THE MANY SAINTS OF NEWARK

THE MANY SAINTS OF NEWARK

Regisseur Alan Taylor findet offensichtlich Gefallen daran, es sich mit Hardcore-Fans zu verderben. Nach einhelliger Zuschauer- und Kritiker-Meinung hat er den schlechtesten Marvel-Film zu verantworten: „Thor: The Dark Kingdom“ (wenigstens bis „Eternals“ in die Kinos kam). Direkt danach drehte er „Terminator: Genesis“. Diese Fortsetzung fand so wenig Gefallen, dass anschließend das gesamte Franchise einem Reboot unterzogen wurde (ohne Erfolg). Nun legt sich Taylor mit einer besonders strengen Fangruppe an: „A Sopranos Story“ heißt sein neuer Film im Untertitel und ist ein Prequel zur legendären Mafiasaga.

Der unerwartete Tod von James Gandolfini vor acht Jahren machte alle Pläne, die preisgekrönte HBO-Serie jemals fortzusetzen, zunichte. Deren Abschluss (ein schlichter Schnitt auf Schwarz) wird von Fans bis heute als entweder genial oder enttäuschend empfunden. Statt das überraschend abrupte Ende aufzuklären, gibt es nun eine Reise zu den Anfängen. Die Rolle des jungen Tony Soprano spielt der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnittene Michael Gandolfini. Ein genialer Besetzungscoup, Ähnlichkeit ganz ohne Computer-Tricks.

Im Mittelpunkt des Films steht Tonys Onkel Dickie Moltisanti. Ein schlimmer Finger, dem trotzdem die Sympathien des Publikums gehören. Als Mitglied der DiMeo-Verbrecherfamilie betreibt er den örtlichen Glücksspielring in Newark. Tony Soprano, noch ein Teenager, steht am Scheideweg: bürgerliches Leben oder dem Vorbild seines Onkels folgen und Berufsverbrecher werden? Wie die Geschichte ausgeht, ist bekannt.

Alan Taylor hat sich rehabilitiert. Auch ohne jemals eine Folge der Serie gesehen zu haben, funktioniert der Film. In zwei spannenden Stunden lernt der Zuschauer den Soprano-Clan in seinen mörderischen Anfängen kennen. Mit großem Aufwand und exzellenter Besetzung erzählt „The Many Saints of Newark“ eine epische Familiensaga, in der Erpressung und Gewalt Alltag sind. Sicher bleiben für Nicht-Kenner einige Verweise auf die Serie unverständlich, das macht aber nichts. „The Many Saints of Newark“ ist auch ohne Insiderwissen sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Many Saints of Newark“
USA 2021
120 min
Regie Alan Taylor
Kinostart 04. November 2021

alle Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc.

WONDER WOMAN 1984

Enttäuschendes Sequel

WW84 beginnt mit einem Rückblick in die Kindheit der Superheldin: Die kleine Diana wettstreitet mit erwachsenen Amazonen in einem Kampf, der wie eine Folge der RTL-Show „Ninja Warrior“ aussieht. Die Holzhammer-Botschaft dieser Eröffnungsszene lautet: Echte Helden betrügen nicht.

Nach diesem käsigen Einstieg springt die Handlung ins titelgebende Jahr 1984 – vor allem modetechnisch eines der deprimierendsten Jahrzehnte der Menschheitsgeschichte. Die Netflix-Serie „Stranger Things“ war Impulsgeber und eine Zeit lang hat es ja auch Spaß gemacht, sich wieder an Schulterpolstern und Synthesizermusik zu verekeln. Nur wie lange soll diese Idee noch ausgequetscht werden? Wenn wenigstens die Augen schmerzen würden, wie beim Anblick des quietschbunten Kinoplakats, doch der Retro Look in WW84 ist nur ein Gimmick, die zu moderne Bildsprache und Spezialeffekte torpedieren das gewünschte Zeitgeist-Feeling.

Visuell also eher schwach und auch die Story reißt’s nicht raus. Die ist in etwa so originell wie ein „Lustiges Taschenbuch“ aus Entenhausen: Ein antiker Zauberstein erfüllt bei Berührung jeden Wunsch. Doch wie bei der berühmten Geschichte mit der Affenpfote hat das Wünschen mitunter katastrophale Nebenwirkungen.
Wonder Woman Diana (Gal Gadot) sehnt sich natürlich ihre große Liebe Steve (Chris Pine) ins Leben zurück. Der war im ersten Weltkrieg den Heldentod gestorben und findet sich nun unversehens in den geschmacklosen 1980er-Jahre wiedergeboren. Das sorgt für ein paar erwartbare, nur mäßig komische „Fisch aus dem Wasser“-Momente. Den gleichen Drehbuchkniff hatte schon der erste Teil mit einer über die Zukunft staunenden Diana viel erfolgreicher angewandt.

DC did it again und liefert einen weiteren unterwältigenden Superhelden-Film ab. „Wonder Woman 1984“ leidet an klassischen Fortsetzungsschmerzen: Mehr Lärm plus mehr CGI plus mehr Bösewichter ergibt selten einen besseren Film. Alles in allem ein schwacher zweiter Teil mit ein paar gelungenen Momenten. Möglicherweise entfaltet der Film auf der großen Kinoleinwand mehr visuelle Strahlkraft. WW84 ist bisher nur auf dem US-Bezahlsender HBO verfügbar. Ein Starttermin für Deutschland steht noch aus.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Wonder Woman 1984“
USA 2020
151 min
Regie Patty Jenkins
In den USA (und für trickreiche Deutsche) seit 25. Dezember auf HBO verfügbar

alle Bilder © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc.

THE PHOTOGRAPH

„The Photograph“ erzählt von Mae (Issa Rae), Tochter der berühmten Fotografin Christina Eames (Chanté Adams), die sich auf Spurensuche in die Jugendzeit ihrer plötzlich verstorbenen Mutter begibt. Bei ihrer Recherche lernt sie den Journalisten Michael (LaKeith Stanfield) kennen, der gerade an einer Story über Christina arbeitet.

Schöne Menschen in schöner Umgebung. Die Kostüme erlesen, die Wohnungen großzügig und schick, die Autos stets frisch geputzt: „The Photograph“ ist wenigstens hübsch anzuschauen. Das war’s aber auch schon. Wer jemals das Vergnügen hatte, Issa Rae in ihrer preisgekrönten HBO-Dramedy-Serie „Insecure“ zu sehen, den lässt ihr neuer Film unterkühlt zurück. Bei der Auswahl ihrer Kinorollen beweist die Schauspielerin bislang wenig Fortune. „The Lovebirds“ (Die Turteltauben) war albern und doof, „Little“ hatte einer ausgelutschten Idee nicht viel Neues zuzufügen (ein Erwachsener, der über Nacht zum Kind wird – das hat Tom Hanks 1988 schon viel besser gemacht). In „The Photograph“ ist das sonst so lebhafte und über-charmante Multitalent nur ein Schatten ihrer selbst, wirkt wie ausgeknipst. Fast meint man, die Regieanweisung „Weniger! Noch weniger!“ aus dem Hintergrund zu hören. Sediert steht Issa nicht.

Regisseurin und Drehbuchautorin Stella Meghie orientiert sich in Struktur und Inhalt stark an Clint Eastwoods Melodrama „The Bridges of Madison County“, ohne freilich jemals dessen Tiefe und emotionale Wucht zu erreichen. „The Photograph“ plätschert so dahin. Von einem Jazz-Soundtrack begleitet, wechseln sich ein paar berührende mit vielen banalen Szenen ab. Der Film verfällt dabei immer wieder in genretypische Klischees. Zu erwartbar verläuft die Parallelgeschichte von der freiheitshungrigen Mutter in den 1980er-Jahren und der sinnsuchenden Tochter im Heute.

FAZIT

Im Gegensatz zu „The Bridges of Madison County“ muss man (leider) kein Taschentuch mit ins Kino nehmen.

Originaltitel „The Photograph“
USA 2020
106 min
Regie Stella Meghie
Kinostart 10. September 2020