NEW ORDER – DIE NEUE WELTORDNUNG

NEW ORDER – DIE NEUE WELTORDNUNG

Gleich zu Beginn des Films ist eine wehrlose nackte Frau zu sehen, an deren Körper grüne Farbe herabtropft. Kurz darauf folgt eine albtraumhafte Kamerafahrt über grün beschmierte Leichen. Grün, die Farbe der Hoffnung – in „New Order“ steht sie für Umsturz und Gewalt.

Die Handlung ist schnell erzählt: Mexiko-Stadt wird in naher Zukunft von einem gewalttätigen Aufstand erfasst. Vom Chaos unberührt, findet derweil in einem luxuriösen Anwesen eine rauschende Hochzeitsparty statt. Als ein verzweifelter Ex-Angestellter bei der Feier auftaucht und die Familie der Braut um Geld bittet, löst das eine fatale Kettenreaktion aus.

Das Eindringen der Unterschicht in den heilen Kokon der Oberschicht erinnert an den Oscar-Gewinner „Parasite“ von 2019. Mit der gemeinsamen Grundidee und einer Vorliebe für minimalistisches Architekturdesign hören die Parallelen aber schon wieder auf – weit weniger subtil erzählt der mexikanische Regisseur Michel Franco vom Kampf Arm gegen Reich. Die Wut der Bevölkerung auf die herrschende Klasse gipfelt hier nicht in einem ausgeklügelt subversiven Unterwanderungsplan, sondern in Entführung, Massenvergewaltigung und Mord.

Ist „New Order“ eine Dystopie? Für eine fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung mit bösem Ausgang ist die Geschichte zu nah an der Realität. Die erste Hälfte, des mit 86 Minuten relativ kurzen Films, ist gut gemachtes Gesellschaftsdrama, die zweite Hälfte unnötig brutaler Sozial-Schocker. Die Revoluzzer entpuppen sich als garstige Peiniger, die ihre blinde Wut in sadistischer Grausamkeit ausleben. Es scheint fast, als habe der Regisseur das Interesse an seinen zu Beginn so sorgsam eingeführten Figuren verloren, es gibt nur noch schablonenhaft Gute und Böse. Keine schönen Aussichten auf die neue Weltordnung.

FAZIT

Zwiespältig.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Nuevo Orden“
Mexiko 2020
86 min
Regie Michel Franco
Kinostart 12. August 2021

alle Bilder © Ascot Elite Entertainment

NINA WU

Die Schauspielerin Nina Wu musste sich bisher mit Werbespots und Kurzfilmen über Wasser halten. Nun wird ihr die Hauptrolle in einem Agententhriller angeboten, doch das Drehbuch verlangt explizite Nacktszenen. Während des Drehs wird Nina immer wieder von ihrem Regisseur vor versammelter Crew erniedrigt und sogar physisch misshandelt. Die Demütigungen hinterlassen tiefe Spuren, als auch noch familiäre Probleme dazukommen, hat sie zunehmend Schwierigkeiten, Realität und paranoide Fantasien auseinanderzuhalten.

„Sie nehmen mir nicht nur meinen Körper. Sie nehmen mir auch die Seele“ – diese Dialogzeilen aus dem fiktiven Film im Film sind als klares #metoo-Statement gegen das System des Machtmissbrauchs im realen Filmbusiness zu verstehen. Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin Wu Ke-Xi bezieht sich dabei auf persönliche Erfahrungen, die sie zu Beginn ihrer Karriere erleiden musste. 

Regisseur Midi Z outet sich mit seinem Cannes-2019-Beitrag als großer David-Lynch-Fan. Wie der US-amerikanische Regisseur erzeugt er durch Musik und Bildgestaltung eine Atmosphäre der steten Beklemmung und unterschwelligen Bedrohung. Zum Glück öffnet sich die westliche Welt zunehmend dem asiatischen Filmmarkt, denn auch dieser vom österreichischen Kameramann Florian Zinke grandios fotografierte taiwanesische Film lohnt den Kinobesuch.

FAZIT

Stylisher Psycho-Thriller, vom Weinstein-Skandal inspiriert.

Originaltitel „Zhuo Ren Mi Mi“
Mandarin mit deutschen Untertiteln
Taiwan / Malaysia / Myanmar 2019
103 min
Regie Midi Z
Kinostart 03. September 2020

PARASITE

Familie Kim haust in einer versifften Kellerwohnung. Erst als Sohn Ki-woo einen Job als Nachhilfelehrer bei den steinreichen Parks ergattert, wendet sich das Blatt. Schnell kapiert er, dass vor allem Frau Park ausgesprochen leichtgläubig ist. Durch Tricksereien gelingt es ihm, seine Schwester als Kunsterzieherin, seinen Vater als Chauffeur und später seine Mutter als Haushälterin in die Familie einzuschleusen. Bald sind die Kims unverzichtbar für ihre neuen Herrschaften. Doch statt serviler „Downton Abbey“-Dienerschaft nistet sich eine parasitäre Verbrecherbande ins Haus der Parks ein.

Angesichts des Titels könnte das neue Werk von Bong Joon Ho („The Host“, „Snowpiercer“, „Okja“) auch ein Horror-Film sein. Doch der Parasit ist in diesem Fall kein schleimiges Ekelvieh, sondern der Mensch selbst. Kapitalismuskritik, verpackt in eine Metapher: Die armen Kims leben buchstäblich ganz unten in einem wanzenverseuchten Loch, während die reichen Parks ganz oben in einem Traum aus Glas und Beton residieren. Wer am Ende der wahre Parasit ist, bleibt Interpretationssache.

„Parasite“ steckt voller Überraschungen: Clevere Gaunergeschichte, bisssige Gesellschaftssatire und spannender Thriller. Als Zuschauer weiß man nie genau, wohin sich der Film entwickelt. Wie schon die vorherigen Arbeiten des Regisseurs, ist auch „Parasite“ wunderschön fotografiert und mit viel Stilgefühl ausgestattet.

FAZIT

Die brillante Genremischung ist zu Recht der Goldene Palme Gewinner von Cannes 2019.

Originaltitel „Gisaengchung“
Südkorea 2019
131 min
Regie Bong Joon Ho
Kinostart 17. Oktober 2019