DIE MITTAGSFRAU

DIE MITTAGSFRAU

Ab 28. September 2023 im Kino

In ihrem preisgekrönten Roman „Die Mittagsfrau“ von 2007 erfindet Julia Frank eine Version der Lebensgeschichte ihrer Großmutter. Die österreichische Regisseurin Barbara Albert hat den Bestseller nun mit Mala Emde in der Hauptrolle verfilmt.

Helene – so der Name der semifiktiven Großmutter – wächst in Bautzen in bedrückenden Verhältnissen auf. Ihre Mutter ist psychisch krank, lebt in einer Wahnwelt. Um all dem Leid zu entgehen, brechen die junge Helene und ihre ältere Schwester Martha ins wilde Berlin der 20er-Jahre auf, wo sie bei ihrer mondänen Tante Fanny unterkommen. Viele Partys, Charleston-Tänze und Schicksalsschläge später ist Helene alleinerziehende Mutter. Weil das Leben kurz und das Kind nervig ist, bringt sie es an einen Bahnhof und lässt es dort zurück. Endlich frei, kaltes Herz. Ende.

Die Dialoge gestelzt, die Bildsprache gewöhnungsbedürftig

Die guten Schauspieler (u.a. Mala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn) können nichts dafür, dass das Drehbuch voller gestelzter Dialoge, die Ausstattung unpassend modern und die Bildsprache gewöhnungsbedürftig ist. Es reicht eben nicht, ein paar Möbel (die teilweise aussehen, als hätte IKEA die Ausstattung besorgt) ins Set zu stellen und den Darstellern 20er-Jahre-Kleidung anzuziehen. Aber nicht nur Äußerlichkeiten sind unstimmig, auch Emotionen werden plump auf die Leinwand gebracht. Helenes Mutter beispielsweise muss ihren Wahnsinn mit Schreien, irrem Lachen und wirren Haaren darstellen. Edgw.

DIE MITTAGSFRAU macht den unguten Eindruck eines nicht allzu üppig budgetierten Kunsthochschulprojekts. Immer wenn es besonders gefühlig wird, schaltet die Kamera auf farbübersättigt und grobkörnig, das soll dann wohl stimmungsvoll sein. Die Geschichte von der Frau, die mit ihrer Rolle als Mutter ringt, ist interessant, wird aber in fast 2,5 Stunden lebensbedrohlich in die Länge gezogen. Über weite Strecken entsteht so eine Langeweile, die bei der Pressevorführung mit seligem Schnarchen und teils fluchtartigem Verlassen des Kinosaals honoriert wurde.

INFOS ZUM FILM

Deutschland / Schweiz / Luxemburg 2023
136 min
Regie Barbara Albert

alle Bilder © Wild Bunch Germany

DIE TÄUSCHUNG

Kinostart 26. Mai 2022

„Die Täuschung“ hat im Original den schön schrulligen Titel „Operation Mincemeat“. Mincemeat? Klingt widerlich, ist es auch. Wikipedia weiß: „Mincemeat ist eine Mischung aus klein gehacktem Trockenobst, Weinbrand und Gewürzen, die manchmal auch Rindernierenfett, Rindfleisch und Wildbret enthält.“ Ja, das hört sich nicht besonders lecker an. Aber warum sollte eine Aktion, bei der eine verweste Wasserleiche die Hauptrolle spielt, auch einen appetitlichen Namen haben?

Während des Zweiten Weltkriegs entwickeln die beiden Geheimdienstoffiziere Ewen Montagu und Charles Cholmondeley einen raffinierten Plan:  Ein an der spanischen Küste angeschwemmter Toter soll „geheime“ Dokumente bei sich tragen, in denen ein bevorstehender Angriff der Alliierten über Griechenland erwähnt wird. Die Papiere sollen den Nazis in die Hände gelangen, um vom tatsächlichen Angriffsort Sizilien abzulenken und so die Deutschen auf die falsche Fährte zu locken.

Der Spaß an diesem wahnwitzigen Täuschungsmanöver ist die Vorbereitung: Der Tote wird aufwendig mit einer erfundenen Biografie ausgestattet, Fotos und Briefe von seiner nicht existenten Freundin stecken in der Innentasche seines Jacketts. Wenn die schon sehr mitgenommene Leiche in Uniform für ein Passfotoshooting in Pose gesetzt wird, dann hat das „Weekend with Bernie“-Qualität. Die Top Secret Unterlagen, die unbedingt in die Hände der Deutschen gelangen sollen, werden wasserdicht in einer Aktentasche verstaut, die dem Toten ans faulige Handgelenk gekettet wird. Dass der in Wahrheit ein depressiver Selbstmörder war, der sich Wochen zuvor mit Rattengift umgebracht hatte, muss natürlich unter allen Umständen geheim bleiben.

Was soll da schon schief gehen? Ein feist produzierter britischer Spionagethriller, based on a true story – und dann noch mit Colin Firth in der Hauptrolle. „Die Täuschung“ ist angenehm altmodische, perfekt gemachte Kino-Unterhaltung.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Operation Mincemeat“
GB 2021
128 min
Regie John Madden

alle Bilder © Warner Bros.

Deine Juliet

CHARMANTE LIEBESGESCHICHTE

London, 1946. Die junge, erfolgreiche Schriftstellerin Juliet (Lily James) erhält Post von der Kanalinsel Guernsey. Farmer Dawsey (Michiel Huisman) bittet sie, ihm bei der Suche nach einem seltenen Buch zu helfen. Daraus ergibt sich ein reger Briefwechsel und so erfährt Juliet, dass es auf der Insel den Literaturverein „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ gibt. Dessen teils exzentrische Mitglieder haben sich mit dem Lesekreis über die schwere Zeit während der deutschen Besatzung gerettet. Obwohl weder ihr Verlobter, noch ihr Verleger sonderlich begeistert sind, fährt Juliet spontan nach Guernsey. Sie plant, einen Artikel über den ungewöhnlichen Buchclub und sein Geheimnis zu schreiben.

MACHART

Das nächste Reiseziel steht fest: Cornwall und Devon; weil ein Dreh auf der echten Insel Guernsey logistisch zu aufwändig gewesen wäre, musste die Filmcrew an die Südküste des britischen Festlandes ausweichen. Und ach, ist das schön da! Grüne Steilküsten, verwunschene Gärten und Kopfsteinpflasterwege unter rauschenden Laubbäumen. Genau die richtige Umgebung für eine romantische Liebesgeschichte. Die Atmosphäre ist very british und so gemütlich wie eine Teatime bei Familie Crawley. Überhaupt, Downton Abbey: Ein Vergleich drängt sich auf, denn bei „Deine Juliet“, so der etwas lahme deutsche Titel, macht gefühlt der halbe Cast der ITV-Serie mit. Neben Lilly James als Titelheldin, spielen noch Jessica Brown Findlay, Matthew Goode und Penelope Wilton mit. Da die letzte „Downton Abbey“-Folge schon eine Weile her und der oft angekündigte Kinofilm noch nicht in Sicht ist, kommt dieser nette Ersatz gerade recht, die schlimmsten Entzugserscheinungen zu mildern.

FAZIT

„The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“, so der komplizierte Originaltitel, ist alles in einem: Liebes-, Kriegs- und Kriminalgeschichte. Dennoch plätschern die 124 Minuten ein bisschen zu harmlos dahin, größere Überraschungen gibt es nicht. Dafür ist es schön anzusehen und lehrreich: Wer wusste außerhalb Englands, dass „schon bald“ auch „in two shakes of a lamb’s tail“ heißt? ?

GB, 2018
Regie Mike Newell
124 min
Kinostart 09. August 2018