DOWNTON ABBEY II

EINE NEUE ÄRA

Kinostart 28. April 2022

Mal ehrlich, kann sich noch irgendwer erinnern, was genau in Downton Abbey passiert ist? Um wieder in die komplizierten Verstrickungen der adligen Familienbande samt ihrer Dienerschaft einzusteigen, empfiehlt sich dieses zehnminütige Video auf youtube:

Einen großen Teil des eskapistischen Charmes der Serie macht aus, dass Menschen viel Zeit mit Gesprächen über Nichtigkeiten verbringen und dabei frisch gebügelte Kostüme in unrealistisch gutem Wetter durch britische Szenerien spazieren führen. Doch TV und Kino funktionieren nicht nach den gleichen Regeln. So enttäuschte die erste Fortsetzung des britischen Serienphänomens 2019 mit ihrer auf zwei Stunden gedehnten belanglosen Langeweile. Die Lieblingsfiguren upstairs und downstairs waren zwar alle dabei, doch es plätscherte so nichtig wie ein 5 o’clock tea vor sich hin. Die Freude über ein weiteres Kinoabenteuer des Crawley-Clans hält sich also in Grenzen. Und die erste halbe Stunde des neuen Films lässt das Schlimmste befürchten, denn es passiert wieder so gut wie nichts, untermalt von übertrieben jubilierendem Geigenschmalz.

Höchste Zeit für Drama: Eine Hollywood-Filmcrew bringt den gediegenen Tagesablauf auf Downton Abbey durcheinander. Die adlige Familie ist zunächst not amused, doch mit der üppigen Gage ließe sich das marode Dach des Anwesens reparieren. Während Lady Mary die Dreharbeiten überwacht, reist der Rest der Familie an die französische Côte d’Azur. Grandma Violet hat dort eine Traumvilla von einem längst verflossenen Verehrer geerbt. Dessen Witwe ist über die neuen Hausherren alles andere als begeistert.

„Downton Abbey II“ ist eine Soap-Opera mit Stil. Uneingeweihte werden vielleicht nicht jeden Handlungsstrang verstehen, doch das tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Mit einer Laufzeit von über zwei Stunden und einer abwechslungsreichen Handlung fühlt sich der Film fast wie eine komplette neue Staffel an – Binge Watching im Kino sozusagen. Ist die neue Ära eine Empfehlung? I’d rather not say, Milord, aber es ist nette Unterhaltung und tut keinem weh – gegen ein weiteres Kinokapitel ist also nichts einzuwenden. Noch besser wäre allerdings eine Fortsetzung der Serie.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Downton Abbey: A New Era“
GB 2022
125 min
Regie Simon Curtis

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

PERSISCHSTUNDEN

1942, auf einer Waldlichtung in Belgien: SS-Leute zerren Dutzende Menschen von der Ladefläche eines Lastwagens und erschießen sie. Einzig der junge Belgier Gilles überlebt das Massaker, weil er behauptet, kein Jude, sondern Perser zu sein. Eine Notlüge, die sich als seine Rettung erweist: Hauptsturmführer Koch (Lars Eidinger) sucht gerade jemanden, der ihm Farsi beibringt, da er nach Kriegsende ein Restaurant im Iran eröffnen will.
Das Dumme ist nur: Gilles spricht absolut kein Wort Persisch. Kurzerhand erfindet er eine eigene Sprache und bringt Koch ein Fantasiekauderwelsch bei.

„Persischstunden“ ist zwar sehr unterhaltsam (darf man das über einen Holocaust-Film sagen?) aber auch unentschlossen. Soll es nun eine ironische Komödie oder ein emotionales Drama sein? Gegen die Vermischung von Genres ist nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil, hier aber ist die Balance unausgewogen. Der Humor bewegt sich teilweise auf Pennälerniveau und die Spannungsmomente wirken mitunter wie aus einer mittelmäßigen Nachmittags-Soap.

Nur konsequent, dass sich da auch Lars Eidinger nicht entscheiden kann, ob er die ganz große Bühnenperformance für die letzte Reihe liefern oder doch lieber mit leisen Tönen (die er ja durchaus beherrscht) überzeugen soll. Das beste an „Persischstunden“ ist sein Hauptdarsteller Nahuel Pérez Biscayart. Wie der die ängstliche, traurige und zugleich starke Figur des Gilles spielt, macht den Film sehenswert.

Dem Vergleich mit überlebensgroßen Holocaust-Dramen wie „Schindlers Liste“ oder „Das Leben ist schön“ kann „Persischstunden“ nicht standhalten. Die Bildsprache ist zu glatt, die Schauplätze wirken unpassend ästhetisch. Fast hat man den Eindruck, Kameramann Vladislav Opelyants hätte mehr Wert auf hübsche Bilder als auf Authentizität gelegt.

FAZIT

Klingt absurd, beruht aber auf einer wahren Geschichte.

Originaltitel „Persian Lessons“
Deutschland / Russland 2019
127 min
Regie Vadim Perelman
Kinostart 24. September 2020