinerzeit ein echter Verkaufshit. Die faszinierenden Bilder tragen Ende des 19. Jahrhunderts dazu bei, die Wahrnehmung von Katzen in der Öffentlichkeit zu verändern. Doch typisch Künstler: Louis ist als Maler begnadet, aber ein lausiger Geschäftsmann. Er vergisst, sich das Copyright seiner Bilder zu sichern – so werden viele Menschen reich mit seiner Kunst, nur er selbst nicht. Und das trifft die Familie hart. Denn im viktorianischen England kann nur der Mann im Haus das Geld verdienen – Louis hat aber noch eine Mutter und fünf Schwestern – und die wollen versorgt werden.

„The Electrical Life of Louis Wain“ erzählt die wahre Geschichte eines neurotischen und äußerst talentierten Künstlers, wunderbar exzentrisch von Benedict Cumberbatch gespielt. Auch visuell ist die elektrisierende Lebensgeschichte ungewöhnlich umgesetzt: immer wieder verwandeln sich die Sets in wie gemalt aussehende Kunstwerke, die an die Arbeiten Wains erinnern.

Die ersten 30 Minuten sind schrullig nette Unterhaltung, aber bald wandelt sich die Geschichte von niedlich zu ziemlich düster. Einziger Lichtblick ist die Liebe Wains zu Emily (Claire Foy), der Gouvernante seiner Schwestern. Doch das Glück ist von kurzer Dauer. Kein Happy End: Wain verliert zusehends den Verstand – die Bildsprache wird dem verfallenden Geist entsprechend immer psychedelischer – das Leben des Künstlers endet in einer Anstalt.

„Die wundersame Welt des Louis Wain“ ist ein Film über einen außergewöhnlichen Mann, von dem die meisten wahrscheinlich noch nie gehört haben, der aber nachhaltig Eindruck hinterlassen hat. Der Schriftsteller H.G. Wells sagte 1927 in einer Radiosendung: „Katzen, die nicht so aussehen wie Katzen von Louis Wain, sollten sich was schämen.“ Miau.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Electrical Life of Louis Wain“
GB 2021
111 min
Regie Will Sharpe

alle Bilder © STUDIOCANAL

DER SPION

DER SPION

Chruschtschow ist auf Krawall gebürstet: Der sowjetische Präsident plant, Atomwaffen auf Kuba zu stationieren, um so dem Erzfeind USA auf die Pelle zu rücken. Vor dem Hintergrund der Krise von 1962 erzählt „Der Spion“ die wahre Geschichte des britischen Geschäftsmannes Greville Wynne (Benedict Cumberbatch), der sich auf Geheiß des britischen MI-6 und einer CIA-Agentin (Rachel Brosnahan) auf eine gefährliche Mission in Moskau einlässt. Dort soll ihm der sowjetische Offizier Oleg Penkovsky (Merab Ninidze) brisante Informationen liefern, die eine nukleare Konfrontation verhindern könnten.

Die Codes erklären sich von selbst: Der Osten ist grau, der Westen bunt. Im Osten sind die Menschen mürrisch, im Westen warmherzig. Die gelernten Klischees machen „Der Spion“ zu just another spy movie, immerhin zu einem gut aussehenden. Mit seinen ästhetischen 60er-Jahre Settings und der stimmigen Ausstattung (inklusive dauerrauchenden Protagonisten) erscheint Dominic Cookes Film wie eine Coffee Table Book-Version aller bekannten Kalte-Kriegs-Spionagefilme. Leider ist bei all der Ästhetik die Spannung auf der Strecke geblieben.

Obwohl die Besetzung top ist, bleiben die Figuren eindimensional. Greville Wayne ist angeblich ein harter Trinker, der auch einem Seitensprung nicht abgeneigt ist, doch Cumberbatch spielt den behauptet wilden Playboy-Spion als einen äußerst normalen Familienvater ohne besondere Eigenschaften. Rachel Brosnahan (als CIA-Agentin) ist zwar immer gerne gesehen, schafft es aber nicht, ihre Marvelous Mrs. Maisel abzulegen. Es ist fast irritierend, dass sie während des gesamten Films keinen einzigen zotigen One-Liner raushaut.

Zu oft verliert sich der Agententhriller in Montagesequenzen, die Oleg Penkovsky beim Abfotografieren von geheimen Dokumenten, der Übergabe der Mikrofilme an seinen britischen Mittelsmann und die anschließend besorgte Auswertung der Bilder im Westen zeigen. Das ist nur leidlich spannend, das hat man schon zu oft gesehen. Richtig interessant wird es erst im letzten Drittel, bis dahin bleibt der Film eine blasse Version von Spielbergs „Bridge of Spies“.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Courier“
GB 2020
110 min
Regie Dominic Cooke
Kinostart 01. Juli 2021

alle Bilder © TELEPOOL