A HAUNTING IN VENICE

A HAUNTING IN VENICE

Ab 14. September 2023 im Kino

Wie langweilig können 103 Minuten sein? Kenneth Branagh setzt mit seinem dritten Hercule-Poirot-Film neue Maßstäbe.

Venedig in den 1940er-Jahren. Noch keine Spur von Massentourismus. Morbide Stimmung in der ewig dem Untergang geweihten Stadt. Ein alter Palazzo, in dem die Geister von gequälten Kindern spuken. Peitschender Regen, Düsternis, ein Mord. Und mittendrin Hercule Poirot (Kenneth Branagh), der den Fall mit analytischem Verstand knacken will.

Todlangweiliges Schnarchfest

Klingt erst mal alles gut. Leider hat Regisseur Brannagh auch bei seiner dritten Agatha-Christie-Verfilmung vieles falsch gemacht. Obwohl Setting und Geschichte geradezu nach einem atmosphärischen, unheimlichen Thriller schreien, ist davon nichts zu spüren. A HAUNTING IN VENICE ist ein geschwätziges, todlangweiliges Schnarchfest.

Das Whodunit sieht dank famoser Ausstattung und exzentrisch weitwinkliger Kamera (Haris Zambarloukos) zwar ganz hübsch aus, doch weder die Figuren noch die Handlung wecken auch nur einen Funken Interesse. Von Spannung ganz zu schweigen. Die ganz großen Stars hat Branagh diesmal nicht verpflichtet (dabei macht der Cast aus aktuellen und ehemaligen Superstars ja gerade den Reiz der Agatha-Christie-Filme aus). Tina Fey, Michelle Yeoh und Jamie Dornan liefern solide Leistungen ab, doch für ihre zweidimensionalen Figuren interessiert man sich nie wirklich.

Bleibt die Erkenntnis, dass sogenannte „first reactions“ von Influencern ungefähr so ernst zu nehmen sind wie das Werbeversprechen, Nutella sei gesund. Da wird A HAUNTING IN VENICE als „großartig“ und das „Beste der drei Poirot-Abenteuer“ gelobt. Das Gegenteil ist der Fall: Seit dem annehmbaren MORD IM ORIENTEXPRESS verschlechterten sich die Filme von Mal zu Mal. Immerhin wurde diesmal weitestgehend in realen Sets gedreht, was gegenüber dem Greenscreen-Fiasko on TOD AUF DEM NIL ein kleiner Fortschritt ist.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A Haunting in Venice“
USA 2023
103 min
Regie Kenneth Branagh

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT

4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT

Ab 27. April 2023 im Kino

Der Sage nach verschwand das junge Fräulein Idilia Dubb während eines Ausflugs spurlos. Erst 12 Jahre später fand man ihre sterblichen Überreste.

4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT – klingt nach US-Melodram, ist aber eine urdeutsche Sagengeschichte. Im Mittelrheintal des 19. Jahrhunderts: Die junge Idilia Dubb erwacht in einer Burgruine mit blutender Kopfwunde. Sie kann sich an nichts erinnern. Nur ihr Tagebuch gibt Hinweise auf ihre Vergangenheit. Es scheint, als verbinde sie eine heimliche Romanze mit dem abessinischen Schausteller Caven, der in der Völkerschau ihres Verlobten arbeitet. Während sich Idilias Erinnerungstrümmer langsam zusammenfügen, verschwimmen Realität und Fantasie immer mehr. Von hohen Mauern umschlossen, scheint ihre Situation ausweglos. Ein viertägiger Kampf ums Überleben beginnt.

Pappmaché-Kulissen und düsterer Elektrosound. Das Kinodebüt von Simon Pilarski und Konstantin Korenchuk bewegt sich irgendwo zwischen tschechischem Märchenfilm und der Mystery-Serie DARK. Bei Ausstattung und Inszenierung gibt es noch Luft nach oben, aber die Geschichte vom verschollenen Fräulein ist durchaus stimmungsvoll umgesetzt. Ein Genrefilm aus Deutschland, das hat immer noch Seltenheitswert. Allein schon deshalb sind die 4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT mit Lea van Acken und Eric Kabongo sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2022
102 min
Regie Simon Pilarski und Konstantin Korenchuk
Kinostart 27. April 2023

alle Bilder © Sternenberg Films

DARK – Season 3

Über den Inhalt der dritten Staffel von „Dark“ etwas zu schreiben, ist ungefähr so verboten, wie im Jahr 1980 zu verraten, wer JR Ewing erschossen hat*. Netflix ermöglicht sieben Tage vor der Premiere zwar eine Sichtung, liefert dazu aber ein bedrohlich dickes Spoilerhandbuch mit.

„Dark“ ist ein Zeitgeistphänomen. Selten konnte eine deutsche Serie ein so breites internationales Publikum erreichen und begeistern. Dass sogar Amis auf „Dark“ abfahren, lässt sich sehr unterhaltsam im Podcast „Bored and Annoyed“ nachhören. Was bislang nur „Derrick“ vergönnt war, gelingt der von Baran bo Odar und Jantje Friese entwickelten Serie dank weltweiten Streamings mühelos: ein internationaler Erfolg zu werden.

Für einige eine hanebüchene, überkonstruierte Studie in Grau, für andere die beste Mystery-Serie aller Zeiten. Wem die ersten beiden Staffeln gefallen haben, den werden auch die finalen acht Folgen der komplexen Zeitreisegeschichte befriedigen. Es ist alles wie gewohnt: Der Handlung, die sich wie eine unendliche Matroschka-Puppe immer weiter und weiter verkompliziert, ist kaum zu folgen. Die Schauspieler sind grandios, sehen sich aber in ihren diversen Jugend-, Erwachsenen- und Greisenvarianten weiterhin kaum ähnlich, was dem Verständnis nicht unbedingt dienlich ist. Was vielleicht geholfen hätte, wäre eine kurze „Previously on Dark“- Einleitung vor jede Episode – oder Namensschilder. Selbst mit wachem Verstand und hoher Aufmerksamkeit versteht man oft nicht, wer da gerade wann mit wem um was kämpft. Macht aber nix, „Dark“ ist genial und hat das Zeug, den Zuschauer langsam auf unterhaltsame Weise verrückt werden zu lassen. Und das ist als Lob gemeint.
Nach drei Staffeln ist der Spaß vorbei und da keine weitere Fortsetzung geplant ist, muss man wohl einfach noch mal von vorne anfangen.

FAZIT

*Es war übrigens die von Mary Crosby gespielte Kristin Shepard. 

Deutschland 2020
Staffel 1 mit 10 Folgen, Staffel 2 + 3 je 8 Folgen
Regie Baran bo Odar
Die 3. Staffel gibt’s ab 27. Juni auf Netflix