White Bird

WHITE BIRD

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WHITE BIRD

Parlez-vous anglais? Marc (nicht Mark) Forster inszeniert in seinem Edelkitsch-Film eine französische Geschichte mit englischer Besetzung.

Ab 11. April 2024 im Kino

White Bird

Julian (Bryce Gheisar) wird wegen Mobbings von seiner New Yorker Schule verwiesen. Nun muss er sich entscheiden: Hänge ich weiter mit den coolen Arschlochkids oder den gütigen Looserkids ab? Der Junge braucht einen sozialen Kompass. Auftritt Grand-mère Sara (Helen Mirren), frisch aus Paris eingeflogen (in der Grande Nation begrüßt man sich stets mit mehreren Küsschen, falls Zweifel an Dame Mirrens Herkunft aufkommen sollten). Um den Enkel auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, erzählt sie ihm die Geschichte ihrer Jugend.

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Es war einmal: Frankreich, Herbst 1942, Sara ist fünfzehn, geht zur Schule, hat viele Freundinnen, ist wohlbehütet. Doch dann okkupieren die Nazis das Dorf. Sara entgeht dank der Hilfe ihres Mitschülers Julien (Orlando Schwerdt) knapp der Deportation. Der Junge versteckt das jüdische Mädchen in der Scheune seiner Eltern (Gillian Anderson, Jo Stone-Fewings). Doch Kollaborateure lauern überall.

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Realitycheck: Julian (nicht Julien) hört auf seinen modernen, kabellosen Kopfhörern Justin Bieber-Songs aus dessen später Schaffensphase. Man kann also davon ausgehen, dass der Film in der Jetztzeit spielt. Helen Mirrens Figur ist 1942 fünfzehn Jahre alt. Also wäre sie nach Adam Riese heute um die 95. Was ist ihr Beautygeheimnis? Viel Schlaf und Wasser?

Von solchen Petitessen abgesehen, muss man sich fragen, weshalb Franzosen in diesem Film ausschließlich von Engländern gespielt werden. Kulturelle Aneignung? Besonders Gillian Anderson fällt in der Originalversion mit schwerem britischen Akzent auf. Da nützt es auch nichts, wenn Helen Mirren hier und da eine französische Floskel einbaut, die klingt, als habe sie eben einer Babbel-Lektion gelauscht.

White Bird

Die Guten sind grundgut, die Bösen absolut böse. Es gibt keine Grauzone. Eine Geschichte wie von den Gebrüdern Grimm erdacht. In der dramatischsten Szene wird der Film plötzlich zum Musical: Sara singt mit glockenheller Stimme das Lied „Little Bird“. Dazu Streicher, Akustikgitarre und Pianoklänge. Spätestens mit dem Auftritt von drei Wölfen wird klar: Dies ist ein Märchenfilm, und zwar mit Botschaft – Tue Gutes, so wird auch Dir Gutes getan. Oder Du wirst erschossen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „White Bird“
USA 2023
121 min
Regie Marc Forster

alle Bilder © LEONINE

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STELLA. EIN LEBEN.

STELLA. EIN LEBEN.

Ab 25. Januar 2024 im Kino

Blondiert, elegant und skrupellos - Stella Goldschlag verrät während des Zweiten Weltkriegs jüdische Mitbürger, um ihre eigene Haut zu retten.

Berlin 1940: Sie lebt und liebt Jazz. Der große Traum vom Engagement in New York wird sich nicht erfüllen, denn Stella und ihre Freunde sind Juden. Sie kann zwar zunächst untertauchen, doch 1943 wird sie verhaftet. Um sich und ihre Eltern zu retten, arbeitet sie im Auftrag der Gestapo, sucht nach jüdischen Mitbürgern und denunziert sie. 

War Stella Goldschlag ein Monster?

Zwischen 600 und 3.000 Juden verrät Stella Goldschlag und stürzt sie damit ins Verderben. Nach Kriegsende will sie sich als „Opfer des Faschismus“ anerkennen lassen, später konvertiert sie zum Christentum und wird bekennende Antisemitin. Paula Beer spielt die ambivalente Figur gewohnt facettenreich, doch als Zuschauer bleibt man distanziert. Es fällt schwer, irgendeine Form von Sympathie oder Mitgefühl (trotz brutaler Folter durch die Gestapo) für eine Kollaborateurin zu entwickeln, die sich derart skrupellos verhält. Wie sie gemeinsam mit ihrem Freund, dem Passfälscher Rolf Isaaksohn, nicht nur überteuerte Ausweispapiere an Juden verkauft, sondern sich bald einen genussvollen Sport daraus macht, sogar enge Freunde zu verraten – das ist schon ganz und gar widerlich.

Den Kudamm der 40er-Jahre hat Set-Designer Albrecht Konrad kurzerhand an der Frankfurter Allee nachgebaut. Das sieht täuschend echt aus und ist eine Wohltat gegenüber den sonst üblichen, im Computer generierten Kulissen. STELLA. EIN LEBEN. besticht immerhin durch tolle Ausstattung. Doch sowohl in der Besetzung als auch in der Bildsprache ist der Film eigenartig modern. Zu keinem Moment glaubt man ernsthaft, Jannis Niewöhner oder Damian Hardung seien Menschen aus der damaligen Zeit. Kameramann Benedict Neuenfels zoomt und wackelt dazu durch die Geschichte, als würde er einen Jason-Bourne-Film in den 2000er-Jahren drehen – auch das wirkt angestrengt und fehl am Platz.

Ein zwiespältiger Film über eine (mehr als) zwiespältige Frau. War Stella Goldschlag ein Monster? Darüber zu urteilen, fällt schwer. Über allem steht die ewige Frage: „Was hätte man selbst getan?“ Stella Goldschlag war Täterin und Opfer zugleich. STELLA. EIN LEBEN. hat inszenatorische Schwächen, erzählt aber eine hochinteressante und gleichzeitig verstörende wahre Geschichte.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
115 min
Regie Kilian Riedhof

alle Bilder © MAJESTIC

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