Vom Ende einer Geschichte – The Sense of an Ending

RÜHRENDE GESCHICHTE

Tony Webster (Jim Broadbent), Anfang 70, geschieden, Typ „knurriger Einzelgänger“. Von seiner schwangeren Tochter (Michelle Dockery) hat er sich schon seit Jahren entfremdet. Auch mit anderen Menschen versteht er sich im Allgemeinen nicht besonders gut. Einziges Hobby ist sein winzig kleiner Fotoladen. Eines Tages wird Tonys Dasein jedoch komplett infrage gestellt: durch einen Brief erfährt er, dass er das Tagebuch seines Jugendfreundes Adrian geerbt hat…

London, 1965. Der noch junge Tony (Billy Howle) verliebt sich in seine Kommilitonin Veronica (Freya Mavor). Die beiden werden ein Paar. Als sich Veronica allerdings in Tonys  besten Freund Adrian (Joe Alvin) verliebt, nimmt er das überraschend gelassen hin und gibt den beiden sogar scheinbar seinen Segen. Doch Monate später erfährt er, dass sich Adrian das Leben genommen hat. Als er nun, viele Jahre später, Veronica (jetzt Charlotte Rampling) wieder trifft, erinnert er sich an seine Taten, die er ein Leben lang verdrängt hat. Langsam beginnt er die tragischen Konsequenzen seines jugendlichen Handelns zu begreifen.

MACHART

Was wäre, wenn nicht immer alles so bleiben müsste, wie es ist? Wenn man sich, egal wie alt, noch ändern und noch glücklich werden könnte? Auf der Antwortsuche nach diesen Fragen nimmt „Vom Ende einer Geschichte“ viele unerwartete Wendungen. Das macht den Film bis zum Schluß überraschend und spannend. Was in einem Rückblick zunächst wie eine harmlose Erinnerung scheint, wird später, durch Fortführung derselben Szene, zu einer schicksalshaften Entscheidung. Diese kluge Verschachtelung der Zeitebenen macht „Vom Ende einer Geschichte“ besonders sehenswert.

FAZIT

Ein Film wie ein gutes Buch. Dazu brilliante Schauspieler in einer rührenden Geschichte. Was will man mehr?

GB, 2017
Regie Ritesh Batra
108 min

Liebe bringt alles ins Rollen – Tout le Monde Debout

BRAVER FRANZOSE

Der erfolgreiche Geschäftsmann Jocelyn (Franck Dubosc) ist ein rechter Kotzbrocken. Er hält sich selbst für den Größten, ist ein dauergeiler Frauenheld und notorischer Lügner. Doch als er eines Tages der attraktiven Florence (Alexandra Lamy) begegnet, will er sich ändern. Weil er deren Schwester per Mitleidsbonus rumkriegen wollte, hatte er sich als Rollstuhlfahrer ausgegeben. Der Haken ist nur, Florence ist tatsächlich an den Rollstuhl gefesselt. Jocelyn verpasst es rechtzeitig, die Situation zu klären und verstrickt sich so immer weiter in seinem Lügenkonstrukt. Dabei verlieben sich die beiden ineinander. Jocelyn begreift, dass er Florence die Wahrheit sagen muss. Nur wie?

MACHART

Wieder mal heißt es: der große Komödien-Hit aus Frankreich! Wie viele „große Komödien-Hits“ werden eigentlich pro Jahr in Frankreich produziert? „Liebe bringt alles ins Rollen“ ist eine harmlose, etwas seichte Komödie, die alles richtig machen will. Das ist routiniert gemacht, Alexandra Lamy ist bezaubernd und Franck Dubosc, der auch die Regie des Films übernommen hat, spielt überzeugend den gewissenlosen Schürzenjäger. Die Nebenrollen sind durch die Bank gut besetzt. Und trotzdem, so richtig Spaß will nicht aufkommen. Es gibt ein paar schöne Szenen (das Essen und anschließende Liebesspiel im Pool), einige vereinzelte Lacher, aber im Großen und Ganzen ist der Humor eher von bescheidener Qualität und der Klischees sind es zu viele. Die platte, überdeutliche Botschaft: Die inneren Werte zählen, Liebe überwindet auch physische Grenzen. Naja.

FAZIT

Nicht sehr originelle Konfektionsware. Kann man sich anschauen – auch nicht tragisch, wenn man’s lässt.

Frankreich, 2018
Regie Franck Dubosc
107 min

Weissensee

DEUTSCHES DALLAS

Ostberlin, 80er Jahre: Erzählt wird vom Schicksal der beiden Familien Hausmann und Kupfer. Dunja Hausmann, eine exzentrische Künstlerin, zerbricht am Kampf gegen das System. Ihre Tochter Julia verliebt sich ausgerechnet in den jüngsten Sohn der Kupfers, Martin. Der ist das schwarze Schaf der Familie, immerzu im Konflikt mit Vater Staat und Vater Hans – einem Stasioffizier, der seiner Frau Marlene zwar in tiefer Liebe zugetan, einem außerehelichen Verhältnis mit Dunja Hausmann trotzdem nicht abgeneigt ist. Martins Bruder Falk, ebenfalls Stasioffizier, bemüht sich um die Anerkennung und den Respekt seines Vaters, bleibt aber immer der ungeliebtere Sohn. Außerdem die Schwiegertochter Vera, Alkoholikerin und unglücklich mit Falk verheiratet. Die DDR-Familiensaga beginnt in der Vorwendezeit und endet (vorerst) in den Jahren nach Mauerfall und der Wiedervereinigung.

MACHART

„Weissensee“ hat alles, was ein großes Familienepos braucht: dramatische familiäre Zerwürfnisse, komplexe Vater-Sohn bzw. Mutter-Tochter-Konflikte, sowie schicksalshafte Entscheidungen von Shakespear’schem Ausmaß. Drehbuchautorin Annette Hess scheint die US-Serie „Dallas“ genau studiert zu haben. Anders lassen sich die auffälligen Parallelen kaum erklären: Uwe Kockisch als ambivalent gütig-böser Vater „Jock Ewing“ Kupfer. Die leidende Gluckenmutter Ruth „Miss Ellie“ Reinecke. Jörg Hartmann als „JR“ (inklusive „Wer erschoss JR?“-Episode). In Hassliebe zu seiner Alkoholikerfrau „Sue Allen“ Loos. Und natürlich der „gute“ Sohn „Bobby“ Lukas, mit der von der Familie gehassten Frau Hannah „Pam“ Herzsprung.

Statt „Oil Barons Club“ gibt’s hier halt die Stasizentrale.

Bleibt nur die Frage: Ist Katrin Sass „Cliff Barnes“?

FAZIT

„Weissensee“ ist trotz Holzhammer-Drehbuchwendungen und (immer wieder) schier unglaublichen Zufällen sehr unterhaltsam und spannend anzusehen. Eben wie das Original – Dallas.

Deutschland, 2010 – 2018
Regie Friedemann Fromm
24 Folgen in 4 Staffeln je 50 min

Isle of Dogs – Ataris Reise

FÜR HUNDEFREUNDE

Der extra gemeine Bürgermeister der japanischen Stadt Megasaki City verdonnert alle Hunde zu Isolationshaft. Angeblich mit einem tödlichen Schnupfenvirus infiziert, müssen des Menschen beste Freunde auf Trash Island vor den Toren der Stadt vegetieren. Als der 12-jährige Atari mit einem Flugzeug auf der Insel abstürzt, retten ihn die dort lebenden Kläffer. Die Herren der Insel, die Alphahunde Boss, Chief, Rex und Duke, helfen Atari bei der Suche nach seinem Hund Spots.

MACHART

Ein Leben ohne Hunde ist möglich, aber sinnlos. Das ist – frei nach Loriot – das Motto dieses Films.

„Isle of Dogs“ ist einfach toll. Und augenscheinlich mit unendlich viel Liebe gemacht. Ein weiteres Meisterwerk von Wes Anderson. Wie schon „The Fantastic Mr. Fox“ in Stop-Motion-Technik hergestellt und mit einem großartigen Voice-Cast (zumindest im Original) gesegnet.

Bryan Cranston, Bill Murray, Jeff Goldblum, Edward Norton und Scarlett Johansson machen die animierten Tiere lebendig und lassen den Zuschauer schnell vergessen, dass es sich „nur“ um einen Puppenfilm handelt. In Wes Anderson-typischen Bildern, alle so schön wie Gemälde, gibt es so viele Details und Kleinigkeiten zu entdecken, dass man den Film auf jeden Fall zweimal anschauen sollte.

FAZIT

Facettenreiche Wundertüte, klare Empfehlung.

USA, 2018
Regie Wes Anderson
105 min

Avengers – Infinity War

ERSTE HALBZEIT

Die Handlung kann man nicht wirklich wiedergeben. Es sei denn, man hat alle, alle Marvelfilme seit Iron Man gesehen, verstanden und in Erinnerung behalten.

In Kürze geht es um den ultimativen Bösewicht Thanos (Josh Brolin), der irgendwelche Infinity-Mumpitzsteine zusammensuchen und dadurch das mächtigste Wesen des Universums werden will. Um dann, auf einer Bank sitzend, in den Sonnenuntergang zu schauen. Da bei diesem teuflischen Plan auch noch gleich die Hälfte aller lebenden Wesen (inklusive der gefühlt 30 Superhelden) getötet, beziehungsweise in Luft aufgelöst werden soll, muss das natürlich mit vereinten Superkräften verhindert werden.

MACHART

Wer hätte das gedacht? Eine echte Überraschung. Ausgesprochen unterhaltsam, kurzweilig, witzig und ideenreich umgesetzt. Einer der besten Marvelfilme bis dato.

Obwohl so viele Köche den Brei hätten verderben können, behält man Dank der souveränen Inszenierung der Russo Brüder stets den Überblick. Die Figuren sind mittlerweile alle hinlänglich bekannt, das spart Zeit und die Geschichte kann direkt durchstarten.

Wäre das tatsächlich der letzte Avengersfilm, würde man wohl depressiv das Kino verlassen. Aber da es ja schon nächstes Jahr weitergeht, ahnt man, dass die recht hohe Sterblichkeitsrate der Helden wohl eher vorübergehend ist.

FAZIT

Grosses Unterhaltungsspektakel.

USA, 2018
Regie Anthony und Joe Russo
149 min

7 Tage in Entebbe

SOLIDES DRAMA

1976 – eine mit 248 Passagieren besetzte Air France Maschine wird auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris von Terroristen entführt. In Entebbe, Uganda, gelandet, werden zunächst die nicht-jüdischen Passagiere freigelassen. Mit den übriggebliebenen jüdischen Passagieren soll die Freilassung von inhaftierten Palästinensern erzwungen werden. Der Plan – 40 Jahre alter Spoiler – geht nach 7 Tagen schief, die Terroristen sterben, die Geiseln kommen frei.

Die Befreiungsaktion wurde übrigens damals von Yonatan Netanjahu geleitet, dem älteren Bruder des amtierenden israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Sogar noch was gelernt.

MACHART

Daniel Brühl gibt zur Abwechslung mal wieder den schmallippigen, humorbefreiten Deutschen, Rosamund Pike die eiskalte Terroristin.

Sehr ungewöhnlich ist der Kunstgriff, die Terrorszenen mit einer israelischen Tanztheateraufführung zu unterschneiden. Klingt absurd, funktioniert aber überraschenderweise gut.

FAZIT

Ist solide inszeniert und einigermaßen spannend, aber am Ende nicht mehr als ein ganz guter TV-Film. Hat man alles irgendwie schonmal gesehen.

USA/GB, 2018
Regie José Padilha
107 min