Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

HINTER GUTEN TÜREN ist Julia Beerholds Auseinandersetzung mit der eigenen Familie. Ihr Dokumentarfilm deckt schmerzhafte Erinnerungen auf.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Hinter guten Türen

Ein junges Mädchen steht mit Tränen in den Augen vor seinem Vater, einem erfolgreichen Unternehmer. Er schlägt ihr ins Gesicht, obwohl sie nicht weiß, was sie falsch gemacht hat. Anschließend holt der Vater die Kamera und fotografiert seine weinende Tochter – eine verstörende Erinnerung für das Familienalbum.

Die Abgründe hinter den Türen

Die Schauspielerin und Regisseurin Julia Beerhold hat einen Film über ihre Kindheit und Jugend in den 1960er und 70er-Jahren gedreht, in der Prügel für sie und ihren Bruder zum Alltag gehören. Vielleicht noch schlimmer als die körperliche Gewalt des Vaters ist die emotionale Kälte der Mutter. „Dann ward ihr da und dann war gut“, antwortet die alte Frau auf die Frage ihrer erwachsenen Tochter, warum sie trotz des Wunsches nach Kindern immer so distanziert war. „Ich habe mir gesagt, ich bin eine alte Mutter und nein, nein, die Kinder dürfen dich nicht zu sehr lieben. Wenn Du stirbst, ist das sonst zu schlimm für sie.“ Eine verdrehte Rechtfertigung der über 90-Jährigen. Die eigene Gefühllosigkeit tut sie als „Macke“ ab.

Hinter guten Türen

Wie oft denkt man selbst, man müsste ein Buch schreiben oder einen Film über das Leben der Eltern machen. Julia Beerhold hat es einfach getan. Ihre autobiografische Dokumentation schildert die Geschichte ihrer Kindheit, die von Liebe und Förderung ihrer Eltern geprägt ist, aber auch von Brutalität überschattet wird. Nicht ohne Konsequenzen: Mit elf Jahren beginnt sie zu trinken, später kommen Drogen dazu, drei Selbstmordversuche folgen.

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN erzählt keinen Einzelfall. Bei den meisten Familien würde sich ein Blick in die Abgründe hinter den Türen lohnen. Beerholds reduzierte Dokumentation ist zwar handwerklich simpel gemacht, dafür inhaltlich umso komplexer. Schicht um Schicht legt sie die Erinnerungen frei, ohne sich dabei selbst zu schonen. Am Ende muss sie erkennen, dass sie als Jugendliche ähnlich grausam wie ihre Eltern war und den Schmerz an ihre beste Freundin weitergegeben hat.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
79 min
Regie Julia Beerhold

Hinter guten Türen

alle Bilder © mindjazz pictures

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THE PERSIAN VERSION

THE PERSIAN VERSION

Ein zwiespältiger Film über eine Mutter-Tochter-Beziehung: Die erste Hälfte nervt, die zweite erzählt die interessante Geschichte einer jungen Frau im Iran.

Ab 14. März 2024 im Kino

THE PERSIAN VERSION beginnt mit der Einblendung „Basierend auf einer wahren Geschichte … mehr oder weniger“ und setzt damit gleich zu Anfang seine erste „Achtung, witzig!“-Marke. Im MIttelpunkt der dramatischen Komödie steht zunächst die iranische Amerikanerin Leila, eine junge Faru, die noch immer gegen ihre Eltern rebelliert. Als einziges Mädchen von neun Geschwistern fühlt sie sich seit Kindesbein benachteiligt, schon in der Schule war sie „zu iranisch für eine Amerikanerin“ und „zu amerikanisch für eine Iranerin“. Davon abgesehen ist sie vor allem eins: zu viel. Die Filmemacherin ist lesbisch, chaotisch und gerade von einer vermeintlichen Transe geschwängert worden, die sich als heterosexueller Schauspieler entpuppt. Besonders Leilas Mutter stößt das selbstbestimmte Leben ihrer Tochter auf. Ich hab’s im Magen.

Mehr Filmhochschule als Filmkunst

Dies ist Maryam Keshavarz‘ dritter Film und ihre erste Komödie. Es gibt viele gute Ansätze und mindestens genauso viele schlechte Umsetzungen. In der ersten Hälfte nervt die Lebens-Erinnerungs-Clip-Sammlung mit bemühter Originalität. Schnelle Schnitte, Freezeframes und das Durchbrechen der vierten Wand sind legitime filmische Mittel. Aber man sollte wissen, wann, wie oft und aus welchem Grund man sie einsetzt. Hier hat man den Eindruck, als habe eine Filmemacherin im kreativen Drogenrausch krampfig versucht, ihr Werk aufzupeppen. Das Ergebnis ist mehr Filmhochschule als Filmkunst.

Nach gut der Hälfte wechselt THE PERSIAN VERSION plötzlich die Richtung. Die Kamera zoomt nicht mehr in das überdrehte Leben der Tochter, sondern fokussiert sich auf die Mutter. Endlich wird es interessant. Ein Film im Film mit einem dramaturgischen Bogen und nachvollziehbarer Erzählstruktur – als hätte jemand das Steuer eines entgleisten Zuges endlich in die richtige Richtung gelenkt. Schade, dass es bis dahin eine gefühlte Ewigkeit dauert. Vielleicht hätte man die erste Hälfte besser verschlafen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Persian Version“
USA 2023
107 min
Regie Maryam Keshavarz

alle Bilder © Sony Pictures

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PROXIMA: DIE ASTRONAUTIN

PROXIMA: DIE ASTRONAUTIN

Annalena Baerbock nervt das: Helmut Kohl wurde im Laufe seiner politischen Karriere nie gefragt, wie er Beruf und Kindererziehung unter einen Hut bringt. Die Regeln der Politik gelten auch im Weltraum: Papa fliegt zum Mond und ist ein Held. Mama fliegt zur ISS und ist eine Rabenmutter. Das arme Kind einfach so zurücklassen! Wie kann sie nur?

Schon als Mädchen träumt Sarah (Eva Green) davon, Astronautin zu werden. Als sie für eine Marsmission auserwählt wird, beginnt eine physisch und psychisch stressige Vorbereitungszeit im ESA-Trainingslager. Der Haken am großen Weltraumabenteuer: Bald wird sie nicht nur die Erde für ein Jahr verlassen, sondern auch ihre kleine Tochter Stella. Lebenstraum oder Mutterliebe: Sarah steht vor einer schweren Entscheidung.

Der Titel klingt nach Science-Fiction, doch „Proxima: Die Astronautin“ ist alles andere als das. Tatsächlich spielt keine einzige Szene im All, die Handlung findet ausschließlich auf der Erde statt. Regisseurin Alice Winocour erzählt ein stilles Drama über Liebe und Abnabelung und wirft dabei einen kritischen, feministischen Blick auf die von Männern dominierte Berufswelt.

Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Star City und Baikonur. Die Regisseurin wählt eine fast dokumentarische Form für ihre universelle Mutter-Tochter-Geschichte. Neben einer herausragenden Eva Green spielen Lars Eidinger, Matt Dillon und Sandra Hüller.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Proxima“
Frankreich / Deutschland 2019
107 min
Regie Alice Winocour
Kinostart 24. Juni 2021

alle Bilder © Koch Films