TED BUNDY: NO MAN OF GOD

TED BUNDY: NO MAN OF GOD

Als sie das Drehbuch zugeschickt bekommt, fragt sich Regisseurin Amber Sealey zu Recht: „Warum wollen die noch einen Ted-Bundy-Film machen?!“, gibt es doch mittlerweile unzählige Spiel- und Dokumentarfilme, die sich mit dem Leben des Serienkillers auseinandersetzen. Bundy vergewaltigte und tötete laut eigener Aussage mehr als 30 Frauen und Mädchen. Bill Hagmaier, einer der ersten Profiler, die dazu ausgebildet wurden, psychologische Täterprofile von Serienmördern zu erstellen, sollte im Auftrag des FBI den zum Tode Verurteilten zum Reden bringen. Das Interview zog sich über fünf Jahre, die Tonbandaufzeichnungen lieferten später die Vorlage für den Bestseller „Ted Bundy: Conversations with a Killer“.

„Ted Bundy: No Man of God“ ist ein Kammerspiel: Die meisten Szenen finden im Verhörraum statt. Bundy strahlt eine subtile Bösartigkeit aus, der sich Hagmaier kaum entziehen kann. Ein wenig erinnert das Katz- und Mausspiel an Hannibal Lecter und Clarice Starling. Elijah Wood spielt Hagmaier mit einer unaufdringlichen Energie, sanft und großäugig. Luke Kirby, der dem echten Bundy frappierend ähnlich sieht, verkörpert die Manierismen und Sprache des Mörders hervorragend. Obwohl sich einige der Interviewszenen unnötig in die Länge ziehen, bleibt die Spannung dank der schauspielerischen Leistungen durchweg erhalten. Regisseurin Amber Sealey versteht es, ihre weibliche Sicht unaufdringlich in den Film einzuweben. Manchmal verharrt die Kamera wie nebenbei kurz auf einer Frau am Rande einer Einstellung – eine Statistin auf dem Bürgersteig, in einem Auto, in einem Flur – als leise Erinnerung daran, dass in Filmen über männliche Serienmörder die Opfer oft vergessen werden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „No Man of God“
USA 2021
100 min
Regie Amber Sealey
Kinostart 23. September 2021

alle Bilder © Central Film

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE 10 RINGS

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE 10 RINGS

Dass es Marvel mit dem asiatischen Markt ernst meint, beweist schon die Anfangsszene: Da wird gefühlt 20 Minuten lang ausschließlich Mandarin mit Untertiteln gesprochen. Eine kleine Sensation für einen US-Blockbuster.

„Shang-Chi“ erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sich dem Einfluss seines Vaters entziehen möchte, einem der mächtigsten Verbrecher der Welt. Es geht um Familie, Trauer und natürlich wie immer bei Marvel um Heldenbildung. So wie zuletzt „Black Panther“ die schwarze, integriert nun „Shang-Chi“ die asiatische Community ins Superhelden-Universum.

Der neue Marvel-Film ist Teil der PHASE IV (Nichtkenner lesen jetzt sowieso nicht weiter) und bläst kräftig frischen Wind ins MCU. „Shang-Chi and the Legend of the 10 Rings“ besticht durch eine wilde Mischung aus Martial-Arts und Fantasy. Die furiosen Kampfszenen (vor allem in einem Bus und später auf einem wackligen Hochhausgerüst) sind perfekt choreografiert und bereiten großen Spaß. „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ auf Speed. Wie üblich bei Marvel, ist der dritte Akt mit seiner kopfschmerzerzeugenden CGI-Schlacht der uninteressanteste Teil des Films. Dafür gibt es ein unerwartetes Wiedersehen mit Fuchur, dem Glücksdrachen aus der unendlichen Geschichte … Oder zumindest einem engen Verwandten.

Obwohl die 133 Minuten Laufzeit ein paar Längen haben, ist „Shang-Chi“ visuell aufregendes, äußerst unterhaltsames Überwältigungskino. Und das Sitzenbleiben bis zum Ende des Abspanns lohnt sich: die beiden After-Credit-Szenen machen schon mal Appetit auf die nächsten Marvel-Abenteuer.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Shang-Chi and the Legend of the 10 Rings“
USA 2021
133 min
Regie Destin Daniel Cretton
Kinostart 02. September 2021

alle Bilder © Marvel Studios

BLACK WIDOW

BLACK WIDOW

Nach Corona-Zwangspause und mehreren Startverschiebungen sind die Erwartungen an den neuesten Superhelden-Blockbuster hoch. Erste Reaktionen auf Twitter waren überschwänglich, es sieht so aus, als starte Marvel seine 4. Phase mit einem weiteren Gewinner.

Es gab Zeiten (noch gar nicht so lange her), da war es unvorstellbar, dass sich kleine Mädchen weibliche Actionhelden zum Vorbild nehmen konnten. Superman, Ironman, Batman, Spiderman: Auf der Leinwand hatten lange die Männer das Sagen. Das änderte sich erst mit dem Auftauchen von Natasha Romanoff, alias Black Widow in „Iron Man 2“. Scarlett Johansson machte die no-nonsense Agentin mit Intelligenz und Charisma zu einer der beliebtesten Figuren im Marvel Cinematic Universe. Ganz erstaunlich, dass es zehn Jahre dauern sollte, bis sie ihren ersten eigenen Film bekam. Da war DC ausnahmsweise schneller und brachte schon 2017 die extrem erfolgreiche „Wonder Woman“ in die Kinos.

Es ist alles dabei: Perfekt choreographierte Kampfszenen, gigantische CGI-Schlachten, finstere Bösewichte, actionreiche Verfolgungsjagden, ausreichend interessante Figuren, clevere Dialoge – und trotzdem – eine leise Superhelden-Fatigue macht sich breit. Die immer gleichen Zutaten sind inzwischen wie eine Menükarte beim Asiaten um die Ecke – man kennt es, man mag es, es macht satt, aber so richtig originell und neu ist das alles nicht mehr.

Die Geschichte von der im Verborgenen zum Killer ausgebildeten Superagentin wurde schon wiederholt im Kino erzählt, unter anderem in „Nikita“ oder zuletzt in „Red Sparrow“. Cate Shortlands Comicverfilmung orientiert sich dementsprechend mehr am „Mission: Impossible“-Franchise als an der Avengers-Fantasywelt. Mehr Realismus, weniger blaue Köpfe..

Marvel beweist wie gewohnt ein gutes Händchen für den Cast: Florence Pugh stiehlt als sarkastische Yelena Belova Scarlett Johansson die Show und empfiehlt sich in der Post-Credit-Szene gleich als Nachfolgerin der (kein Spoiler) in „Avengers: Endgame“ den Opfertod gestorbenen Natasha. Die weiteren Neuzugänge Rachel Weisz und David Harbour bringen die Marvel-typische Portion Humor und sillyness in die etwas voraussehbare Agentenstory.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Black Widow“
USA 2020
134 min
Regie Cate Shortland
Kinostart 08. Juli 2021 und ab 9. Juli auf Disney+ mit VIP-Zugang

alle Bilder © Walt Disney Studios

THE LITTLE THINGS

THE LITTLE THINGS

Wenn in US-amerikanischen Thrillern junge Frauen nachts mit dem Auto über die Landstraße fahren und dabei laut zur Radiomusik mitsingen, dann nimmt das meist kein gutes Ende. Catherine Martin kann davon ein Lied singen. Kurz nach ihrer Gesangseinlage saß es in einem Brunnenschacht und sollte sich mit der Lotion eincremen.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen Thriller zu etwas Besonderem machen: eine schauspielerische Leistung, wie beispielsweise die von Anthony Hopkins, der mit seiner Performance in „Das Schweigen der Lämmer“ den kannibalistischen Hannibal Lector unsterblich machte. Oder der perfekte Einsatz von Licht und Musik, wie bei David Finchers modernem Klassiker „Sieben“. „The Little Things“ hat nichts davon. Der Film ist eine lahme Kopie von besseren Thrillern und wirkt seltsam aus der Zeit gefallen.

Wenig neu schon die Grundidee: Zwei Ermittler jagen einen Serienmörder, die Zweihundertste. Die Konstellation „altgedienter Hase und schlauer Jungspund“ ist mittlerweile ein Klischee ihrer selbst. Kein Wunder, dass Denzel Washington seine Rolle im Automodus spielt. Rami Malek lässt dafür seinen schauspielerischen Manierismen umso mehr freien Lauf, das schrammt am overacting vorbei. Spätestens beim hohläugigen Auftritt von Jared Leto (der dritte Oscarpreisträger im Bunde) ist klar, wer hier höchstwahrscheinlich der Bösewicht ist. Das „whodunit“ wird zum weniger spannenden „did he really do it?“. Die beiden Cops setzen sich bei ihrer Täterüberführung natürlich über jede Vorschrift hinweg, auch das nichts Neues.

Die Geschichte spielt in den 1990er-Jahren und seitdem scheint auch das Drehbuch in einer Produzentenschublade gegammelt zu haben. Weshalb „The Little Things“ 30 Jahre zu spät mit einer so hochkarätigen Besetzung noch verfilmt wurde, bleibt rätselhaft.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Little Things“
USA 2020
128 min
Regie John Lee Hancock
Kinostart 08. Juli 2021

alle Bilder © WARNER BROS. PICTURES

GLITZER UND STAUB

Die eine Hand am Sattelknauf, die andere elegant über den Kopf gehalten, wie um die Augen vor dem Sonnenlicht zu schützen. Einziges Ziel ist es, das Gleichgewicht zu halten. Ein kurzer, brutaler Tanz – wer herunterfällt, hat verloren.

Bullenreiten ist ein unerfreulicher Sport. In seiner Sinnlosigkeit rückt er in die Nähe des spanischen Stierkampfs. Tiere leiden zum Amüsement des Zuschauers. Zum Glück hat „Glitzer und Staub“ mehr zu bieten als Bilder von gequälten Tieren, denen mit der Spore in die Seite getreten wird. Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms stehen vier Mädchen zwischen 10 und 17 Jahren, die der Traum verbindet, ein echtes Cowgirl zu werden. Mit dem Klischee vom rosa gekleideten, mit Puppen spielenden Mädchen wird dabei gründlich aufgeräumt.

Die Filmemacherinnen Anna Koch und Julia Lemke erzählen vom Mut und Ansporn, sich in einem gefährlichen, männerdominierten Sport zu beweisen. „Never scared“ steht auf dem Gürtel von Ariyana Escobedo. Eine toughe Aussage für ein kleines Kind. „Jetzt erst recht“ könnte das trotzige Motto von Maysun lauten. Die 10-Jährige saß schon auf einem Pferd, bevor sie laufen konnte. Ihr Vater, der sich eigentlich einen Sohn gewünscht hätte und daraus auch keinen Hehl macht, glaubt, dass die Zuschauer „krasse Typen auf einem krassen Bullen sehen wollen“ – keine besonders ermutigenden Worte für seine Tochter.

Bullenreiten, praktiziert von kleinen Mädchen: eine Nische in der Nische. Die Neugierde der Zuschauer wird sich in Grenzen halten – schade, denn „Glitzer und Staub“ ist ein sehenswerter, exzellent fotografierter Dokumentarfilm über eine verborgene, seltsame Welt im Wilden Westen.

Deutschland 2020
93 min
Regie Anna Koch und Julia Lemke
Kinostart 29. Oktober 2020

alle Bilder © Port au Prince Pictures GmbH

THE OUTPOST – ÜBERLEBEN IST ALLES

„The Outpost“ basiert auf dem gleichnamigen Buch des CNN-Reporters Jake Tapper und beschreibt die „Schlacht von Kamdesh“, die als eine der blutigsten Auseinandersetzungen im Afghanistan-Krieg gilt. 

Der entlegene Außenposten einer amerikanischen Militäreinheit in Afghanistan – eingekesselt, komplett von Bergen umgeben. Heckenschützen und Granaten stellen eine ständige Gefahr für die stationierten US-Soldaten dar. Keine gute Ausgangsposition. „Es wird nicht besser“, hat einer an die Wand neben seinem Feldbett geschrieben – Den Männern ist die Sinnlosigkeit ihres Auftrags schmerzlich bewusst. Trotz der Versuche, den Einheimischen Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Gemeinde anzubieten, kommt es regelmäßig zu Scharfschützen-Angriffen der Taliban. Eines Tages eskaliert die Situation.

„The Outpost“ stellt den Wahnsinn einer komplett überflüssigen Militär-Mission bloß. Das ist teilweise erschütternd – ziemlich genau so muss es im realen Krieg zugehen – aber natürlich auch US-typische Heldenverehrung, weshalb es vor allem zum Ende reichlich Pathos gibt.

Die Besetzung ist gut, dass Orlando Bloom mitspielt, realisiert man erst beim Abspann: Wie das mit kurz geschorenen Köpfen so ist – man kann sie nur schwer auseinanderhalten. Hinzu kommt, dass den ähnlich aussehenden Charakteren vom Drehbuch nicht allzu viel Hintergrundgeschichte mitgegeben wird. Dabei wäre es ja durchaus hilfreich, wenn man die Figuren etwas besser kennenlernen würde, bevor sie alle niedergeschossen werden.

FAZIT

Gar nicht so schlecht, reicht aber nicht an die Qualität von modernen Kriegsfilm-Klassikern wie „American Sniper“ heran.

Originaltitel „The Outpost“
USA 2020
119 min
Regie Rod Lurie
Kinostart 17. September 2020

SPACE FORCE

Immer drei Sterne – lang-wei-lig! Aber was soll man machen? Zwei ist „na ja“, vier schon „sehr gut“ und danach kommt nur noch „fantastisch“!
Drei ist eben „ganz gut“. So wie diese neue Netflix-Serie.

Wer mit den künstlerisch ambitionierten Filmen „Beautiful Boy“ oder „Foxcatcher“ nichts anfangen konnte und lieber wieder den „lustigen“ Steve Carell (nicht verwandt mit Rudi, der schreibt sich ja auch mit zwei R im Nachnamen) zurück will – good news: „Space Force“ ist so eine Art „The Office“ beim Militär. General Mark R. Naird (Carell) wird zum Chef der neugegründeten 6. US-Streitkraft, der Space Force, ernannt. Wenig begeistert siedelt er mit seiner Frau und Tochter auf einen abgelegenen, um nicht zu sagen sterbenslangweiligen Militärstützpunkt in Colorado um. Ziel der Mission ist es, wieder Astronauten auf den Mond zu bringen, bzw. kerniger ausgedrückt: bis 2024 wollen die USA „Boots on the moon“ bringen. Davon zumindest träumt der US-Präsident – der wird zwar namentlich nicht erwähnt, doch sein Tweet „Boops on the moon“ lässt keinen Zweifel, um wen es sich handelt. 

Die ersten zehn Folgen sind kurzweilig und es gibt ein paar wirklich komische Szenen. Vor allem immer dann, wenn John Malkovich mit von der Partie ist. Der steht als brillanter Dr. Mallory General Naird zur Seite. Malkovich spielt den Wissenschaftler mit schöner Süffisanz und entgegen seinem sonstigen Rollenprofil als relativ normalen Menschen – ein Highlight der Serie.

FAZIT

Für eine Militär-Komödie ziemlich lustig. Kuckt sich gut weg.

Originaltitel „Space Force“
USA 2020
10 Folgen, je 30 min
Created by Greg Daniels
ab 29. Mai 2020 auf Netflix

HUSTLERS

„Das ganze Land ist ein Stripclub. Auf der einen Seite sind die Leute, die mit dem Geld um sich werfen, auf der anderen Seite die Menschen, die dafür tanzen.“ 

Diese tierschürfende Erkenntnis teilt Stripperin Ramona (Jennifer Lopez) am Ende des Films mit den Zuschauern. Sie muss es wissen, denn mit Arschwackeln und Poledance hat sie es im angesagtesten Club der Stadt weit gebracht. Doch 2008 kommt es zum großen Börsencrash, plötzlich bleiben die spendablen Sugardaddys weg – und damit das Geld. Statt für ein paar Dollar zu tanzen, greift Ramona mit ihrer Freundin Destiny (Constance Wu „Crazy Rich Asians“) zu rabiaten Mitteln. Gemeinsam gründen sie eine Gaunerbande, die die Wall-Street-Kunden mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht setzt, um dann deren Kreditkonten leer zu räumen. 

Der Film beruht auf einem Zeitungsartikel, erschienen im New York Magazine 2015. Also fast eine wahre Geschichte. Musik, Drogen, Klamotten, Penthouses – so schön kann das Leben als Stripperin sein. Und ja, für ungefähr eine Stunde ist das auch ganz unterhaltsam anzusehen. Es gibt ein paar lustige Momente und J-Lo sieht wirklich toll aus. Aber das Crime-Drama über Stripperinnen mit Herzen aus Gold ist zu leichtgewichtig. Dauer-Party in allen Varianten, ein paar Gastauftritte von Usher, Cardi B und Lizzo und sich ständig wiederholende Szenen, in denen durchweg unsympathische Scheißkerle um ihr Geld erleichtert werden sind zu wenig für fast zwei Stunden Laufzeit.

FAZIT

Nicht ganz so großartig wie überall behauptet, aber immerhin besser als „Showgirls“.

Originaltitel „Hustlers“
USA 2019
110 min
Regie Lorene Scafaria
Kinostart 28. November 2019

SKIN

Tattoos sind Scheiße. Das Stechen tut weh, das Entfernen noch mehr. Diese Wahrheit muss Bryon (Jamie Bell) am eigenen Leib erfahren. Nach seinem Entschluss, sich von seinen rassistischen White-Supremacy-Freunden loszusagen, wartet eine schmerzhafte Enttintungsprozedur auf ihn. Bei seinem Weg ins neue Leben helfen ihm ausgerechnet schwarze Menschenrechtsaktivisten und natürlich die Liebe, denn Freundin Julie hat mit dem Nazipack ebenso abgeschlossen.

Der israelische Filmemacher Guy Nattiv erzählt in seinem ersten US-Spielfilm die wahre Geschichte des Szeneaussteigers Bryon „Babs“ Widner. „Skin“ basiert auf Nattivs gleichnamigen, in diesem Jahr mit einem Oscar prämierten Kurzfilm.

FAZIT

Eindringliches und authentisches Thriller-Drama. Hervorragend besetzt, vor allem Jamie Bell („Billy Elliot“) überzeugt als bekehrter Rassist. 

Originaltitel „Skin“
USA 2019
117 min
Regie Guy Nattiv
Kinostart 03. Oktober 2019

CRAWL

Da kann Greta Thunberg mit noch so schmalen Augen predigen – das Klima geht unaufhaltsam weiter den Bach runter. Kein Wunder, dass bei all den Hurrikans und sintflutartigen Regengüssen auch die Tierwelt durchdreht.

Der Amerikaner hat eine abstoßende architektonische Eigenart: Anstelle eines gescheiten Untergeschosses mit gemauerten Wänden, Licht und Partykeller baut er seine Papphäuser oft auf ein paar primitive Steinsäulen. So bleibt statt des Fundamentes nur der sogenannte Crawlspace, eine gebückt begehbare Lücke zwischen Erdreich und Unterboden. Darin verbirgt sich neben der Strom- und Gasleitung auch allerhand Getier. Aber was hat Klimawandel mit Hausbau zu tun?

Ein Sturm tobt an der Küste Floridas, Land unter. Haley ignoriert alle Aufrufe zur Evakuierung – ihr Vater wird vermisst. Sie macht sich auf die Suche und findet ihn schließlich schwer verletzt im Crawlspace unter seinem Haus. Die Zeit, ihn zu retten, wird immer knapper. Das Wasser steigt und neben Ratten und Spinnen kriecht noch eine weitere, weitaus größere Gefahr da unten. Crawl in mehrfacher Hinsicht.

Ein Vergleich mit „Jaws“ drängt sich auf, auch dort wird der Mensch zur Beute eines wütend schnappenden Untiers. Regisseur Aja inszeniert seinen atavistischen Horror-Thriller ohne Firlefanz, kommt schnell zur Sache und nervt nicht mit Metaebene und Subtext. So schön kann Genrekino sein. 

FAZIT

Ist das alles logisch? Nö, dafür aber extrem spannend.

Originaltitel „Crawl“
USA 2019
88 min
Regie Alexandre Aja
Kinostart 22. August 2019

ROCKETMAN

Die Geschichte geht ungefähr so: Regisseur Bryan Singer nervt bei den Dreharbeiten zum Queen-Film „Bohemian Rhapsody“ so sehr, dass ihn das Studio mitten in der Produktion rausschmeißt. Auftritt Dexter Fletcher. Der Ersatzmann bringt „Bohemian Rhapsody“ nicht nur ohne Zickereien zu Ende – der Film wird ein riesiger Kassenhit und beschert Hauptdarsteller Rami Malek seinen ersten Oscar. Nach diesem Erfolg darf Fletcher ein schon lange geplantes Wunschprojekt realisieren: Die Verfilmung von Elton Johns Lebensgeschichte – „Rocketman“.

Derselbe Regisseur, die gleichen Stärken.
Wie im Queen-Biopic wird auch hier ein ausgezeichnetes Ensemble von einem tollen Hauptdarsteller angeführt. Taron Egerton verkörpert Elton John mit Haut und (ausgedünntem) Haar. Der Schauspieler geht komplett in seiner Rolle auf. Besonders beeindruckend, dass Egerton nicht nur die Lippen zum Playback bewegt, sondern alle Songs selbst singt. Und dabei erstaunlich gut klingt. Stimme, Aussehen, Bewegung – alles auf den Punkt.

Derselbe Regisseur, die gleichen Schwächen.
„Rocketman“ ist in weiten Teilen Malen nach Zahlen. Schade, dass der Film nicht mehr wagt. Denn ein paar, fast surreale Szenen, wie zum Beispiel das buchstäbliche gemeinsame Abheben des Sängers mit seinem Publikum haben echte Größe. Warum nicht mehr davon? Schräger und noch mehr Mut zum Camp, dann hätte das richtig gut werden können. Die theaterhafte Inszenierung der 60er und 70er-Jahre hat schon aus „Bohemian Rhapsody“ ein zu braves, familientaugliches Mainstream-Musical gemacht.

FAZIT

Die Musik ist mitreißend, die Songs weltberühmt, die Schauspieler top und die Frisuren sehen so unecht wie Faschingsperücken aus. Also alles genau wie beim Queen Film. Wer den mochte, wird auch hier seinen Spaß haben.

Originaltitel „Rocketman“
USA 2019
121 min
Regie Dexter Fletcher
Kinostart 30. Mai 2019

Friedhof der Kuscheltiere

Dreißig Jahre nach der ersten Verfilmung kommt jetzt eine ebenfalls misslungene Version der unheimlichsten Stephen King-Geschichte ins Kino.

An den Schauspielern liegt es nicht, denn der Thriller ist mit Jason Clarke, John Lithgow, Amy Seimetz und der Newcomerin Jeté Laurence gut besetzt. Aber das beherrschende Thema des Romans, die Urangst, von toten Familienmitgliedern nachts heimgesucht zu werden – schon 1902 das Thema des Gruselklassikers „Die Affenpfote“ – teilt sich kaum mit.

Die Horror-Geschichte vom Vater, der sein tödlich verunglücktes Kind mittels eines alten Indianer-Hokuspokus-Friedhofs wieder ins Reich der Lebenden zurückholt, schleppt sich in dieser Neuverfilmung ohne große Überraschungen dahin. Jeden Schreckensmoment hat man schon allzu oft gesehen – inklusive der kalten Hand, die nach dem Fuß greift, der knarrenden Kellertür und dem stets flackernden Licht. Wenn dann die Leichen in der unheiligen Stätte hinter dem Tierfriedhof verscharrt werden, sieht das unglücklicherweise auch noch wie in einer 60er-Jahre-Studioproduktion der „Hammer Films“ aus: Der Bodennebel kriecht und am Himmel gewittert es. Gruseleffekte aus der Mottenkiste.

Dem Regieteam Kevin Kölsch und Dennis Widmyer gelingt es nur in wenigen Momenten, die bedrohliche Atmosphäre des Romans auf die Leinwand zu übertragen. Der neue Friedhof der Kuscheltiere  ist zwar schön düster, bleibt aber zu vorhersehbar und damit größtenteils langweilig.

FAZIT

Vielleicht lässt sich das Buch einfach nicht fürs Kino adaptieren.  Eine weitere, der unendlich vielen misslungenen Stephen King-Romanverfilmungen.

USA 2019
100 min
Regie Kevin Kölsch und Dennis Widmyer
Kinostart 04. April 2019

Escape Room

Nerdalarm: wer weiß, was sogenannte „Escape Room“-Computerspiele sind? 
Das geht so: Ein Raum, nur eine Tür – und die ist verschlossen. Der Spieler muss durch das Lösen von Rätseln den Schlüssel zur Tür finden, um weiterzukommen und am Ende zu gewinnen. Wem das zu virtuell ist, der kann diesen Nervenkitzel auch real erleben, nur dass man dazu nicht mit Chipstüte und Joggingbuxe vorm PC sitzt. Wie beim Computerspiel werden auch hier mehrere Personen in „Themenräume“ eingesperrt (z.B. Serienkiller oder Russenmafia – oder ist das dasselbe?), aus denen sie dann in vorgegebener Zeit herausfinden müssen. 
Der Film Escape Room geht nun wieder einen Schritt zurück in die Lethargie – zuschauen, statt dabei sein.
Sechs Personen, die scheinbar nichts miteinander verbindet, müssen unterschiedlich knifflige Rätsel lösen, um am Ende 10.000 $ zu kassieren. Da das alleine ein bisschen zu fad wäre, gibt’s anstelle von Punkteabzug Lebensabzug. Wer falsch reagiert, zu langsam oder schlicht zu doof ist, stirbt. Einer nach dem anderen, in guter alter „Zehn kleine Jägermeister“-Tradition. Gestalterisch einigermaßen fantasievoll umgesetzter Thriller, das offene Ende droht mit unnötiger Fortsetzung.

FAZIT

Wen Logik nicht schert, der kann hier seinen Spaß haben. Albern, aber unterhaltsam.

USA 2019
99 min
Regie Adam Robitel
Kinostart 28. Februar 2019 

Hard Powder

Armer Liam Neeson. So wie der Bäcker, der jeden Tag die gleichen fünf Brote backt, oder die Aldi Kassiererin, die tagaus, tagein im grellen Neonlicht Waren über den Scanner zieht, muss auch der irische Superstar Langeweile verspüren. Seit Jahren spielt er den „Rächer mit dem guten Herzen“ im immer gleichen Film. Es schadet also nichts, wenn nach Taken 1-3, The Commuter, Non-Stop (und wie sie alle heißen) mal Abwechslung ins Spiel kommt.

Hard Powder ist tatsächlich nicht die übliche Fließbandware und um einiges origineller inszeniert, als die Zug/Flugzeug/Autojagden, bei denen Liam sonst seine Feinde platt macht. Ungewöhnlich schon die Locationwahl: ein im Tiefschnee versinkender Skiort in den Rocky Mountains. Hier pfeift von früh bis spät eine steife Brise, das hat beinahe Shining-hafte Atmosphäre. Nels Coxman (Liam Neeson) ist der örtliche Schneepflugfahrer und sorgt verlässlich für freie Straßen. Sein harmonisches Familienleben mit Frau und Kind wird jäh unterbrochen, als Drogengangster seinen Sohn ermorden. Genauso stoisch wie den Schnee beseitigt er daraufhin die bösen Buben und löst nebenbei noch einen blutigen Bandenkrieg aus – Blut auf Schnee macht sich immer gut.

Sein trockener, schwarze Humor hebt Hard Powder wohltuend von der sonstigen 08/15-Konfektionsware ab. Vielleicht liegt es ja tatsächlich, wie Liam Neeson im Interview vermutet, am europäischen Regisseur. Der Norweger Hans Petter Moland beweist mit dem US-Remake seines eigenen Films Einer nach dem Anderen (2014), dass es doch noch kleine Überraschungen im ausgelutschten Rächergenre zu entdecken gibt.

FAZIT

Besser als erwartet. Und macht neugierig aufs Original, das im Norwegischen den hübschen Titel „Kraftidioten“ trägt.

USA, 2018
119 min
Regie Hans Petter Moland
Kinostart 28. Februar 2019

Bird Box

Bird Box erzählt von einer – wieder mal – dystopischen Zukunft: Eine unbekannte Macht treibt alle Menschen, die sie zu Gesicht bekommen, in den spontanen Selbstmord. Diese Macht ist überall, niemand kann ihr entkommen. Nur Innenräume mit zugeklebten Fenstern bieten Schutz, oder einfach die Augen zu machen. Das ist zwar nicht unbedingt logisch, aber Logik ist sowieso nicht die Stärke von Bird Box.

Zu Beginn des Films besteigt Malorie, gespielt von Sandra Bullock, die immer mehr Michael Jackson in seiner ausoperierten Endphase ähnelt, mit zwei Kindern ein Boot (alle mit verbunden Augen, um sich vor dem Anblick der todbringenden Macht zu schützen). Die kleine Truppe paddelt blind einen Fluss herunter, denn Malorie hatte zuvor über Funk erfahren, dass es ein paar Tagesreisen entfernt einen sicheren Zufluchtsort gebe. Mit an Bord ist ein Pappkarton mit zwei Sittichen darin, eine Bird Box eben (wie sich herausstellt, sind Vögel so eine Art Frühwarnsystem für die unheimliche Macht).

Die Szenen mit den drei unfreiwillig Blinden auf dem engen Boot bilden die Rahmenhandlung des Films und sind von Regisseurin Susanne Bier gekonnt umgesetzt. Das ist schön klaustrophobisch, beklemmend und unterschwellig bedrohlich. Wenn nur der Rest des Films genauso spannend wäre.

Die Parallelhandlung, fünf Jahre vorher: Malorie ist hochschwanger. Von einer Vorsorgeuntersuchung kommend, bricht um sie herum plötzlich das absolute Chaos aus: Menschen verlieren von einer Sekunde auf die andere den Verstand und begehen Massenselbstmord (wer M. Night Shyamalans The Happening gesehen hat, dem wird das bekannt vorkommen). Malorie kann sich in ein Haus retten, wo sich bereits ein stereotyper Hollywood-Cast versammelt hat: ein zynischer Alter (gewohnt souverän: John Malkovich), ein Drogendealer, ein gutmütiger Schwarzer, noch eine Schwangere, usw. Nach ein paar Tagen mit den erwartbaren zwischenmenschlichen Spannungen und lahm anbahnenden Liebesgeschichten stößt ein weiterer, zunächst harmlos wirkender Mann zu der Gruppe der Überlebenden. Vor allem Malories Sittiche reagieren nervös auf den Neuankömmling. Nicht lange darauf eskaliert die Situation, das vorhersehbare Unheil nimmt seinen Lauf…

Wer kennt das nicht: Man läuft sehenden Auges mit nackten Füßen gegen den Bettpfosten und reißt sich dabei beinahe den kleinen Zeh ab. Mit verbundenen Augen würde man wahrscheinlich schon im Rollstuhl sitzen. Folglich sind die „Verbundene-Augen-Challenges“, die durch den Hype um Bird Box ausgelöst wurden (80 Mio Abrufe in den ersten vier Wochen bei Netflix), nicht empfehlenswert – Netflix warnte sogar auf Twitter vor den Verletzungsrisiken.

FAZIT

A Quiet Place ist der bessere Film über eingeschränkte Sinnesorgane. Zu Tode riechen wäre dann die nächste naheliegende Filmidee. Bird Box ist für einen Horrorthriller über lange Strecken überraschend langweilig. Nur am Ende wird’s dann doch nochmal richtig gruselig: Da sieht der Film plötzlich wie ein kitschiger Zeugen-Jehova-Werbespot aus.

USA, 2018
124 min
Regie Susanne Bier
Netflix

The Possession of Hannah Grace

Ein Leichenschauhaus bei Nacht. Lange, finstere Gänge. Flackerndes Neonlicht. Überlaute Geräusche. Entstellte Mordopfer, die in ihrem Kühlfach wieder zum Leben erwachen.
Das sind die eigentlich vielversprechenden Versatzstücke von The Possession of Hannah Grace, einem weiteren Kapitel aus der scheinbar unendlichen Reihe der „Leichenhallenhorrorthriller“.

Das Rezept geht diesmal nicht auf, der neu angerührte Brei aus den bekannten Zutaten schmeckt fad. Ein paar wenige, gelungene Schreckmomente gibt es zwar, aber so richtige weiße Fingerknöchel-Spannung will nicht aufkommen. Der Film schafft es trotz seiner sehr kurzen Laufzeit von 86 Minuten, zwischendurch langweilig zu werden. Das ist auch eine Kunst. Aber wie oft soll man sich auch erschrecken, wenn zum gefühlt zwanzigsten Mal die Schublade des Kühlfachs von selbst aufspringt…und dann…nichts passiert? Das hat man alles schon mal genauso bzw. besser gesehen.

FAZIT

Freunde dieses Sujets sind mit The Autopsy of Jane Doe von 2017 deutlich besser bedient. Sehr ähnliche Geschichte, aber um ein Vielfaches gruseliger.

USA, 2018
86 min
Regie Diederik Van Rooijen
Kinostart 31. Januar 2019

The Mule

Ein mexikanisches Drogenkartell will Heroin schmuggeln. Da liegt es nahe, den neunzigjährigen Blumenzüchter Earl zu fragen, ob er eventuell so nett wäre, die Ware von A nach B zu fahren. Schließlich hat er noch nie einen Strafzettel bekommen, das ist Qualifikation genug.
Auftritt Clint Eastwood.
Die Geschichte vom alten weißen Mann, der ganz unvermittelt zum gefragten und gut bezahlten Drogenschmuggler wird, ist leidlich unterhaltsam erzählt. Eine Kurierfahrt folgt auf die Nächste – es plätschert so vor sich hin. Die Entschleunigung passt, denn im Herzen ist The Mule kein Actionfilm, sondern ein Appel an den Familiensinn. Für den altgedienten Korea-Veteran sind die bis unter die Augenbrauen tätowierten Mexikaner-Gangster keine Bedrohung. Sein größter Wunsch ist es, sich auf seine alten Tage mit seiner Tochter auszusöhnen. 

Zum ersten Mal seit Gran Torino (2009) steht Clint Eastwood wieder gleichzeitig vor und hinter der Kamera. Als Regisseur ist der 88-Jährige berühmt dafür, extrem effizient zu arbeiten und Szenen oft nur einmal zu drehen. Das hat über viele Jahre gut funktioniert, erweist sich hier aber als problematisch. Selten wirkten die beiden Oscargewinner Bradley Cooper und Diane Wiest verlorener und haben weniger Eindruck hinterlassen.
Ausser den prominenten, aber blassen Nebendarstellern gibt es noch reichlich Altmännerfantasien zu bewundern: so klebt die Kamera minutenlang genüsslich an den halbnackten Hintern von tanzenden, natürlich jungen Mädchen, die sich begierig an Clint Eastwood reiben. Und – vielleicht zu viel Information – auch der greise Earl hat noch regelmäßig Sex (bevorzugt flotte Dreier).

FAZIT

The Mule ist ein halbgares Alterswerk mit einem unausgereiften, unglaubwürdigen Drehbuch. Nicht gerade ein Highlight in Clint Eastwoods Gesamtwerk.

USA, 2018
117 min
Regie Clint Eastwood
Kinostart 31. Januar 2019

Die unglaublichen Abenteuer von Bella

Lucas, der irritierenderweise wie die erwachsene Version von Heintje aussieht, lebt noch bei seiner Mutter, obwohl er schon locker Mitte 20 ist. Die ist Kriegsveteranin (Ashley Judd, selten war eine Rolle fehlbesetzter) und hat, wie ihr Sohn, ein großes Herz für Tiere. Da passt es gut, dass Lucas’ Hobby die Rettung von herrenlosen Katzen und Hunden ist. So gerät er an Bella, einen niedlichen Rottweilerwelpen. Die beiden werden ein Paar.
Wegen komplizierter (und uninteressanter) Umstände – es hat etwas mit einem städtischen Gesetz zu tun, das verbietet, Rottweiler auf die Straße zu lassen, weshalb Mutter und Sohn umziehen müssen – wird Bella für ein paar Tage zu Freunden aufs Land gegeben. Das kann sie beim besten Willen nicht verstehen und beschließt – in alter Lassie-Tradition – wieder zurück nach Hause, zu ihrem Herrchen zu laufen.
Die Reise dauert über zwei Jahre. Unterwegs durchlebt und -leidet Bella allerhand Abenteuer. So trifft sie unter anderem auf eine (offensichtlich computeranimierte) Wildkatze, mit der sie sich eine zeitlang anfreundet.
Zwischendurch wird Bella von einem schwulen Paar adoptiert, aber ihre Sehnsucht nach Heintje Lucas ist so groß, dass sie (unverständlicherweise) aus dem sehr geschmackvollen Haus der beiden Männer, in dem sie auch noch mit Liebe überschüttet wird, ausbüxt. Das verstehe, wer will – aber wer kann schon in einen Hundekopf schauen?

Die unglaublichen Abenteuer von Bella ist ein Film, der Fragen aufwirft.
War es die Idee von Regisseur Charles Martin Smith oder war es eine nach den Testscreenings gefällte Entscheidung, Bella eine Stimme zu geben? Es ist nun nicht so, dass die Hündin, wie seinerzeit Schweinchen Babe, die Lippen bewegt und wirklich spricht, aber man hört ständig ihre Gedanken. Und die sind nicht besonders tiefgründig. Dabei ist es wissenschaftlich erwiesen, dass Hunde hochintelligent sind. Bella hingegen scheint nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein. In der Originalversion spricht Bryce Dallas Howard erschütternd banale Sätze mit einer solch nervigen Naivität ein, dass man sich sehnlichst wünscht, diesen Teil der Tonspur stumm stellen zu können. Vielleicht rettet es ja diesmal die deutsche Synchronisation.

Unbeantwortet bleibt auch die Frage, was mit dem Gesicht von Ashley Judd passiert ist und ob sie ihren Schönheitschirurgen erfolgreich verklagt hat.

FAZIT

Kann sein, dass SEHR kleine Kinder an Die unglaublichen Abenteuer von Bella ihren Spaß haben.

USA, 2018
95 min
Regie Charles Martin Smith
Kinostart 24. Januar 2019

Boys in trouble

Diesmal drei Filme zum Thema „Jungs in Schwierigkeiten“:

Beautiful Boy

Nic steht die Welt offen. Er ist kreativ, schlau, hübsch, ein guter Schüler und könnte ein sorgloses Leben bei seinen wohlhabenden Eltern führen. Wie ein privilegierter Teenager als Crystal Meth-Junkie enden und welche verheerenden Auswirkungen das auf die ganze Familie haben kann, davon erzählt Felix Van Groenings neuer Film.
Beautiful Boy basiert auf gleich zwei Büchern: dem eines verständnisvollen Vaters und dem seines drogensüchtigen Sohns. Beide beschreiben jeweils aus ihrer Sicht den sich wiederholenden Kreislauf von Sucht, Entzug und Rückfall. Ein interessanter Ansatz, aber zugleich auch das große Problem des Films: wenn sich Nic zum x-ten Male eine Spritze in die salzstangendünnen Arme setzt, hat sich die Empathie des Zuschauers irgendwann aufgebraucht. Die Geschichte wiederholt sich wieder und wieder und dabei bleibt das Interesse am Schicksal der Figuren auf der Strecke. Auch tut dem Film seine anstrengende, in der Zeit springende Erzählweise nicht gut.
Sehenswert machen das Ganze nur die Darsteller: Steve Carell spielt den Vater angenehm zurückhaltend und Jungstar Timothée Chalamet schafft es, seine Figur gerade noch zerbrechlich liebenswert und schon in der nächsten Szene abgestumpft und unsympathisch erscheinen zu lassen.

Eine ähnliche und doch ganz andere Geschichte erzählt

Ben is back

Ben (Lucas Hedges) kehrt am Weihnachtsabend überraschend aus der Entzugsklinik zu seiner Familie zurück. Seine Mutter Holly (Julia Roberts) freut sich zwar, ist aber gleichzeitig verunsichert, denn ihr Sohn hat auf eigenen Wunsch hin die Therapie unterbrochen.
Den Schmuck und die Medikamente im Badezimmer versteckt sie vorsichtshalber, Schwester und Stiefvater bleiben skeptisch. Sie haben dem Junkie schon zu oft vertraut und sind dann doch belogen und enttäuscht worden. Holly beschließt, nicht mehr von der Seite ihres Sohns zu weichen, um so einen möglichen Rückfall zu verhindern.
Während Beautiful Boy vom Auf und Ab einer Eltern-Junkiekind-Beziehung über Jahre hinweg erzählt, konzentriert sich Ben is back auf 24 Stunden im Leben seiner Protagonisten. In diesem kurzen Zeitfenster wird die Mutter/Sohn-Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Holly erfährt in einer schicksalshaften Nacht mehr über Ben und seine Vergangenheit, als ihr lieb ist.
Julia Roberts überzeugt mit ihrer bewegenden Performance einer  verzweifelten Mutter, die um jeden Preis ihren Sohn retten will. In der zweiten Hälfte wandelt sich Ben is back von der Charakterstudie überraschend zum düsteren Thriller. Sehenswert. 

Wieder neunzehn Jahre alt. Wieder Lucas Hedges. Diesmal nicht als Ex-Junkie, sondern als schwuler Teenager in

Der verlorene Sohn (Boy erased)

Jared (Lucas Hedges), der Sohn eines Baptistenpredigers in Arkansas – mitten im Bible Belt der USA – outet sich gegenüber seinen strenggläubigen Eltern (Nicole Kidman und Russell Crowe) als schwul. Keine gute Idee. Die drängen ihn daraufhin an einem Umerziehungsprogramm teilzunehmen, um so von seiner Homosexualität „geheilt“ zu werden. Andernfalls werde er aus der Familie und Gemeinde ausgeschlossen.

Die Geschichte vom sexuellen Exorzismus basiert auf den Memoiren von Garrard Conley, der sich in seiner Jugend in die unguten Hände der Konversionsorganisation „Love in Action“ begab. Dass es solche zweifelhaften Vereine im konservativen Amerika tatsächlich immer noch gibt, ist schlimm. Über diesen Missstand einen Film zu machen, ist ehrenwert und löblich.
Und trotzdem: obwohl Der verlorene Sohn herausragend besetzt ist und sich sehr ernsthaft mit seinem Thema auseinandersetzt, ist es leider kein empfehlenswerter Film geworden. Zu zäh, zu kühl, zu trist erzählt Regisseur Joel Edgerton die doch eigentlich ergreifende Geschichte vom gepeinigten Teenager. Die Figuren bleiben eindimensional, der Blick auf sie zu distanziert. Die erlebten Qualen in der Umerziehungshölle befremden zwar, lassen aber trotzdem kalt.
Wie bei Beautiful Boy wird auf eine lineare Erzählweise verzichtet. Der Geschichte mit ihren verschachtelten Rückblenden ist deshalb auch hier bisweilen schwer zu folgen. Vielleicht liegt die sich einstellende Langeweile aber auch an dem visuellen Grauschleier, der den ganzen Film überzieht.

FAZIT

Drei neue Filme über Jungs in Schwierigkeiten, dreimal naja. Am empfehlenswertesten ist Ben is back, wegen einer überragenden Julia Roberts.

Beautiful Boy
USA, 2018
121 min
Regie Felix Van Groeningen
Kinostart 24. Januar 2019

Ben is back
USA, 2018
102 min
Regie Peter Hedges
Kinostart 10. Januar 2019

Der verlorene Sohn (Boy erased)
USA, 2018
115 min
Regie Joel Edgerton
Kinostart 21. Februar 2019

Bad Times at the El Royale

⭐️⭐️⭐️

„Die Hölle, das sind die anderen“, wusste schon Satre. Die „anderen“ sind in diesem Fall sieben Fremde, die 1969 während einer stürmischen Nacht im Hotel El Royale festsitzen. Es gibt kein Entkommen. Wer ist gut? Wer ist böse? Wem kann man vertrauen? Und vor allem: Wer wird die Nacht überleben?

MACHART

Unter anderem checken Jeff Bridges, Dakota Johnson, Jon Hamm und Chris Hemsworth in das heruntergekommene  Hotel ein. Hervorragende Schauspieler, die sich, ganz im Tarantino-style, mit ausschweifenden Monologen in Szene setzen dürfen. Dazu gibts heftige Brutalität und einen schönen Soundtrack mit Best of Soulhits. Die eigentlichen Stars des Films aber sind das Hotelset und die Ausstattung. Da wird die Besetzung fast zur Nebensache. Mit seinen perfekt durchgestylten Breitwandbildern erinnert „Bad Times at the El Royale“ an die gute, alte Zeit Hollywoods. Sehr hübsch anzusehen.

FAZIT

Den Hotelaufenthalt kann man vor allem wegen der tollen 60er-Jahre-Ausstattung genießen.
Wem „The Hateful 8“ gefallen hat, sollte auch hier seinen Spaß haben.
USA, 2018
Regie Drew Goddard
141 min
Kinostart 11. Oktober 2018

The Happytime Murders

Ein Killer metzelt nacheinander die ehemaligen Darsteller der Kinderserie „The Happytime Gang“ nieder. Privatdetektiv Phil macht sich mit seiner Partnerin Connie Edwards (Melissa McCarthy) an die Lösung des Falls. Das Besondere an „The Happytime Murders“: Die Hälfte der Darsteller sind sesamstraßenartige Puppen. Hm.

MACHART

Genau. Die Hauptdarsteller sind Puppen. Und zwar komplett versaute. Das ist dann auch mehr oder weniger der einzige Witz des Films. Der Gag, sich Stoffpuppen daneben benehmen und sie dreckige Sprüche raushauen zu lassen, hat sich relativ schnell erschöpft. Zumal das Niveau stetig sinkt. Warum soll  es nach der x-ten Wiederholung noch lustig sein, dass jemand „Du Arschloch“ oder „fick dich!“ sagt? Darüber beömmelt sich bestenfalls ein 10-Jähriger. Andererseits ist der Film für Kinder komplett ungeeignet: Den größten Lacher hat eine obszöne Pornofilmszene mit einer Milch abspritzenden Kuh und einem Kraken. Wenigstens sind beide aus Stoff und mit Watte gefüllt.

FAZIT

Liebe Melissa McCarthy, laut Presseheft bist Du „aktuell nach Jennifer Lawrence und Scarlett Johansson die drittbestverdienende Schauspieler in der Welt“. Dann mach doch bitte mal wieder einen guten Film!

USA, 2018
Regie Brian Henson
91 min
Kinostart 11. Oktober 2018

Christopher Robin

FAST OOOOOOOOH!

Christopher Robin (Ewan McGregor), der einst mit seinen Stofftieren jede Menge Abenteuer im Hundertmorgenwald erlebte, ist erwachsen geworden. Sein schlecht bezahlter Job macht ihn unglücklich. Ehefrau Emily (Hayley Atwell) und Tochter Madeline (Bronte Carmichael) fühlen sich zusehends vernachlässigt. Obendrein ist sein Chef Keith Winslow (Mark Gatiss) ein gemeiner Ausbeuter, der ihn zur Wochenendarbeit zwingt. Weil er deshalb einen Familienausflug absagen muss, ist Christopher am seelischen Tiefpunkt angelangt. Doch plötzlich, nach über 30 Jahren, steht sein sprechender Stoffbär Winnie Puuh (Stimme im Original: Jim Cummings) wieder vor ihm. Zunächst glaubt Christopher, er habe den Verstand verloren. Doch je mehr er sich auf seinen alten Freund einlässt, desto glücklicher und befreiter wird er. Der Honig liebende Bär erinnert Christopher mit seinen schlichten aber wahren Weisheiten daran, wie schön die scheinbar endlosen Tage der Kindheit waren.

MACHART

Der Anfang ist vielversprechend: In kurzen, sehr hübsch inszenierten Buchkapiteln, wird noch während des Vorspanns das bisherige Leben von Christopher Robin erzählt. Danach ist’s erstmal mit der Niedlichkeit vorbei. Denn so, wie aus dem unbeschwerten Kind ein verlorener Erwachsener geworden ist, so verliert auch der Film in diesem ersten Drittel seinen Schwung. Erst durch das Auftauchen von Tigger, I-Ah, Ferkel und all den anderen Freunden, kommt die Leichtigkeit und die nötige Portion Humor zurück. „Christopher Robin“ ist nicht unbedingt ein Kinderfilm geworden. Eher ein Gleichnis für Erwachsene, die sich ein Herz für Stofftiere bewahrt haben. Das 50er-Jahre Setting ist liebevoll ausgestattet und die Animation der Tiere technisch perfekt. Genauso würde es wohl aussehen, wenn Teddybären zum Leben erwachen würden. Trotzdem, das letzte Quäntchen Herz fehlt. Paddington 2 hat das letztes Jahr irgendwie besser hinbekommen.

FAZIT

Fast der ganz große Familienfilm 2018. Aber etwas fehlt. Hätte die Lobi AG (www.lobiag.com) diesen Film produziert, wäre er womöglich DEUTLICH niedlicher und herzerwärmender geworden.

USA, 2018
Regie Marc Forster
104 min
Kinostart 16. August 2018

Breaking In

KONVENTIONELLER THRILLER

Shaun Russel (Gabrielle Union) besucht mit ihren beiden Kindern Jasmine und Glover das Anwesen ihres verstorbenen Vaters. Dort werden sie von vier Ganoven erwartet. Denen ist es trotz Hightech- Überwachungsanlage gelungen, ins Haus einzubrechen. Denn in einem Safe sollen Millionen Dollar Bargeld versteckt sein, aber nur Shaun weiß, wo der sich befindet. Um sie zum Reden zu bringen, werden die Kinder als Geiseln genommen. Shaun kann entkommen und versucht mit allen Mitteln, ihre Familie zu retten.

MACHART

Das hätte Potential gehabt. Powerfrau macht Bösewichte platt. Leider wurde das in „Panic Room“ schonmal besser und deutlich spannender erzählt. „Breaking In“ ist lieblos gemachte Konfektionsware und weder die Drehbuchautoren noch der Regisseur und seine Darsteller haben sich viel Mühe gegeben. Die Geschichte ist vorhersehbar, klischeehaft oder oft lächerlich übertrieben. So entwickelt sich die Mutter unglaubwürdigerweise im Laufe des Films zu einer Art Rambo. Die teils in Slow Motion gedrehten Actionszenen wirken konzeptlos und stellenweise unfreiwillig komisch. Nicht erwähnenswert ist leider auch der uninspirierte Score von Tom Tykwer-Mitstreiter Johnny Klimek. Ein Übriges trägt (wiedermal) die deutsche Synchronisation bei.

FAZIT

Ohne nennenswerte Überraschungen. Bleibt von Anfang bis Ende mittelmäßig. In jeder Hinsicht ein C-Picture.

USA, 2018
Regie James McTeigue
88 min
Kinostart 16. August 2018

Vollblüter

FASZINIERENDER THRILLER

Teenager Lilly ist freundlich, hilfsbereit und hat das Aussehen einer Porzellanpuppe. Zusammen mit ihrer Mutter lebt sie im Luxusanwesen ihres reichen Stiefvaters. Ihre beste Freundin heißt Amanda: große Augen, niedliches Gesicht, hochintelligent. Perfekte Upperclass-Welt in Connecticut. Soweit der erste Eindruck.

Doch hinter der repräsentativen Fassade verbirgt sich eine dysfunktionale Familie. Stiefvater Mark schleicht wie ein Sittlichkeitsverbrecher durchs Haus und macht Lilly das Leben schwer. Nicht weiter verwunderlich, dass sie ihn zutiefst verachtet. Die Mutter brät stundenlang im Solarium, da der Gatte „einen dunkleren Teint bevorzugt“. Und Amanda hat in Wahrheit das Gefühlsleben eines Roboters. Problemlos kann sie wahlweise Tränen oder ein perfekt einstudiertes Lächeln abrufen. Je mehr Zeit die beiden Freundinnen miteinander verbringen, desto mehr versuchen sie, sich gegenseitig zu manipulieren. In vier Kapiteln legt der Film Schicht um Schicht den verrotteten Kern frei, bis es zur Katastrophe kommt.

MACHART

Schon mit der ersten Szene entwickelt „Vollblüter“ seine düstere Sogkraft. Nachts, ein Mädchen, ein Pferd, ein Messer. Unheilvoll. Damit ist die Stimmung für den ganzen Film gesetzt. Ständige Bedrohung liegt in der Luft. Die ruhigen, eleganten Kameraeinstellungen, kombiniert mit dem Knistern und Knacken der nervenaufreibenden Musik erzeugen eine konstante Spannung.

„Vollblüter“ funktioniert gleichermaßen als dunkle Komödie und Thriller. Die wahre Bedrohung ist nicht der Stiefvater, sondern versteckt sich hinter den maskenhaft-hübschen Gesichtern der Hauptdarstellerinnen. Somit ist die Geschichte perfekt auf Olivia Cooke und Anya Taylor-Joy zugeschnitten, denen in ihren Rollen jegliche Emotion und Empathie abgeht. Zwei eiskalte Mörderinnen in hübscher Verpackung.

FAZIT

Cory Finley liefert mit der Verfilmung des von ihm verfassten Bühnenstücks „Thoroughbreds“ sein beeindruckendes Regiedebüt ab. Präzise und souverän inszeniert. Eine Entdeckung.

USA 2018
Regie Cory Finley
92 min
Kinostart 09. August 2018