CORSAGE

Kinostart 07. Juli 2022

Bald 70 Jahre post Romy Schneiders Darstellung für die Ewigkeit feiert die österreichische Kaiserin Sisi mediale Wiederauferstehung. Nach der RTL-Serie, deren zweite Staffel gerade produziert wird, kommt nun Marie Kreutzers ungewöhnlicher Cannesbeitrag in die Kinos.

Elisabeth („Sisi“) begeht bald ihren 40. Geburtstag. Damit gehört sie offiziell zum alten Eisen, denn in dem Alter hatten Frauen Ende des 19. Jahrhunderts ihre Lebenserwartung erreicht. Noch wird sie vergöttert, für ihr strahlendes Aussehen angehimmelt, doch die Uhr tickt. Sisi ist eine lebenshungrige Frau, die es Leid ist, jeden Tag ihre Taille zu schnüren und sich allen Genüssen zu verweigern. Ihr Widerstand gegen ihr öffentliches Bild wird immer größer – sie beginnt, sich aus dem höfischen Korsett zu befreien.

Die Luxemburgerin Vicky Krieps spielt Kaiserin Elisabeth schön spröde und geheimnisvoll. Und die wie immer herausragende Kameraarbeit Judith Kaufmanns ist ein weiterer großer Pluspunkt des Films. Die Marotte, historische Stoffe bewusst mit modernen Elementen zu vermischen, wirkt dagegen angestrengt. Abends singt der Hofstaat britische Popsongs zur Harfe und der Schlossplatz sieht aus, als sei der Reisebus gerade aus dem Bild gefahren. Ist natürlich Absicht, genauso wie die sichtlich angeklebten Backenbärte. Die Übersetzung in die Popkultur wirkt hier allerdings unentschieden, das hat die Netflix-Soap „Bridgerton“ oder Sofia Coppola mit „Marie Antoinette“ besser und mutiger durchgezogen.

Das Gekünstelte kann man natürlich auch als „märchenhaft“ schönreden, womit sich dann der Kreis zu Romys Sisi wieder schließt. Denn auch die war in ihrer Heimatfilm-Kitschwelt meilenweit von der Realität entfernt.

INFOS ZUM FILM

Österreich / Luxemburg / Deutschland / Frankreich 2022
113 min
Regie Marie Kreutzer

alle Bilder © Alamode Film

DIE PERFEKTE EHEFRAU

DIE PERFEKTE EHEFRAU

„Eine gute Ehefrau erfüllt stets ihre täglichen Pflichten. Diese sind Kochen, Bügeln, Nähen, Hausarbeit und zwar immer in völliger Aufopferung und ohne sich zu beschweren.“ Nur einer von sieben Grundsätzen für die perfekte Ehefrau.

Während in Paris die Revolution auf den Straßen tobt, werden im provinziellen Elsass Ende der 60er-Jahre Großmutters Weisheiten gepredigt. In der Haushaltsschule Van der Beck ticken die Uhren noch im alten Takt. Nachdem der Leiter des Instituts an einem Kaninchenknochen erstickt ist, erfährt seine schockierte Frau Paulette, dass die Schule vor dem Ruin steht. Nur ihre Jugendliebe, der Banker Grundvald kann jetzt noch helfen. Paulette wird vor die Wahl gestellt: weiter so als brave Witwe – oder neues Glück wagen?

„Die perfekte Ehefrau“ ist eine französische Komödie, die leider nur in der ersten Hälfte für ein paar kleine Schmunzler taugt. An der Besetzung liegt es nicht: Juliette Binoche, Yolande Moreau, Noémie Lvovsky sowie eine Reihe bemerkenswerter Jungschauspielerinnen bemühen sich nach Kräften. Doch trotz der guten Darsteller büßt der Film schnell seinen Charme ein. Die wenig ausgearbeiteten Figuren geraten zu Karikaturen, der Humor wird alberner und platter. Perlende Klaviermusik, geflüsterte Liebesbekenntnisse und ein Hauch lesbischer Liebe zwischen den Schülerinnen – Regisseur Martin Provost bedient für seine Emanzipationskomödie biedere Klischees. Wenigstens passt der Look, ästhetisch erinnert „Die perfekte Ehefrau“ an staubiges 50er-Jahre-Kino.

FAZIT

Ganz nett, aber nie wirklich lustig oder bissig.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La bonne épouse“
Frankreich / Belgien 2020
110 min
Regie Martin Provost 
Kinostart 05. August 2021

alle Bilder © One Film

3 Tage in Quiberon

INTENSIVES PSYCHODUELL

1981 gab Romy Schneider, schwer alkohol- und tablettenabhängig, im südfranzösischen Quiberon dem Magazin Stern eines ihrer selten gewordenen Interviews.  Der Film zeigt die Begegnung zwischen der Schauspielerin und dem Reporter als spannungsgeladenes Psychoduell. Somit kein klassisches Biopic, mit artig abgehandelten Lebensstationen, sondern ein auf drei Tage komprimierter Ausschnitt aus dem Leben Romy Schneiders.

Journalist Michael Jürgs (Robert Gwisdek) macht dabei keine gute Figur. Seine extrem persönlichen Fragen sind quälend indiskret, man windet sich geradezu.  Sensationsgeil, arrogant und manipulativ: die zerbrechliche, manisch-depressive Romy Schneider (Marie Bäumer) ist ihrem Gegenüber anfangs kaum gewachsen. Zwischen den beiden stehen der Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner) sowie Romys Jugendfreundin Hilde (Birgit Minichmayr).

MACHART

„3 Tage in Quiberon“ hält sich stilistisch an die damals im Stern erschienenen, legendären Fotos. Das Schwarzweiß-Drama zitiert die Schlüsselmomente der Reportage, gibt aber gleichzeitig einen tiefen Einblick in das Seelenleben Romy Schneiders. Man fühlt mit ihr, hat das Bedürfnis, sie zu retten, weiß aber, dass das traurige Ende nahe ist. Drei Monate nach dem Interview starb ihr Sohn, im Jahr darauf sie selbst.

FAZIT

Zwei Worte: Herausragendes Ensemble! Vor allem Marie Bäumer in der Rolle ihres Lebens. Sehr empfehlenswertes, dicht erzähltes Kammerspiel. 10 Nominierungen beim Deutschen Filmpreis.

Deutschland/Frankreich, 2018
Regie Emily Artef
116 min