DEAR EVAN HANSEN

DEAR EVAN HANSEN

Es gab mal eine Schauspielerin namens Joan Crawford. Die war dafür berühmt, dass sie ihren Kindern unter Wutanfällen verbot, Kleidung auf Drahtbügeln aufzuhängen. NO WIRE HANGERS! Im Trash-Camp-Klassiker „Mommie Dearest“ glaubhaft nachgestellt. (hier die Szene) Joan hatte im wahren Leben eine Adoptiv-Tochter. Christina Crawford war ebenfalls Schauspielerin, unter anderem wirkte sie in der Serie „The Secret Storm“ mit. Eines Tages wurde sie schwer krank. Die Produzenten fanden es eine gute Idee, die Rolle ersatzweise mit Christinas Mutter Joan zu besetzten. Warum das erwähnenswert ist? Christina war damals in ihren 20ern, Joan 62.

„Dear Evan Hansen…“, so beginnt der schüchterne Evan einen Brief an sich selbst am ersten Tag in der Oberstufe – ein Rat seines Therapeuten. Durch unglückliche Umstände gerät ein Ausdruck dieses Briefes in die Hände von Evans Mitschüler Connor. Die beiden kennen sich kaum, Connor ist ein schwieriger Einzelgänger. Kurz darauf nimmt er sich das Leben, wird mit dem Brief in der Tasche gefunden, den seine Eltern als Abschiedsbrief an Evan interpretieren. Evan, der der trauernden Familie Trost spenden will, behauptet, Connors bester Freund gewesen zu sein und spinnt die erfundene Geschichte immer weiter aus.

Und was hat nun Joan Crawford mit „Dear Evan Hansen“ zu tun? Die Hauptrolle in der Broadway-Musicalverfilmung wird von Ben Platt gespielt. Der ist 28. Die Figur, die er spielt, soll ein 17-jähriger Highschoolschüler sein. Platts Aussehen ist wie der viel zitierte Unfall, bei dem man nicht wegschauen kann. Trotz puppenhaft geschminktem Gesicht, aufgetufften Haaren und Kinderklamotten sieht er wie ein verkleideter Mittdreißiger mit Doppelkinn aus. Creepy!

Wie es sich für ein amerikanisches Musical gehört, sind die Songs von Benj Pasek und Justin Paul (u. a „The Greatest Showman“, „La La Land“) nett und catchy. Es wird viel geweint (vor und auf der Leinwand) und würde nicht der irritierende Anblick des fehlbesetzten Hauptdarstellers ablenken, wäre „Dear Evan Hansen“ ganz okay, wenn auch mit 137 Minuten Laufzeit entschieden zu lang.
Achtung: Bei uns startet der Film synchronisiert, schauderhafterweise wurden auch die Songs ins Deutsche übersetzt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Dear Evan Hansen“
USA 2021
137 min
Regie Stephen Chbosky
Kinostart 28. Oktober 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

RUN

Mutterliebe kann erdrückend sein: Diane (Sarah Paulson) hat ihre Tochter Chloe (Kiera Allen) in völliger Isolation großgezogen. Das schwerkranke, an den Rollstuhl gefesselte Mädchen kann nichts tun, ohne dabei von ihrer übergriffigen Mutter kontrolliert zu werden. Diane verabreicht Chloe ihre täglichen Medikamente, macht Physiotherapie, verordnet eine strikte Diät – scheinbar alles, um Chloes Leben erträglicher zu machen. Doch nach ein paar irritierenden Begebenheiten beginnt Chloe, die Motive ihrer Mutter infrage zu stellen.

Das kranke Verhältnis der Figuren erinnert stark an die berühmte Stephen-King-Geschichte „Misery“, in der eine wahnhafte Leserin ihren Lieblingsautor in Gefangenschaft nimmt.

Geiselhaft bei Mutti: Der kurzweilige Thriller „Run“ erfindet das Rad zwar nicht neu, bietet aber genügend clevere Wendungen über 90 Minuten. Die Einfachheit des Plots tut der Spannung dabei keinen Abbruch. Beide Schauspielerinnen sind top: Newcomerin Kiera Allen ist auch im wahren Leben an den Rollstuhl gefesselt (echte Inklusion) und Sarah Paulson hat mittlerweile die Fähigkeit perfektioniert, sich auf der Stelle von hysterisch über zerbrechlich zu „Mommie Dearest“ sehr, sehr wütend zu wandeln.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Run“
USA 2020
89 min
Regie Aneesh Chaganty
ab 14. Januar 2021 auf DVD und Blu-ray

alle Bilder © Leonine