TOLKIEN

Für seine Werke „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ hat J.R.R. Tolkien ganze Welten erfunden, sogar eigene Sprachen kreiert. Die Romane aus den 1930er und 40er Jahren sind bis heute Vorbild für etliche Fantasy-Bücher und Filme. Peter Jacksons epische Trilogien wurden vielfach ausgezeichnet, spielten Milliarden ein. Mit „Tolkien“ kommt nun die Lebensgeschichte eines der berühmtesten Autoren des 20. Jahrhunderts ins Kino. Und die ist vergleichsweise banal.

Die wenig originelle Rahmenhandlung des Films zeigt den erwachsenen John Ronald Reuel Tolkien (Nicholas Hoult) fiebrig durch die Schützengräben des Ersten Weltkriegs irrend. Während um ihn herum die Welt brennt, erinnert er sich an sein bisheriges Leben. Die Mutter, deren Rittergeschichten er als kleiner Junge lauschte, stirbt früh,  J.R.R. und sein Bruder bleiben als Waisen zurück. Als Jugendlicher trifft er seine große Liebe Edith (Lily Collins), elfenschön und ebenfalls Waise. Später auf der Universität gründet er mit drei Freunden eine „Fellowship“, ein Bündnis ewiger Treue. Der Beginn des Ersten Weltkriegs beendet das idyllische Dasein in Cambridge abrupt, die vier Freunde müssen an die Front.

Was hätte das alles werden können: Eine fantastische Reise in die Gedankenwelt eines Genies! Woher nahm Tolkien die Inspiration für Hobbits, Gandalf und Gollum? Das Ineinandergreifen von Realität und Fantasie! Aber scheinbar war Tolkiens Leben nicht aufregend genug, um daraus einen interessanteren Spielfilm zu machen. Die naheliegende Idee, Parallelen zwischen dem Leben und Werk des Autors zu ziehen, taucht nur in kurzen, zu subtilen Andeutungen auf. “Tolkien“ ist nett anzusehendes, braves Sonntagnachmittagskino. Schade, denn den guten Schauspielern und auch sich selbst als Zuschauer hätte man einen aufregenderen Film gewünscht.

FAZIT

Erzählerisch uninspiriert und visuell ein besseres TV-Movie. Insgesamt recht belanglos.

Originaltitel „Tolkien“
GB 2019
112 min
Regie Dome Karukoski
Kinostart 20. Juni 2019

SUNSET

Ungarn 1913, ein Jahr vor Beginn des Ersten Weltkriegs: eine Zivilisation am Abgrund. Die junge Iris sucht eine Anstellung im Hutgeschäft Leiter, das früher einmal ihren Eltern gehörte. Der neue Besitzer weist sie jedoch zurück und auch überall sonst in der Stadt stößt sie auf Ablehnung. Iris treibt verloren durch Budapest auf der Suche nach ihrer Vergangenheit.

„Sunset“ lässt sich am ehesten wie die Inszenierung eines Traums kurz vor dem Aufwachen beschreiben. Als somnambuler Geist stellt die junge Iris Fragen, die unbeantwortet verhallen und gibt Antworten, auf die keine Reaktion erfolgt. Alles in dieser längst vergangenen Welt scheint wie in Watte gepackt.

In fein komponierten Bildern und mit einem virtuosen Gespür für die dekadente Atmosphäre vor dem Ersten Weltkrieg zeigt Regisseur Nemes die Spurensuche seiner spröden Hauptfigur. Dabei befreit er sich vom standardisierten Filmemachen, vermeidet jeden gefälligen Kostümkitsch. Kaum eine Einstellung, bei der nicht Iris‘ Gesicht oder Hinterkopf einen Großteil des Bildes einnimmt. Durch diese Subjektivität bekommt der Film etwas extrem Zwingendes.

FAZIT

„Sunset“ ist ein anspruchsvolles Kinoerlebnis.

Originaltitel „Napszállta“ 
Ungarn/Frankreich 2018
142 min
Regie László Nemes 
Kinostart 13. Juni 2019