ES IST ZU DEINEM BESTEN

Alles zu deinem Besten, Liebes! Von Generation zu Generation meinen es die Eltern stets gut mit den Kindern, auch wenn die schon längst erwachsen sind. Die Väter Arthur, Kalle und Yus (gespielt von Heiner Lauterbach, Jürgen Vogel und Hilmi Sözer) bilden da keine Ausnahme. Ihre Töchter sind zwar keine kleinen Mädchen mehr, doch wenn der neue Freund so gar nicht den väterlichen Vorstellungen entspricht, ist Ärger vorprogrammiert. Als Klub der „Super-Schwäger“ planen die drei, die unliebsamen Schwiegersöhne in spe aus dem Weg zu räumen. Keine gute Idee, wie sich bald herausstellt.

Ja, der Film könnte auch „Väter der Klamotte“ heißen.

Ja, Trailer, Plakat und Inhaltsangabe lassen das Schlimmste vermuten.

Ja, der Film ist visuell so aufregend wie ein ZDF-Fernsehfilm.

Aber:

„Es ist zu deinem Besten“ ist tatsächlich lustig.

Und besonders Heiner Lauterbach beweist wieder mal (wie schon in „Enkel für Anfänger“), dass er einen ausgeprägten Sinn für trockenen Witz hat.

Die Vorlage liefert der spanische Erfolgsfilm „Es por tu bien“ – haben die Deutschen also alles wieder nur abgekupfert? Na und (bei Königin)? Warum sollte man Geschichten, die in anderen Ländern schon das Publikum ins Kino gezogen haben, nicht für den hiesigen Markt copy/pasten? Hat schon hervorragend und sehr erfolgreich bei „Das perfekte Geheimnis“ geklappt.

FAZIT

Eine Komödie ohne Aussage und tieferen Sinn, manchmal platt, aber oft sehr lustig.

Deutschland 2019
90 min
Regie Marc Rothemund
Kinostart 08. Oktober 2020

FAKING BULLSHIT

Die Polizeistation einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen soll mangels nicht vorhandener Kriminalität wegrationalisiert werden. Also faken die Polizisten kurzerhand selbst Straftaten, um so ihre Existenz zu rechtfertigen. Gute, aber illegale Idee.

Regisseur Alexander Schubert dürfte den meisten als Mitglied der ZDF-Comedy-Serien „Heute-Show“ und „Sketch History“ bekannt sein. Mit seinem Regiedebüt „Faking Bullshit“ liefert er nun eine unterhaltsame, oft schwarzhumorige Komödie ab. Ein etwas unperfekter, teils holprig gemachter Film, aber das Timing sitzt und die Gags zünden größtenteils. Die erfrischend unbekannten (bis auf Tatortreiniger Bjarne Mädel) Schauspieler halten die Waage zwischen trockenem Witz und Albernheiten.

Einziger Kritikpunkt: Size matters. Oder in diesem Fall besser: Length matters. „Faking Bullshit“ wäre ein noch besserer 60-Minuten-Film geworden; auf über 100 Minuten trägt die Geschichte nicht und ein bemühter Handlungsstrang um geraubte Gemälde macht die zweite Hälfte zäh. 

FAZIT

Ganz charmante Komödie mit guter Besetzung.

Deutschland 2020
105 min
Regie Alexander Schubert
Kinostart 10. September 2020

DIE KÄNGURU-CHRONIKEN

Mit Humor ist das so eine Sache. Was die einen zum Brüllen komisch finden, löst bei den anderen nur unverständiges Kopfschütteln aus. Es soll ja Menschen geben, die Eckart von Hirschhausen lustig finden. Oder Dieter Nuhr. So gesehen hat der Bestseller „Die Känguru-Chroniken“ bestimmt seine Daseinsberechtigung. Vielleicht können begeisterte Leser jetzt auch herzlich über die Dani Levy-Verfilmung lachen.

Gleich zu Beginn ist aus dem Off ein Streitgespräch zwischen Kleinkünstler Marc-Uwe und dem Känguru zu hören. Das Känguru (dessen Stimme ungefähr die Penetranz des Erklärvogels aus der roten Infobox am Potsdamer Platz hat – die Älteren erinnern sich) besteht darauf, dass die gemeinsame Geschichte von Anfang an erzählt wird. Dazu sieht man ein paar Szenen, die dem Känguru aber nicht weit genug zurückreichen. „Nein“, nölt es, „Du musst noch weiter zurück, ganz an den Anfang!“ Und was kommt? Na? Richtig, eine Szene vom Urknall. Haha. Sehr originell – not. Wer so was zum Lachen findet, ist mit „Die Känguru Chroniken“ bestens bedient.

FAZIT

Regisseur Dani Levy fügt seinem Oeuvre einen weiteren missglückten Film bei.

Deutschland 2020
90 min
Regie Dani Levy
Kinostart 05. März 2020

Wie gut ist deine Beziehung?

Steves bester Freund Bob wurde gerade von seiner Freundin verlassen. Und das wegen eines älteren Zausels, der sich als Tantralehrer verdingt. Bei Steve schrillen die Alarmglocken. Was, wenn auch seine Lebensgefährtin Carola plötzlich Augen für andere Männer hätte und ihm untreu werden würde?
Hätte, würde, könnte: Weil er sonst nichts zu tun hat, konstruiert Steve kurzerhand seine eigenen Beziehungsprobleme. Schlechte Idee, die Erste: Er bittet ausgerechnet den an allem Unglück schuldigen Tantralehrer Harald, Carola seine Telefonnummer zuzustecken, um dann zu testen, ob sie auf den Flirtversuch einsteigt. Die wiederum wurde von ihrer besten Freundin Anette angehalten, Steve eifersüchtig zu machen…usw….usf….hört sich konstruiert an? 

Wie gut ist deine Beziehung? ist einer der Filme, bei denen man als Zuschauer ständig die Augen verdreht, weil sich die Figuren benehmen, wie man das im wahren Leben nie tun würde. Die selbst erfundenen „Probleme“ könnten sich mit einer klaren Antwort im Nu aus der Welt schaffen lassen, aber dann wäre der Film nach einer halben Stunde vorbei. Ja, da ist der Wunsch der Vater des Gedankens.

FAZIT

Laut Werbung „Eine Komödie in bester Screwball-Manier“.
In Wahrheit ist Wie gut ist deine Beziehung? seichte, im Timing oft daneben liegende Standardware. Der eigenwillige Soundtrack, der wie aus einer „Die Sendung mit der Maus“-Episode klingt, macht die Sache auch nicht besser.

Deutschland 2019
111 min
Regie Ralf Westhoff
Kinostart 28. Februar 2019 

Hard Powder

Armer Liam Neeson. So wie der Bäcker, der jeden Tag die gleichen fünf Brote backt, oder die Aldi Kassiererin, die tagaus, tagein im grellen Neonlicht Waren über den Scanner zieht, muss auch der irische Superstar Langeweile verspüren. Seit Jahren spielt er den „Rächer mit dem guten Herzen“ im immer gleichen Film. Es schadet also nichts, wenn nach Taken 1-3, The Commuter, Non-Stop (und wie sie alle heißen) mal Abwechslung ins Spiel kommt.

Hard Powder ist tatsächlich nicht die übliche Fließbandware und um einiges origineller inszeniert, als die Zug/Flugzeug/Autojagden, bei denen Liam sonst seine Feinde platt macht. Ungewöhnlich schon die Locationwahl: ein im Tiefschnee versinkender Skiort in den Rocky Mountains. Hier pfeift von früh bis spät eine steife Brise, das hat beinahe Shining-hafte Atmosphäre. Nels Coxman (Liam Neeson) ist der örtliche Schneepflugfahrer und sorgt verlässlich für freie Straßen. Sein harmonisches Familienleben mit Frau und Kind wird jäh unterbrochen, als Drogengangster seinen Sohn ermorden. Genauso stoisch wie den Schnee beseitigt er daraufhin die bösen Buben und löst nebenbei noch einen blutigen Bandenkrieg aus – Blut auf Schnee macht sich immer gut.

Sein trockener, schwarze Humor hebt Hard Powder wohltuend von der sonstigen 08/15-Konfektionsware ab. Vielleicht liegt es ja tatsächlich, wie Liam Neeson im Interview vermutet, am europäischen Regisseur. Der Norweger Hans Petter Moland beweist mit dem US-Remake seines eigenen Films Einer nach dem Anderen (2014), dass es doch noch kleine Überraschungen im ausgelutschten Rächergenre zu entdecken gibt.

FAZIT

Besser als erwartet. Und macht neugierig aufs Original, das im Norwegischen den hübschen Titel „Kraftidioten“ trägt.

USA, 2018
119 min
Regie Hans Petter Moland
Kinostart 28. Februar 2019

Sweethearts

Franny stolpert verpeilt durchs Leben und leidet außerdem unter heftigen Panikattacken. Mel – wie Gibson – ist das komplette Gegenteil: eine toughe, alleinerziehende Mutter, die weiß, wo’s lang geht. Mit dem Raub einer Diamantenkette will sie sich und ihrer Tochter endlich ein besseres Leben ermöglichen. Doch der Überfall geht schief: Aus einer Notsituation heraus nimmt Mel ausgerechnet die durchgeknallte Franny als Geisel. Anfangs noch schwer genervt, gewöhnen sich die Frauen bald aneinander und werden sogar Freundinnen. Stockholmsyndrom heißt das wohl. Doch zum Girlbonding bleibt nicht viel Zeit: Von der Polizei und einer Horde Gangster gejagt, wird die Situation für die beiden immer brenzliger.

Regisseurin Karoline Herfurths zweiter Langfilm. Steht sie dann noch unter Welpenschutz? Am sehr, sehr, sehr konstruierten Drehbuch trägt sie jedenfalls Mitschuld. Das unausgegorene Werk hat sie zusammen mit Monika Fäßler verfasst.

Sweethearts will/soll wohl eine Hommage an Thelma und Louise sein. Geglückt ist das nicht, denn der Film wirkt wie eine harmlose, etwas unbeholfen inszenierte Folge einer ZDF-Vorabendserie. Dazu passt der uninspirierte TV-Look. Im Jahr 2019 darf man sich wundern: Haben Babylon Berlin, Bad Banks, Dark und andere visuell aufregende deutsche Produktionen denn gar keine Spuren hinterlassen?

FAZIT

Bei allem Gemeckere: Karoline Herfurth kann richtig gut Schauspieler inszenieren, jedenfalls andere. Sie selbst nervt mit ihrer schnappatmenden Überdrehtheit gehörig. Hannah Herzsprung, Frederick Lau, Anneke Kim Sarnau, Ronald Zehrfeld, Katrin Sass – tolle Schauspieler in einer mittelmäßigen Komödie.

Deutschland 2018
107 min
Regie Karoline Herfurth
Kinostart 14. Februar 2019 

Der Junge muss an die frische Luft

⭐️⭐️⭐️⭐️

Wenn die Großeltern „Omma“ und „Oppa“ genannt werden, dann weißte Bescheid: Wir sind im Ruhrpott, genauer gesagt Recklinghausen, Anfang der 70er-Jahre. Der 9-jährige Hans-Peter ist ein aufgewecktes Kerlchen und hat das große Talent, andere zum Lachen zu bringen. Nicht von ungefähr, ist er doch mit einer ausgesprochen exaltierten und feierwütigen Verwandtschaft gesegnet. Eine Kindheitsgeschichte über Verlust, Lebensmut und Optimismus, auf dem autobiografischen Bestseller Roman von Hape Kerkeling basierend.

Oscarpreisträgerin Caroline Link („Nirgendwo in Afrika“, „Jenseits der Stille“) erzählt voller Liebe und mit großem Humor, von dem kleinen pummeligen Jungen, der zu einem der bekanntesten Entertainer Deutschlands wurde. Der Junge muss an die frische Luft  berührt und hat den nötigen Tiefgang, ist also das genaue Gegenteil von der gründlich missratenen Kerkeling-Romanverfilmung „Ich bin dann mal weg“.

Eine Lobeshymne auf Julius Weckauf, der hier sein Debüt gibt: der Junge ist ein echtes Talent und stiehlt den erwachsenen Schauspielern mit seiner Unbefangenheit die Show. Die präzise Regie, die stimmungsvollen Bilder von Judith Kaufmann und der erfreulich zurückgenommene Filmscore von Niki Reiser machen Der Junge muss an die frische Luft zu einem herzerwärmenden Film mit viel Sinn für Lokal- und Zeitkolorit.

FAZIT

Humorvolle und anrührende Kindheitserinnerung mit einem hinreißenden Hauptdarsteller.

Deutschland, 2018 
Regie Caroline Link
95 min 
Kinostart 25. Dezember 2018

B12 – Gestorben wird im nächsten Leben

BAYERISCHER HEIMATFILM

Das Leben ist eine lange, viel befahrene Bundesstraße – deshalb trifft sich pünktlich jeden Tag der gleiche Stammtisch in einer heruntergekommenen Raststätte, direkt an der B12 gelegen. Dazu gehören: Konrad, ehemaliger Rock’n’Roll-Tänzer und Anwärter auf zwei neue Hüftgelenke; Franz, schlitzohriger, stets gut gelaunter „Saukopf“-Experte, sowie Mane, der stoische Parkplatzwächter mit einer Vorliebe für zu viel Bier.

„Jo mei, I mechad nur noch sterben“, sagt Altwirt Lenz Gantner bei jeder Gelegenheit und zu jedem, der es nicht hören will. Nach einem Schlaganfall ist er mit seinen 89 Jahren am Ende und haust in der ehemaligen Großküche des Rasthofs. Sein Sohn Manfred ist der Chef und hat wenig Mitleid mit dem Alten. Denn der hat ihm, neben der schrabbeligen Ansammlung von Gebäuden und Containern, auch die Schulden vermacht. Nun sträubt er sich zudem vehement gegen jegliche Neuerung. Kaputter Ort, kaputte Menschen. Könnte man meinen.

MACHART

Im Dokumentarfilm „B12“ geht es um die ganz großen Themen des Lebens: Liebe, Freundschaft und Tod. Komprimiert auf ein beengtes Biotop: Heimat, direkt an der Schnellstraße. Christian Lerchs Langzeitstudie nimmt sich viel Zeit für seine schrägen Gestalten und beobachtet genau. Der selbstmitleidige Lenz wird beim Genuss einer Leberknödelsuppe plötzlich wieder sehr agil und auch die vermeintliche Erblindung ist beim Betrachten alter Schulfotos auf einmal vergessen. So schafft der Film viele komische Momente. Der  Höhepunkt ist eine Szene von solch erstaunlicher Dusseligkeit, dass man es kaum glauben möchte.

FAZIT

Humor- und liebevolle Beobachtung von echten bayerischen Originalen. Sehenswert.

Deutschland, 2018
Regie Christian Lerch
92 min