TERRIFIER 2

TERRIFIER 2

Kinostart 08. Dezember 2022

„Zuschauer mussten ohnmächtig aus dem Kino getragen werden“, verkündet das Presseheft voller Stolz. Abgebrühten Splatterfans mag da nur ein müdes Lächeln übers Gesicht huschen. Alle anderen seien hiermit gewarnt.

Schnipp, schnapp, Rübe ab

„Terrifier 2“ ist Hardcore-Trash in Vollendung. Das ist jetzt bitte nicht abwertend gemeint. Denn Regisseur Damien Leone hat eine echte Perle des Slashergenres geschaffen. „Terrifier 2“ pfeift auf Halloween-Retroromantik und geht noch zehn Schritte weiter. Der Film spielt zwar in der Jetztzeit (es gibt Handys), sieht aber aus und klingt (dank des Soundtracks von Paul Wiley) wie ein Independentmovie, das 1975 in einem heruntergekommenen New Yorker Grindhouse zur Mitternachtsmatinee gezeigt wird. Deshalb aufgepasst: „Terrifier 2“ läuft bei uns nur für kurze Zeit in ausgewählten Kinos. Je später die Vorstellung und je abgeranzter die Location, desto stilechter. 

Wie alle guten Horrorfilme hat auch „Terrifier 2“ einen besonders garstigen Bösewicht. Der stumme „Art the Clown“ ist eine wahre Ausgeburt der Hölle. Unsterblich wie Mike Myers und Jason hat er im Gegensatz zu seinen killenden Kollegen richtig Freude an der sadistischen Arbeit. Ulkige Grimassen schneidend befördert er ein Opfer nach dem anderen auf möglichst brutale Art und Weise ins Jenseits. Schnipp, schnapp, Rübe ab. Ein echter Künstler seines Fachs.

Die Geschichte um ein Teenagermädchen und ihren Bruder tut nichts zur Sache, denn Hauptsache, die Gore-Effekte haben es in sich. Regisseur Damien Leon setzt dabei komplett auf physische Tricks, keine glatte CGI-Optik, das Blut spritzt hier noch handgemacht und ist daher umso wirkungsvoller. Wer sich also für ausgerissene Augen, mit dem Hammer zu Brei zerschlagenes Hirn oder heraushängendes Gedärm begeistert: Hier ist euer Schocker des Jahres. Uncut.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Terrifier 2“
USA 2022
137 min
Regie Damien Leon

alle Bilder © 24 Bilder

SHE SAID

SHE SAID

Kinostart 08. Dezember 2022

Der verurteilte Sexualstraftäter und Ex-Filmproduzent Harvey Weinstein ist ein echtes Schwein. Über Jahrzehnte missbraucht er Frauen körperlich und emotional. Das Bekanntmachen seiner Vergehen löst zunächst in den USA und später weltweit die #MeToo-Bewegung aus. In ihrem Buch „She Said: Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement“ erzählen die beiden New-York-Times-Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kanto von der Recherche, die den einst mächtigen Miramax-Boss vor fünf Jahren zu Fall bringt. Maria Schrader gibt nun mit der Verfilmung des Sachbuchs ihr US-Regie-Debüt.

Eine fast anämische Aneinanderreihung von Begebenheiten

Hollywood, Skandal, Machtmissbrauch. Das hätte auch schnell ein reißerischer Thriller werden können. Doch „She Said“ ist eine erstaunlich nüchterne, fast anämische Aneinanderreihung von Begebenheiten. Der Film lässt vieles aus – es fehlt eine Erklärung, wer Harvey Weinstein überhaupt ist und welche unangreifbare Machtposition er jahrzehntelang in Hollywood innehat – fokussiert sich auf die beiden Journalistinnen: So leidet Megan Twohey beispielsweise nach der Geburt ihres Kindes unter postpartaler* Depression. Schlimm, aber so what, möchte man sagen – eine Information, die weder besonders geschichtsrelevant ist, noch der Figur nachhaltig Tiefe verleiht.

Ein Vergleich drängt sich auf: „She Said“ ist eine MeToo-Variante von „All the President’s Men – Die Unbestechlichen“. Investigativen Journalisten bei der Arbeit zusehen, kann auch spannend sein. Das beweist Alan J. Pakulas Film über die Watergate-Affäre noch heute, fast 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung. Der sehr deutsche Blick von Emmy-Gewinnerin Maria Schrader auf eine US-amerikanische Geschichte ist zwar in Ansätzen erfrischend, doch die Regisseurin verweigert sich in ihrer braven Nacherzählung der Fakten zu sehr den Möglichkeiten des Kinos. Und auch wenn journalistische Recherche im wahren Leben tatsächlich aus vielen Telefonaten bestehen mag: Muss man die alle in einem Kinofilm zeigen?

Kitty Green hat mit „Die Assistentin“ vor zwei Jahren den eindringlicheren und besseren Film zum Thema gemacht.

* Mansplaining mit Framerate: Mit postnatal beschreibt man die Zeit nach der Geburt, bezogen auf das Kind. Mit postpartal hingegen meint man den Zeitraum nach dem Gebären, bezogen auf die Mutter. Somit ist hier die medizinisch korrekte Bezeichnung „Postpartale Depression“.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „She Said“
USA 2022
133 min
Regie Maria Schrader

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

CALL JANE

CALL JANE

Kinostart 01. Dezember 2022

Joy ist schwanger. Doch etwas stimmt nicht. Immer wieder wird ihr schwindlig, verliert sie das Bewusstsein. Der Arzt rät zu einem Schwangerschaftsabbruch, da sonst Lebensgefahr bestehe. Das Problem: Ende der 60er-Jahre sind Abtreibungen in den USA verboten und der rein männlich besetzte Klinikvorstand lehnt den Eingriff ab. Die Lage scheint aussichtslos, bis Joy auf eine illegale Gruppe trifft. Die „Janes“ helfen Frauen, ungewollte Schwangerschaften zu beenden und notfalls vor Gericht zu ziehen. Joy wird Teil des Untergrundkollektivs.

Ein wichtiges Thema, gerade in Zeiten, in denen das Recht auf Abtreibung in vielen Ländern wieder zur Diskussion steht (im Juni diesen Jahres wurde das generelle Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in den USA abgeschafft). Umso bedauerlicher, dass „Call Jane“ nicht richtig packt. Phyllis Nagy, die schon das Drehbuch zu Todd Haynes „Carol“ geschrieben hat, interessiert sich in ihrem Regiedebüt überraschend wenig für die aufkommende Frauen- und Hippiebewegung in den USA. Ihr eher konventioneller, zu netter Film fokussiert sich hauptsächlich auf die Frage: Finden Joys Ehemann und Tochter heraus, dass sich Mutti mit gesetzlosen neuen Freundinnen umgibt?

„Call Jane“ ist solide, gut gespielte, aber letztendlich biedere US-Ware. Einen weitaus besseren Film zum Thema hat die Französin Audrey Diwan mit „Das Ereignis“ gemacht, der im März diesen Jahres in den Kinos lief.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Call Jane“
USA 2022
121 min
Regie Phyllis Nagy

alle Bilder © DCM

ZEITEN DES UMBRUCHS

Kinostart 24. November 2022

Dass ein Schmock wie Ronald Reagan der nächste US-Präsident werden könnte, versetzt Irving Graff (Jeremy Strong) in Unglauben. Der liberale jüdische Familienvater lebt Anfang der 1980er-Jahre in Queens, New York. Mit seiner Frau Esther (Anne Hathaway) hangelt er sich so durch, vom klassischen Wunsch getrieben, die beiden Kinder mögen es „mal besser haben“. Doch Undank ist der Welten Lohn: Sohn Paul (Banks Repeta) ist verträumt und mehr am Zeichnen als an Lehren fürs Leben interessiert. Verständnis findet er nur bei seinem Großvater (Anthony Hopkins), dem einzigen Erwachsenen, auf den der Junge hört.

Der Film findet keinen großen dramatischen Bogen, bleibt skizzenhaft

Wer hat sich nicht schon mal gefragt, ob die eigene Familiengeschichte es nicht wert wäre, aufgeschrieben oder verfilmt zu werden? Da aber die meisten von uns kein Soap-Opera-Leben führen, hielte das Ergebnis den Rest der Menschheit vermutlich nicht in Atem. Und auch die Kindheitserinnerungen von James Gray sind weniger aufregend, als es der Drehbuchautor und Regisseur vermutet. Sein Film findet keinen großen dramatischen Bogen, bleibt skizzenhaft und ist nur mäßig interessant. Ständig wartet man auf einen großen Knall, Gefühle oder Drama, doch es passiert fast nichts. Wenigstens hat er eine fabelhafte Besetzung vor der Kamera versammelt: Neben Jeremy Strong und Anne Hathaway vor allem Anthony Hopkins, der endlich aufgehört hat, drittklassige Thriller fürs Geld zu drehen, und seit „The Father“ wieder zu Bestform zurückgefunden hat.

„Armageddon Time“ – der Originaltitel klingt brachial und vielversprechend. Überraschend, dass sich dahinter eine so fade Familiengeschichte verbirgt. Wie schon zuletzt „Ad Astra – Zu den Sternen“ ist auch Grays neuer Film kein Unterhaltungsfeuerwerk, eher eine Beobachtung von Zuständen. „Zeiten des Umbruchs“ möchte ein bildgewordener Jonathan Franzen-Roman sein: eine ausführliche Beschreibung vom Leben, bei der nicht viel passieren muss, die aber trotzdem fesselt. Das funktioniert bei Franzen auf dem Papier. Kino folgt anderen Regeln. Da können zwei Stunden ohne nennenswerte Geschichte ganz schön lang werden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Armageddon Time“
USA 2022
114 min
Regie  James Gray

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

BONES AND ALL

Kinostart 24. November 2022

Das Rückgrat geknickt,
Die Knochen zerknackt,
Die Schenkel gespickt,
Die Lebern zerhackt.

Joachim Ringelnatz beschreibt in seinem Gedicht „Silvester bei den Kannibalen“ genau wie’s geht. Derlei Anleitung könnte auch Maren gut gebrauchen, denn sie ist seit Kindesbein scharf auf Menschenfleisch. Als sich pünktlich zu ihrem 18. Geburtstag ihr Vater aus dem Staub macht, begibt sie sich auf die Suche nach ihrer verschollen geglaubten Mutter – ein Roadtrip quer durch die Vereinigten Staaten der Reagan-Ära. Unterwegs trifft sie Gleichgesinnte (man kann sich gegenseitig erschnuppern) und findet im Wild Boy Lee ihre erste große Liebe. Liebe unter Kannibalen. Schön.

Regisseur Luca Guadagnino ist ein Meister der Stimmung

„Bones and All“ würde in der modernen Gastronomie wohl „Nose to Tail“ heißen. Denn in der Adaption von Camille Deangelis’ Jugendroman geht es (auf den ersten Blick) genau darum: das Verspeisen von Menschen mit Haut und Haar. Regisseur Luca Guadagnino hat sich dafür erneut Timothée Chalamet vor die Kamera geholt und der macht, was er am besten kann: mit niedlichem Hundeblick unter der Lockenfrisur hervorschauen und sexuelle Ambivalenz verströmen. Sehr putzig auch Oscarpreisträger Mark Rylance als gruselig-irrer Körperfresser mit Prinzipien: Ihm kommen nur bereits Verstorbene auf den Teller. Die Hauptrolle ist mit Taylor Russell besetzt, die schon im sträflich vom Publikum ignorierten Coming-of-Age-Drama „Waves“ begeistern konnte.

Was dem Immobilienmakler „Locatio, Location, Location“, ist für Luca Guadagnino „Mood, Mood, Mood“. Die Filme des italienischen Regisseurs sind in erster Linie perfekt eingefangene Atmosphäre, weniger klassisch erzählte Geschichte. Wer wollte nach „Call Me by Your Name“ nicht sofort die Koffer packen und einen sonnenflirrend verliebten Urlaub im Süden verbringen? Ein Meister der Stimmung also. Mit „Bones and All“ hat er nun einen – sich selbst vielleicht etwas zu ernst nehmenden – romantischen Arthousefilm mit Horrorelementen gedreht. Top besetzt, zwischendurch mit Längen, aber insgesamt sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Bones and All“
Italien / USA 2022
131 min
Regie Luca Guadagnino

alle Bilder © Warner Bros. Pictures (international)

SHATTERED – GEFÄHRLICHE AFFÄRE

Kinostart 24. November 2022

Große Sorge um John Malkovich! Der preisgekrönte Schauspieler ist in finanziellen Schwierigkeiten! Oder warum sonst spielt er in diesem zweitklassigen C-Picture mit?

Die überraschungsfreie Geschichte wird inklusive aller Twits bereits im Trailer verraten: Der in einem Luxusanwesen in den Bergen lebende Tech-Millionär Chris (Cameron Monaghan) verliebt sich in die attraktive Sky (Lilly Krug). Als der bebrillte Beau bei einem Überfall verletzt wird, springt die junge Frau kurzerhand als Privatkrankenschwester ein. Doch die hilfsbereite Fassade täuscht, Sky verfolgt einen perfiden Plan. Natter!

„Shattered“ ist eine Mischung aus „Misery“ und „Fatal Attraction“, nur mit schlechteren Darstellern und überschaubarerem Production Value. Früher landeten solche Filme als Direct-to-DVD in Videotheken, heute werden sie auf Streamingplattformen verheizt. Weshalb es „Shattered“ auf die große Leinwand ins Kino geschafft hat, bleibt rätselhaft. Trotz seiner Schlichtheit in jeder Hinsicht, ist der Thriller wenigstens in der zweiten Hälfte ein bisschen spannend.

Stupid German Money goes Hollywood: Veronica Ferres ist nicht nur die Mutter der Hauptdarstellerin, sondern auch Produzentin des Films und privat mit Malkovich befreundet. Ach so, drum.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Shattered“
USA 2022
94 min
Regie Luis Prieto

alle Bilder © Leonine

LAND OF DREAMS

Kinostart 03. November 2022

Irgendwann in naher Zukunft in New Mexico: Die gebürtige Iranerin Simin arbeitet als Faktenprüferin und „Traumfängerin“ für das US-Zensusbüro. Ihre Aufgabe besteht darin, von Haus zu Haus zu gehen und die Menschen nach ihren Träumen zu befragen. In ihrer eigenen Wohnung verkleidet sie sich abends als die Personen, die sie interviewt hat, und übersetzt deren Traumaussagen ins Farsi. Diese Performance lädt sie dann online auf einer Social-Media-Plattform hoch. Klingt nach Kunst? Ist es auch.

Sanfte Anleihen bei Luis Buñuel und deutlichere Anleihen bei David Lynch machen „Land of Dreams“ vor allem visuell interessant. Mit prominenten Schauspielern wie Matt Dillon (als zynischer Bodyguard) und Isabella Rossellini, die covidbedingt nur eine Gastrolle per Monitorzuschaltung hat, erzählt die Regisseurin Shirin Neshat (Co-Regie: Shoja Azari) eine surreale Geschichte, die sich in 113 Minuten etwas zu lang entfaltet. Trotz des überbetonten Themas vom „Staat, der die Träume seiner Bürger kontrollieren will“, sind es die poetischen Bilder und die Musik von Michael Brook, die „Land of Dreams“ sehenswert machen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Land of Dreams“
Deutschland / USA 2021
113 min
Regie Shirin Neshat und Shoja Azari

alle Bilder © W-Film

AMSTERDAM

Kinostart 03. November 2022

Anstrengend! Überladen! Nicht so clever, wie er glaubt zu sein! Selten wurden große Stars derart verheizt! Keine Chemie! Totalausfall! Die Kritik ist sich in ihrem vernichtenden Urteil ziemlich einig: David O. Russells neuer Film ist ein kolossaler Flop.

Drama, Screwball-Komödie, Thriller

Die Geschichte von den beiden verwundeten Soldaten, die am Ende des Ersten Weltkriegs eine Krankenschwester kennenlernen, um dann mit ihr gemeinsam eine unvergessliche Jules und Jim-Zeit in Amsterdam zu verbringen, sei von Anfang an von allem zu viel. Drama, Screwball-Komödie, Thriller, Kriegsfilm: Wie soll das zusammenpassen? Erst als sich die Handlung ins New York der 1930er-Jahre verlegt und die drei Freunde einer (wahren) Verschwörung auf die Spur kommen, die das Schicksal der ganzen Welt beeinflussen könnte, finde der Film Tritt, aber dann sei es schon zu spät. So die seltsame, nicht nachvollziehbare Meinung der Kritiker.

Der Film erzählt eine Geschichte – und dass die mal lustig, mal dramatisch ist und auch einmal kurz im Krieg spielt – na und? Sicher, ein paar Kürzungen hätten nicht geschadet, denn 134 Minuten klingen nicht nur lang, sie sind es auch. Aber sich über eine abwechslungsreiche Handlung zu echauffieren, das klingt eher wie eine persönliche Abrechnung mit dem Regisseur.

„Amsterdam“ beginnt stark, schwächelt ein bisschen in der Mitte und fängt sich dann wieder zum Ende. Die Namen aller mitspielenden Stars aufzulisten, würde zu weit führen, aber Christian Bale, John David Washington, Margot Robbie und Chris Rock seien genannt. Und natürlich Robert DeNiro, Rami Malek und Anya Taylor-Joy. Und nicht zu vergessen Taylor Swift. Russel hat große Namen zusammengetrommelt und liefert einen stellenweise lustigen, fast hitchcockschen Thriller mit herausragender Ausstattung, toller Kamera und einem spielfreudigen Mega-Cast.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Amsterdam“
USA 2022
134 min
Regie David O. Russell 

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

BROS

Kinostart 27. Oktober 2022

„Bros“ ist leider kein Biopic über die gleichnamige britische Boygroup aus den 1980er-Jahren (When Will I Be Famous?), sondern eine nervige Gay-Rom-Com aus den USA.

Die im Stil einer 80er/90er-Jahre-Liebeskomödie gedrehte Satire auf eine Liebeskomödie aus den 80er/90er-Jahren leidet vor allem unter ihrer unsympathischen Hauptfigur. Bobby (Billy Eichner) ist ein dauersabbelnder Besserwisser, der sich nicht binden kann oder will. Eines Abends lernt er in einem Club den attraktiven Anwalt Aaron kennen. Der ist ein genauso großer Beziehungsmuffel, und so dauert es eine Weile, ehe die beiden zueinanderfinden. Auf dem Weg ins Glück wird pausenlos geredet. Geredet und geredet. Die eigentlich charmante Geschichte erstickt an ihrer penetranten Geschwätzigkeit, es ist kaum auszuhalten.

Ja, es gibt schon ein paar witzige Dialoge über straight actors, die in Hollywoodfilmen schwule Charaktere spielen, nur um einen Oscar zu gewinnen. Und auch der Gastauftritt von Debra Messing als Debra Messing hat komisches Potenzial. Doch die guten Szenen aus dem schwulen Alltag eines New Yorker Museumsdirektors werden unter einem Berg von zwanghafter LGBTQ+-political-correctness begraben. Dazwischen ein paar explizite Sexszenen, die leider auch noch lustig sein sollen – es aber größtenteils nicht sind.

Regisseur Billy Eichner macht Homophobie für den Kassenflop seines Films in den USA verantwortlich

„Bros“ will romantische Komödie, Satire, politisches Statement und LGBTQ+-Geschichtsstunde sein. Unter der Last geht dem Film bald die Puste aus und was anfangs noch für ein paar Lacher sorgt (wie die peinvollen Grindr-Dates der Hauptfigur), zieht sich ab der zweiten Hälfte furchtbar in die Länge. Zum Glück sind die Geschmäcker verschieden. Aber der einhellige Tenor nach der Pressevorführung überrascht dann doch: Wunderbar! Köstlich! Wahnsinnig lustig! Da fragt man sich: Haben die den gleichen Film gesehen?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Bros“
USA 2022
115 min
Regie Nicholas Stoller

alle Bilder © Universal Picture International Germany

BLACK ADAM

Kinostart 20. Oktober 2022

„Black Adam“ ist ein typischer DC-Superheldenfilm. Kenner der Materie wissen, was das bedeutet. Es gibt viele Kampfszenen in Slow Motion, Blitz und Donner in Videogameoptik und ein paar lachhafte Kostümierungen. Und gerade als man denkt, es sei vorbei, geht es noch eine halbe Stunde weiter.

Dr. Strange oder Dr. Fate? Ant-Man oder Atom Smasher? Cyclone oder Storm? Handlung und Figuren kommen einem aus diversen X-Men und Marvelfilmen vage bekannt vor. Doch bei der Unmenge an Halbgöttern mit Superkräften, die sich mittlerweile auf der Leinwand tummelt, behält ohnehin nur der eingefleischte Nerd den Überblick.

Doofe Unterhaltung, aber nicht der schlechteste DC-Film aller Zeiten. Mehr Lob geht beim besten Willen nicht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Black Adam“
USA 2022
130 min
Regie Jaume Collet-Serral

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

HALLOWEEN ENDS

Kinostart 13. Oktober 2022

Zeit heilt alle Wunden und wenn Du nicht darüber sprechen willst, dann zünde einen Kürbis an oder schreib ein Buch. Gesagt, getan. Die ewige Screamqueen Laurie (Jamie Lee Curtis) verarbeitet ihre fast 45 Jahre währende Geschichte mit Michael Myers in selbstgetippten Memoiren, Bestseller garantiert. Vier Jahre nach den Ereignissen von „Halloween Kills“ scheint der maskierte Serienkiller spurlos verschwunden zu sein. Doch als der junge Babysitter Corey versehentlich einen kleinen (und ausgesprochen nervigen) Jungen tötet (Es war ein UNFALL, euer Ehren!), zeigt das Städtchen Haddonfield seine hässliche Fratze. Corey wird trotz Freispruchs gemobbt, wo er geht und steht. Was all das mit Michael Myers zu tun hat? Berechtigte Frage, denn es dauert eine ganze Weile, bis der in die Handlung zurückfindet und wieder das Metzelmesser schwingen darf.

Was man dem Film anrechnen muss: Trotz unzähliger Persiflagen und Kopien in den letzten Jahrzehnten ist „Halloween Ends“ ein überraschend gut funktionierendes, effektvolles Stück Horrorkino geworden. Als trashiger Slasherfilm hat er alle Zutaten, die man von diesem Genre erwarten darf: ausreichend Schockmomente, ein bisschen selbstironischen Humor, nostalgische Flashbacks auf die Anfänge der Halloween-Saga und viel, viel Blut. Auch wenn sich die Geschichte vor allem in der ersten Hälfte weit vom klassischen Halloween-Franchise entfernt und sich dabei großzügig bei allerlei anderen Horrorklassikern bedient, ist es doch erfrischend, mal einer originellen Handlung zu folgen, die mehr als das typische Abarbeiten des „Zehn kleine Jägermeister“-Klischees zu bieten hat.

Am Ende (SPOILER!) ist Michael Myers dann aber wirklich und endgültig tot. Oder?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Halloween Ends“
USA 2022
111 min
Regie David Gordon Green

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

NOPE

Kinostart 11. August 2022

Schon wieder drei Sterne! Lang-wei-lig!! Aber wie sonst soll Freude über die erste und zunehmender Frust über die zweite Hälfte eines Films bewertet werden? Irgendwas zwischen zwei und vier? Eben.

Worum es geht, verrät bereits der Trailer, der ein einziger großer Spoiler ist. Kurz gefasst: OJ und seine Schwester Emerald betreiben eine Farm, auf der sie Pferde für Hollywoodproduktionen trainieren. Eines Tages macht OJ eine beunruhigende Entdeckung am Himmel. So weit, so „Unheimliche Begegnung der dritten Art“.

„Nope“ nimmt sich viel Zeit, Spannung aufzubauen. Unwohlsein und die Ahnung, dass gleich etwas Entsetzliches passieren wird, kriechen den Nacken hoch. Problematisch nur, wenn all die aufgebaute Spannung immer wieder verpufft.

Jordan Peele gehört zu den interessantesten neuen Regisseuren Hollywoods, droht mit seinem dritten Spielfilm aber einen ähnlichen Weg wie der einstmals gefeierte M. Night Shyamalan einzuschlagen. Peeles Filme sind zwar um Längen cooler und besser inszeniert als beispielsweise „Old“ (oder fast alle anderen Filme Shyamalans), aber das Einzelkämpfertum – Drehbuch, Produktion und Regie aus einer Hand – tut der Sache nicht immer gut. Vor allem der Story hätten noch ein bisschen Feintuning und Straffung nicht geschadet. Zu Anfang gibt es eine besonders schön schreckliche Szene mit einem Schimpansen im Fernsehstudio. Diese und eine spätere Rückblende darauf sind für sich genommen schockierende Szenen mit echtem Horror. Im Gesamtfilm wirken sie aber wie ein Fremdkörper und haben nur sehr bedingt mit der restlichen Handlung zu tun.

So lässt „Nope“ mit gemischten Gefühlen zurück: Lob für die originelle Idee, die Besetzung und den tollen IMAX-Look. Doch das teils unausgegorene Drehbuch und das schwache Ende trüben den Spaß. Eine Empfehlung mit Einschränkung.

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Originaltitel „Nope“
USA 2022
130 min
Regie Jordan Peele

alle Bilder © Universal Pictures

BULLET TRAIN

Kinostart 04. August 2022

Wozu mit langen Inhaltsangaben aufhalten, wenn es der Klappentext der Romanvorlage perfekt zusammenfasst: Ein Zug. Fünf Killer. Ein Koffer voller Geld.

Und noch ein typischer Guy-Ritchie-Film, den Guy Ritchie nicht gedreht hat. Das Beste an der Highspeed-Action-Komödie in einem japanischen Schnellzug ist zweifelsohne Brad Pitt als Auftragskiller in Existenzkrise. Regisseur David Leitch bleibt seinem überdrehten Comicstil aus „Atomic Blonde“ und „Deadpool 2“ treu und deckt die ganze Bandbreite von ziemlich lustig bis absolut dämlich ab. „Bullet Train“ ist ein blutiges Gemetzel mit hohem Bodycount, kombiniert mit Selbstironie. Das ist nun wirklich nichts Neues, in diesem Tempo aber wenigstens unterhaltsam.

Dank halbwegs interessanter Charaktere und Dialogen aus dem Tarantino-Handbuch nicht ganz so hirnlos wie befürchtet, aber auch längst nicht so clever, wie es die Macher glauben. Slapstickhaftes Popcornkino für zwei Stunden Eskapismus.

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Originaltitel „Bullet Train“
USA 2022
126 min
Regie David Leitch

alle Bilder © Sony Pictures

ELVIS

Kinostart 23. Juni 2022

Er war Superstar
Er war populär
Er war so exaltiert
Because er hatte Flair
Er war der wahre King, der größte Rock’n Roll Star aller Zeiten.
Bis heute hat kein Solokünstler mehr Musikträger verkauft als Elvis Presley.

Baz Luhrmann ist einer der Regisseure, deren Handschrift man schon nach wenigen Einstellungen erkennt. Diesmal dauert es nicht einmal eine Sekunde, denn schon das diamantenfunkelnde 3D-Logo von Warner Brothers zeigt, wohin die Reise geht. Getreu dem Liberace-Motto „Too much of a good thing is wonderful“ schöpft der Regisseur aus dem Vollen. Alles ist überinszeniert, gefiltert und auf maximale Wirkung inszeniert. Wer Luhrmanns Arbeiten kennt, weiß, dass bei ihm Form vor Inhalt geht. Das sieht alles erwartungsgemäß toll aus, Catherine Martins Kostüme und das Produktionsdesign sind eine Hommage an Presleys Blütezeit von den 1950er bis zu den 1970er-Jahren.

Doch unter all dem Glamour und Glitter verbirgt sich eine komplexe Geschichte. Der Film beleuchtet das Leben und die Musik des Superstars durch das Prisma seiner schwierigen Beziehung zu seinem berüchtigten Manager Colonel Tom Parker, mit reichlich Fettprothesen schön ölig von Tom Hanks gespielt.

Egal, ob man Luhrmanns trailerartiges Schnittgewitter nun mag oder nicht, sein opulentes Biopic ist vor allem eins: A superstar in the making. Austin Butler gibt mit sexueller Dynamik alles, shakes, rattles and rolls mit so viel Hingabe, dass er nach Ende der Dreharbeiten für zwei Wochen mit Erschöpfungssymptomen ins Krankenhaus musste. All die Mühe hat sich gelohnt, denn sogar Elvis-Witwe Priscilla ist begeistert: Kein anderer Film habe „Elvis jemals besser dargestellt“ als dieser.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Elvis“
USA 2022
159 min
Regie Baz Luhrmann

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

PRESS PLAY AND LOVE AGAIN

Kinostart 16. Juni 2022

Eine berühmte Anekdote: Billy Wilder erzählte einmal, er habe im Schlaf immer die besten Drehbuchideen. Eines Nachts machte er sich nach einem besonders lebhaften Traum Notizen. Als er am nächsten Morgen den Zettel las, stand da: Boy meets girl.
So ähnlich muss auch das Drehbuch zu „Press Play and Love again“ entstanden sein.

Laura verliebt sich in Harrison. Harrison macht Laura ein Mixtape. Harrison stirbt (sorry, SPOILER). Laura hört sich ein paar Jahre später die Musikkassette an und wird wie durch Zauberhand in die Vergangenheit zurückgeschleudert. Zukunfts-Laura versucht Vergangenheits-Harrison zu retten.

Multiversum ist gerade das neue Schwarz. Warum nicht eine banale Lovestory mit Zeitreise und verschiedenen Schicksalsvarianten kreuzen? Kann man machen, sollte nur abgedrehter umgesetzt werden. „Everything Everywhere All at Once“ und „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ zeigen gerade, wie es richtig geht. Greg Björkmans Film ist seichte Konfektionsware, erinnert in seinen besten Momenten an eine laue Black-Mirror-Episode. Zu vorhersehbar spult sich die Geschichte ab, die beiden Hauptdarsteller Clara Rugaard und Lewis Pullman sind blass und langweilig. Dass der Film von der ersten bis zur letzten Minute mit klimpriger Musik zugekleistert ist, macht das Ganze auch nicht besser. Einzig die Location entschädigt: Die hawaiianische Insel Oahu sieht gut aus, da könnte man auch mal hin.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Press Play“
USA 2022
85 min
Regie Greg Björkman

alle Bilder © splendid film

LIGHTYEAR

Kinostart 16. Juni 2022

Dass wir in düsteren Zeiten leben, zeigt folgende Meldung: In Saudi-Arabien wird „Lightyear“ verboten, weil er einen Kuss zwischen zwei Frauen zeigt. Herr im Himmel!

Jetzt wird’s kompliziert: „Lightyear“ ist weder Prequel oder Sequel, sondern ein Film im Film. In „Toy Story“ besitzt der Junge Andy ein Spielzeug namens Buzz Lightyear. Diese Actionfigur basiert auf dem Kinofilm „Lightyear“, der in der fiktiven Toy-Story-Welt ein Kassenschlager war. Franchise auf Metaebene sozusagen.

Man muss das alles nicht verstehen und auch die Pixar-Trilogie muss man nicht kennen, um an „Lightyear“ großen Spaß zu haben. Für Nerds gibt es unzählige Zitate und Querverweise auf beinahe alle Science-Fiction-Klassiker der Filmgeschichte, von Alien über Kampfstern Galactica, bis zu 2001, Star Wars und Trek. Doch auch ohne Hintergrundwissen bietet die Geschichte vom zeitreisenden Space Ranger und seiner Trümmertruppe den Zuschauern jede Menge Spannung, Herz und Humor.
Kein neuer Pixar-Klassiker, aber sehr gut gemachte Unterhaltung. Diese Woche der mit Abstand empfehlenswerteste Filmstart.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Lightyear“
USA 2022
105 min
Regie Angus MacLane

alle Bilder © Walt Disney Motion Pictures Germany

TOP GUN: MAVERICK

Kinostart 26. Mai 2022

36 Jahre später setzt sich Tom Cruise noch einmal die Ray-Ban auf die Nase, bleckt die Zähne und steigt – pünktlich zu Christi Himmelfahrt – mit seinem Kampfjet in die Stratosphäre auf.

Der ewige Testpilot Pete „Maverick“ Mitchell wird nach einem Streit mit seinem Vorgesetzten an seine alte Ausbildungsstätte strafversetzt. Dort soll er die zehn besten Top-Gun-Absolventen auf eine gefährliche Spezialmission vorbereiten. Angriff auf den Todesstern: Für ihren Einsatz müssen die Piloten eine langgezogene Schlucht in einer maximalen Höhe von 30 Metern durchfliegen, um dann ein unterirdisches Uranlager in die Luft zu jagen, und zwar schnell genug, bevor irgendjemand sie bemerkt und abschießt.

Nach mehreren covidbedingten Verschiebungen ist „Top Gun: Maverick“ endlich startklar und enttäuscht nicht. Cheesy 80er-Jahre-Synthiepop (Harold Faltermeyer hat den Soundtrack komponiert), echte Helden (plus eine Quotenheldin) und großes Pathos – die verbesserte Kopie des Originalfilms hat alles, was die Fans begehren.

Marvel-Superhelden-Filme seien „wie ein Besuch im Vergnügungspark“ , meckerte Martin Scorsese vor Kurzem – diese vermeintliche Kritik trifft hier ins Schwarze: „TG:M“ ist eine 130 Minuten lange Achterbahnfahrt mit jeder Menge Nervenkitzel und Adrenalin. Die Geschichte ist zwar vorhersehbar – das Uranlager ist nur ein klassischer MacGuffin, um möglichst spektakuläre Actionszenen zu rechtfertigen – und natürlich sieht das ganze zackige Salutieren wie ein Werbeporno für die US-Navy aus, doch das tut dem Spaß keinen Abbruch.

Alles richtig gemacht, „Top Gun: Maverick“ ist ein klassischer Actionfilm nach alter Schule. Wenn schon Sequels, dann bitte schön so. Selbst eingefleischte Pazifisten dürften an der waghalsigen Luftnummer ihre Freude haben.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Top Gun: Maverick“
USA 2021
130 min
Regie Joseph Kosinski

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

ONE OF THESE DAYS

Kinostart 19. Mai 2022

Nichts Geringeres als das in der US-amerikanischen Verfassung verankerte Streben nach Glück („Pursuit Of Happiness“) steht im Mittelpunkt einer Produktion, die – Corona sei schuld – erst zwei Jahre nach ihrem Berlinale-Erfolg ins reguläre Kino kommt: „One Of These Days“ – ein eindringliches Filmdrama um eine kuriose Kompetition, das auf wahren Begebenheiten basiert.

Alle Jahre wieder veranstaltet ein Autohaus in der texanischen Provinz seinen beliebten Ausdauerwettbewerb, bei dem zwanzig Menschen buchstäblich Händchen halten müssen – mit einem Pick-up. Der Gewinn ist zum Greifen nah, denn eben dieser Truck gebührt dem Ausdauerndsten, was dubiose Glücksritter anzieht, Späthippies oder verzweifelte Underdogs wie den jungen Familienvater Kyle (Joe Cole). Ein klassischer Antiheld, der im Durchhalten um jeden Preis seine einzige Chance auf ein vermeintlich besseres Leben sieht.

Die deutsch-amerikanische Ko-Produktion ist spätestens dann mehr als nur statisches Kammerspiel auf einem Parkplatz, wenn die Kamera die Protagonisten auch in ihre Pinkelpausen begleitet oder ins traute Heim. Wie das von Mittfünfzigerin Joan Riley (Carrie Preston), die als unermüdliches Missing Link zwischen Teilnehmern und Publikum des PR-Rummels fungiert – und in jeglicher Hinsicht als rechte Hand ihres verheirateten Chefs.

Mit einem hervorragend besetzten Ensemblefilm zeigt Wahlamerikaner Bastian Günther in Realityformat menschliche Tragödien von grenzenloser Gier und Sozialdarwinismus im Stil von „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“. Zunächst chronologisch erzählt, springt die Handlung zuletzt in die jüngere Vorvergangenheit zurück, was dem Unhappy Ending des Films eine bitter-süße Note verleiht und die abgedroschene Weisheit, der Weg sei das Ziel, unwiderruflich ad absurdum führt.

Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „One Of These Days“
Deutschland / USA 2022
120 min
Regie Bastian Günther

alle Bilder © Weltkino Filmverleih

DOG

Kinostart 19. Mai 2022

Channing Tatum legt mit „Dog“ seine erste Regiearbeit vor. Besonders mutig ist er dabei nicht, denn sein Film ist ein simpel gestricktes Roadmovie.

Ex-Army Ranger Jackson Briggs (Tatum) und Lulu (ein belgischer Schäferhund) haben es eilig, sie müssen es rechtzeitig zur Beerdigung eines Kameraden und Lulus Herrchen schaffen. Die beiden haben ohnehin nichts Besseres vor: Briggs ist arbeitslos, leidet unter den Folgen einer Kriegsverletzung und Lulu steht kurz davor, eingeschläfert zu werden. Die für Kriegseinsätze trainierte Hündin hat sich seit dem Tod ihres Herrchens in ein beißwütiges Ungeheuer verwandelt, das am besten mit Maulkorb in einen Käfig gesperrt bleibt. Briggs und Lulu gehen sich – wie es sich für eine klassische Romcom gehört – zunächst gehörig auf die Nerven. Während ihrer Reise treffen die beiden dann auf allerlei skurrile Mitmenschen, die einer nach dem anderen dazu beitragen, dass sich Hündin und Herrchen näher kommen. SPOILER: Am Ende des Roadtrips sind die beiden zu unzertrennlichen best buddies geworden.

„Dog“ erzählt die Geschichte zweier vom Krieg traumatisierter Lebewesen. Doch das unausgewogene Drehbuch wird dem Thema nicht gerecht. Besonders störend ist der oft unangebrachte Humor. Channing Tatum überzeugt zwar mit jeder Menge Charme, doch die Story bleibt zu oberflächlich und zu allem Übel hat Hund Lulu trotz des Namens keinerlei Lobi-Qualitäten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Dog“
USA 2021
97 min
Regie Channing Tatum & Reid Carolin

alle Bilder © Leonine

X

Kinostart 19. Mai 2022

„Lustig!“ ist vielleicht nicht die Antwort, die die Mitarbeiterin des Verleihs auf ihre Frage, wie der Film gefallen habe, hören wollte. Vielleicht: Schockierend? Unheimlich? Düster? All das ist „X“ natürlich auch. Aber wenn sehr alte Menschen während eines Pornodrehs zu blutrünstigen Killern werden, dann ist das eben auch lustig.

Texas, Ende der 1970er-Jahre. Ein Independent-Filmteam will auf einer abgeschiedenen Farm in the middle of nowhere einen Film für Erwachsene drehen: „The Framer’s Daughter“. Doch schon die Begrüßung vor Ort fällt ausgesprochen feindselig aus: Mit geladenem Gewehr zeigen die greisen Vermieter deutlich ihre Abneigung gegen die „Städter“. Als das unheimliche Ehepaar dem pornographischen Treiben seiner Gäste auf die Spur kommt, hat das blutige Konsequenzen.

„X“ ist sowohl eine Hommage als auch eine gelungene Neuinterpretation klassischer Slasher- und Horrorfilme mit einer gehörigen Prise Arthouse. Dank zurückgenommenem Erzähltempo kann sich die Spannung immer weiter aufbauen, bevor das unvermeidliche Gemetzel beginnt. Die Gewaltszenen sind zwar blutig, aber nicht so widerlich, dass sensible Zuschauer schreiend den Saal verlassen müssen. Immer wieder gibt es Momente der Komik, was den Film wohltuend von den üblichen Schlachteplatten des Genres abhebt. Wem der Sinn nach gut gemachtem Retrosplatter steht, sollte sich „X“ nicht entgehen lassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „X“
USA 2022
105 min
Regie Ti West

alle Bilder © Capelight Pictures

THE LOST CITY

Kinostart 21. April 2022

Sympathisch, sexy und etwas verpeilt erscheint Sandra Bullock seit Jahrzehnten in vorwiegend romantisch-komödiantischen, gelegentlich auch genreabweichenden Rollen, bedankt mit einem Dauerstatus als Everybody‘s Darling und 2010 sowohl einem Oscar® als auch der Goldenen Himbeere. Umso größer das Erstaunen, als sie unlängst ihren Abschied von der Leinwand verkündete, um sich als Vollzeitmutti neuen Herausforderungen zu stellen. Ihren Schwanengesang gibt es ab 21. April zu sehen: „The Lost City – das Geheimnis der verlorenen Stadt“.

Der Inhalt der Actionkomödie ist schnell erzählt: Erfolgreiche Autorin von Historienschnulzen wird von bemacktem Milliardär gekidnappt, um auf exotischer Insel antiken Schatz zu suchen. Mit dabei ein pinker Pailletten-Jumpsuit, Mörder-Highheels und das ebenso dschungeluntaugliche Buchcovermodel Alan – gespielt von Channing Tatum.

Wo in „Magic Mike“ noch Schamtücher die Männlichkeit bedeckten, fallen unter der Regie von Adam und Aaron Nee alle Hüllen, wenn Sandra Bullock in peinlichen Posen ihrem Co-Darsteller Blutegel vom gestählten Körper pult. Zwar macht die 57-Jährige dabei eine mindestens ebenso knackige Figur, doch möchte man vor lauter Fremdscham kaum noch auf die Leinwand sehen.

Neben einem wenig zauberhaften Daniel Radcliffe verstärkt Brad Pitt in einem vorbeigehuschten Auftritt den Cast, was das Spektakel auch nicht mehr retten kann. Leider ist die vorhersehbare Klamotte keine Persiflage aufs Genre, sondern nur ein 112-minütiges Déjà-vu. Bleibt zu hoffen, dass dieses unwürdige Karrierefinale Sandra Bullock zu einem baldigen Wiedergutmachungs-Comeback bewegt.

Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Lost City“
USA 2022
112 min
Regie Adam & Aaron Nee

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

RED ROCKET

RED ROCKET

Kinostart 14. April 2022

Man sollte einen Film nie nach seinem Plakat beurteilen. Trotz des dümmlichen Motivs (siehe unten) ist „Red Rocket“ keinesfalls Popcornkino für Menstrip-Groupies und Fans neckischer Beziehungskomödien – auch mit Waschbrettbäuchen lassen sich durchaus andere Geschichten erzählen.

Mikey Saber (Simon Rex) ist ein Mann im besten Alter, was in der Erwachsenenfilmbranche so viel bedeutet wie Frührentner. Pleite und perspektivlos kehrt er nach Jahrzehnten in seine texanische Heimatstadt zu Noch-Ehefrau Lexi (Suzanne Son) zurück. Dort übernimmt er flugs die örtliche Drogenversorgung und kommt mithilfe kleiner blauer Pillen seinen ehelichen Pflichten nach. Auch bei der minderjährigen Donut-Verkäuferin „Strawberry“ (Bree Elrod) macht der Mittvierziger einen auf dicke Hose und träumt langfristig von einem Film-Comeback als Agent des frühreifen Naturtalents.

Nach dem oscarnominierten Werk „The Florida Project“ kehrt Indie-Regisseur Sean Baker auch mit seinem neuesten Film wieder an den Rand der Gesellschaft zurück. In 16-mm-Aufnahmen im Stil der 70er kommt die fast schon dokumentarische Inszenierung größtenteils ohne Sozialromantik aus. Poppig untermalt mit Musik von *NSYNC, dazu aufschlauende Fakten aus der Pornoindustrie und Wissenswertes über Donut-Toppings.

Absoluter Besetzungscoup ist Hauptdarsteller Simon Rex, dessen eigene Karriere Pate für die Story gestanden haben könnte. Nicht zuletzt dank seiner chronisch gut gelaunten Unbekümmertheit ist „Red Rocket“ keine der üblichen Milieustudien des White Trashs, vielmehr eine post-pornografische Tragikomödie ohne sittliche Ansprüche. Denn die Moral von der Geschicht? Es gibt sie nicht.

Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Red Rocket“
USA 2021
130 min
Regie Sean Baker

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

MORBIUS

MORBIUS

Kinostart 31. März 2022

Selten hat ein Film im Vorfeld größere Probleme mit sich rumgeschleppt als „Morbius“. Wieder und wieder wurde der Starttermin verschoben. Jared Leto spielt die Titelrolle – auch keine unbedingte Qualitätsgarantie (Never forget: „House of Gucci“). Und dass das Embargo für Berichterstattungen bis wenige Stunden vor dem Kinostart bestehen bleibt, ist normalerweise sicheres Indiz für eine filmische Vollkatastrophe.

Dr. Michael Morbius (Jared Leto) leidet seit seiner Geburt an einer seltenen Blutkrankheit. Er macht es zu seiner Lebensaufgabe, andere zu retten, die dasselbe Schicksal teilen. Indem er die menschliche DNA mit der von Fledermäusen vermischt, gelingt ihm das Unglaubliche: Sein geschwächter Körper erholt sich in Sekundenschnelle und er entwickelt Superkräfte. Unangenehmer Nebeneffekt: Er braucht jede Menge frisches Blut. Fledermaus-DNA halt. Isso. Kann man leider rein gar nichts machen.

Abgesehen von großen strukturellen Problemen – zwischendurch scheinen immer wieder Handlungsblöcke herausgeschnitten worden zu sein – und abscheulichen Spezialeffekten – die meisten Szenen sind unter einem grotesken Haufen hysterischer Partikelströme begraben – ist der neueste Teil von Sonys Spider-Man-Universe einen winzigen Hauch besser als befürchtet und somit auch nicht schlechter als „Venom“.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Morbius“
USA 2021
112 min
Regie Daniel Espinosa

alle Bilder © Sony Pictures

AMBULANCE

AMBULANCE

Kinostart 24. März 2022

Mehr, mehr, immer mehr: Michael Bay liefert mit „Ambulance“ einen weiteren größer-lauter-schneller-Actionfilm ab, der beim Zuschauer nach spätestens 10 Minuten pochenden Kopfschmerz auslöst. „Shut the fuck up“ brüllt die Hauptdarstellerin zweimal während des Films. Leider folgt niemand ihrem Wunsch.

Die ungleichen Brüder Will und Danny planen einen 32-Millionen-Dollar-Bankraub in LA. Der eine braucht das Geld, um seine kranke Frau zu retten, der andere ist Verbrecher aus Leidenschaft. Doch als der Überfall spektakulär schief geht, entführen die beiden einen Krankenwagen mit einem schwer verwundeten Polizisten und der Rettungssanitäterin Cam an Bord. In einer irrwitzigen Verfolgungsjagd versuchen Will und Danny dem massiven Polizeieinsatz zu entkommen.

Bay nutzt seit Jahren die gleichen Zutaten: Heroische Shots von unten, güldenes Sonnenlicht in Spiegelfassaden, markerschütternde Musik zu einfach jeder Szene und eine komplett entfesselte, vom Himmel herabstürzende Kamera. Neben permanentem Wackeln und Zoomen wird auch noch die belangloseste Dialogszene mindestens 670 Millionen Mal unterschnitten. Ein spektakulärer Autocrash folgt auf den nächsten, die immer grotesker werdende Verfolgungsjagd erinnert bald an eine Slapstickszene aus „Die nackte Kanone“ – das ist oft komisch, wenn auch unfreiwillig.

Fast and Furious mit Krankenwagen. Der adrenalingeschwängerte Bilderrausch kaschiert die dünne Story nur mühsam. Besonders enervierend: Die banalen Dialoge werden fast durchweg schreiend vorgetragen – wer nichts zu sagen hat, wird eben laut. Passend dazu schaltet Hauptdarsteller Jake Gyllenhal in full Nicolas Cage-Modus – sein overacting passt zum immer hysterischer werdenden Inszenierungsstil Bays.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ambulance“
USA 2021
133 min
Regie Michael Bay

alle Bilder © Universal Pictures Germany