Springsteen: Deliver me from nowhere

SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE

Springsteen: Deliver me from nowhere

SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE

Die Leiden des jungen B.

Ab 24. Oktober 2025 im Kino

Auch ein geerdeter Jeans- und Muscle-Shirt-Träger wie Bruce Springsteen trägt eine empfindsame Künstlerseele in seinem Herzen. Noch schlimmer: The Boss hat Depressionen. Das immerhin ist eine neue Erkenntnis – sofern man die Biografie „Deliver Me From Nowhere: The Making of Bruce Springsteen’s Nebraska“ des Musikjournalisten Warren Zanes nicht gelesen hat.

Anfang der 80er-Jahre kämpft Springsteen gegen seine inneren Dämonen: verdrängte Kindheitstraumata, die schwierige Beziehung zum gewalttätigen Vater. Mit einem Vierspurrekorder zieht er sich in sein Schlafzimmer zurück, um die Songs zu „Nebraska“ aufzunehmen – Gesang, Gitarre, Mundharmonika. Aus diesen düsteren Privatsessions entsteht später auch „Born in the U.S.A.“. Der Rest ist Musikgeschichte.

Springsteen: Deliver me from nowhere

Es soll keiner behaupten, er sei nicht gewarnt worden: Vor dem Pressescreening richtet sich Regisseur Scott Cooper per Videobotschaft ans Publikum – sein Werk, sagt er, zeige nur einen Moment im Leben Springsteens. Stadionkonzerte? Fehlanzeige. Und tatsächlich: SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE ist anders als erwartet. Einerseits ein klassisches, um nicht zu sagen konventionelles Künstlerbiopic über einen troubled artist, der sich (in Schwarz-Weiß, natürlich) an seine schwere Kindheit erinnert. Andererseits ein Film über Depression. Gute Laune macht beides nicht.

Der thematisch verwandte, aber unverständlicherweise gefloppte Robbie-Williams-Film A Better Man war da mit seinem äffischen Hauptdarsteller mutiger, schräger, lebendiger. Bei Cooper hat wenigstens die Musik noch Power: Die wenigen Konzertszenen sind elektrisierend – der Rest eher zäh. Kein Vorwurf an die Darsteller, aber irgendwann ist auch die x-te Szene, in der sie Musik von einer Kassette lauschen, dramaturgisch erschöpft.

Springsteen: Deliver me from nowhere

Jeremy Allen White – durch „The Bear“ und Calvin-Klein-Spots zum melancholischen Posterboy geworden – schlägt sich als Springsteen achtbar. Besonders ähnlich sieht er dem Original zwar nicht, doch Frisur, Kleidung und Blickrichtung stimmen. Kameramann Masanobu Takayanagi zeigt ihn vorzugsweise in Nahaufnahmen und schräger Aufsicht: trauriger Hundeblick, stiller Schmerz. White singt teilweise sogar selbst – und das beeindruckend.

Jeremy Strong („Succession“) spielt Springsteens Manager Jon Landau, der die undankbare Rolle hat, das Unsagbare hörbar zu machen. Ein raffinierteres Drehbuch hätte darauf verzichtet, Springsteens innere Monologe in Dialogform zu gießen.

Springsteen: Deliver me from nowhere

Natürlich ist SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE kein schlechter Film. Das sieht gut aus, ist feist produziert. Cooper versteht sein Handwerk. Neben dem Künstlerischen zeigt er auch – fast interessanter als der Rest – den technischen Aspekt des Album Machens. Doch das Depressions-Drama kommt mit seiner Innenschau immer wieder fast zum Stillstand. Wenn aber einer der Smash-Hits läuft – „Born in the U.S.A.“ oder „I’m on Fire“ – hebt SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE ab. Dann wird die Diskrepanz zwischen zu braver Inszenierung und Weltklasse-Musik umso deutlicher.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Springsteen: Deliver me from Nowhere“
USA 2025
115 min
Regie Scott Cooper

Springsteen: Deliver me from nowhere

alle Bilder © The Walt Disney Company Germany

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ENNIO MORRICONE – DER MAESTRO

ENNIO MORRICONE – DER MAESTRO

Kinostart 22. Dezember 2022

Meist genügt nur ein Takt, um zu erkennen, dass die Filmmusik von ihm stammt. Mundharmonika, überirdischer Frauengesang – Ennio Morricone wertet mit seinem unverkennbaren Sound zahllose Spaghettiwestern auf. Der Mann war schon zu Lebzeiten eine Legende. Höchste Zeit für einen Dokumentarfilm über den genialen Komponisten. Regisseur Giuseppe Tornatore arbeitet die faszinierende Karriere seines langjährigen Freundes in „Ennio Morricone – Der Maestro“ chronologisch ab. Das ist zwar konventionell gemacht, aber auch angenehm unaufgeregt.

In gleichermaßen anrührenden wie erhellenden Interviewszenen erinnert Morricone sein Leben von der Kindheit bis zum sehr späten Oscargewinn für „The Hateful Eight“. Dazwischen gestreut kommen in kurzen O-Tönen – etwas zu hektisch aneinandergereiht – Weggefährten wie Quentin Tarantino, Bernardo Bertolucci, Joan Baez, Hans Zimmer, Bruce Springsteen oder Clint Eastwood zu Wort.

Tatsächlich ist die größte Überraschung, wie viele eingängige Schlager-Hits Morricone zu Beginn seiner Karriere in den 50er und 60ern geschrieben hat. Auch dass er vor seinen Welterfolgen wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „Es war einmal in Amerika“ unzählige Filmmusiken für heute längst vergessene italienische Filme komponiert hat, dürfte den Wenigsten bekannt sein.

Morricone ist während seiner gesamten Karriere bereit, zu experimentieren, sich neu zu erfinden. Filmen verleiht er mit seiner Musik eine Dimension, die mancher Regisseur selbst noch gar nicht begriffen hat. Bei so viel aufregender Kreativität braucht es keine filmischen und erzählerischen Tricks. „Ennio Morricone – Der Maestro“ ist zwar ein etwas artig gemachter, aber trotzdem spannender Film über einen genialen Ausnahmekünstler.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ennio“
Italien / Belgien / Japan / Niederlande 2021
156 min
Regie Giuseppe Tornatore

alle Bilder © PLAION PICTURES

BLINDED BY THE LIGHT

England, 1987: Massive Arbeitslosigkeit, keine Zukunftsperspektive; Margaret Thatchers Politik spaltet das Land. Das Leben des britisch-pakistanischen Teenagers Javeds ändert sich schlagartig, als ihm ein Freund zwei Kassetten mit der Musik von Bruce Springsteen leiht. Die Texte des Bosses inspirieren ihn so sehr, dass er beschließt, nicht mehr nach den Erwartungen seines gestrengen Vaters zu leben, sondern seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Die Vorlage liefert die Biografie des Guardian-Journalisten Sarfraz Manzoor, der auch das Drehbuch mitgeschrieben hat.

Ein Coming-of-Age-Film mit der Musik von Bruce Springsteen – was kann da schon schiefgehen?
Einiges. „Blinded by the Light“ ist kein Biopic à la „Bohemian Rhapsody“, sondern verwendet die Songs und Texte Springsteens lediglich als Inspirationsquelle. Doch statt sie als stimmungsvolle Begleitung eines 80er-Jahre Lebensgefühls einzusetzen, versucht Regisseurin Gurinder Chadha („Kick It Like Beckham“) die Musik krampfhaft zu visualisieren und in die Geschichte zu integrieren.
Das sieht dann zum Beispiel so aus: Während ein heftiger (Windmaschinen)-Sturm durch die nächtliche Szene weht, agiert Jared mit dramatischen Stummfilmgesten vor einer Hauswand, auf die die Songtexte eines Springsteen Hits projiziert werden. So was gab es zuletzt in 80er-Jahre-Low-Budget-Musikvideos zu sehen. Oder ist das retro-ironisch gemeint? 

Immer wieder wird die Handlung von Musical-Szenen unterbrochen, die so unbeholfen inszeniert sind, dass sich statt guter Laune eher Fremdschämen einstellt. Und auch Jarveds ungute Obsession, bei jeder Gelegenheit die Texte Springsteens als Lebensweisheiten zu zitieren, nervt auf Dauer sehr. 

FAZIT

Charmante Story, bemühte Umsetzung. Not on fire.

Originaltitel „Blinded by the Light“
GB 2019
117 min
Regie Gurinder Chadha
Kinostart 22. August 2019