Berlinale 2025 - Tag 8

BERLINALE 2025 – TAG 8

Berlinale 2025 - Tag 8

BERLINALE 2025 – TAG 8

Steht der Potsdamer Platz für den Zustand der Berlinale? Die ewige Baustelle des Sony Centers wird irgendwann (ohne Kinos) wiedereröffnet. The Playce ist ein Ort des Grauens. Der Walk of Stars: verschmutzt und kaputt. Die Deutsche Kinemathek: Geschichte. Das Arsenal: bald auch. Dafür dient das Blue-Man-Group-Theater als neue Spielstätte. Achtung, Todesgefahr! Dass hier in den letzten Jahren niemand beim Ersteigen der fast senkrecht angebrachten Sitzreihen verunglückt ist, grenzt an ein Wunder. Es braucht eine neue Idee, einen neuen Ort. Vielleicht sogar einen kompletten Neustart: Die Berlinale im Sommer? Eine Zeit, in der sich die Stadt ohnehin von ihrer besten Seite zeigt. Man könnte sogar Abends nach dem letzten Film noch draußen sitzen und sich das Programm schön trinken...

Wettbewerb

LA CACHE

LA CACHE

The Safe House

Mai 1968 in Paris: Während das Land im Chaos versinkt, genießt ein kleiner Junge mit einer Schwäche für Erdbeertörtchen das bunte Treiben bei seinen exzentrischen Verwandten. Zwischen einem Künstler-Onkel, einer glamourösen Urgroßmutter und seinen liebevollen Großeltern wird nicht nur Tee serviert, sondern auch fleißig über die Vergangenheit sinniert. Die Eltern? Die demonstrieren irgendwo fürs große Ganze. LA CACHE ist die beeindruckende Adaption des gleichnamigen Romans von Christophe Boltanski.

Die Franzosen müssen es mal wieder richten. So sollen Wettbewerbsfilme aussehen: eine spannende Geschichte, ideenreich inszeniert, politisch, warmherzig, klug und grandios besetzt. Allen voran die Großeltern, gespielt von Dominique Reymond und Michel Blanc, der hier in seiner letzten Rolle zu sehen ist. LA CACHE ist ein Lichtblick im ansonsten trüben Wettbewerb.

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Schweiz / Luxemburg / Frankreich 2025
90 min
Regie Lionel Baier
Bild © Véronique Kolber

Wettbewerb

Geu jayeoni nege mworago hani

GEU JAYEONI NEGE MWORAGO HANI

What Does that Nature Say to You

Da isser wieder. Es ist ja schon alles gesagt zu Hong Sangsoo. Hier nochmal nachzulesen: „The Woman Who Ran“ (2020), „Introduction“ (2021), „Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall“ und „A Traveller’s Need“ (2024). Der Wettbewerbsfilm 2025 steht seinen Vorgängern in nichts nach.

Donghwa besucht mit seiner Freundin Junhee deren Elternhaus und staunt über das beeindruckende Anwesen. Während eines Tages voller Gespräche und Begegnungen geraten verschiedene Beziehungen der Anwesenden ins Wanken — von familiären bis romantischen Verbindungen. Beim Abendessen verliert Donghwa betrunken seine Fassung, was Junhees Eltern schockiert, aber ihre Schwester amüsiert.

Eine letzte Frage noch: Warum sehen Sangsoos Filme 2025 immer noch aus, als hätte man sie mit einer alten Ikegami aus den 90er-Jahren gedreht? Die einleuchtende Erklärung des Regisseurs: Der unscharfe Look ist gewollt, denn so sieht Donghwa die Welt, wenn er seine Brille abnimmt. Jesus.

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Südkorea 2025
108 min
Regie Hong Sangsoo
Bild © Raluca Munteanu

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Berlinale 2025 - Tag 7

BERLINALE 2025 – TAG 7

Berlinale 2025 - Tag 7

BERLINALE 2025 – TAG 7

Ein flüchtiger Blick ins Innenleben: müde.

Wettbewerb

KONTINENTAL 25

KONTINENTAL '25

KONTINENTAL 25 spielt in Transsilvanien, einem Land, von dem man nie so genau weiß, ob es wirklich existiert. Aber Vampire soll es da geben. Dracula hat allerdings wenig mit der folgenden Geschichte zu tun: Weil ein Obdachloser seinen Schlafplatz verliert, begeht er Selbstmord. Die Gerichtsvollzieherin Orsolya fühlt sich schuldig, kämpft mit ihrem schlechten Gewissen. Halb Drama, halb Komödie seziert KONTINENTAL ’25 Themen wie Wohnungsnot, Nationalismus und das schlechte Gewissen der Wohlhabenden.

Der Gewinnerfilm der Berlinale 2021, „Bad Luck Banging or Loony Porn“, war eine echte Überraschung – böse, witzig und dann auch noch aus Rumänien. Ein Land, das man nicht unbedingt für seine blühende Filmszene auf dem Schirm hat. Nun läuft das neue Werk von Radu Jude im Wettbewerb: KONTINENTAL 25 sieht aus, als wäre er mit einem iPhone gedreht worden, bei dem der Autofokus kaputt ist. Es wird ununterbrochen gequasselt, meist erzählt Hauptfigur Orsolya die immergleiche Geschichte. Dazwischen philosophiert einer ihrer ehemaligen Schüler über den Buddhismus. Der Film hat (wenige) starke Momente, und das intellektuelle Publikum wird ihn lieben. Gewinnt garantiert einen Preis – hoffentlich nicht für die beste Kamera. Hab‘s gehasst.

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Rumänien 2025
109 min
Regie Radu Jude
Bild © Jeonwonsa Film Co.

Wettbewerb

YUNAN

YUNAN

Munir (Georges Khabbaz) leidet unter Atemnot und Panikattacken. Der Arzt rät zu einer Auszeit. Bei einem Kurzurlaub auf den Halligen soll er zu Kräften kommen. In der Pension von Valeska (Hanna Schygulla) und ihrem sperrigen Sohn Kurt findet er eine Bleibe. Doch bald fegt ein Sturm übers Land. Währenddessen erinnert sich Munir an das Märchen vom Schafhirten und seiner Frau.

Halbwegs interessant wird es erst gegen Ende. Das Highlight des bis dahin stinklangweiligen Films: das laut vernehmbare Gähnen eines Zuschauers in der hinteren Reihe. Ansonsten Ratlosigkeit über einen Mann, der zwischen Kühen und Schafen vor sich hinstarrt. Bleibt die Erkenntnis: Hanna Schygulla ist zwar „’ne echte Type“ und ein Juwel des deutschen Films, aber leider keine besonders gute Schauspielerin.

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Deutschland / Kanada / Italien / Palästina / Katar / Jordanien / Saudi-Arabien 2025
124 min
Regie Ameer Fakher Eldin
Bild © Red Balloon Film, Productions Microclimat, Intramovies

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Wettbewerb

YUNAN

YUNAN

Munir reist auf eine entlegene Insel, um eine extreme Entscheidung zu durchdenken. Dabei kehren seine Gedanken immer wieder zu einer rätselhaften Parabel zurück, die ihm seine Mutter mit auf den Weg gegeben hat. In der Stille seines einsamen Insel-Rückzugs begegnet er der geheimnisvollen Valeska (Hanna Schygulla) und ihrem vorlauten, aber ihr eng verbundenen Sohn Karl. Obwohl sie nur wenige Worte miteinander wechseln, gelingt es mit kleinen Akten der Freundlichkeit, das gegenseitige Misstrauen zu überwinden. Munirs schwere Last wird allmählich leichter und sein Lebenswille erwacht wieder.

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Deutschland / Kanada / Italien / Palästina / Katar / Jordanien / Saudi-Arabien 2025
124 min
Regie Ameer Fakher Eldin
Bild © Red Balloon Film, Productions Microclimat, Intramovies

Wettbewerb

YUNAN

YUNAN

Munir reist auf eine entlegene Insel, um eine extreme Entscheidung zu durchdenken. Dabei kehren seine Gedanken immer wieder zu einer rätselhaften Parabel zurück, die ihm seine Mutter mit auf den Weg gegeben hat. In der Stille seines einsamen Insel-Rückzugs begegnet er der geheimnisvollen Valeska (Hanna Schygulla) und ihrem vorlauten, aber ihr eng verbundenen Sohn Karl. Obwohl sie nur wenige Worte miteinander wechseln, gelingt es mit kleinen Akten der Freundlichkeit, das gegenseitige Misstrauen zu überwinden. Munirs schwere Last wird allmählich leichter und sein Lebenswille erwacht wieder.

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Deutschland / Kanada / Italien / Palästina / Katar / Jordanien / Saudi-Arabien 2025
124 min
Regie Ameer Fakher Eldin
Bild © Red Balloon Film, Productions Microclimat, Intramovies

Wettbewerb

YUNAN

YUNAN

Munir reist auf eine entlegene Insel, um eine extreme Entscheidung zu durchdenken. Dabei kehren seine Gedanken immer wieder zu einer rätselhaften Parabel zurück, die ihm seine Mutter mit auf den Weg gegeben hat. In der Stille seines einsamen Insel-Rückzugs begegnet er der geheimnisvollen Valeska (Hanna Schygulla) und ihrem vorlauten, aber ihr eng verbundenen Sohn Karl. Obwohl sie nur wenige Worte miteinander wechseln, gelingt es mit kleinen Akten der Freundlichkeit, das gegenseitige Misstrauen zu überwinden. Munirs schwere Last wird allmählich leichter und sein Lebenswille erwacht wieder.

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Deutschland / Kanada / Italien / Palästina / Katar / Jordanien / Saudi-Arabien 2025
124 min
Regie Ameer Fakher Eldin
Bild © Red Balloon Film, Productions Microclimat, Intramovies

Berlinale 2025 - Tag 6

BERLINALE 2025 – TAG 6

Berlinale 2025 - Tag 6

BERLINALE 2025 – TAG 6

Unmenschlich! Sind deine Augen nicht bald viereckig? Wer sich schon immer gefragt hat, wie man in nur neun Tagen so viele Filme schauen kann: Bitte beruhigen Sie sich - es gibt eine Pre-Berlinale. Die läuft von Ende Januar bis kurz vor Festivalbeginn, und fast alle Filme aus den Sektionen werden gezeigt, mit Ausnahme des Wettbewerbs und Highlights wie „Mickey 17“. Warum es dabei jedoch zu ständigen Überschneidungen und parallel stattfindenden Vorführungen kommt, bleibt rätselhaft. Es gäbe genug freie Tage dazwischen, und im Digitalzeitalter müssen ja auch keine Filmrollen mehr quer durch die Stadt transportiert werden. So bleibt es trotz allem dabei: Alles kann man einfach nicht sehen!

Wettbewerb

MOTHER'S BABY

MOTHER’S BABY

Dirigentin Julia wird durch eine experimentelle Behandlung schwanger. Doch bei der Geburt läuft etwas schief, die Nabelschnur hat sich um den Hals gewickelt und Arzt und Hebammen verschwinden mit dem Neugeborenen. Als den Eltern am nächsten Tag ein kerngesundes Baby präsentiert wird, ist Julia skeptisch. Auch Wochen später entwickelt sie keine mütterlichen Gefühle für das seltsam stille Kind.

Wenn der Axolotl milde lächelt. MOTHER’S BABY ist ein solide gemachter Psychothriller, bei dem der Weg das Ziel ist. Denn – und das Spoiler-Eis ist sehr dünn – wenn ein Film am Ende genau die Auflösung hat, die man spätestens nach einer halben Stunde erahnt, bleibt nur, den guten Schauspielern bei der Arbeit zuzusehen und die gekonnt inszenierte unterschwellige Bedrohung zu genießen. Zur Abwechslung immerhin ein richtiger Kinofilm.

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Österreich / Schweiz / Deutschland 2025
107 min
Regie Marie Leuenberger
Bild © FreibeuterFilm

Wettbewerb

BLUE MOON

BLUE MOON

Vor dem weltberühmten Songwriter-Team „Rodgers and Hammerstein“ gab es „Rodgers and Hart“. Doch die beiden zerstritten sich – Hart war Alkoholiker und entsprechend unzuverlässig. Am 31. März 1943, dem Abend der umjubelten Premiere von „Oklahoma!“, treffen die ehemals besten Freunde in Sardi’s Bar aufeinander. BLUE MOON zeigt in Echtzeit jenen Abend voller Drama, Drinks und unerwünschter Einsichten.

Richard Linklater + Ethan Hawke + Berlinale = Gewinner. Schon zweimal wurde der Regisseur hier mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet: für „Before Sunrise“ und „Boyhood“, in beiden spielt Hawke mit. Kann er mit BLUE MOON an seine großen Erfolge anknüpfen? Es ist jedenfalls kein schlechtes Zeichen, wenn das Publikum beim Verlassen des Kinosaals summt und vor sich hin pfeift.

Der Wettbewerb hat mit BLUE MOON seinen wahrscheinlich einzigen echten Crowdpleaser. Ethan Hawke, durch optische Tricks verkleinert – der echte Lorenz Hart war nur 1,50 m groß –, ist natürlich die Hauptattraktion. Er spielt den Textdichter oscarreif, flankiert von einer Reihe großartiger Schauspieler: Bobby Cannavale, „Tom Ripley“-Star Andrew Scott und Margaret Qualley, die man als verjüngte Version von Demi Moore in „The Substance“ kennt.

Neben „Blue Moon“ haben Rodgers und Hart auch „My Funny Valentine“, „The Lady is a Tramp“ und zahllose andere Klassiker geschrieben. Der melancholische Abgesang auf eine heute vergessene Karriere ist voller pointierter Dialoge und souverän inszeniert. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann höchstens, dass BLUE MOON manchmal knapp an der Geschwätzigkeit kratzt. Eine Erfüllung wie „Boyhood“ ist es nicht, aber 100 Minuten intelligente Unterhaltung allemal.

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USA / Irland 2025
100 min
Regie Richard Linklater
Bild © Sabrina Lantos / Sony Pictures Classics

Wettbewerb

EL MENSAJE

EL MENSAJE

The Message

Nach WAS MARIELLE WEISS – „Kinder mit speziellen Begabungen, Teil 2“: Die kleine Anika kann mit Tieren sprechen. Prompt wird sie von ihren Pflegeeltern zum lukrativen „Medium“ gemacht. Auf der Suche nach Kunden fahren die drei durchs Hinterland Argentiniens.

Tiere und Kinder gehen immer: einsame Igel und zufriedene Hunde im Jenseits, dazu ein kleines Mädchen, dem nach und nach die Milchzähne ausfallen – ein Vorgang, der in aller Ausführlichkeit gezeigt wird. Das handlungsarme Roadmovie ist immerhin ganz hübsch in Schwarz-Weiß gedreht, und in 90 Minuten gibt es zwei lustige Momente – zwei mehr als in so manch anderem Wettbewerbsbeitrag. EL MENSAJE ist noch so ein Film, der in gefühlter Echtzeit abläuft. Das Bett machen, den Mais aufsammeln, ein Sandwich essen – bitte, das ist so interessant, wie es klingt. Würde man das Ganze auf die eigentliche Geschichte komprimieren, käme ein Kurzfilm von höchstens zehn Minuten dabei heraus. Das Leben als langer, staubiger Fluss. Kein Wunder also, dass man zwischendurch immer wieder denkt: Nun macht mal hinne!

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Argentinien / Spanien / Uruguay 2025
91 min
Regie Iván Fund
Bild © Iván Fund, Laura Mara Tablón, Gustavo Schiaffino / Rita Cine, Insomnia Films

Panorama

DELICIOUS

DELICIOUS

Netflix im Panorama: der Thriller DELICIOUS ist das Regiedebüt der Schauspielerin Nele Mueller-Stöfen.

Eine deutsche Familie auf Luxusurlaub in Südfrankreich. Abends ein Glas Wein zu viel, kurz nicht aufgepasst, rumms –  Teodora angefahren. Statt ins Krankenhaus, nimmt die Familie die junge Frau mit nach Hause. Ein fataler Fehler.

Es fängt gut an: 80 Minuten lang fesselt die Geschichte, macht neugierig, bleibt geheimnisvoll. Zudem toll gedreht, stimmungsvoll und richtig gut gespielt. Sogar Fahri Yardim als Vater nervt fast gar nicht. Wenn da nur nicht die letzten 20 Minuten wären. Netflix verteilt zur Pressevorführung ein Infoblatt mit einer Liste von Spoilern, unter anderem das Ende betreffend. Verständlich, denn über das Ende sollte man wirklich besser den Mantel des Schweigens legen. Selten wurde ein Film durch die grotesk alberne Auflösung so gegen die Wand gefahren, wie dieser. Schade drum.

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Deutschland 2025
100 min
Regie Nele Mueller-Stöfen
Bild © Netflix

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Berlinale 2025 Tag 5

BERLINALE 2025 – TAG 5

Berlinale 2025 Tag 5

BERLINALE 2025 – TAG 5

Streng kuratiert ist vielleicht nicht die gesamte Berlinale (obwohl die Themen „Lesbische Liebe“ und "Wasser" - in allen Aggregatzuständen - omnipräsent zu sein scheinen), aber zumindest die Sektion Panorama. Dort geht es gefühlt in jedem zweiten Film ums Pinkeln. Ist ja irgendwie auch Wasser und ein Thema, das uns alle angeht.

Wettbewerb

WAS MARIELLE WEISS

WAS MARIELLE WEISS

Ein Albtraum: Nach einer Ohrfeige entwickelt Marielle plötzlich telepathische Fähigkeiten. Ohne dabei zu sein, weiß sie alles, was ihre Eltern tagsüber so treiben – vom heftigen Flirt der Mutter mit einem Kollegen bis zum Versagen des Vaters vor seinen Mitarbeitern. Wie soll man mit der neuen Begabung des Kindes umgehen? Lügen oder alle Wahrheiten auf den Tisch legen?

Potztausend! Ein gescheiter Film im Wettbewerb. WAS MARIELLE WEISS ist witzig, klug und gut gespielt. Natürlich geht nicht alles – großes Kino darf man bei einer Co-Produktion des ZDF-Kleinen Fernsehspiels nicht erwarten. Entsprechend TV-gerechet sind die Bilder. Aber eine clevere Idee und eine straffe Inszenierung sind ja auch schon was.

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Deutschland 2025
86 min
Regie Frédéric Hambalek
Bild © Alexander Griesser

Wettbewerb

XIANG FEI DE NV HAI

Girls on Wire

Darum geht’s (wahrscheinlich): Die Cousinen Tian Tian und Fang Di sind unzertrennlich. Doch dann zieht Fang Di in die Stadt und wird Stuntfrau, um die Schulden ihrer Familie zu bezahlen. Tian Tian bleibt zurück und muss mit der Drogensucht ihres Vaters zurechtkommen. Als sie vor der Mafia fliehen muss, sucht sie Schutz bei Fang Di.

Es ist kein schönes Gefühl, während eines Films festzustellen, dass man wahrscheinlich zu dumm ist, der Handlung zu folgen. Oder liegt es an den kleinen Schlafpausen zwischendurch? Unklar, ob dieser chinesische Wettbewerbsbeitrag ernst gemeint ist oder als Persiflage.

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Volksrepublik China 2025
115 min
Regie Vivian Qu
Bild © L’Avventura Films

Berlinale Special Gala

Heldin

HELDIN

Kann sich noch jemand an den hehren Applaus für die Pflegekräfte während der Corona-Pandemie erinnern? Viel ist seitdem nicht passiert. Der Job ist immer noch hart (die meisten werfen spätestens nach vier Jahren hin), und die Bezahlung ist unterirdisch. Wer tut sich das schon freiwillig an?

HELDIN sollte Pflicht für Entscheidungsträger und Politiker sein, denn der beinahe dokumentarische Film zeigt eindrucksvoll, wie es in unseren Krankenhäusern zugeht. Der Berlinale-Special-Gala-Beitrag ist ein Highlight der diesjährigen Filmfestspiele. Petra Volpes Film begleitet Florias Schichtdienst in einem Schweizer Spital. Judith Kaufmanns – wie immer großartige – Kamera folgt der jungen Pflegerin durch einen ganz normalen Tag: Dauerstress zwischen klingelndem Telefon, ungeduldigen Angehörigen und schwer kranken Patienten. Floria bleibt zugewandt – trotz Überlastung und mieser Bezahlung.

HELDIN ist packend, zum Lachen, zum Weinen und wirkt lange nach. Herausragend: Leonie Benesch, die schon vor zwei Jahren in „Das Lehrerzimmer“ begeistern konnte. Warum läuft so etwas nicht im Wettbewerb?

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Schweiz / Deutschland 2025
92 min
Regie Petra Volpe
Bild © Zodiac Pictures

Panorama

BEGYNDELSER

BEGYNDELSER

Beginnings

Das Timing könnte kaum schlechter sein: Trine und Lars haben sich auseinandergelebt. Er hat eine neue Freundin, will bald ausziehen – nur die gemeinsamen Töchter wissen noch nichts. Doch dann erleidet Trine aus heiterem Himmel einen Schlaganfall – mit fatalen Folgen: Die selbstbewusste Lehrerin ist halbseitig gelähmt und auf Hilfe angewiesen. Wie soll es weitergehen? Wird Lars die Familie im Stich lassen?

Drehbuch-Workshop, erster Teil: Ist ihre Geschichte zu alltäglich? Finden Sie ein Bild mit starker Symbolkraft als roten Faden. Regisseurin Jeanette Nordahl hat sich für Wasser entschieden. Ob im Reha-Schwimmbecken, im Aquarium oder als laufender Wasserhahn – immer wieder und vielleicht zu oft: überall Wasser. Mehrfach geht es auch ums Pinkeln – mal unfreiwillig, mal als Statement. Passend, denn nicht umsonst heißt es „Wasser lassen“. Das Ganze steht dann wohl für „alles ist in Bewegung“. BEGYNDELSER: Als Film okay – vor allem wegen der großartigen Trine Dyrholm lohnenswert.

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Dänemark / Schweden / Belgien 2025
96 min
Regie Jeanette Nordahl
Bild © Thomas Howalt Andersen, Danni Riddertoft

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Berlinale 2025 - Tag 4

BERLINALE 2025 – TAG 4

Berlinale 2025 - Tag 4

BERLINALE 2025 – TAG 4

Das ist jetzt nicht despektierlich gemeint, aber bei wem sollen diese Inhaltsangaben Vorfreude auf einen Film wecken? „In Žilniks hinterlistig charmanter Doku-Fiktion gibt die postsozialistische Restitution dem serbischen Jazzmusiker Stevan sein Elternhaus zurück.“ oder „Daye, ein 14-jähriger nubischer Albino mit goldener Stimme, ist es gewohnt, sich behaupten zu müssen.“ oder aber auch „Aufbruch einer jungen Indigenen vom Dorf in die Stadt. Cinema Novo, Hybrid-Fiktion, Roadtrip, Öko-Avantgardeblick.“

Wettbewerb

IF I HAD LEGS I'D KICK YOU

IF I HAD LEGS I’D KICK YOU

Linda ist verzweifelt: In ihrer Wohnung stürzt die Decke ein, ihre Tochter ist krank, und eine ihrer Patientinnen wird vermisst. Doch ist all das real – oder entspinnt es sich nur im Kopf einer psychisch Kranken? Eine Frau, weit über den Rand des Nervenzusammenbruchs hinaus.

Warum nicht mal was Fröhliches im Wettbewerb? Nein? Na gut, dann eben IF I HAD LEGS I’D KICK YOU. Klar, hilft es, dass die immer fabelhafte Rose Byrne die Hauptrolle spielt. Die Kamera klebt förmlich an ihrem Gesicht, schauspielerisch ist das erwartungsgemäß top. Überhaupt die Besetzung: Christian Slater – und sehr schön als dauergenervter Psychotherapeut US-Talkshow-Host Conan O’Brien. IF… hat sogar komische Momente, bleibt aber ein Höllentrip, der seinem Publikum viel zumutet. Linda verliert die Kontrolle – über ihr Leben, über alles. Und ihr Gemütszustand überträgt sich unweigerlich auf die Zuschauer. Nach gut zwei Stunden fühlt man sich, als hätte man eine Wurzelbehandlung hinter sich.

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USA 2024
113 min
Regie Mary Bronstein
Bild © Logan White / A24

Wettbewerb

La Tour de Glace

LA TOUR DE GLACE

The Ice Tower

Das Revival der 70er-Jahre Märchenfilme im neuen Gewand geht weiter. Nach „The Ugly Stepsister“ nun LA TOUR DE GLACE im Wettbewerb. Die 16-jährige Jeanne flieht aus einem Heim in den Bergen. Im Tal landet sie ausgerechnet in einem Filmstudio, das sie nachts ungestört durchstreift. Am Tag entsteht dort ein Film über die Schneekönigin mit der rätselhaften Cristina in der Hauptrolle, einer Schauspielerin von außergewöhnlicher Anziehungskraft und tragischer Aura. Zwischen Jeanne und Cristina entwickelt sich eine unerwartete Verbindung.

Frauen, die sich anstarren und dazu gestelzte Dialoge flüstern – das kann nicht einmal Marion Cotillard retten. Trotz schöner Bilder und großartiger Schauspielerinnen: Wenn die Emotionen zu Eis erstarren und zwei Stunden lang nichts passiert, ist das schlichtweg sterbenslangweilig.

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Frankreich / Deutschland 2025
118 min
Regie Lucile Hadžihalilović
Bild © 3B-Davis-Sutor Kolonko-Arte

Wettbewerb

REFLET DANS UN DIAMANT MORT

REFLET DANS UN DIAMANT MORT

Reflection in a Dead Diamond

Anzug, Hut, Sonne, Meer: Der 70-jährige John führt ein ruhiges Leben in einem Grandhotel an der Côte d’Azur – bis ihn die geheimnisvolle Frau im Nebenzimmer aus seinem gemütlichen Rentnerdasein reißt. Sie erinnert ihn an die wilden 60er, als er als Spion zwischen Femme fatales und finsteren Schurken die Welt unsicher machte. Zunehmend verschwimmen bei John die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

In den 60er- und 70er-Jahren entstanden zahllose billig produzierte Filme, die von der erfolgreichen James Bond-Reihe profitieren wollten. Diese trashigen Agentenstreifen stammten meist aus Italien oder Frankreich. REFLET DANS UN DIAMANT MORT ist eine Hommage an dieses Genre – schade nur, dass es kaum eine nachvollziehbare Handlung gibt. Die knalligen Technicolor-Farben, die amüsanten Gadgets – Q hätte seine Freude daran – und die Anspielungen auf Maurice Binders legendäre Bond-Titelsequenzen sorgen eine halbe Stunde lang für unterhaltsame Nostalgie. Doch die künstlerisch gemeinte Collage aus Filmzitaten wird auf Dauer anstrengend und hätte wohl besser als Kurzfilm funktioniert. Nicht unbedingt Wettbewerbs-Material. Oder wie es eine junge Frau in der Reihe hinter mir heute morgen ausdrückte: „Ich hab den Film so gar nicht gefühlt.“

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Belgien / Luxemburg / Italien / Frankreich 2025
87 min
Regie Hélène Cattet, Bruno Forzani
Bild © Cattet-Forzani

Berlinale Special Gala

Islands

ISLANDS

Jan-Ole Gerster, den man vor allem als Regisseur von „Oh Boy“ kennt, hat mit ISLANDS seinen ersten englischsprachigen Film gedreht – und zwar einen ziemlich guten.

Tom (sehr überzeugend: Sam Riley) arbeitet als Tennistrainer in einem leicht heruntergekommenen Hotel auf Fuerteventura. Sein Alltag besteht aus Unterricht, Alkohol und kurzen Affären. Die Ankunft einer wohlhabenden Familie bringt unerwartete Abwechslung. Besonders die Frau, Anne, fasziniert ihn, und Tom ist sich sicher, ihr schon einmal begegnet zu sein. Als deren Ehemann nach einem Streit verschwindet, verhält sich Anne ausgesprochen seltsam.

Der Berlinale Special-Beitrag ist ein Slowburner, der mehr auf bedrohliche Stimmung als auf Action setzt. Musik, Tempo, Inszenierung erinnern an ein Werk von François Ozon. Ein Kompliment! Am Ende verbirgt sich in Gersters Psychothriller eine unerwartet positive Botschaft: Hoffnung besteht immer.

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Deutschland 2025
123 min
Regie Jan-Ole Gerster
Bild © Juan Sarmiento G. / 2025 augenschein Filmproduktion, LEONINE Studios

Berlinale Special Gala

KÖLN 75

KÖLN 75

Es ist das meistverkaufte Soloalbum eines Jazzmusikers: The Köln Concert von Keith Jarrett. Nun ein Film zum legendären Konzert? Großes NEIN! Stattdessen dreht sich alles um die turbulente Vorgeschichte und die schier endlosen Herausforderungen, die die 18-jährige Veranstalterin Vera Brandes (Mala Emde) bewältigen muss. KÖLN 75 schwankt zwischen zwei unterschiedlichen Tonlagen: Konventionell gemachte Unterhaltungsware und cleveres Lehrstück über einen Ausnahmemusiker. Trotz der stilistischen Unentschlossenheit: sehenswert. Die ausführliche Kritik gibt’s rechtzeitig zum Kinostart am 13. März.

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Deutschland / Belgien / Polen 2024
116 min
Regie Ido Fluk
Bild © Wolfgang Ennenbach / One Two Films

Panorama Dokumente

ICH WILL ALLES. HILDEGARD KNEF

ICH WILL ALLES. HILDEGARD KNEF

Hildegard Knef – ein Weltstar aus Deutschland. Als Schauspielerin ist sie ebenso erfolgreich wie als Sängerin und Buchautorin. Bis zu ihrem Tod 2002 bleibt sie künstlerisch aktiv. Doch durchlitt sie im Laufe ihrer Karriere auch lange Durststrecken. Luzia Schmid verwendet überwiegend alte Interviewaufnahmen mit der Knef. Besonders hübsch, wie die allzu herablassenden (ausschließlich männlichen) Fragestellern Kontra gibt und mit Scharfsinn antwortet. Die konventionelle Machart und das Fehlen jeglicher visueller oder künstlerischer Ideen machen ICH WILL ALLES zu einem typischen Spätabend-Fernseh-Kulturstück. Ach Hildchen, Du hättest einen spannenderen Film über dein Leben verdient.

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Deutschland 2025
98 min
Regie Luzia Schmid
Bild © Privatarchiv Hildegard Knef

Generation 14plus

SANDBAG DAMS

ZEČJI NASIP

Sandbag Dam

Im Interview mit Landwirt Michael Stücke zum Thema „Schwule Schafe“ fragt der Tagesspiegel: „Laut Studien sind in etwa acht Prozent der männlichen Schafe schwul. Was geschieht üblicherweise mit den Tieren?“ Die furchtbare Antwort: „Im Normalfall ist es so, dass man sie aussortiert… man kann sie ja nicht gebrauchen. Sie werden geschlachtet.“

Ganz so schlimm kommt es für die beiden verliebten Jungmänner Markos und Slaven im Generation 14plus-Beitrag „Zečji nasip“ (Sandbag Dam) nicht, aber die Dorfgemeinschaft in the middle of nowhere verurteilt die schwule Beziehungen natürlich aufs Schärfste. Purer Hass schlägt den beiden ungefiltert entgegen, Prügel und Bruch mit der Familie inklusive. Gay-Love auf dem Land? Das erinnert schwer an „God’s own Country“ auf Kroatisch. Der gefühlt hundertste Beitrag zum Thema ist ein typischer ZDF-Film: Zäh-Deprimierend-Fad und voller Klischees.

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Originaltitel „Zečji nasip“
Kroatien / Litauen / Slowenien 2025
88 min
Regie Čejen Černić Čanak
Bild © Kinorama

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Berlinale 2025 - Tag 3

BERLINALE 2025 – TAG 3

Berlinale 2025 - Tag 3

BERLINALE 2025 – TAG 3

Da vergeht einem direkt die gute Laune: Die Berlinale nimmt sich ein Beispiel an der Deutschen Bahn, die Filme starten mit saftiger Verspätung. Besonders ärgerlich bei den ohnehin zu kurzen Pausen zwischendurch - denn an der Kaffeebar im Pressezentrum fand die Einstein-Kette es eine gute Idee, eine einzige Maschine für Hunderte Journalisten aufzustellen. Leider lässt sich die Verspätung nicht einplanen, zumal die Kinos in diesem Jahr brechend voll sind. Highlight bisher: MICKEY 17 startet unter Buhrufen 15 Minuten später - es muss noch dringend mitgeteilt werden, dass ein Embargo auf die Berichterstattung bis 19 Uhr besteht. Aber nicht über Mikrofon (auf die Idee kommt irgendwer erst nach einer Viertelstunde), sondern durch einzelne Mitarbeiterinnen, die durch die Reihen gehen und die Botschaft persönlich kundtun. Das dauert bei knapp 1.800 Plätzen natürlich.

Wettbewerb

Ari

ARI

Der 27-jährige Referendar Ari ist am Ende. Die Arbeit mit Kindern, der Job an sich, alles zuviel. Er erleidet eine Panikattacke. Sein Vater ist darüber so sauer, dass er ihn aus dem Haus schmeißt. Allein und emotional aufgewühlt sucht Ari den Kontakt zu früheren Freunden, während er über die letzten Monate nachdenkt.

Ein junger, sensibler Mann – sexuell fluid, natürlich – erforscht sich selbt und hinterfragt gesellschaftliche Erwartungen. Das plätschert so vor sich hin. Nach 88 Minuten ist der kleine Einblick in Aris Leben schon vorbei. Herzig.

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Frankreich / Belgien 2025
88 min
Regie Léonor Serraille
Bild © Geko Films – Blue Monday Productions – ARTE France – PICTANOVO – Wrong Men – 2025

Wettbewerb

Dreams

DREAMS

Das macht Donald Trump sehr wütend: Ein junger Mann flieht von Mexiko in die USA. Dort erwartet ihn allerdings keine bittere Armut, sondern eine leidenschaftliche Affäre mit seiner reichen Freundin in San Francisco. Während er auf eine Karriere als Balletttänzer hofft, will sie nur seinen „harten Schwanz in ihrer nassen Pussi“ (Originalzitat aus dem Film). Naja, und dann schämt sie sich halt doch für ihren gut 20 Jahre jüngeren Lover, und er will auf eigenen Tanzfüßen stehen. Und dann … ach, auch egal. Mit Starbesetzung (Jessica Chastain) und erlesener Werbeoptik tut DREAMS wichtig.

Michel Franco inszeniert seine Schmonzette mit bodenloser Ernsthaftigkeit – eine Edel-Soap, in der sogar eine Vergewaltigung irgendwie ästhetisch aussieht. Statt Empathie löst DREAMS nur herzliches Augenrollen aus. Immerhin: Ein Film mit Handlung und dramaturgischem Bogen.

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Mexiko 2025
100 min
Regie Michel Franco
Bild © Teorema

Berlinale Special Gala

Mickey 17

MICKEY 17

Der ganz große Wurf wie der oscargekrönte „Parasite“ ist es nicht geworden. Bong Joon-ho kehrt zu seinen Wurzeln zurück und hat mit MICKEY 17 eine Science-Fiction-Groteske gedreht, die an seinen Film „Snowpiercer“ erinnert. Natürlich ist auch MICKEY 17 eine bissige Satire und Abrechnung mit Kolonialismus und falschen Führern – diesmal jedoch mit Mut zum Klamauk und großer Freude am feisten Blockbusterkino. Eine Gesellschaftssatire im Vollgasmodus, sozusagen.

♻️ Recycling 2.0: Mickey Barnes ist ein sogennanter „Expendable“: ein Typ, der bei lebensgefährlichen Aufgaben im Weltraum stirbt und danach als Klon einfach neu ausgedruckt wird. Siebzehn Mal war das schon der Fall. Als das Kolonistenschiff Drakkar den eisigen Planeten Niflheim erreicht, stürzt Mickey 17 in eine Gletscherspalte und wird von einer Alien-Lebensform gerettet. Zurück an der Basis macht er eine schockierende Entdeckung – Mickey 18, sein neuer Klon, ist bereits aktiv.

Robert Pattinson spielt die vielen Mickeys grandios, überzeugt als luschiges Sensibelchen genauso wie als harter Macho. Ein echtes Highlight sind Toni Collette und Mark Ruffolo als machtgeiles Herrscherpaar mit starker Anlehung an einen gerade wiedergewählten Präsidenten. MICKEY 17 ist ein wilder Ritt mit ein paar Längen zwischendurch, aber sicher eines der Highlights der diesjährigen Berlinale.

INFOS ZUM FILM

USA / Südkorea 2024
137 min
Regie Bong Joon Ho
Bild © Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved

Panorama

Den stygge stesøsteren

The Ugly Stepsister

Das altbekannte Märchen, neu erzählt: Aschenputtel Reloaded. Diesmal mit Blick auf Beautywahn und Bodyhorror. Um mit ihrer wunderschönen Stiefschwester mithalten zu können, ist Elvira zu allem bereit. Schönheits-OPs im Mittelalter-Stil und zerhackte Füße (der Schuh MUSS passen!) inklusive. Highlight: Damit sie dem Prinzen gefällt, schluckt Elvira einen Babybandwurm, der in ihrem Bauch heranwächst und bald für eine schlanke Linie sorgt – dann doch lieber Ozempik. THE UGLY STEPSISTER sieht aus, als hätte Bodyhorrorexperte David Cronenberg einen tschechischen Märchenfilm der 70er-Jahre inszeniert. Schräg und spaßig.

INFOS ZUM FILM

Norwegen / Polen / Schweden / Dänemark 2025
110 min
Regie Emilie Blichfeldt
Bild © Marcel Zyskind

Panorama

HYSTERIA

Film im Film: Regisseur Yigit dreht einen Spielfilm über den Brandanschlag von Solingen, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Bei den Aufnahmen zur entscheidenden Szene verbrennt auch eine ganz besondere Requisite: ein Koran. Versehen oder Absicht? Die türkischen Statisten, aus einem Flüchtlingsheim rekrutiert, sind empört. Dann verschwindet auch noch das Filmmaterial – mitten in den immer hysterischer werdenden Verdächtigungen und Schuldzuweisungen: die 24-jährige Regieassistentin Elfi.

Für HYSTERIA muss man Geduld mitbringen. Es zieht sich und besonders spannend wird es lange nicht. Richtig interessant sind dann erst die letzten 20 Minuten. Gerade als man schon dachte, der Film sei vorbei – ein Schnitt ins Schwarz – wird die ganze Geschichte von den Hauptfiguren nochmals aufgedröselt, bis zum unerwarteten und symbolträchtigen Ende.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2025
104 min
Regie Mehmet Akif Büyükatalay
Bild © filmfaust

Panorama

Queerpanorama

QUEERPANORAMA

Asiaten, die lange Gespräche führen, dazwischen viel essen und das Ganze in schwarz-weiß gefilmt? Klingt wie das neueste Werk von Hong Sangsoo, dem südkoreanischen Regisseur, dem man bei der Berlinale nicht entfliehen kann. Der Mann ist Stammgast und natürlich auch in diesem Jahr mit dabei.

QUEERPANORAMA könnte zwar von Sangsoo sein, ist aber von Jun Li. Neben Reden und Essen gibt’s hier noch Sex. Ein junger schwuler Mann mit vielen Namen hat nicht nur eine gesunde Libido, sondern ist auch noch eine Art Mimikry-Vamipr. Von jedem Sexpartner übernimmt er einen Teil seiner Geschichte und gibt sie dann beim nächsten Date als seine eigene aus. Mal ist er Musiker, dann Lehrer, dann Wissenschaftler. Klingt interessanter als es ist. QUEERPANORAMA wurde wahrscheinlich wegen seines Titels für die Sektion Panorama ausgewählt. Fast so zäh wie ein echter Sangsoo, dafür besser gedreht.

INFOS ZUM FILM

USA / Hongkong / China 2025
87 min
Regie Jun Li
Bild © Good Sin Production

Perspectives

El Diaboo Fuma

EL DIABLO FUMA

The Devil Smokes

Nochmal Mexiko, nur diesmal ohne Handlung: Fünf Geschwister im Alter von 7 bis 13 Jahren leben mit ihrer Großmutter in einem Haus. Die Eltern sind verschwunden – zuerst die Mutter, dann der Vater. Dutzende Fliegenfallen hängen von der Decke, sie sollen vor dem Teufel schützen, die Fenster sind zugeklebt. Die Kinder streiten, lachen, malen, schauen Fernsehen. Jeden Abend laufen dort Infospots der mexikanischen Regierung zum Thema Cholera. Irgendwann schaut das Jugendamt vorbei.

Aha. Fragen wir den Pressetext um Rat: „Die Grenze zwischen Realität und Imagination löst sich auf. Bald werden die Kinder fort sein – vielleicht auch nicht.“ So spannend wie der Wäsche beim Trocknen zuzusehen. Immerhin: Die Kinderdarsteller spielen sehr gut.

INFOS ZUM FILM

MexiKo 2025
97 min
Regie Ernesto Martínez Bucio
Bild © Odei Zabaleta

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Berlinale 2025 - Tag 2

BERLINALE 2025 – TAG 2

Berlinale 2025 - Tag 2

BERLINALE 2025 – TAG 2

Auch eine besondere Form von Logik: Tom Tykwers Eröffnungsfilm lief gestern außer Konkurrenz, da es gegenüber den anderen Wettbewerbsfilmen „unfair wäre, wenn sie gegen einen Film mit so großer Aufmerksamkeit antreten müssten“, so Tricia Tuttle. Really? Ist Konkurrenz nicht der Sinn eines Wettbewerbs? Dürfen folglich nur noch Independent-Movies ins Rennen gehen? Na gut, "Das Licht" ist kein herausragender Film, aber es wäre ja trotzdem eine willkommene Abwechslung, wenn in diesem Jahr mal kein Dokumentarfilm über behinderte Menschen oder anstrengendes Stück über Beutekunst den Goldenen Bären gewinnen würde. Aber so wird das nichts. Berlinale, gib dem Mainstreamkino eine Chance!

Wettbewerb

Hot Milk

HOT MILK

Rose und ihre Tochter Sofia reisen in die Küstenstadt Almería, um dort einen Arzt aufzusuchen, der Roses mysteriöse Lähmung heilen soll. Während die Mutter nur zwischen Klinik und Ferienhaus pendelt, macht sich ihre Tochter auf Erkundungstour. Am Strand trifft sie die deutsche Touristin Ingrid, die beiden verlieben sich.

Ein Frauenfilm: Vicky Krieps empfiehlt sich als Doppelgängerin der jungen Meryl Streep, Emma Mackey (bekannt aus „Sex Education“) ist unglaublich hübsch und schön dauerwütend. Das wahre Highlight aber ist Fiona Shaw, die der ein oder andere vielleicht aus „Killing Eve“ als gestrenge Geheimdienstchefin Carolyn kennt. Ihre dominante und traumatisierte Mutterfigur bleibt im Gedächtnis.

Bei HOT MILK weiß man bis zum Ende nicht, wohin die Reise gehen soll: lesbischer Liebesfilm? Mutter-Tochter-Drama? Dunkle Familiengeheimnisse? Von allem ein bisschen – und in Konsequenz doch nichts davon. Was uns Rebecca Lenkiewicz mit ihrem Wettbewerbsfilm genau sagen will, bleibt rätselhaft. Wenigstens gibt es zwischendurch ein paar Lacher. Dankbar für die kleinen Dinge.

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Vereinigtes Königreich 2025
92 min
Regie Rebecca Lenkiewicz
Bild © Nikos Nikolopoulos / MUBI

Wettbewerb

Sheng Xi zhi di

SHENG XI ZHI DI

Living the Land

Wer schon immer ganz genau wissen wollte, wie das Leben der chinesischen Landbevölkerung 1991 aussah: SHENG XI ZHI DI zeigt es in epischer Ausführlichkeit. Es wird gelebt, gearbeitet, gekocht, gestritten,  geerntet und getrauert. Und am Ende fällt Schnee. Also fast wie bei uns. Das Ganze ist so langsam erzählt – die Zeit scheint rückwärts zu laufen. Erkenntnis: Chinesen sind ein sehr lautes Volk – selbst bei einer Beerdigung veranstalten sie ohrenbetäubenden Lärm.

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Volksrepublik China 2025
132 min
Regie Huo Meng
Bild © Floating Light (Foshan) Film and Culture

Berlinale Special

Kein Tier. So Wild.

KEIN TIER. SO WILD.

Shakespears Klassiker „Richard III“ als  Clandrama im Heute. Ein theaterhaftes Berlin liefert die Kulisse für den brutalen Krieg zwischen den verfeindeten Großfamilien York und Lancaster. Rashida, eine Anwältin aus dem Haus York, greift zu drastischen Mitteln, um den Konflikt zu beenden – doch der ersehnte Frieden bringt ihr keine Freiheit.

Eins muss man Burhan Qurbani lassen: Der Regisseur der großartigen Neuverfilmung von „Berlin Alexanderplatz“ (2020 im Wettbewerb) hat Mut. Denn im Ansatz hätte KEIN TIER. SO WILD. aufregendes, großes Kino werden können. Doch die artifizielle Inszenierung und die in Düsternis getauchten Bilder drücken schwer aufs Gemüt. Nach einer Stunde fühlt man sich, als läge man unter einer Bleidecke begraben. Immerhin kein laues Lüftchen: Burhan Qurbani scheitert in Größe.

INFOS ZUM FILM

Deutschland / Polen / Frankreich 2025
142 min
Regie Burhan Qurbani
Bild © Lukasz Bak / Sommerhaus Filmproduktion – Port au Prince Pictures – Goodfellas

Panorama

SCHWESTERHERZ

Rose ist gerade bei ihrer Ex-Freundin ausgezogen, wohnt für ein paar Tage bei ihrem Bruder Sam. Eines Nachts bringt der eine Frau mit nach Hause, Rose wird unfreiwillige Zeugin von einvernehmlichem Sex  – oder doch etwas anderem? Als Sam der Vergewaltigung beschuldigt wird, soll Rose als Zeugin aussagen.

Es war vor über 30 Jahren, als Dustin Hoffman in einem Interview beklagte, dass Spielfilme für ihre TV-Ausstrahlung gekürzt würden. Nicht ganze Szenen fielen der Schere zum Opfer, sondern innerhalb der Dialoge würden Pausen herausgeschnitten. Aus „I love you“ Pause, schmachtender Blick, „I love you too“ würde so ein stakkatoartiges „I love you. I love you too“.

Dem deutschen Panoramabeitrag SCHWESTERHERZ wünscht man genau diese zweifelhafte Schnitttechnik. Sarah Miro Fischers  Film ist eine einzige Sprechpause. Man möchte zwischendurch auf die „fast forward“-Taste drücken und besonders Hauptdarstellerin Marie Bloching bitten, doch ein bisschen schneller zu machen. Wie lange muss man zwischen den einzelnen Wörtern nachdenken? Ansonsten: Ein ordentlich inszenierter Psychothriller. Mehr kleines Fernsehspiel als großes Kino.

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Deutschland / Spanien 2025
96 min
Regie Sarah Miro Fischer
Bild © Selma von Polheim Gravesen / dffb

Panorama

ATO NOTURNO

ATO NOTURNO

Night Stage

Der aufstrebende Berufspolitiker Rafael und der junge Schauspieler Matias treffen sich immer wieder zu heimlichen Sexdates. Der besondere Thrill: sie wollen dabei erwischt werden. Das gefällt nicht jedem, schon gar nicht den mächtigen Geldgebern, die Rafael ins Bürgermeisteramt befördern wollen. Regisseur Marcio Reolon scheint ein großer Pedro Almodovar-Fan zu sein. Kamera, Licht, Musik – das versucht den Stil des spanischen Regiemeisters mehr schlecht als recht zu kopieren. Für ein echtes Melodrama ist ATO NOTURNO zu normal, für einen ernsten Film zu melodramatisch. Am Ende fragt man sich auch hier, was genau der Regisseur uns damit sagen will.

INFOS ZUM FILM

Brasilien 2025
119 min
Regie Marcio Reolon
Bild © Avante Films, Vulcana Cinema

Panorama

PETER HUJAR'S DAY

Peter Hujar – nie gehört? Doch, der Mann war ein berühmter Fotograf. Eines seiner Werke ziert das Cover von Hanya Yanagiharas Roman „Ein wenig Leben“ – sehr lesenswert übrigens. Der Film PETER HUJAR’S DAY basiert auf einem Interview, das die New Yorker Autorin Linda Rosenkrantz 1974 mit Peter Hujar führt. Im Gespräch bittet sie ihn, minutiös zu schildern, was er am 18. Dezember gemacht hat.

Die große Kunst von Ira Sachs‘ Film besteht darin, trotz seiner kurzen Laufzeit von nur 75 Minuten derart langweilig zu sein, dass man schon nach einer halben Stunde hofft, es möge bald vorbei sein. Die einzigen Gründe, sich diesen zähen Panorama-Beitrag anzusehen, sind der charmante 70er-Jahre-Filmlook und die Schauspieler Rebecca Hall und Ben Whishaw.

INFOS ZUM FILM

USA / Deutschland 2025
75 min
Regie Ira Sachs
Bild © One Two Films

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Berlinale 2025 Tag 1

BERLINALE 2025 – TAG 1

Berlinale 2025 Tag 1

BERLINALE 2025 – TAG 1

Willkommen zur 75. Berlinale! Und natürlich: Herzlich willkommen, Tricia Tuttle! Über die Zusammenarbeit mit der festivalerprobten neuen Chefin hört man nur Gutes. In der Außenwahrnehmung sieht das allerdings anders aus, denn Wunschdenken und Wirklichkeit gehen nicht immer Hand in Hand. Nach den quälenden Jahren der Lethargie unter Mariette und Carlos hätte man sich bei der Programmvorstellung Ende Januar etwas mehr positive Energie gewünscht. Das Verlesen der Filmtitel wirkte jedoch wie ein Schulreferat, auf das weder die Vortragenden – Tricia zusammen mit den Co-Directors of Film Programming, Jacqueline Lyanga und Michael Stütz – noch die Zuhörenden Lust hatten. Könnte man das nicht mit etwas mehr Elan und Freude präsentieren? Egal, am Ende zählt der Inhalt, nicht die Form. Los geht’s!

Berlinale Special Gala

Das Licht

DAS LICHT

Schon Kate Bush wusste: „Tiefer, tiefer, irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht.“ Tom schmeißt für den Eröffnungsfilm der Berlinale die große Tykwer-Maschine an: pseudotiefsinnige Gespräche, märchenhafte Berlin-Realität im Dauerregen und ein kryptischer roter Faden – irgendwas mit Gespenstern und Flüchtlingen – sind die Versatzstücke dieses zwischen Kitsch, Blödsinn und Genialität schwankenden Films.

DAS LICHT erzählt von einer Familie zwischen Zerfall und Neubeginn. Tim (Festival-Stammgast Lars Eidinger) und Milena (Nicolette Krebitz) leben entfremdet, ihre fast erwachsenen Zwillinge Frieda und Jon bewegen sich ebenfalls in eigenen Welten — Frieda mit politischen Aktionen, Jon in virtuellen Realitäten. Das Auftauchen der syrischen Haushälterin Farrah (Tala Al-Deen) verändert das Familiengefüge komplett.

Die Zutaten: viel – nein, sehr viel Dialog, eine Zeichentricksequenz, eine Musicaleinlage, die aussieht, als hätte ein Studentenfilm versucht, „La La Land“ zu kopieren, und eine schamlos von der genialen Burberry-Kampagne (hier der Link zum Original) geklaute „Menschen-fliegen-durch-die-Luft“-Szene. Tykwer nimmt, was ihm gefällt – dazwischen flackert eine geheimnisvolle Lampe. Hokus Pokus Fidibus. Nur Sinn ergibt das selten bis gar nicht. DAS LICHT ist das filmische Äquivalent zu einem bekifften WG-Diskussionsabend mit viel Alkohol und LSD-Trips, bei dem alle mal etwas sagen dürfen. Man kann sich darauf einlassen und Tykwers Mut bewundern – langweilig ist es jedenfalls nicht – oder sich einfach nur wundern. So oder so lässt es einen am Ende ratlos zurück.

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Deutschland 2025
162 min
Regie Tom Tykwer
Bild © Frederic Batier / X Verleih AG

Panorama

Welcome Home Baby

WELCOME HOME BABY

Und gleich noch mal: Talent borrows, genius steals. Ob Roman Polanski Klage einreicht? Das ist schon mehr als „inspiriert von“, das ist schlicht geklaut. Dabei fängt es gar nicht so schlecht an: Die coole Berliner Notärztin Judith reist mit ihrem Mann in die österreichische Provinz. Ihr Vater, der sie als Kind zur Adoption weggegeben hat, hat ihr ein prächtiges Haus vererbt, inklusive voll ausgestatteter Arztpraxis. Die überwiegend weibliche Ü70-Dorfgemeinschaft erwartet die neue Frau Doktor schon sehnlichst. Doch irgendetwas stimmt nicht, Judith wird bald von blutigen Visionen heimgesucht, kurze Momente werden zu Tagen, Tage plötzlich zu Monaten und nicht nur die Dorfbewohnerinnen verhalten sich immer seltsamer. Dann ist Judith trotz sterilisiertem Ehemann plötzlich schwanger. „Rosemaries Baby“ lässt grüßen.

Hm, naja, also, positiv zu vermerken sind die stark von der Serie „Dark“ inspirierte Stimmung, die Schauspieler und das Sounddesign. Leider wird die Geschichte vom teuflischen Dorf immer alberner und wirrer. Deutsche und Horror-Thriller geht halt nicht zusammen.

INFOS ZUM FILM

Österreich, Deutschland 2025
115 min
Regie Andreas Prochaska
Bild © Lotus Filmproduktion, Senator Film Produktion

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