HYPNOTIC

HYPNOTIC

Ab 10. August 2023 im Kino

Das INCEPTION des armen Mannes: Ben Affleck jagt als Cop einen hypnotisierenden Bankräuber durch Traumwelten.

Kurz auf dem Spielplatz nicht aufgepasst, schon ist das ganze Leben im Arsch. Seit der Entführung seiner Tochter versinkt Detective Danny Rourke (Ben Affleck) in Trauer und Verzweiflung. Doch dann stößt er bei den Ermittlungen zu einer Serie von Banküberfällen auf eine Spur seiner vermissten Tochter. Zusammen mit Diana Cruz (Alice Braga) macht er sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Bankräuber (William Fichtner), der sein Umfeld auf mysteriöse Weise kontrollieren kann.

Bedient sich schamlos bei INCEPTION

Da wird die Hypnosekröte neidisch! Menschen, die andere Menschen manipulieren und dazu bringen, schlimme Dinge zu tun. Der zweite M. Night Shyamalan Hollywoods, Robert Rodriguez, stellt mit seinem neuen Film HYPNOTIC nicht nur die Welt auf den Kopf, sondern auch die Geduld der Zuschauer auf die Probe. Gut eine Stunde muss man über sich ergehen lassen, bevor die krude Story mit einer überraschenden Wendung vorübergehend die Kurve kriegt. Bis dahin kann man kaum glauben, wie unterdurchschnittlich, um nicht zu sagen schlecht HYPNOTIC ist.

Regisseur Rodriguez ist für seine sparsame Arbeitsweise bekannt. Doch diesmal hat er es übertrieben: Sein neuer Psychothriller sieht wie ein billig produzierter TV-Pilotfilm aus, der sich schamlos bei INCEPTION bedient. Es gibt zwar im Mittelteil ein paar clevere Drehbucheinfälle, doch in keinem Moment wird die komplexe Genialität des Christopher Nolan-Films erreicht. Erstaunlich, dass sich Ben Affleck für so einen Schmarren hergibt. Eben noch zu alter Form in AIR zurückgefunden, nun Hauptdarsteller in einem C-Picture? Kein Wunder, dass der Oscar-Preisträger mit mahlendem Kiefer, starrem Blick und düsterer Batman-Resterampe-Stimme auf Autopilot spielt.

Ein lachhaft schlechter Anfang entwickelt sich zu einem halbwegs interessanten Thriller, der am Ende mit einer Über-Erklärung für Doofe alles wieder zunichtemacht. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Hypnotic“
USA 2023
93 min
Regie Robert Rodriguez 

alle Bilder © TELEPOOL

REMINISCENCE

REMINISCENCE

Hier mal eine freshe Filmidee: Ein cooler Privatdetektiv nimmt sich einer verführerischen Dame in Not an und gerät bei der Lösung des Falls selbst in Gefahr. „Blade Runner“, „Chinatown“, „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, „Tote tragen keine Karos“ – schon oft wurde diese klassische Filmidee variiert und persifliert. Neu an „Reminiscence“ ist nur das Setting in der nahen Zukunft: Miami steht nach dem Anstieg des Meeresspiegels unter Wasser. Wohl dem, der eine Dachterrasse hat.

Weil früher alles besser war, können zahlende Kunden bei Nick Bannister (Hugh Jackman) noch einmal die schönsten Momente aus ihrer Vergangenheit erleben. Erinnern unter Hypnose im Wassertank. Weil anderen Leuten beim Träumen zuschauen langweilig ist, kann Nick die Erinnerungen seiner Kundschaft in einer Art Holodeck sichtbar machen. Das ist zwar komplett sinnfrei, sieht aber hübsch aus. Als eines Tages Mae (Rebecca Ferguson) auftaucht und behauptet, sie habe ihren Schlüssel verloren und müsse deshalb in die Vergangenheit eintauchen, um ihn wiederzufinden (kein Witz – das ist tatsächlich die Story), ahnt Nick nicht, dass er bald Teil einer komplexen Verschwörungsgeschichte wird.

Philip Marlowe meets Inception: Regisseurin Lisa Joy, die auch das Drehbuch geschrieben hat, verbindet in „Reminiscence“ die Genres Film Noir und Science-Fiction, kann daraus aber keine Funken schlagen. Der aktuelle umweltpolitische Bezug spielt für den Fortgang der Handlung keine Rolle, ist nur ein visuelles Gimmick. Ein paar hübsche CGI-Flüge über die halb im Meer versunkene Stadt – das war’s aber auch schon. Inhaltlich bleibt die einzig originelle Idee des Films damit ungenutzt. Schauspielerisch und technisch auf gewohnt hohem US-Niveau enttäuscht „Reminiscence“ mit der sich selbst viel zu ernst nehmenden Interpretation einer allzu bekannten Geschichte.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Reminiscence“
USA 2021
116 min
Regie Lisa Joy
Kinostart 26. August 2021

alle Bilder © Warner Bros. Pictures

TENET

Christopher Nolan ist einer der wenigen modernen Regisseure, der – abgesehen von seiner Batman-Trilogie – keine Franchise-Filme produziert, sondern verschiedenste Genres neu interpretiert und damit oft einzigartige Kinoerlebnisse kreiert. So entsteht im besten Fall intelligentes Überwältigungskino, das (neudeutsch) einen Brainfuck auszulösen vermag.

Das Thema „Zeit“ fasziniert Nolan dabei schon seit seinem frühen Erfolg „Memento“. In späteren Werken wie „Inception“ und „Interstellar“ spielt er immer wieder mit temporären Anomalien. Selbst „Dunkirk“, auf den ersten Blick ein straighter Kriegsfilm, entpuppt sich als Kunstwerk der Verschachtelung: Die gleiche Geschichte wird in drei parallelen Zeitsträngen erzählt: als eine Woche auf dem Land, als ein Tag auf der See und zu einer Stunde komprimiert in der Luft.

Der britische Regisseur gilt als einer der größten Geheimniskrämer der Filmgeschichte. So viel Getue um den Inhalt gab es zuletzt bei Trumps Steuererklärung. Wenn das Geheimnis Teil des Events ist, darf man dann überhaupt etwas über die Story verraten? Ja, denn die versteht man bei „Tenet“ ohnehin nicht. Ein Geheimagent (John David Washington) soll die Menschheit vor dem Untergang bewahren. In bester James-Bond-Manier jagt er einen russischen Bösewicht (Kenneth Branagh), der einen Weg gefunden hat, die Zeit zu manipulieren. Play – Pause – Rewind. Die erzählte Geschichte läuft ab einem gewissen Punkt gleichzeitig vorwärts und rückwärts ab. Zeit-Inversion nennt sich das. Nette Idee, doch Nolan wäre nicht Nolan, wenn er die Sache nicht noch verkomplizieren würde. Um das alles halbwegs zu erklären, wird unendlich viel geredet. Dazwischen überschlagen sich Autos rückwärts und Kugeln fliegen in Waffen zurück.

150 Minuten lang visuellen und akustischen Lärm auf höchstem Niveau zu veranstalten und dabei zu langweilen, auch das ist eine Kunst. „Tenet“ ist laut und geschwätzig. Das Gimmick, vor- und rückwärts laufende Szenen miteinander zu kombinieren, hat sich schnell verbraucht. Der Geschichte zu folgen, ist nahezu unmöglich, Mitgefühl mit den Figuren und damit Spannung kann da erst gar nicht aufkommen.

FAZIT

Gut aussehendes Science-Fiction-Drama, das sich möglicherweise nach wiederholtem Anschauen auch inhaltlich erschließt. Lässt kalt.

Originaltitel „Tenet“
USA 2020
150 min
Regie Christopher Nolan
Kinostart 26. August 2020

Jupiter’s Moon

⭐️⭐️

Der junge Syrer Aryan wird beim illegalen Überqueren der serbisch-ungarischen Grenze angeschossen.
Schwer verletzt, entwickelt er plötzlich die übermenschliche Fähigkeit durch reine Willenskraft zu schweben. Im Flüchtlingslager entdeckt der korrupte Arzt Dr. Stern das Potenzial seines Patienten. Gegen Bezahlung wird der fliegende Junge todkranken Patienten als neues Weltwunder präsentiert. Doch auch die Polizei interessiert sich für den seltsamen Fall.

In erster Linie wirkt der Film wie die Bewerbungsrolle von Regisseur Mundruczó für Hollywood.
Die teilweise real gedrehten Schwebe/Flugszenen sehen dank perfektem wire-removal spektakulär und super realistisch aus. Auch eine von „Inception“ inspirierte Szene, in der sich ein ganzer Raum um die eigene Achse dreht, muss sich vor dem Original nicht verstecken. Das ist visuell meisterhaft. Und die atemberaubende one-take Autoverfolgung kann locker mit „The Fast and the Furious“ oder „Jason Bourne“ mithalten.
Aber der Rest?
Schon der Anfang irritiert. Da ist auf einer Schrifttafel zu lesen, dass auf Europa, einem der Monde des Jupiter, die theoretische Möglichkeit für Leben existiere. Sehr bedeutungsschwanger. Aber dann spielt diese Information in den darauffolgenden zwei Stunden keinerlei Rolle mehr. Oder soll die platte Botschaft „In Europa ist Leben möglich“ sein?
Jupiter’s Moon möchte Stellung beziehen, übernimmt sich aber an der Vielzahl seiner Themen: Flüchtlingskrise, Terrorismus, der Glaube an Gott, Wunder, Schuld, Erlösung, die realpolitischen Zustände im heutigen Ungarn, eine beinahe Vater-Sohn-Beziehung, und, und, und. Dieser bunte Strauß kommt teils als sphärischer Kunstfilm, teils als konventioneller Actionfilm daher.
Handwerklich top, doch was das alles bedeuten soll, bleibt das Geheimnis des Regisseurs.

FAZIT

Poetischer, kunstvoll gedrehter, jedoch ratlos zurücklassender Superheldenfilm.

Ungran/Deutschland, 2017
Regie Kornél Mundruczó
123 min
Kinostart 22. November 2018