38. Fantasy Filmfest

38. FANTASY FILMFEST

38. Fantasy Filmfest

38. FANTASY FILMFEST

Gestern endete das 38. Fantasy Filmfest in Berlin. In diesen sechs Städten kann sich aber noch weiter gefürchtet werden: Hamburg, München, Nürnberg und Stuttgart vom 11. bis zum 18. September, Frankfurt und Köln ab dem 18. bis 25. September. Hier ein kleines Best- und Worst-of:

The Substance

THE SUBSTANCE

THE SUBSTANCE ist 80er-Jahre-Horror mit Aussage: ein durchgeknalltes Gleichnis über weiblichen Selbsthass und den unerbittlichen Druck, Schönheitsnormen zu entsprechen. Auch wenn der Film seine Botschaft gelegentlich etwas plump vermittelt, trifft er doch ins Schwarze und hat das Zeug zum modernen Klassiker des Genres zu werden. Die ausführliche Kritik zu Demi Moores Comeback-Film erscheint zum Kinostart am 18. September auf Framerate.

GB / USA / Frankreich 2024
140 min
Regie Coralie Fargeat

Maldoror

MALDOROR

Im Jahr 1995 wird Belgien durch das Verschwinden zweier junger Mädchen tief erschüttert. Der Fall zieht eine beispiellose mediale Aufmerksamkeit auf sich. Paul Chartier, ein idealistischer junger Polizist, schließt sich der geheimen Operation „Maldoror“ an, die zur Überwachung eines vorbestraften Verdächtigen, des berüchtigten Pädophilen Marcel Dedieu, dient. Der Thriller MALDOROR von Fabrice Du Welz ist alles andere als Fantasy, sondern beruht lose auf den fehlerhaften Ermittlungen im Fall des belgischen Mörders und Sexualstraftäters Marc Dutroux. Der langsam erzählte Kriminalfilm macht vor allem wütend auf das Versagen der Polizei. Hervorragend gespielt und atmosphärisch dicht, wenn auch mindestens eine halbe Stunde zu lang.

Belgien / Frankreich 2024
155 min
Regie Fabrice du Welz

Blood Star

BLOOD STAR

Ein psychopathischer Sheriff jagt junge Frauen durch die Wüste von New Mexico. Normalerweise schwafeln Filmkritiken (auch hier bei Framerate) ja immer was von „bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend besetzt“ oder so ähnlich. Nun, bei BLOOD STAR ist es umgekehrt. Gerade die Nebenrollen sind hier unterirdisch schlecht besetzt. Bei einem Film, der sich mitunter zieht wie Kaugummi, unter ewig langen, uninteressanten Dialogen erstickt und eine ausgesprochen unsympathische Hauptfigur hat, ist das vielleicht das geringste Problem. Ja, dies ist ein Low-Budget, independent, in nur 10 Tagen gedrehtes Erstlingswerk. Das entschuldigt aber nicht all die Logikfehler und das Fehlen jeder Spannung. Erschreckend ist hier höchstens das dämliche Verhalten der Figuren. Bis auf ein paar wenige Szenen zu Beginn und am Ende gibt’s dafür höchstens anderthalb blutige Punkte.

GB 2024
97 min
Regie Lawrence Jacomelli

Humanist Vampire seeking consenting suicidal person

HUMANIST VAMPIRE SEEKING CONSENTING SUICIDAL PERSON

Sasha, eine junge Vampirin, hat ein großes Problem: Sie ist zu sensibel, um zu töten. Als ihre genervten Eltern sie vor die Tür setzen, droht sie zu verhungern. Doch dann trifft sie auf Paul, einen einsamen jungen Mann, der mit Selbstmordgedanken spielt und bereit ist, sein Leben für Sasha zu opfern. Der Titel bringt die ganze Geschichte schön auf den Punkt: „Feinfühlige Vampirin sucht williges, lebensmüdes Opfer.“ Trotz der ernsten Themen wie Selbstmord, Einsamkeit und Mobbing bleibt Ariane Louis-Seizes Film überraschend leicht und humorvoll. Die Coming-of-Age-Erzählung, gepaart mit schwarzem Humor, macht diesen Vampirfilm zum charmanten Highlight des Festivals.

Kanada 2023
92 min
Regie Ariane Louis-Seize

THINGS WILL BE DIFFERENT

Wer sich bei drei Staffeln DARK unterfordert fühlt, für den dürfte THINGS WILL BE DIFFERENT genau das Richtige sein. Ob sich Regisseur und Drehbuchautor Michael Felker von der deutschen Kultserie inspirieren ließ? Gewisse Parallelen sind nicht zu verleugnen. Die verschachtelte Zeitreisestory über zwei Geschwister, die sich in einem geheimnisvollen Haus plötzlich in der Vergangenheit wiederfinden, wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Trotz Verwirrung überzeugt THINGS WILL BE DIFFERENT mit durchgehender Spannung und gutem Cast. Muss ja nicht immer alles Sinn machen.

USA 2024
102 min
Regie Michael Felker

Sleep

SLEEP

Tagsüber ist er ein netter Ehemann. Nachts wird er zur mörderischen Bedrohung. Klingt wie der hundertste Jeckyll and Hyde-Aufguss, ist aber eine koreanische Geistergeschichte. SLEEP sollte besser SLEEPWALKER heißen, denn Hyun-su macht im Tiefschlaf beunruhigende Dinge. Zunächst murmelt er nur seltsame Sätze, bald darauf kratzt er sich die Backe blutig. Als ihn seine Frau schlafwandelnd rohes Fleisch verschlingend vor dem Kühlschrank findet, packt sie das blanke Entsetzen. Ist ihr Mann von einem bösen Geist besessen? Der gekonnt zwischen Komödie und Horror changierende Film SLEEP hat eine tragische Hintergrundgeschichte: Hauptdarsteller Lee Sun-kyun, hierzulande vor allem aus PARASITE bekannt, nahm sich Ende 2023 das Leben. SLEEP war sein vorletzter Film.

Südkorea 2023
95 min
Regie Jason Yu

Strange Darling

STRANGE DARLING

Es ist zwar ein ausgelutschtes Kompliment, aber STRANGE DARLING weckt Erinnerungen an den frühen Tarantino. Der Film ist in sechs Kapitel unterteilt, die aber nicht chronologisch ablaufen. Die nonlineare Erzählweise macht die Handlung komplett unvorhersehbar. Es beginnt mit Kapitel 3, springt zu 5, zu 2 usw.. Ohne zu viel zu verraten: Es gibt zahlreiche Wendungen und Überraschungen, sodass es keine Sekunde langweilig wird. Dabei ist das Ganze extrem brutal, empfindliche Zuschauer seien gewarnt. Wer es aushält, wird mit einem der fesselndsten Thriller des Jahres belohnt.

USA 2023
96 min
Regie JT Mollner

A different Man

A DIFFERENT MAN

Schauspieler Edward leidet unter einer starken Gesichtsdeformation. Dank eines neuen Medikaments sieht er bald wie Hollywoodstar Sebastian Stan aus. Äußerlich ändert sich einiges in seinem Leben, und doch bleibt im Grunde alles gleich. A DIFFERENT MAN hat ein paar hübsche schräge Ideen, mit Adam Pearson einen sehr charmanten scene-stealer und eine ganze Reihe Probleme. Die platte Message „Was nützt die schönste Fassade, wenn die inneren Werte nicht stimmen“ wird mit dem Holzhammer transportiert. Dazu führt das unausgewogene Tempo zu langatmigen Szenen, während der Wechsel zwischen Psycho-Drama und Möchtegern-Thriller auf Dauer anstrengt. Regisseur Aaron Schimberg präsentiert dem Zuschauer haufenweise Indie-Klischees und wenig Subtilität.

USA 2024
112 min
Regie Aaron Schimberg

Plastic Guns

PLASTIC GUNS

Sie sind zum Glück selten – aber es gibt sie doch: Filme, die einen ab der ersten Szene nerven. PLASTIC GUNS ist eine größtenteils unlustige Komödie über einen Serienkiller, der von zwei Hobbyermittlerinnen, einem Profidetektiv und der Polizei gejagt wird. Das Ganze ist ohne komödiantisches Timing mit einem knallchargierenden Ensemble inszeniert. Öde.

Frankreich 2024
96 min
Regie Jean-Christophe Meurisse

Sayara

SAYARA

Zitat aus dem Pressetext: „Mit BASKIN katapultierte Can Evrenol 2015 die Türkei auf die Horrorfilm-Landkarte. Mit diesem erbarmungslos-intensiven Thriller legt er nach und in Sachen Brutalität ordentlich zu. Hier zertrümmern Fäuste Leiber, spalten Klingen Schädel und tropft Hirnmasse von Kampfstiefeln“. Nur für Fans von ultrabrutalen Gewaltpornos zu empfehlen. Not my cup of blood.

Türkei 2024
90 min
Regie Can Evrenol

The Wasp

THE WASP

Und noch ein Film voller Twists und Turns. Das Beste an Guillem Morales‘ spannendem Thriller sind Naomie Harris und Natalie Dormer. Die knisternde Spannung zwischen den beiden Freundinnen/Feindinnen macht die etwas vorhersehbaren Wendungen wett. Zum Abschluss noch einmal solide Kost auf dem 38. Fantasy Filmfest.

GB 2024
95 min
Regie Guillem Morales

Alle Bilder ©️ Fantasy Filmfest

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BERLINALE 2024 – TAG ZWEI

BERLINALE 2024 – TAG ZWEI

Hat ein Wahnsinniger die Absperrungen am Potsdamer Platz aufgestellt? Nirgendwo geht’s rein, nirgendwo geht’s raus. Wenn schon nicht das Wegeleitsystem, dann doch zumindest das Design gelobt: Der hochelegante Bär, der mal mit lächelndem Gesicht, mal mit angehobener Tatze die Berlinale-Plakate ziert, ist eine riesige Verbesserung gegenüber der 80er-Jahre Frisörwerbung vom letzten Jahr. Fell ist nämlich immer ganz gut …

Wettbewerb

A DIFFERENT MAN

A DIFFERENT MAN

Schauspieler Edward leidet unter einer starken Gesichtsdeformation. Dank eines neuen Medikaments sieht er bald wie Hollywoodstar Sebastian Stan aus. Äußerlich ändert sich einiges in seinem Leben, und doch bleibt im Grunde alles gleich.

A DIFFERENT MAN hat ein paar hübsche schräge Ideen, mit Adam Pearson einen sehr charmanten scene-stealer und eine ganze Reihe Probleme. Die platte Message „Was nützt die schönste Fassade, wenn die inneren Werte nicht stimmen“ wird mit dem Holzhammer transportiert. Dazu führt das unausgewogene Tempo zu langatmigen Szenen, während der Wechsel zwischen Psycho-Drama und Möchtegern-Thriller auf Dauer anstrengt. Regisseur Aaron Schimberg präsentiert dem Zuschauer haufenweise Indie-Klischees und wenig Subtilität.

INFOS ZUM FILM

USA 2023
112 min
Regie Aaron Schimberg
Bild © Faces Off LLC

Wettbewerb

LA COCINA

Wer beim Titel LA COCINA einen Film übers Kochen erwartet, liegt gründlich falsch. Der mexikanische Wettbewerbsbeitrag spielt zwar zu großen Teilen in der Küche eines New Yorker Restaurants, doch ums Zubereiten von Speisen geht es nur am Rande. Nein, LA COCINA ist eine shakespearsche Tragödie mit allem Drum und Dran: Liebe, Verrat, das ganz große Drama. Und wie es sich für ein Drama gehört, wird über zwei Stunden lang leidenschaftlich gelitten und gestritten.

Die Geschichte spielt hinter den Kulissen der Touristenfalle „The Grill“ am Times Square. Der mexikanische Koch Pedro (Raúl Briones Carmona), ein Illegaler, ist schwer in die Kellnerin Juilia (Ronney Mara) verliebt. Als er erfährt, dass sie von ihm schwanger ist und abtreiben will, sieht er rot. Beziehungsweise grau, denn LA COCINA ist in strengem Schwarz-Weiß gedreht. Dass Dialoge, Rhythmus und Inszenierung theaterhaft wirken, kommt nicht von ungefähr: Der Film basiert auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Arnold Wesker. Kein Wunder, dass man sich wie beim Tableread zu einem Off-Broadway-Stück fühlt.

Die Küche als Hölle auf Erden. All das Geschreie und Gefluche mag zwar authentisch sein, zerrt aber auf Dauer nicht nur an den Nerven der Protagonisten. LA COCINA ist so anstrengend wie eine Doppelschicht in der Großraumküche.

INFOS ZUM FILM

Mexiko / USA 2024
139 min
Regie Alonso Ruizpalacios
Bild © Juan Pablo Ramírez / Filmadora

Wettbewerb

Ein kleines Stück vom Kuchen

MY FAVORITE CAKE

Mahin (70) lebt allein, ihre Kinder sind ins Ausland weggezogen. Eines schönen Tages beschließt sie, dass es genug mit der Einsamkeit ist und ihr Liebesleben einen Neustart braucht. Die Spontanromanze mit einem Taxifahrer entwickelt sich rasch zu einem in vielerlei Hinsicht unvergesslichen Abend.

Schon Maryam Moghaddams und Behtash Sanaeehas vorheriger Film BALLAD OF A WHITE COW wurde nicht nur bei Framerate in den höchsten Tönen gelobt und entwickelte sich schnell zum Publikumsliebling der Berlinale 2021. Auch KEYKE MAHBOOBE MAN läuft im Wettbewerb und es wäre ein Wunder, wenn es nicht irgendeinen Bären dafür gäbe. Die zarte Liebesgeschichte zwischen zwei Rentnern in Teheran hat alles, was Kino braucht: Tragik, eine gute Story, zwei herausragende Darsteller (Lily Farhadpour & Esmail Mehrabi) und vor allem viel Humor.

Gar nicht lustiger sad-fact: Gegen das iranische Autoren- und Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha wurde ein Reiseverbot verhängt. Ihre Pässe wurden konfisziert und ihnen droht in Bezug auf ihre Arbeit als Filmemacher ein Gerichtsverfahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Keyke Mahboobe Man“
Iran / Frankreich / Schweden / Deutschland 2024
97 min
Regie Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha
Bild © Hamid Janipour

Panorama

BRIEF HISTORY OF A FAMILY

Der 15-jährige Waisenjunge Yan Shuo wanzt sich in die Familie seines Mitschülers Tu Wei. Die wohlhabenden Eltern nehmen ihn schnell als zweiten Sohn an. Ein Plädoyer für die Wiedereinführung der Ein-Kind-Politik? Man weiß es nicht. Der stilvolle, aber spannungsarme Thriller besticht immerhin durch unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, doch am Ende ist man so schlau wie zu Beginn.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Jia ting jian shi“
Volksrepublik China / Frankreich / Dänemark / Katar 2024
99 min
Regie Lin Jianjie
Bild © First Light Films, Films du Milieu, Tambo films

Panorama

PENDANT CE TEMPS SUR TERRE

Eines Tages wird Elsa von einer außerirdischen Lebensform kontaktiert, die behauptet, sie könne den im Weltraum verschollenen Bruder der jungen Frau zur Erde zurückbringen. Doch der Preis dafür ist hoch. Regisseur Jérémy Clapin will uns mit PENDANT CE TEMPS SUR TERRE wahrscheinlich etwas über Trauer und Verlust erzählen. Dazu nutzt er eine Mischung aus Body-Horror, Science Fiction, Zeichentrick und französischem Arthouse-Kino. Kunst halt. Sehenswert nur wegen der tollen Hauptdarstellerin Megan Northam.

INFOS ZUM FILM

Englischer Titel „Meanwhile on Earth“
Frankreich 2024
88 min
Regie Jérémy Clapin
Bild © Manuel Moutier

Generation Kplus

Sieger Sein

SIEGER SEIN

Mona ist mit ihrer kurdischen Familie aus Syrien geflüchtet und landet im Berliner Wedding, dem Bezirk, der seit 30 Jahren kommt. In ihrer neuen Schule ist sie „voll das Opfer“, bis sie beim Fussballspielen beweisen kann, was in ihr steckt. Ganz erstaunlich, dass es sich bei SIEGER SEIN um einen Debütfilm handelt. Denn es wimmelt nur so von Klischees. Regisseurin Soleen Yusef will es allen recht machen: Der jungen Zielgruppe ebenso, wie den vereulten Redakteuren der Öffentlich-Rechtlichen. Besonders nervig sind dabei die didaktischen Ansätze. Ein bisschen Zuwendung und schon hebt der gerade noch respektlose Rotzlöffel im Unterricht brav die Hand und fragt mit großen Augen „Was ist Diktatur?“ Erklärung folgt, wieder was gelernt – Bruda, isch schwöre!

INFOS ZUM FILM

Englischer Titel „Winners“
Deutschland 2024
119 min
Regie Soleen Yusef
Bild © Stephan Burchardt / DCM

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