PARFUM DES LEBENS

PARFUM DES LEBENS

Gerüche können bei uns Menschen stärkere Erinnerungen auslösen, als es ein Foto oder eine Erzählung vermögen. Die Nase: das unterschätzte Sinnesorgan. Davon können Long-Covid-Patienten ein Lied singen. 

Vor über zehn Jahren fand in Genf eine Veranstaltung statt, die unter dem Motto „Début du printemps“, also „Frühlingsanfang“ stand. Um die Gäste entsprechend einzustimmen, sollte eine Geruchsexpertin die zahlreichen Zuschauer in eine grasige Duftwolke einhüllen. Was seinerzeit wegen zu starker Klimaanlagen nur bedingt funktionierte, ist mittlerweile Standard in allen Bereichen unseres täglichen Lebens. Vom Deoroller über Katzenstreu bis hin zu ganzen Gebäuden – alles hat seine individuell angepasste olfaktorische Marke. Ein Negativbeispiel ist die Modekette „Abercrombie and Fitch“, die mit ihrem penetranten Billiggeruch höchstens Kopfschmerzen auslöst.

Und genau darum geht es in „Parfum des Lebens“ – Anne war mal eine Koryphäe auf ihrem Gebiet: Parfumkreationen für Dior machten Sie zu einem Star in der Welt der künstlich erzeugten Düfte. Doch mit dem Erfolg setzte der Stress ein. Anne verlor vorübergehend ihren Geruchssinn, wurde danach nur noch für gewinn-, aber wenig prestigeträchtige Jobs in der schnöden Welt der Alltagsprodukte gebucht.

Auftritt Guillaume: Der geschiedene Vater kämpft um das Sorgerecht für seine zehnjährige Tochter. In seinem neuen Job als Chauffeur trifft er auf Anne, zunächst ganz gefühlskalte Eule. Das ungleiche Paar entdeckt jedoch nach und nach Gemeinsamkeiten. So kommen sich die beiden im Laufe der Geschichte zwar nicht romantisch näher, finden aber Wege, sich ein bisschen glücklicher zu machen und aus ihrem eingefahrenen Dasein zu retten.

Mut zum Kitsch in der Sprache: „Parfum des Lebens“ öffnet sich langsam wie eine aufgehende Blüte. Nach und nach, Lage um Lage werden die Schwächen und versteckten Talente der Figuren freigelegt. Und dabei wird noch Interessantes über die professionelle Welt der Düfte vermittelt: Wer hätte gedacht, dass erst ein Hauch von Müllgeruch Chanel No. 5 zu einem Parfumklassiker macht?

Vielleicht hat der monatelange Kinoentzug das Hirn vernebelt, und wahrscheinlich wird es die deutsche Synchronisation wieder zunichtemachen – aber „Parfum des Lebens“ ist (wenigstens in der Originalversion) ein ganz entzückender, beglückender Film.

FAZIT

Schön, melancholisch und mit leisem Humor erzählt. Très charmant!

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Parfums“
Frankreich 2019
100 min
Regie Grégory Magne
Kinostart 19. August 2021

alle Bilder © Happy Entertainment

LITTLE JOE – GLÜCK IST EIN GESCHÄFT

Biogenetikerin Alice hat eine Wunderblume entwickelt. Die verlangt im Gegensatz zu anderen, pflegeleichteren Neuzüchtungen sehr viel Zuwendung, regelmäßiges Gießen und liebevolle Anrede. Als Belohnung für die Mühe versprüht sie einen glücklich machenden Duftstoff. Soweit die Theorie. Doch je weiter die geheimnisvolle Blume wächst, desto mehr verändern sich die Menschen in Alices Umfeld. Ihr Verdacht erhärtet sich, dass ihre Schöpfung womöglich nicht so harmlos und glücksverheißend ist, wie ursprünglich geplant.

Achtung, die Doppelgänger kommen! Im Sci-Fi-Klassiker „Invasion of the Body Snatchers“ übernehmen außerirdische Samenkapseln die Körper der Menschheit und machen aus ihnen empathielose, gleichgeschaltete Hüllen. „Little Joe“ erzählt eine ähnliche Geschichte, nur verlangsamt und ohne Aliens.

Interessant ist vor allem die Machart des Films: Rot, weiß und mintgrün sind vorherrschende Farben, das zieht sich von der Blume über die Laborkittel bis zur Haarfarbe der Hauptfigur durch. Das abstrakte Farbkonzept unterstützt den märchenhaften Aspekt der Geschichte. Die Bildführung passt sich dem zwanghaften Verhalten der Figuren an: Mehrfach fährt die Kamera bei Dialogszenen stoisch an den Protagonisten vorbei ins Nichts. Anstelle von Musik kommt ein nerviger, hochfrequenter Ton zum Einsatz. 

Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner liefert mit ihrem ersten englischsprachigen Film ein irritierendes, oft beklemmendes Genrestück ab, das zeitweise an eine etwas zu lang geratene Folge der Netflix-Serie „Black Mirror“ erinnert.

FAZIT

Ungewöhnlicher Mysterythriller, mit Emily Beecham und Ben Whishaw ausgezeichnet besetzt.

Originaltitel „Little Joe“
Österreich 2019
105 min
Regie Jessica Hausner
Kinostart 09. Januar 2020