WUNDERSCHÖN

WUNDERSCHÖN

Kinostart 03. Februar 2022

Neutronensterne sind die vermutlich dichtesten Objekte im Universum: Ein Teelöffel ihrer Materie wiegt einige Milliarden Tonnen. Das haben schlaue Wissenschaftler mit der Formel p = m durch v berechnet: Masse geteilt durch Volumen ist gleich Dichte. Kann man mit dieser Gleichung auch die Dichte der Klischees in einem Film berechnen? Geht das in Gramm pro Drehbuchseite oder in Kilogramm pro Filmminute?

„Wunderschön“ ist der Neutronensternhaufen unter den Filmen. Nonstop jagt ein Klischee das nächste. Da ist das dicke Mädchen, in der Schule ausgegrenzt, die Mutter eine klapperdürre Zicke. Aber was sind schon ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen, wenn sich darunter eine übertalentierte Baseballspielerin versteckt? Klar, dass da der (dünne) süße Junge aus dem Team ganz wuschig wird. Und das junge Model: selbstverständlich magersüchtig, auf Koks und ganz doll unglücklich in ihrer Instagram-Hinterhof-Traumwohnung (der an die Wand geschraubte Nachttisch ist allerdings wirklich eine gute Idee). Und deren erfolgreicher Bruder: verheiratet, zwei Kinder. Alles könnte so schön sein, doch dann will seine Frau auch Karriere machen, da hat er erst mal gar kein Verständnis. Dann die Großeltern: Zu lange verheiratet, er sieht sie gar nicht mehr, sie leidet still  in ihrer beigen Blase, Sex haben die beiden sowieso seit Jahren nicht mehr – also ab zum Tangokurs! Und so weiter und so weiter.

Dass „Wunderschön“ nicht wie eine bleierne Ente untergeht, liegt an der souveränen Regie von Karoline Herfurth und der spielfreudigen Besetzung. Emilia Schüle, Martina Gedeck, Joachim Król und Friedrich Mücke, allesamt Profis, die wissen, wie man den Ball in der Luft hält, auch wenn sich beim Zuschauer die Augäpfel angesichts der Flachheiten bis zum Hypothalamus verdrehen. Halbwegs unterhaltsam und amüsant ist das am Ende dann doch. Dass es auch besser geht, zeigt die einzig originelle Episode über eine emanzipierte, liebeskritische Lehrerin, gespielt von der verlässlich sarkastischen Nora Tschirner.

Erkenntnis: Es handelt sich nicht um die Verfilmung von Tolstois „Krieg und Frieden“, sondern eher um eine überlange Folge einer TV-Vorabendserie. Wunderschön wäre es also gewesen, den Film um gut ein Drittel zu kürzen. Das hätte alles lässig in 90 kurzweilige Minuten gepasst. Einen halben Extrastern für die gute Absicht: Wir sind alle gleich, es ist egal, wie man aussieht, die inneren Werte zählen. Amen.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2021
131 min
Regie Karoline Herfurth

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany