Weekly Update 01

Große Sorge um Billie Eilish! Wieso? Was ist passiert? Hat sich die misslaunige Kindfrau etwas angetan? Nein, zum Glück nicht. Aber wie ist das denn jetzt? Ben Dolic darf nach der Absage des ESC im nächsten Jahr nicht noch mal mit seinem Lied „Violent Thing“ antreten. Irgendwie ist dann wohl die Halbwertszeit abgelaufen oder alle haben sich bis dahin an dem Song überhört. Von Billie Eilish stammt das Titellied zum neuen Bond „No Time To Die“. Der Film sollte im April in die Kinos kommen, vor kurzem wurde der Start auf 12. November verschoben. Hat sich die Welt bis dahin nicht auch an dem bereits veröffentlichten Jammer-Lied sattgehört? Müsste nicht ein neuer Titelsong her? Und damit auch eine neue Vorspannsequenz? Wer macht sich da mal bitte Gedanken?

James Bond ist ja leider nicht der einzige, der seine Premiere verschoben hat. Sämtliche Hollywood-Großproduktionen haben auf Krisenmodus geschaltet und kommen irgendwann, das RKI alleine weiß wann, ins Kino. „Mulan“, „The Black Widow“, „A Quiet Place 2“, und, und, und. Für die meisten Filme gibt es noch nicht mal einen neuen Starttermin. Die geschlossenen Kinos haben aber auch ihr Gutes, wenigstens verirrt sich jetzt niemand mehr in „Die Känguru Chroniken“.

Filmtipp, jetzt da alle Zeit haben. Auf iTunes noch mal (oder zum ersten Mal) „Once upon a time…in Hollywood“ schauen.

ONCE UPON A TIME…IN HOLLYWOOD

Der zweitbeste Film des Jahres 2019 war endlich mal keine Fortsetzung von irgendwas. Quentin Tarantino hat es schon immer meisterhaft verstanden, Geschichte mit facettenreichen Charakteren überraschend neu zu interpretieren. Seine Version der Manson-Morde ist kunstvoll verschachteltes, großes Erzählkino. Eine wilde Mischung aus Komik und Drama, die sich jenseits ausgetretener Dramaturgiepfade bewegt. Originell, atmosphärisch dicht und sehr unterhaltsam. 

Ex-Kinostar, Ex-Fernsehstar, jetzt sind höchstens noch Gastrollen als Bösewicht drin: Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) hat schon bessere Zeiten erlebt. Der Schauspieler und sein langjähriges Stunt Double Cliff Booth (Brad Pitt) bewegen sich stetig Richtung Karrieretief. Parallel zum Schicksal der beiden „has beens“ erzählt „Once upon a time…in Hollywood“ vom Aufstieg der jungen Schauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie). Tarantinos neuntes Werk ist ein aufregender Blick hinter die Kulissen der Film- und TV-Industrie Ende der 60er-Jahre.

FAZIT

Vintage Quentin Tarantino at his best. Macht großen Spaß, hat Tiefe und ist eine wunderschöne Liebeserklärung an das goldene Zeitalter Hollywoods.

USA 2019
160 min
Regie Quentin Tarantion 
Zu sehen auf iTunes

NARZISS UND GOLDMUND

Was für Unwissende wie eine hippe Bar in Berlin Neukölln klingt, ist natürlich ein Klassiker der deutschen Literatur – Hermann Hesses berühmteste Erzählung aus dem Jahr 1930.

Die Geschichte spielt in der Klosterschule Mariabronn im Mittelalter und handelt von der Freundschaft zwischen den Schülern Narziß (im Buch immer noch mit ß) und Goldmund. Narziß ist streng gläubig, lebt in Askese und fühlt sich mehr als freundschaftlich zu Goldmund hingezogen. Der ist das genaue Gegenteil, ein Freigeist und Künstler, der der klösterlichen Enge bald entfliehen will.

Gregorianische Choräle, wollüstige Huren, zahnlose Wegelagerer und holde Jungfern, die mit blumengeschmücktem Haar über die Wiese laufen – Stefan Ruzowitzkys Verfilmung strotzt vor ausgelutschten Mittelalter-Klischees. Damit sich auch die heutige Jugend angesprochen fühlt, wird zwischendurch seltsam modern gesprochen: „Echt?“, fragt der kindliche Goldmund einmal. Besonders Kida Khor Ramadans Auftritte sorgen für unfreiwillige Lacher, wenn der „4 Blocks“-Schauspieler seine Dialoge in kaum unterdrücktem Gettodeutsch spricht. Die Anpassung an eine zeitgemäße Sprache bleibt inkonsequent, ist deshalb umso störender.

Lob für die beiden Hauptdarsteller, die tapfer gegen die schwache Inszenierung anspielen. Sabin Tambrea, bekannt als depressiver Ehemann aus „Ku’damm 56/59“, taucht glaubhaft in die düstere Welt der Tonsuren und Selbstgeißelung ein – ihm nimmt man uneingeschränkt den von unterdrückten Gefühlen gepeinigten Narziß ab. Jannis Niewöhner zieht so oft es geht sein Hemd (und manchmal auch die Hose) aus und empfiehlt sich mit gestähltem Body, blondierten Haaren und angeklebtem Bart als deutsche Antwort auf Charlie Hunnam. Mit seiner lebendigen Ausstrahlung und Körperlichkeit verleiht er dem Abenteurer Goldmund die nötige Portion Wildheit.

FAZIT

Ob man mit dieser Verfilmung zukünftigen Schülergenerationen einen Gefallen tut? Besser noch mal das Buch lesen.

Deutschland 2020
118 min
Regie Stefan Ruzowitzky
Kinostart 12. März 2020

ONWARD: KEINE HALBEN SACHEN

New Mushroomton ist eine stinknormale US-Kleinstadt: Hier leben Elfen, Zwerge, Riesen, besoffene Einhörner und die blauhaarigen Brüder Ian und Barley Lightfoot (im Original: Tom Holland und Chris Pratt).
Zu seinem 16. Geburtstag bekommt Ian von seiner Mutter ein ganz besonderes Geschenk – einen Zauberstock, mit dem er (angeblich) seinen verstorbenen Vater für einen Tag zurück ins Leben holen kann.

Regisseur Dan Scanlon hat die Zutaten aus so ziemlich jedem erfolgreichen Fantasy-Film der letzten Jahrzehnte in einem großen Topf (oder hier passender: Kessel) zusammengerührt: Harry Potter, Herr der Ringe, Gremlins, Drachenzähmen leicht gemacht, dazu ein bisschen Avatar und eine Prise Transformers. Aber was er aus diesem Brei gemacht hat, ist überraschend originell und schmeckt!
Wie immer bei Pixar-Produktionen legt das Drehbuch großen Wert auf liebevoll ausgearbeitete Figuren. Die Vater-Sohn-Familien-Geschichte punktet besonders mit selbstironischen Seitenhieben auf die übertriebene Kommerzialisierung, wie sie Disney in seinen diversen Themenparks betreibt. Der Film hat Herz, Humor und natürlich eine Botschaft. Die ist zwar auch recycelt – sei Du selbst, dann kannst Du alles schaffen – aber wie das präsentiert und inszeniert wird, ist ausgemacht unterhaltsam.

FAZIT

„Onward: Keine halben Sachen“ spielt zwar nicht in der Liga von „UP“, „Inside Out“ oder anderen Pixar-Klassikern, besticht aber durch seinen erfrischenden Humor und seine hübschen originellen Ideen.

Originaltitel „Onward“
USA 2019
112 min
Regie Dan Scanlon
Kinostart 05. März 2020

DIE KÄNGURU-CHRONIKEN

Mit Humor ist das so eine Sache. Was die einen zum Brüllen komisch finden, löst bei den anderen nur unverständiges Kopfschütteln aus. Es soll ja Menschen geben, die Eckart von Hirschhausen lustig finden. Oder Dieter Nuhr. So gesehen hat der Bestseller „Die Känguru-Chroniken“ bestimmt seine Daseinsberechtigung. Vielleicht können begeisterte Leser jetzt auch herzlich über die Dani Levy-Verfilmung lachen.

Gleich zu Beginn ist aus dem Off ein Streitgespräch zwischen Kleinkünstler Marc-Uwe und dem Känguru zu hören. Das Känguru (dessen Stimme ungefähr die Penetranz des Erklärvogels aus der roten Infobox am Potsdamer Platz hat – die Älteren erinnern sich) besteht darauf, dass die gemeinsame Geschichte von Anfang an erzählt wird. Dazu sieht man ein paar Szenen, die dem Känguru aber nicht weit genug zurückreichen. „Nein“, nölt es, „Du musst noch weiter zurück, ganz an den Anfang!“ Und was kommt? Na? Richtig, eine Szene vom Urknall. Haha. Sehr originell – not. Wer so was zum Lachen findet, ist mit „Die Känguru Chroniken“ bestens bedient.

FAZIT

Regisseur Dani Levy fügt seinem Oeuvre einen weiteren missglückten Film bei.

Deutschland 2020
90 min
Regie Dani Levy
Kinostart 05. März 2020

DER UNSICHTBARE

Universal Pictures hat seine Pläne, ein „Dark Univers“ mit Vampiren, Werwölfen und anderen Monstern zu kreieren nach dem Tom-Cruise-Flop „The Mummy“ zu Grabe getragen. Nun hat sich das Studio zu einem kompletten Reboot entschieden. Und so wie es aussieht, war das eine goldrichtige Entscheidung. Die Neuverfilmung des H. G. Wells Romans „Der Unsichtbare“ ist ein sehr gelungener Horrorthriller geworden, extrem spannend von der ersten bis zur letzten Minute. 

Cecilia Kass (Elisabeth Moss) flieht mitten in der Nacht aus dem Haus ihres kontrollsüchtigen Freundes Adrian. Sie taucht bei ihrem Kindheitsfreund James und dessen Tochter unter. Zwei Wochen später erfährt sie, dass ihr millionenschwerer Ex Selbstmord begangen hat. Doch Cecilias Erleichterung währt nicht lange. Bald ist sie sicher, von einem unsichtbaren Mann verfolgt zu werden. Natürlich glaubt ihr niemand, sie wird für verrückt erklärt.

Die Idee des Films, statt der Geschichte des Unsichtbaren die seines Opfers in den Mittelpunkt zu stellen geht voll auf. Der Perspektivenwechsel lässt den oft erzählten Horrorklassiker neu und frisch wirken. Ganz nebenbei zeigt Regisseur und Drehbuchautor Whannell glaubhaft die Angst und Auswirkungen einer Beziehung des Missbrauchs. Elisabeth Moss liefert als drangsalierte Ex-Freundin wieder mal eine Top-Leistung ab. Der Score von Benjamin Wallfisch ist  wirkungsvoll, Ausstattung und Kamera auf dem Punkt. Unglaublich, dass der Film mit einem Minibudget von 7 Millionen Dollar realisiert wurde.

FAZIT

Nervenaufreibend.

Originaltitel: „The Invisible Man“
USA 2020
110 min
Regie Leigh Whannell
Kinostart 27. Februar 2020