Ganzer halber Bruder

GANZER HALBER BRUDER

Ganzer halber Bruder

GANZER HALBER BRUDER

Zeigt mal wieder, was an deutschen Komödien alles falsch ist

Ab 18. September 2025 im Kino

Immobilienbetrüger Thomas ist ein schlechter Mensch: Gerade aus dem Knast entlassen, erbt er unverhofft die Villa seiner Mutter. Marktwert: zwei Millionen. Dumm nur, dass darin sein Halbbruder Roland lebt – der hat nicht nur das Down-Syndrom, sondern auch lebenslanges Wohnrecht.

Ganzer halber Bruder

Man spürt in jeder Szene die angestrengte Bemühung, einen „witzigen“ Film zu machen. Aber genau diese Verkrampftheit lässt das Ganze bleischwer untergehen. Gute Comedy braucht Timing, Timing, Timing und Mut zum Risiko – GANZER HALBER BRUDER hat nichts davon. Jeder Gag, jede Wendung ist vorhersehbar, wirklich überraschen kann die Story zu keiner Zeit. Immerhin funktionieren die dramatischen Momente besser: Wenn es traurig oder emotional wird, beginnt der Film kurz zu fliegen – bis der nächste fade Witz alles wieder zunichtemacht.

Ganzer halber Bruder

Dass GANZER HALBER BRUDER so schwach ist, liegt nicht an den Schauspielern. Christoph Maria Herbst ist eine Bank, gerade in seiner Paraderolle als Arschloch mit Restherz. Und bei Nicolas Randel ist man froh, dass ein Mensch mit Downsyndrom tatsächlich von einem solchen gespielt wird – und nicht von einem zurechtgeschminkten Schauspieler, der auf den Filmpreis schielt. Schön auch, dass sein Roland kein bemitleidenswerter Gutmensch ist, sondern ein Typ mit Ecken und Kanten.

Ganzer halber Bruder

Nein, die Besetzung trägt keine Schuld. Schlecht sind vor allem das Drehbuch und die biedere Inszenierung. Ob mangelnde Zeit, zu kleine Budgets oder schlicht Unvermögen – man fragt sich, warum niemand vor Drehbeginn nochmal am Buch feilt und die Dialoge schärft, bevor so viele Menschen Arbeitszeit und Geld investieren.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2025
102 min
Regie Hanno Olderdissen

Ganzer halber Bruder

alle Bilder © Wild Bunch Germany

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Downton Abbey: Das große Finale

DOWNTON ABBEY: DAS GROSSE FINALE

Downton Abbey: Das große Finale

DOWNTON ABBEY: DAS GROSSE FINALE

Nach 15 Jahren ist Schluss: Eine letzte Reise in die Welt der Adelsfamilie Crawley und ihrer Dienerschaft.

Ab 18. September 2025 im Kino

Menschen, die sich noch nie für Downton Abbey interessiert haben, werden den Abschiedsfilm sterbenslangweilig finden. Familie Crawley? Who? Für Fans der Serie dagegen ist DOWNTON ABBEY: DAS GROSSE FINALE zwei Stunden perfekte Kinounterhaltung.

Downton Abbey: Das große Finale

Upstairs, Downstairs – ein kleiner Rückblick: Sechs TV-Staffeln und zwei Kinofilme lang durfte man den Crawleys und ihrem Personal dabei zusehen, wie sie Tee servieren, um Porzellan streiten und historische Umbrüche erstaunlich unbeschadet überstehen. Tote im Bett, gefallene Dienstmädchen und überraschend auftauchende Cousins sorgten für Drama, während der Butler steif „I’d rather not say, Mylord“ murmelte. Spätestens seit ein Filmteam durchs Schloss stolperte, wusste man: Diese Serie war immer schon die am teuersten produzierte Seifenoper unter den Historiendramen.

Downton Abbey: Das große Finale

Nun also das Jahr 1930: Lady Mary (Michelle Dockery) leidet nach ihrer Scheidung unter gesellschaftlicher Ächtung, Lord Robert Crawley (Hugh Bonneville) unter Finanzsorgen, und Großmutter Violet hat ihre scharfzüngigen Kommentare für immer eingestellt.

Downton Abbey: Das große Finale

Der Film ist ein fabelhafter Abschied von allen Figuren und dem herrlichen Landsitz in der Grafschaft Hampshire. Die Sets strahlen in opulentem Glanz, der Humor bleibt verlässlich britisch trocken. Und das Beste: Der Film spielt tatsächlich in Downton Abbey mit den Originalstars. Keine Reise nach Frankreich oder sonstige Ablenkungen.

Downton Abbey: Das große Finale

Fanservice mal positiv: DOWNTON ABBEY: DAS GROSSE FINALE hat alles, was sich Freunde der Serie erhoffen dürfen. Es ist ein eleganter, emotionaler und befriedigender Abschied.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Downton Abbey: The Grand Finale“
UK / USA 2025
124 min
Regie Simon Curtis

Downton Abbey: Das große Finale

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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Miroirs No. 3

MIROIRS No. 3

Miroirs No. 3

MIROIRS No. 3

Christian Petzold at it’s best - oder worst - je nach Geschmack.

Ab 18. September 2025 im Kino

Der Titel des neuen Christian Petzold-Films MIROIRS No. 3 bezieht sich auf ein Klavierstück von Maurice Ravel. Da ist schon klar, wohin die Reise geht. Und natürlich ist Laura, die Hauptfigur, eine angehende Pianistin. Junge Kunststudenten sind fester Bestandteil des Petzoldschen Kosmos. Nach einem Autounfall, bei dem ihr Freund stirbt, zieht Laura bei Betty ein, die zufällig Zeugin des Unfalls war. Die beiden Frauen verbindet spontan eine tiefe Zuneigung.

Miroirs No. 3

Landleben wie im Traum: Betty hat ein hübsches Häuschen im Grünen, die Bienen summen, ab und zu schauen „ihre Männer“ vorbei – Ehemann und Sohn, beide liebenswerte Stoiker. Bei Königsberger Klopsen, Klavierspiel und Pflaumenkuchen findet Laura im Brandenburger Idyll wieder zu sich selbst. Auch Betty und ihrer Familie scheint die junge Frau aus Berlin gutzutun.

Miroirs No. 3

Statt Nina Hoss spielt nun schon zum vierten Mal Paula Beer die leicht somnambule Hauptrolle. Enno Trebs, Matthias Brandt und Barbara Auer sind ebenfalls alte Petzold-Bekannte aus Roter Himmel und Polizeiruf. Der Regisseur der Berliner Schule hat auch diesmal einen Märchenfilme für Erwachsene gemacht. Nicht von dieser Welt sind dabei vor allem seine Figuren: Kein AfD-Wähler weit und breit – wäre Brandenburg wirklich von derart sanftmütigen Intellektuellen bevölkert, man würde glatt da hinziehen.

Miroirs No. 3

Man muss das mögen und sich auf den manchmal ins unfreiwillig Komische kippenden Tiefsinn einlassen. Doch wem die anderen Werke des Autorenfilmers gefallen, der wird auch MIROIRS No. 3 lieben. Mehr Petzold geht nicht.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2025
86 min
Regie Christian Petzold

Miroirs No. 3

alle Bilder © Piffl Medien

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The Long Walk

THE LONG WALK

The Long Walk

THE LONG WALK

Den Titel kann man wörtlich nehmen: In THE LONG WALK geht es um genau das – einen mörderisch langen Fußmarsch.

Ab 11. September 2025 im Kino

Gar nicht so utopisch: Die USA werden von einem autoritären Militärregime kontrolliert. Zur Volksunterhaltung muss einmal im Jahr eine Gruppe junger Männer um ihr Leben laufen. Wer langsamer wird oder gar stoppt, wird erschossen.

Sport als Überlebenskampf? Das erinnert an Die Tribute von Panem. Hat auch derselbe Regisseur gemacht: Francis Lawrence ist Fachmann für dystopische Jugendgeschichten.

The Long Walk

Nach The Life of Chuck ist das schon die zweite gelungene Verfilmung einer Stephen-King-Geschichte in diesem Jahr. Bemerkenswert: THE LONG WALK wurde in chronologischer Reihenfolge gedreht – eine Seltenheit in Hollywood –, um die psychischen und physischen Strapazen der Schauspieler möglichst authentisch einzufangen.

The Long Walk

Ganz hervorragend: Cooper Hoffman, bekannt aus Licorice Pizza, und David Jonsson, der zuletzt für Alien: Romulus vor der Kamera stand. Und wie in The Life of Chuck spielt auch hier Star-Wars-Legende Mark Hamill mit – diesmal als menschenverachtender Bösewicht.

The Long Walk

THE LONG WALK ist harte Kost. Ein, zwei Nahaufnahmen weniger von Kopfschüssen hätten es auch getan. Aber die Brutalität schafft Fallhöhe: Alles ist möglich, jeder kann der Nächste sein.

Das etwas andere Roadmovie: toll gespielt und packend bis zum bitteren Ende. Der lange Weg ins Kino lohnt sich.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Long Walk“
USA 2025
108 min
Regie Francis Lawrence

The Long Walk

alle Bilder © LEONINE STUDIOS

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Brave the Dark

BRAVE THE DARK

Brave the Dark

BRAVE THE DARK

Christliche Werte vermitteln – warum nicht? Wer’s mag. Ob das allerdings so klischeebeladen und cringe wie in BRAVE THE DARK geschehen muss, ist fraglich.

Ab 11. September 2025 im Kino

Pennsylvania, 1986: Stan Deen (Jared Harris) ist Mitte fünfzig und oft traurig. Der Lehrer für Englisch und Theater hat vor über zwei Jahren seine Mutter verloren. Die alte Dame und ihr alleinstehender Sohn haben zusammengelebt, Stan hat sich aufopferungsvoll um sie gekümmert.

An seiner Schule sind alle wahnsinnig nett und grüßen sich mit Namen. Nur der 17-jährige Nate (Nicholas Hamilton) macht Ärger. Keine Überraschung, schließlich trägt er Lederjacke und raucht! Dann wird er auch noch bei einem Einbruch erwischt und landet im Knast. Die Eltern tot, die Großeltern entfremdet, die Freundin wendet sich ab. Nur sein Lehrer Mr. Deen sieht das Gute in dem jungen Troublemaker und bietet an, seine Vormundschaft zu übernehmen.

Brave the Dark

Der hübsche Boy, der von der Seite ein bisschen wie der junge Kevin Bacon aussieht (und in einer späteren Tanzszene auch dessen Footloose-Moves drauf hat), und der ältere, alleinstehende Herr ziehen zusammen.

Nein, Halt. So eine Geschichte ist das nicht.

BRAVE THE DARK ist keine schwule Sugardaddy-Story. Dass der Lehrer – ganz nach guter alter Onkelmanier – dem Knaben Schokolade schenkt, ihn bei sich einziehen lässt und der Jungschauspieler einmal zu oft grundlos das T-Shirt auszieht: geschenkt. Wer Böses denkt, hat die himmlische Botschaft nicht verstanden.

Brave the Dark

Die christliche Gutmenschgeschichte basiert auf wahren Begebenheiten (steht jedenfalls im Vorspann) und wurde von den Angel Studios produziert. Dahinter steckt eine erzkonservative Mormonengruppe aus Utah. Neben BRAVE THE DARK haben die bereits das dilettantisch gemachte und inhaltlich fragwürdige Drama Bonhoeffer in die Kinos gebracht. Erschreckenderweise, aber wenig überraschend, sind die Angel-Studios mit ihren Werken in den USA sehr erfolgreich.

Brave the Dark

Interessanter als das öde Rührstück: Der 2002 verstorbene irische Schauspieler Richard Harris (Gladiator, Harry Potter) hatte zwei Söhne. Der eine ist ebenfalls ein berühmter Schauspieler: Jared Harris – genau, der aus Mad Men und Chernobyl. Der andere heißt Damian Harris und ist Regisseur, unter anderem von BRAVE THE DARK. Und das erklärt wiederum, weshalb sich ein so hervorragender Schauspieler wie Jared in einen derart fragwürdigen Film verirrt: aus Bruderliebe! Amen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Brave the Dark“
USA 2025
112 min
Regie Damian Harris

Brave the Dark

alle Bilder © Kinostar

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Conjuring 4: Das letzte Kapitel

CONJURING 4: DAS LETZTE KAPITEL

Conjuring 4: Das letzte Kapitel

CONJURING 4: DAS LETZTE KAPITEL

Der mittlerweile neunte Teil der „Conjuring“-Reihe bietet angenehmen Nostalgie-Grusel.

Ab 04. September 2025 im Kino

Vor zwölf Jahren revolutionierte ein vergleichsweise kleiner Film aus Amerika das Horrorgenre. Der auf angeblich „wahren“ Begebenheiten basierende Conjuring wurde zur Blaupause für nahezu alle Spuk- und Exorzismusfilme der folgenden Jahre – ein Effekt, den zuvor nur Der Exorzist Anfang der 1970er-Jahre ausgelöst hatte.

Conjuring 4: Das letzte Kapitel

Das Conjuring-Universum (ja, so etwas gibt es) wächst immer weiter. Das Franchise rund um Geister, besessene Puppen und böse Nonnen hat inzwischen so viele Prequels, Spin-offs und Sequels, dass es mitunter schwer fällt, den Überblick zu behalten.

Der Titel verrät es: Die Ur-Story geht mit „Das letzte Kapitel“ zu Ende – zumindest vorläufig. Wer weiß, ob nicht bald eine „Next Generation“ auf Geisterjagd geht. Nach dem schwächeren dritten Teil schlüpfen erneut Vera Farmiga (wie immer großartig) und Patrick Wilson in die Rollen der paranormalen Ermittler Ed und Lorraine Warren.

Conjuring 4: Das letzte Kapitel

Im Jahr 1986 wird die Smurl-Familie von einem Dämon heimgesucht, der sich in einem Spiegel verbirgt. Gespoilert wird hier nichts, doch das Drehbuch versteht es, den neuen Fall geschickt mit dem Schicksal der Warrens zu verknüpfen. Anstatt hastig von einem Jumpscare zum nächsten zu hetzen, nimmt sich der Film wohltuend viel Zeit und drückt zuverlässig die richtigen emotionalen Knöpfe. Vor allem ein Publikum, das sich am digitalen Effektgewitter moderner Horrorproduktionen müde gesehen hat, dürfte an diesem fast altmodisch anmutenden Geisterfilm Gefallen finden.

Conjuring 4: Das letzte Kapitel

Und wie gruselig ist das Ganze nun? Nicht übermäßig. Das liegt weniger an handwerklichen Schwächen als vielmehr am allzu vertrauten Schema solcher Filme. Es ist ein wenig wie die hundertste Fahrt mit der Geisterbahn: nicht mehr so erschreckend wie beim ersten Mal, aber immer noch gut für eine wohlige Gänsehaut.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Conjuring: Last Rites“
USA 2025
135 min
Regie Michael Chaves

Conjuring 4: Das letzte Kapitel

alle Bilder © Warner Bros. Pictures

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22 Bahnen

22 BAHNEN

22 Bahnen

22 BAHNEN

Es gibt Filme, die sich mit ihren großen Themen selbst im Weg stehen. 22 BAHNEN, nach dem gleichnamigen Bestsellerroman, gehört dazu.

Ab 04. September 2025 im Kino

Die Geschichte um Tilda, eine Mathematikstudentin, die zwischen Studium, Supermarktjob und der Verantwortung für ihre kleine Schwester Ida zerrieben wird, hat eigentlich alles, was ein packendes Drama ausmacht: eine dysfunktionale Familie, Alkoholismus, Liebe, Tod und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch was im Roman von Caroline Wahl Tiefe hat, wirkt auf der Leinwand zu glatt und mutlos.

22 Bahnen

Regisseurin Mia Maariel Meyer greift immer wieder auf Voice-over zurück – ein Mittel, das den Eindruck eines bebilderten Hörbuchs hinterlässt. Man spürt förmlich die Angst, das Publikum mit Uneindeutigkeiten oder Leerstellen zu überfordern. Statt Reibung gibt es Erklärung, statt Drama: Young-Adult-Klischees.

22 Bahnen

Sehenswert macht 22 BAHNEN sein Ensemble. Allen voran Luna Wedler: Mit feiner Zurückhaltung trägt sie den Film, macht die Überforderung und Zerrissenheit ihrer Figur spürbar, bleibt dabei absolut glaubwürdig. Auch Zoë Baier, die Tildas kleine Schwester Ida spielt, überzeugt mit Natürlichkeit. Laura Tonke hingegen bekommt kaum Gelegenheit, ihrer Rolle als alkoholkranke Mutter echte Tiefe zu verleihen: Entweder jammert sie, oder sie ist betrunken. Mehr Facetten erlaubt das Drehbuch nicht. Und Jannis Niewöhner als Love Interest Viktor bleibt bei aller äußerlichen Attraktivität ein Fremdkörper: Das Sixpack sitzt, die Nachdenklichkeit wirkt aufgesetzt.

22 Bahnen

Handwerklich ist das Ganze durchaus sauber: Die Kamera fängt mit klaren, ruhigen Bildern Tildas Welt ein – unter Wasser, im immer erstaunlich leeren Schwimmbad, an der Supermarktkasse oder beim Rave im Steinbruch. Alles ästhetisch bis zur Beliebigkeit. Der Soundtrack setzt zudem auf Mainstream-Pop, der mit den ernsten Themen kollidiert und jede Schwere verdampfen lässt.

So bleibt 22 BAHNEN kein schlechter Film, aber ein erstaunlich zahmer. Alles wirkt ein bisschen zu gefällig – es fehlt das Drama, die Wucht, die diesen Stoff hätte groß machen können.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2025
102 min
Regie Mia Maariel Meyer

22 Bahnen

alle Bilder © Constantin Film

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Die Rosenschlacht

DIE ROSENSCHLACHT

Die Rosenschlacht

DIE ROSENSCHLACHT

Remake von "Der Rosenkrieg": Liebe, Hass und ein Hauch von Foodporn

Ab 28. August 2025 im Kino

Nach Der Schuh des Manitu und Naked Gun ist DIE ROSENSCHLACHT endlich mal eine Komödie für Erwachsene. Sie (Olivia Colman) steht kurz davor, als gefeierte Köchin ihre eigene Restaurantkette zu eröffnen, er (Benedict Cumberbatch) ist ein visionärer Architekt, der mit Statik auf Kriegsfuß steht. Als eines seiner Prestigeprojekte – ein Museum in Form eines Schiffes – spektakulär in sich zusammenbricht, verliert er Job und Reputation. Rollenwechsel: Er kümmert sich um die Kinder, sie macht Karriere.

Die Rosenschlacht

Das Drehbuch, basierend auf Warren Adlers Roman The War of the Roses, 1989 schon einmal mit Michael Douglas, Kathleen Turner und Danny DeVito verfilmt, schlägt diesmal einen leichteren Ton an. In der ersten Hälfte sieht man den beiden schlicht beim Glücklichsein zu – und wünschte fast, es bliebe dabei. Doch wer die Vorlage kennt, ahnt: Das Glück währt nicht. Der dritte Akt, in dem der Rosenkrieg offen ausbricht, ist vielleicht der schwächste Teil – nicht schlecht, aber weniger charmant als das lange Vorspiel.

Die Rosenschlacht

Cumberbatch und Colman spielen die Liebe ebenso glaubhaft wie den tiefen Hass. Die beiden SNL-Veteranen Andy Samberg und Kate McKinnon setzen als herrlich schräg-creepy Nebenfiguren komödiantische Glanzlichter. Regisseur Jay Roach (vor allem für die Austin-Powers-Reihe bekannt) inszeniert mit straffem Bogen, schnellen Wortgefechten und visueller Opulenz: Foodporn aus der Profiküche trifft auf architektonische Träume (das Haus am Meer!).

Die Rosenschlacht

DIE ROSENSCHLACHT ist ein bissiges Ehedrama und zugleich eine elegante, witzige Studie darüber, wie schnell Nähe in Krieg umschlagen kann – gewürzt mit britischem Humor und einem tollen Ensemble. Fazit: Beziehungen sind wie Häuser und Soufflés: schön, solange sie nicht zusammenfallen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Roses“
USA 2025
105 min
Regie Jay Roach

Die Rosenschlacht

alle Bilder © The Walt Disney Company

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In die Sonne schauen

IN DIE SONNE SCHAUEN

In die Sonne schauen

IN DIE SONNE SCHAUEN

Das Filmfestival in Cannes und der deutsche Film – das war lange keine Erfolgsgeschichte. Doch in diesem Jahr ist plötzlich alles anders.

Ab 28. August 2025 im Kino

Zählt man Fatih Akins Amrum und Christian Petzolds Miroirs No. 3 dazu – beide liefen in Nebenreihen –, dann war der deutsche Film mit gleich drei Produktionen an der Croisette vertreten. Die größte Überraschung: Mascha Schilinskis IN DIE SONNE SCHAUEN, die für ihr Werk mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde – eine doppelte Premiere. Erstmals ging diese Auszeichnung an eine deutsche Regisseurin.

In die Sonne schauen

IN DIE SONNE SCHAUEN ist kein gefälliger Film. Die komplexe Erzählweise mit ihren abrupten Zeitsprüngen verlangt dem Publikum einiges an Aufmerksamkeit ab. Auch der Verzicht auf eine lineare Handlung oder einen klassischen dramaturgischen Bogen macht den Zugang nicht leichter. Und doch – oder gerade deshalb – ist dieser Film ein Gesamtkunstwerk. Oder, um Wikipedia zu zitieren: „ein assoziativer Erinnerungsstrom“.

Kamera, Musik, Billie Minds’ präzises Sounddesign und das durchweg herausragende Ensemble – mit Luise Heyer, Lena Urzendowsky, Susanne Wuest, Laeni Geiseler und Hanna Heckt als die siebenjährige Alma – rufen Erinnerungen wach an Das weiße Band oder Edgar Reitz’ große Heimat-Chronik.

In die Sonne schauen

Tod und weibliche Verzweiflung durchziehen Mascha Schilinskis einzigartigen Film, der ein ganzes Jahrhundert umspannt und dabei trotzdem intim bleibt. Im Zentrum stehen vier junge Frauen – Alma, Erika, Angelika und Lenka –, deren Leben von Abhängigkeiten, Brüchen und den Erwartungen der Männer geprägt ist.

Derselbe Hof, irgendwo in Deutschland, später DDR, dieselben Räume, derselbe Stall – und doch andere Menschen. Oder dieselben in anderen Gestalten? Die Figuren spiegeln einander, über Jahrzehnte hinweg, manchmal auf unheimliche Weise.

In die Sonne schauen

Wer in einem alten Haus, oder auch nur in einer Altbauwohnung lebt, hat sich vielleicht schon mal gefragt: Wer war vor mir hier? Was hat sich zwischen diesen Wänden abgespielt? Mascha Schilinski gibt die filmische Antwort auf solche Fragen. Und inszeniert dabei jede Zeitebene so überzeugend, dass man sich unmittelbar hineinversetzt fühlt: in die 1910er-Jahre, in die 40er, die 80er, bis ins Heute.

IN DIE SONNE SCHAUEN ist ein mutiger Film. Eine sinnliche Erfahrung. Eine poetische Mischung aus Geistergeschichte, Frauenporträt und Zeitreise. Und verdientermaßen preisgekrönt.

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Deutschland 2025
149 min
Regie Mascha Schilinski

In die Sonne schauen

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih

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Electric Child

ELECTRIC CHILD

Electric Child

ELECTRIC CHILD

Eine künstliche Intelligenz lernt, sich selbst zu optimieren – und droht bald, die Macht zu übernehmen.

Ab 21. August 2025 im Kino

Wer könnte den Inhalt eines Films über die Gefahren von KI besser zusammenfassen als ChatGPT? Also bitte:

Kurz nach der Geburt ihres Sohnes erhalten Akiko und Sonny eine niederschmetternde Diagnose: Das Kind ist unheilbar krank und hat nur wenige Monate zu leben. Während Akiko versucht, die begrenzte Zeit auszukosten, flüchtet Sonny sich in die Arbeit. Als Leiter eines streng geheimen Projekts erforscht er die rasend schnelle Entwicklung eines KI-Systems hin zu eigenem Bewusstsein. Als die Behörden eingreifen wollen, überschreitet er eine gefährliche Grenze und verbindet sich selbst mit dem künstlichen Wesen.*

Electric Child

Science-Fiction aus der Schweiz? Warum nicht – vor allem, wenn sie visuell überzeugt. Kameramann Gabriel Sandru findet beeindruckende Bilder; die Szenen aus der virtuellen Welt (gedreht auf den Philippinen) besitzen echtes Kinoformat. Auch die Fragen, die der Film aufwirft, sind nicht verkehrt: Wie weit darf Forschung gehen, wenn es darum geht, den Tod zu überlisten? Und wie viel Macht ist man bereit, Maschinen zuzugestehen?

Electric Child

Das Problem liegt anderswo: Trotz der brisanten Thematik entwickelt ELECTRIC CHILD kaum Sog. Elliott Crosset Hove spielt Sonny als verschlossenen Nerd, der von Anfang an distanziert bleibt. Zwischen ihm und Rila Fukushima, die Akiko spielt, entsteht keinerlei spürbare Bindung. So bleiben die Figuren emotional schwer greifbar. Anstelle eines existenziellen Albtraums über die Konsequenzen sich unaufhaltsam weiterentwickelnder KI mündet der Film schließlich in einem blutleeren Actionfinale.

* Vielleicht ist die ganze Angst vor künstlicher Intelligenz auch übertrieben: Die weiter oben von ChatGPT erstellte Inhaltszusammenfassung? War komplett unbrauchbar, der Text musste nochmal „von Hand“ neu geschrieben werden. Am Ende richtet es dann eben doch der Mensch selbst.

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Schweiz / Deutschland / Niederlande / Philippinen 2024
118 min
Regie Simon Jaquemet

Electric Child

alle Bilder © Port au Prince Pictures

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Sketch

SKETCH

Sketch

SKETCH

Ein Kinderfilm auch für Erwachsene - mit Animationen vom Großen Tobi

Ab 21. August 2025 im Kino

Amber ist eine Mutterwaise – oder wie sie sich selbst nennt: eine „Mutwaise“. Zusammen mit ihrem Bruder Jack und ihrem fürsorglichen Vater versucht sie, den plötzlichen Tod der Mutter zu verarbeiten. Als therapeutisches Werkzeug benutzt sie dazu ein Buch, in das sie all ihre düsteren Gedanken – inklusive Mord- und Totschlagsfantasien – malt. Eines Tages entdeckt Jack zufällig, dass ein kleiner See in der Nähe des Familienhauses Dinge zum Leben erwecken und Kaputtes wieder heilen kann. Wie in Amerika oft üblich, bewahrt die Familie die Asche der verstorbenen Mutter zu Hause auf…

Nein, das ist keine neue Version von Friedhof der Kuscheltiere. Denn SKETCH ist, wie gesagt, ein Kinderfilm. Statt der Mutterasche fällt Ambers Malbuch in den Teich – und erweckt zahllose kunterbunte Monster zum Leben.

Sketch

Und genau das macht SKETCH zu etwas Besonderem: Statt fotorealistischer Fantasywesen stapfen hier von Kinderhand gezeichnete Krickel-Krackel-Geschöpfe über die Leinwand. Dass diese zwar niedlich aussehen, aber durchaus gefährlich werden können, erfahren die Geschwister bald am eigenen Leib.

Sketch

Regisseur und Drehbuchautor Seth Worley weckt mit seinem Spielfilmdebüt Erinnerungen an Gareth Edwards’ Monsters– nur eben kindgerecht gemacht. Für die Eltern gibt es ein paar emotionale Botschaften über Verlust und Trauerbewältigung. Dazu sieht das Ganze erstaunlich gut aus, hat einen feisten Soundtrack, und die Kinder nerven fast gar nicht.

Sketch

Massiven Punktabzug gibt es fürs Ende – allerdings nicht das Ende des Films, sondern für das, was während des Abspanns gezeigt wird: ein Werbespot für eine App, mit der die lieben Kleinen ihre eigenen Zeichnungen zum Leben erwecken können. Werbung im Kino ist schon schlimm, als Teil eines Spielfilms noch schlimmer – aber so plump und schamlos, wie hier, hat man das selten erlebt. Im Stil eines 90er-Jahre-„MB präsentiert“-Commercials, inklusive schlecht synchronisierter Ami-Kids – „Oh, wow!“ – soll hier noch schnell Kasse gemacht werden. Am besten das Kino vorher fluchtartig verlassen und den putzigen Film in guter Erinnerung behalten.

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Originaltitel „Sketch“
USA 2024
95 min
Regie Seth Worley

Sketch

alle Bilder © Kinostar Filmverleih

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Nobody 2

NOBODY 2

Nobody 2

NOBODY 2

Wenn John Wick auf Comedy trifft, kommt dabei NOBODY 2 heraus. Kein Wunder, schließlich steckt der selbe Drehbuchautor dahinter.

Ab 21. August 2025 im Kino

Morden macht müde: Deshalb fährt Hutch Mansell mitsamt Familie und Opa in Urlaub. Aber nicht irgendwohin, sondern in einen runtergekommenen Freizeitpark. Keine 5 Minuten später und schon hat Mr. Nobody Ärger.

Nobody 2

Same, same, but different: Wie schon im ersten Teil stolpert der Auftragskiller mit der kurzen Zündschnur von einer Prügelei zur nächsten. Die Glaubwürdigkeit geht dabei schnell über Bord: Ein Mann gegen 20 Gegner, ja, ja. Zum Glück ist Bob Odenkirk ein hervorragender Schauspieler, dem man gerne zuschaut, selbst wenn er den fünfundsiebzigsten Bösewicht verdrischt. Dank ihm ist NOBODY 2 stellenweise richtig lustig. Dazu das Comeback von Sharon Stone, die hier ungehemmt overacted. 

Nobody 2

Ganz okay – Für 90 Minuten unterhaltsames Actionkino reicht’s allemal.

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Originaltitel „Nobody 2“
USA 2025
90 min
Regie Timo Tjahjanto

Nobody 2

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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Die Farben der Zeit

DIE FARBEN DER ZEIT

Die Farben der Zeit

DIE FARBEN DER ZEIT

Cédric Klapischs charmante Zeitreise von der Gegenwart in die Belle Époque

Ab 14. August 2025 im Kino

Manchmal ist Kino wie ein gut sortiertes Antiquariat: Man betritt es, schnuppert ein wenig Geschichte, blättert sich durch vergilbte Seiten – und verlässt es in beschwingter Stimmung, als hätte man ein altes Lieblingsbuch wiederentdeckt. So ungefähr fühlt sich DIE FARBEN DER ZEIT an, der neue Film von Cédric Klapisch, dem Grandseigneur des französischen Wohlfühlkinos.

Die Farben der Zeit

Ausgangspunkt ist ein verfallenes Anwesen in der Normandie. Vier entfernt verwandte Erben durchstöbern das alte Familienhaus, das bald einem Supermarkt weichen soll. Beim Sichten von Fotos und Gemälden stoßen sie auf eine lange vergessene Geschichte: Paris, 1895. Die junge Adèle reist in die Hauptstadt, auf der Suche nach ihrer Mutter – und erlebt eine Stadt im Umbruch, in der die Fotografie boomt, der Impressionismus blüht und die Moderne anbricht.

Klapisch, Regisseur des 90er-Jahre-Erfolgsfilms L’auberge espagnole, springt zwischen den Jahrhunderten hin und her – und das mit erstaunlicher Leichtigkeit. Beide Ebenen, Vergangenheit und Gegenwart, vermischen sich elegant.

Die Farben der Zeit

Zwar mag das alles ein bisschen zu nett und harmlos sein, wird aber von einem Cast getragen, der sich wie ein Who’s who der aktuellen französischen Filmszene liest: Abraham Wapler, Cécile de France, Paul Kircher, Vincent Macaigne, Suzanne Lindon – allesamt bekannte Gesichter und hervorragende Schauspieler. Dazu: Kostüme und Ausstattung wie ein einziger impressionistischer Rausch.

Die Farben der Zeit

Natürlich malt Klapisch kein realistisches Sittenbild der Jahrhundertwende. Er interessiert sich nicht für die sozialen Härten jener Zeit, sondern für die Vorstellung, wie es gewesen sein könnte, wenn man jung und schön ist – und Glück, Kunst und Liebe zwischen Dachkammer und Salon hätte finden können. Man kann das als Kitsch abtun – oder sich schlicht auf zwei Stunden wunderbaren Eskapismus einlassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La Venue De L’Avenir“
Frankreich / Belgien 2025
123 min
Regie Cédric Klapisch

Die Farben der Zeit

alle Bilder © STUDIOCANAL

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Sirât

SIRÂT

Sirât

SIRÂT

Vor Filmbeginn warnt der Vorführer: Heute wird der Sound aufgedreht – auf Wunsch des Verleihs. Zu Recht. Techno gehört laut. Fehlen nur noch die Drogen.

Ab 14. August 2025 im Kino

Technojüngerin Mar ist verschwunden. Seit fünf Monaten. Ihr Vater (Sergi López) und ihr kleiner Bruder suchen sie – nicht in Berliner Clubs, sondern tief in der marokkanischen Wüste. Bass und Trance zwischen Sanddünen und Felswänden.

Viel mehr Handlung gibt es nicht. Aber darauf kommt es auch nicht an. Es geht um Ekstase, Tanz, eine nicht enden wollende Party – und um eine Generation Mitte 40, die vom Rave der 90er übrig geblieben ist.

Sirât

SIRÂT ist ein kleines Erlebnis für die Augen, ein großes für die Ohren. Dass Wüste und Musik gut zusammenpassen, weiß man spätestens seit Coachella und Burning Man.

Sirât

Techno-Roadmovie, Selbstfindungstrip, Familiendrama. Aufgezählt klingt das bemüht, auf der Leinwand funktioniert es – sofern man durchhält. Denn SIRÂT nimmt langsam Fahrt auf, um in der letzten halben Stunde fast aus der Kurve zu fliegen.

Sirât

Nach etwa der Hälfte, passiert etwas Schockierendes. Und noch etwas. Und noch etwas. Die Katastrophen häufen sich so sehr, dass man bald nicht mehr weiß, ob man weinen oder lachen soll. LSD soll ja eine ähnliche Wirkung auf die Psyche haben.

Regisseur und Drehbuchautor Oliver Laxe sagt: „Wir halten uns nicht an Genre-Gesetze oder unausgesprochene Kino-Regeln.“ Sein Film kennt keine klassische Dramaturgie. Stattdessen sind Schmerz, Ekstase und Tod die ständigen Begleiter seiner Figuren. Dazu pumpt der Soundtrack von Kangding Ray direkt in den Magen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Sirât“
Spanien / Frankreich 2025
115 min
Regie Oliver Laxe

Sirât

alle Bilder © Pandora Film

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Freakier Friday

FREAKIER FRIDAY

Freakier Friday

FREAKIER FRIDAY

Schlechtes Wetter? Trübe Stimmung? Dagegen hilft garantiert der quietschbunteste Film des Jahres: FREAKIER FRIDAY

Ab 07. August 2025 im Kino

FREAKIER FRIDAY ist die Fortsetzung von – genau – Freaky Friday, der 2003 in die Kinos kam. In den Hauptrollen wie damals: Jamie Lee Curtis als Tess, inzwischen Großmutter, und Lindsay Lohan als Anna. Durch einen magischen Zwischenfall kommt es erneut zum Körpertausch – diesmal jedoch nicht nur zwischen Mutter und Tochter, sondern auch zwischen Annas Tochter Harper und deren zukünftiger Stiefschwester Lily. Mehr Beteiligte, mehr Chaos.

Freakier Friday

FREAKIER FRIDAY spielt in einer Disney-Parallelwelt, in der alles blitzblank, harmlos und ungefähr so tiefgründig wie eine Folge Hannah-Montana ist. Wirkliche Probleme hat hier niemand. Die Botschaft bleibt die gleiche wie im ersten Teil: Nur wer sich in andere hineinversetzen kann, wird glücklich.

Das wirkt zwar wie aus den 90er gefallen, doch wer das Hirn ausschaltet, bekommt rund zwei Stunden Familienunterhaltung geboten – zuckersüß und nichts für Zyniker.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Freakier Friday“
USA 2025
100 min
Regie Nisha Ganatra

Freakier Friday

alle Bilder © The Walt Disney Company

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Was uns verbindet

WAS UNS VERBINDET

Was uns verbindet

WAS UNS VERBINDET

Lust auf Herzbruch? Dann ist der französische Film „L‘attachement“ genau das Richtige.

Ab 07. August 2025 im Kino

WAS UNS VERBINDET bietet mehr Emotionen, Verwicklungen und Drama als eine ganze Staffel mancher Serie. Was in einer deutschen oder amerikanischen Produktion leicht in Fremdscham oder triefenden Kitsch abgleiten könnte, wird unter der Regie der Französin Carine Tardieu – voilà – zu einer zarten, berührenden Geschichte über das Leben und die Liebe.

Was uns verbindet

Sandra, alleinstehend und Betreiberin eines feministischen Buchladens, erklärt sich spontan bereit, auf den sechsjährigen Elliot aufzupassen, als ihre Nachbarn Alex und seine schwangere Freundin Cécile zur Entbindung ins Krankenhaus müssen. Dabei hat die Mittfünfzigerin mit Kindern eigentlich wenig am Hut. Doch dann kommt es bei der Geburt zu Komplikationen – Cécile stirbt. In der Zeit danach wird Sandra nicht nur für den kleinen Jungen zu einer wichtigen Bezugsperson, sondern auch für den verwitweten Vater Alex.

Nein, das ist keine Geschichte einer „Mutter wieder Willen“. WAS UNS VERBINDET ist ungleich komplexer. Ein Netz aus Beziehungen und Bindungen entfaltet sich – und mittendrin findet die überzeugte Singlefrau Sandra langsam ihren Platz in einer neuen, ungeplanten Familie.

Was uns verbindet

Aber warum funktioniert ein Film so gut, in dem ein kleiner Junge auf der Suche nach einer Ersatzmutter ist, Paare sich trennen, versöhnen, sterben, neu verlieben – und doch nur Freunde bleiben? Zunächst ist es die überzeugende Besetzung mit der immer wunderbaren Valeria Bruni Tedeschi, Pio Marmaï und César Botti in seiner ersten Filmrolle. Dazu eine gekonnte Inszenierung, die den Tumult der Gefühle souverän am Boden hält und sicher vor Kitsch bewahrt. 

Was uns verbindet

Natürlich könnte man einwenden, dass alle Figuren etwas zu wohlhabend und freundlich wirken, um ganz glaubwürdig zu sein. Aber bitte – es ist ein Film. Trostlosigkeit gibt’s im echten Leben schon genug.

Regisseurin und Drehbuchautorin Carine Tardieu hat mit WAS UNS VERBINDET einen klugen, feinfühligen und zutiefst bewegenden Film über Freundschaft, Familie – und die Natur der großen und kleinen Gefühle gedreht. Schön.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „L‘attachement“
Frankreich / Belgien 2024
105 min
Regie Carine Tardieu

Was uns verbindet

alle Bilder © Alamode Film

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Das Fest geht weiter!

DAS FEST GEHT WEITER!

Das Fest geht weiter!

DAS FEST GEHT WEITER!

Keine Bourgeois, keine Rassisten, keine Faschisten. Nur anständige Menschen. In DAS FEST GEHT WEITER! ist Marseille das wahre Bullerbü.

Ab 12. Juni 2025 im Kino

Könnte man jedenfalls meinen, wenn man Robert Guédiguians politischen Familienfilm anschaut. Allerdings beginnt „Et la fête continue!“, so der Originaltitel, nicht als verklärter Blick auf die französische Hafenstadt, sondern ungewöhnlich düster mit Archivaufnahmen vom Einsturz zweier Wohnhäuser in der Rue d’Aubagne, 2018. Acht Tote und viele Menschen, die buchstäblich das Dach über dem Kopf verlieren. Und das Vertrauen in die Politik.

Das Fest geht weiter!

Die linke Szene zerreibt sich im internen Dauerclinch, eine Wahl steht an, aber keiner weiß so recht, wofür oder mit wem. In diesem Chaos steht Rosa (Ariane Ascaride), Krankenschwester Anfang 60, mit beiden Beinen im Leben und einem halben im Wahlkampf. Um sie herum lauter Menschen, die entweder für etwas kämpfen oder vor etwas davonlaufen: der Bruder ein altlinker Taxifahrer, der Sohn auf dem Weg nach Armenien, der andere frisch verlobt, sein Schwiegervater in spe, ein Witwer mit sanftem Blick – und für Rosa unverhoffte Chance auf Liebe im Alter.

Das Fest geht weiter!

Was wie eine Familienkomödie klingt, ist natürlich keine. Guédiguian bleibt auch in seinem 22. Film dem sozialromantischen Kosmos treu: viel Dialog, viel Haltung. Manchmal vielleicht ein bisschen zu viel von allem. Denn zwischen Wohnungsnot, Gesundheitssystem, Erinnerungskultur und Altlinken-Melancholie droht der Film gelegentlich unter seiner eigenen Bedeutung zu kollabieren – wie ein altes Wohnhaus in Marseille.

Das Fest geht weiter!

Aber schön gespielt ist das natürlich, mit vertrautem Ensemble und spürbarem Herzblut. DAS FEST GEHT WEITER! ist ein warmherziger Blick auf Menschen, die nicht resignieren. Die streiten, lieben, sich kümmern. Und: Man glaubt Guédiguian. Sein Film mag predigen, aber er tut es mit Überzeugung. Und wenn man sich einmal auf den Ton eingelassen hat, möchte man am liebsten mit am Küchentisch der Großfamilie sitzen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Et la fête continue !“
Frankreich / Italien 2023
106 min
Regie Robert Guédiguian 

Das Fest geht weiter!

alle Bilder © Film Kino Text

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The Assassment

THE ASSESSMENT

The Assassment

THE ASSESSMENT

In der nahen Zukunft müssen Paare einen Test bestehen, bevor sie Kinder bekommen dürfen – eine Idee, die auch in der Prenzlauer-Berg-Realität sinnvoll erscheint.

Ab 03. April 2025 im Kino

„Companion“, „Baby to go“, „Dream Scenario“, „Little Joe“, „Press and play Love again“ und nun THE ASSESSMENT. Man möchte die Leser ja nicht mit dem einhundertzwanzigsten Vergleich zur britischen Serie „Black Mirror“ langweilen – aber was soll man machen, wenn mit THE ASSESSMENT der einhundertzwanzigste Film in die Kinos kommt, der sich wie eine Doppelfolge der dystopischen Serie anfühlt?

The Assassment

Mia (Elizabeth Olsen) und Aaryan (Himesh Patel) halten sich für die perfekten Eltern, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Während sie naturverbunden in einem Gewächshaus an Pflanzen experimentiert, zieht er sich regelmäßig in virtuelle Welten zurück, um dort möglichst lebensechte Haustiere zu erschaffen. Über ihre Eignung als Eltern entscheidet eine sogenannte „Gutachterin“. Virginia (Alicia Vikander) quartiert sich für sieben Tage bei den beiden ein und stellt ihnen unbequeme Fragen.

The Assassment

Eine der vielen cleveren Ideen des Films: Ab Tag zwei verhält sich Virginia wie ein Albtraum-Kleinkind – inklusive aller dazugehörigen Schrecken. Schließlich sollen Mia und Aaryan beweisen, dass sie auch in Stresssituationen die Nerven behalten. Alicia Vikander spielt diese nervtötende Göre im Erwachsenenkörper großartig.

The Assassment

Neben der starken Besetzung ist es vor allem das ungewöhnliche Setting, das THE ASSESSMENT zu einem besonderen Film macht. Statt in einer aalglatten Zukunftswelt spielt ein Großteil der Geschichte auf einer rauen, kanarisch anmutenden Insel in einem minimalistischen 60er-Jahre-Haus – gespickt mit modernem Hightech-Schnickschnack. Das Drehbuch nutzt dabei das Sci-Fi-Genre geschickt, um relevante Themen wie Klimawandel, Elternschaft und Elitedenken anzusprechen.

Problematisch ist allein das nicht enden Wollende. Der Film ist in sieben Kapitel unterteilt – eins pro Testtag. Eine ohnehin unglückliche Struktur, denn egal, wie spannend die Geschichte ist, das strikte Abarbeiten dieser Kapitel sorgt eher für Ermüdung. Immerhin überraschend: Nach dem siebten Kapitel ist nicht Schluss. Stattdessen beginnt fast ein neuer Film, das Setting wechselt, die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung. Das hätte locker für zwei „Black Mirror“-Folgen gereicht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Assessment“
GB / Deutschland / USA 2024
114 min
Regie Fleur Fortuné

The Assessment

alle Bilder © capelight pictures

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A Real Pain

A REAL PAIN

A Real Pain

A REAL PAIN

A REAL PAIN – Ein bittersüßes Roadmovie mit Kieran Culkin und Jesse Eisenberg

Ab 16. Januar 2025 im Kino

Manche Filme sind wie ein gemütlicher Spaziergang – andere wie ein Marathon mit einem Stein im Schuh. A REAL PAIN, Jesse Eisenbergs zweite Regiearbeit, gehört eindeutig zur letzteren Kategorie. Der Titel ist Programm: Dieser Film tut weh – und das ist durchaus als Kompliment gemeint. Kieran Culkin spielt Benji, eine Mischung aus schmerzhaft peinlichem Quälgeist und verletzter Seele, die das Publikum genauso herausfordert wie die Figuren um ihn herum.

A Real Pain

Die Handlung klingt simpel: Zwei ungleiche Cousins – Culkin als nerviger Draufgänger Benji und Eisenberg als verklemmter Neurotiker David – reisen nach Polen, um auf den Spuren ihrer verstorbenen Großmutter zu wandeln. Doch was als Gedenkreise beginnt, wird schnell zu einem Chaos aus familiären Spannungen, peinlichen Momenten und unerwarteten Einsichten. Eisenberg, der auch das Drehbuch geschrieben hat, nutzt die Tour durch die Vergangenheit, um mit schwarzem Humor und einem Hauch Melancholie Familientrauma aufzuarbeiten.

A Real Pain

Culkin stiehlt dabei – wenig überraschend – jede Szene. Sein Benji ist ein Typ, der einen zu Tode nervt – und dann plötzlich mit einer überraschenden Geste der Zärtlichkeit die Herzen gewinnt. Es ist, als hätte er seine Rolle aus „Succession“ noch ein Stück weitergedreht: lauter, anstrengender, aber auch verletzlicher. Eisenberg dagegen bleibt seinem Markenzeichen treu und spielt den überforderten, intellektuellen Stadtneurotiker perfekt.

A Real Pain

A REAL PAIN ist witzig, berührend und manchmal schwer auszuhalten – genau wie echtes Familienleben. Die Balance zwischen Komödie und Tragödie gelingt Eisenberg gut: Man lacht über Benjis Dreistigkeit, spürt aber auch die tiefer liegenden Risse, die all das Chaos antreiben. Der Film ist ein Roadtrip, eine Familiengeschichte und eine kleine Lektion in Empathie – mal leicht, mal schmerzhaft. Als Zuschauer ist man nie sicher, ob das berührt oder nervt. Vermutlich beides.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A Real Pain“
USA / Polen 2024
90 min
Regie Jesse Eisenberg

A Real Pain

alle Bilder © The Walt Disney Company Germany

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Nathalie - Überwindung der Grenzen

NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN

Nathalie - Überwindung der Grenzen

NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN

Zahme Schweizer Politkomödie zum Thema Flüchtlingskrise.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Nathalie Adler (Isabelle Carré) arbeitet für die Europäische Union und soll für den französischen Präsidenten Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel einen Besuch in einem Flüchtlingslager auf Sizilien organisieren. Aber weil es da viel zu ordentlich aussieht, werden für den dramatischen Effekt hektisch marode Zelte aufgebaut und Schmutz verteilt. Während der Arbeiten trifft Nathalie ihren Sohn wieder, den sie vor neun Jahren verlassen hatte.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Kurios wird es, als die Delegierten aus Berlin und Paris einen ausgewählten Vorzeigeflüchtling kritisieren, weil er zu eloquent spricht. Besonders sein fließendes Französisch wird beanstandet. „Bitte etwas zögerlicher reden“ wird ihm nahegelegt, um vor den Fernsehkameras mehr Mitgefühl zu erzeugen. Von zynischem Humor wie diesem hätte der Film gut mehr vertragen, der Rest ist für eine politische Satire überraschend zahm.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Nathalies Sohn Albert (Théodore Pellerin) hingegen ist wütend und stellt die gesamte Politik an den Pranger. Als engagiertes Mitglied einer NGO gibt der Einundzwanzigjährige einer kritischen Journalistin vertrauliche Informationen zur europäischen Asylpolitik weiter, vor allem, um damit seiner verhassten Mutter zu schaden. Die hatte ihn im Alter von 12 beim Vater zurückgelassen und war mit einer Frau durchgebrannt. Neben Hauptdarstellerin Isabelle Carré ist der junge Kanadier Théodore Pellerin das andere Highlight des Films: eine Entdeckung. Demnächst ist er in der Disney+-Serie BECOMING LAGERFELD als dessen große Liebe Jacques de Bascher zu sehen.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Flüchtlingskrise, Boatpeople, Mutter-Sohn-Konflikt, lesbische Liebe, Politik: Regisseur Lionel Baier packt zu viel in 84 Minuten. NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN bietet einige gute Momente und starke schauspielerische Leistungen, aber insgesamt bleibt die Mischung aus Familiendrama und Politsatire zu harmlos.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La Dérive des continents (au sud)“
Schweiz / Frankreich 2022
84 min
Regie Lionel Baier

Nathalie - Überwindung der Grenzen

alle Bilder © W-FILM / Les Films du Losange

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Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

HINTER GUTEN TÜREN ist Julia Beerholds Auseinandersetzung mit der eigenen Familie. Ihr Dokumentarfilm deckt schmerzhafte Erinnerungen auf.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Hinter guten Türen

Ein junges Mädchen steht mit Tränen in den Augen vor seinem Vater, einem erfolgreichen Unternehmer. Er schlägt ihr ins Gesicht, obwohl sie nicht weiß, was sie falsch gemacht hat. Anschließend holt der Vater die Kamera und fotografiert seine weinende Tochter – eine verstörende Erinnerung für das Familienalbum.

Die Abgründe hinter den Türen

Die Schauspielerin und Regisseurin Julia Beerhold hat einen Film über ihre Kindheit und Jugend in den 1960er und 70er-Jahren gedreht, in der Prügel für sie und ihren Bruder zum Alltag gehören. Vielleicht noch schlimmer als die körperliche Gewalt des Vaters ist die emotionale Kälte der Mutter. „Dann ward ihr da und dann war gut“, antwortet die alte Frau auf die Frage ihrer erwachsenen Tochter, warum sie trotz des Wunsches nach Kindern immer so distanziert war. „Ich habe mir gesagt, ich bin eine alte Mutter und nein, nein, die Kinder dürfen dich nicht zu sehr lieben. Wenn Du stirbst, ist das sonst zu schlimm für sie.“ Eine verdrehte Rechtfertigung der über 90-Jährigen. Die eigene Gefühllosigkeit tut sie als „Macke“ ab.

Hinter guten Türen

Wie oft denkt man selbst, man müsste ein Buch schreiben oder einen Film über das Leben der Eltern machen. Julia Beerhold hat es einfach getan. Ihre autobiografische Dokumentation schildert die Geschichte ihrer Kindheit, die von Liebe und Förderung ihrer Eltern geprägt ist, aber auch von Brutalität überschattet wird. Nicht ohne Konsequenzen: Mit elf Jahren beginnt sie zu trinken, später kommen Drogen dazu, drei Selbstmordversuche folgen.

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN erzählt keinen Einzelfall. Bei den meisten Familien würde sich ein Blick in die Abgründe hinter den Türen lohnen. Beerholds reduzierte Dokumentation ist zwar handwerklich simpel gemacht, dafür inhaltlich umso komplexer. Schicht um Schicht legt sie die Erinnerungen frei, ohne sich dabei selbst zu schonen. Am Ende muss sie erkennen, dass sie als Jugendliche ähnlich grausam wie ihre Eltern war und den Schmerz an ihre beste Freundin weitergegeben hat.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
79 min
Regie Julia Beerhold

Hinter guten Türen

alle Bilder © mindjazz pictures

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THE FAREWELL

Oma liegt im Sterben und so versammelt sich die gesamte Familie noch mal zum Abschiednehmen in China. Die Todkranke soll nichts von ihrem baldigen Ableben erfahren, deshalb bekommt sie eine Lüge aufgetischt: Als Grund für das Familientreffen wird die hastig organisierte Hochzeit des Enkelsohns vorgeschoben. Eine schwierige Situation, vor allem für die aus New York angereiste Enkeltochter Billi. Der fällt das Lügen besonders schwer, denn sie liebt ihre Nai Nai (Mandarin für Großmutter) über alles. 

„The Farewell“ beginnt mit dem Satz „Basierend auf einer wahren Lüge“. Gleich danach wird ein Telefonat zwischen Billi in New York und ihrer Nai Nai in China gezeigt: 

„Trägst Du eine Mütze?“ „Ja“, sagt Billi beruhigend (natürlich trägt sie keine). 

„Bist Du zu Hause?“ „Ja“, lügt Nai Nai (ist sie nicht, sie ist im Krankenhaus).

Der Mensch lügt bis zu 200 mal am Tag. Ohne Böswilligkeit werden die „white lies“ oder Notlügen ausgesprochen, um den anderen nicht zu beunruhigen oder zu verletzen. In China geht man da noch weiter. Dort wird Todgeweihten selbst von Ärzten aus Respekt bisweilen die Wahrheit verschwiegen.

Sterbende Oma, weinende Enkel, Hochzeit – In den Händen einer weniger fähigen Filmemacherin hätte das Ganze auch zu einem Kitschfest ausarten können. Doch Regisseurin Lulu Wang ist ein berührender, witziger und kluger Film über Familiendynamiken gelungen. Sie erzählt hier ihre eigene Geschichte. Auch ihre Großmutter war erkrankt, auch ihre Familie beschloss, die Diagnose zu verheimlichen.

Die Besetzung der Hauptrolle Billi mit der amerikanischen Rapperin Awkwafina ist ein Glücksfall. Nach „Crazy Rich Asians“ zeigt sie hier, dass ihr zurückhaltendes und vielschichtiges Spiel ebenso liegt wie Comedy.

FAZIT

Gute Mischung aus Humor und Drama, gleichzeitig ein warmherziger Einblick in chinesische Familienverhältnisse.

Originaltitel „The Farewell“
USA / China 2019
100 min
Regie Lulu Wang
Kinostart 19. Dezember 2019

AUSGEFLOGEN

Ooooooh! Was Hundewelpen im Tierreich sind, ist „Ausgeflogen“ für Kinofilme. Weich, knuddelig und herzerwärmend. Héloïse ist geschieden, Mutter dreier Kinder und Besitzerin eines Restaurants. Die beiden Älteren sind aus dem Haus, nun ist die Jüngste kurz davor, zum Studium nach Kanada zu ziehen. Küken müssen das Nest verlassen – ein notwendiger Schritt, der bei Héloïse eine existenzielle Krise auslöst.

Ein wenig erinnert „Ausgeflogen“ an „Boyhood“. Wie in Linklaters Film geht es auch hier um Familiendynamik, Loslassen und Erwachsenwerden. Die Erzählung wechselt dabei mit Leichtigkeit zwischen zwei Zeitebenen: dem heutigen Paris und dreizehn Jahre in die Vergangenheit, kurz nach dem Scheitern von Héloïse‘ Ehe.

Regisseurin Lisa Azuelos hat schon mit „LOL“ (zunächst als französische, später als US-Version) eine ähnlich charismatische Komödie vorgelegt. Timing, Charakterzeichnung und Tempo sind perfekt, Hauptdarstellerin Sandrine Kiberlain ist als liebenswerte Mutter zugleich komisch und berührend. 

FAZIT

Es geht zwar im Grunde um nichts, aber dieses Nichts wird in angenehm kurzweiligen 87 Minuten sehr charmant beschrieben.

Originaltitel „Mon Bébé“
Frankreich 2019
87 min
Regie Lisa Azuelos 
Kinostart 18. Juli 2019

Vollblüter

FASZINIERENDER THRILLER

Teenager Lilly ist freundlich, hilfsbereit und hat das Aussehen einer Porzellanpuppe. Zusammen mit ihrer Mutter lebt sie im Luxusanwesen ihres reichen Stiefvaters. Ihre beste Freundin heißt Amanda: große Augen, niedliches Gesicht, hochintelligent. Perfekte Upperclass-Welt in Connecticut. Soweit der erste Eindruck.

Doch hinter der repräsentativen Fassade verbirgt sich eine dysfunktionale Familie. Stiefvater Mark schleicht wie ein Sittlichkeitsverbrecher durchs Haus und macht Lilly das Leben schwer. Nicht weiter verwunderlich, dass sie ihn zutiefst verachtet. Die Mutter brät stundenlang im Solarium, da der Gatte „einen dunkleren Teint bevorzugt“. Und Amanda hat in Wahrheit das Gefühlsleben eines Roboters. Problemlos kann sie wahlweise Tränen oder ein perfekt einstudiertes Lächeln abrufen. Je mehr Zeit die beiden Freundinnen miteinander verbringen, desto mehr versuchen sie, sich gegenseitig zu manipulieren. In vier Kapiteln legt der Film Schicht um Schicht den verrotteten Kern frei, bis es zur Katastrophe kommt.

MACHART

Schon mit der ersten Szene entwickelt „Vollblüter“ seine düstere Sogkraft. Nachts, ein Mädchen, ein Pferd, ein Messer. Unheilvoll. Damit ist die Stimmung für den ganzen Film gesetzt. Ständige Bedrohung liegt in der Luft. Die ruhigen, eleganten Kameraeinstellungen, kombiniert mit dem Knistern und Knacken der nervenaufreibenden Musik erzeugen eine konstante Spannung.

„Vollblüter“ funktioniert gleichermaßen als dunkle Komödie und Thriller. Die wahre Bedrohung ist nicht der Stiefvater, sondern versteckt sich hinter den maskenhaft-hübschen Gesichtern der Hauptdarstellerinnen. Somit ist die Geschichte perfekt auf Olivia Cooke und Anya Taylor-Joy zugeschnitten, denen in ihren Rollen jegliche Emotion und Empathie abgeht. Zwei eiskalte Mörderinnen in hübscher Verpackung.

FAZIT

Cory Finley liefert mit der Verfilmung des von ihm verfassten Bühnenstücks „Thoroughbreds“ sein beeindruckendes Regiedebüt ab. Präzise und souverän inszeniert. Eine Entdeckung.

USA 2018
Regie Cory Finley
92 min
Kinostart 09. August 2018