WOCHENENDREBELLEN

WOCHENENDREBELLEN

Ab 28. September 2023 im Kino

Auf großer Stadiontour durch Deutschland: Mirco klappert mit seinem Sohn Jason die Bundesliga ab, um einen Lieblingsverein für den autistischen Junior zu finden.

Jasons Regeln sind streng: Nudeln dürfen sich auf dem Teller nicht mit der Tomatensoße berühren. Ihn selbst darf sowieso niemand anfassen. Das eigenwillige Verhalten kommt nicht von ungefähr: Jason ist Autist. Nun sucht der 10-Jährige einen Lieblingsfußballverein. Und seine Ansprüche sind hoch: Energetisch nachhaltig, keine Nazis unter den Fans, die Spieler müssen einheitlich farbige Schuhe tragen, das Maskottchen darf nicht peinlich sein und vieles mehr. Gemeinsam mit seinem Vater nimmt Jason in einem Langzeitprojekt die erste, zweite und dritte Liga unter die Lupe – 56 Mannschaften insgesamt.

Basiert auf einer wahren Geschichte

Florian David Fitz spielt in WOCHENENDREBELLEN einen Fastfood-Handlungsreisenden, der lernen muss, mit der psychischen Krankheit seines Sohns umzugehen. Was soll man da kritisieren? Cecilio Andresen meistert seine Rolle bravourös, denn die Figur des Jason ist alles andere als liebenswert. Der Film versucht zum Glück nicht, die Krankheit weichzuspülen und aus dem Autisten einen niedlichen Jungen mit leichter Behinderung zu machen. Nein, Jason nervt auf SYSTEMSPRENGER-Niveau. Schade nur, dass Regisseur Marc Rothemund die außergewöhnliche Story wie eine typisch deutsche TV-Produktion inszeniert. Da gibt es wenig große Bilder oder visuelle Einfälle, Emotionen werden mit gefälligen Pophits zugekleistert. 

WOCHENENDREBELLEN basiert auf einer wahren Geschichte. Mirco und Jason von Juterczenka reisen bis heute regelmäßig zu Bundesligaspielen. Wie so oft berühren dann die zum Abspann gezeigten Realaufnahmen mehr als der ganze Film davor. Die gute Absicht zählt, doch fragt sich, ob das Plädoyer für Verständnis und Integration mit einem künstlerisch mutigeren Film nicht stärker gewesen wäre.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
95 min
Regie Marc Rothemund

alle Bilder © Leonine

DER NACHNAME

Kinostart 20. Oktober 2022

Früher war alles besser. Nein, ehrlich: Früher war wirklich alles besser. Zum Beispiel „Das Traumschiff“. Bevor das tätowierte Skelett Kapitän wurde und seine aus dem Reiseführer abgelesenen Texte mit rollendem R ins Bordmikro rülpste, gab es mal gestandene, weißhaarige Männer, die die MS Deutschland mit sicherer Hand durch alle Untiefen deutscher Fernsehunterhaltung führten. Vorbei. Spätestens mit dem Tod von Heide Keller (hat auch bei den Drehbüchern mitgeholfen) ging alle Hoffnung fahren, der marode Kahn könnte jemals wieder eine Handbreit Wasser unterm Kiel bekommen. Nicht einmal Sascha „Softsex“ Hehn hatte „Lust“ weiterzumachen.

Im Gegensatz zu den aktuellen Traumschiff-Machern weiß Sönke Wortmann ganz genau, was deutsche Zuschauer wünschen: Schöne Häuser in schönen Landschaften, von schönen Menschen bewohnt, die sich pointierte Dialogduelle liefern. Fürs gute Aussehen sind Iris „Dorian Grey“ Berben, Florian David Fitz und Janina Uhse zuständig. Für Witz und Intellekt sorgen der stets zuverlässig zynische Christoph Maria Herbst, Caroline Peters und Justus von Dohnányi. Eine Besetzung, wie sie einer guten Traumschiff-Folge würdig wäre. Und wie bei der ZDF-Serie sind auch bei „Der Nachname“ die Lösungen aller Probleme schon zwanzig Drehbuchseiten vorher zu erkennen. Macht aber nix, denn wenn man weiß, wie eine Geschichte weitergeht, kann das mitunter eine meditative Wirkung entfalten.

Wie es sich für einen guten Fernseh– Kinofilm gehört, gibt es zu Beginn erst mal eine kurze „Was bisher geschah“-Sequenz (der erste Teil „Der Vorname“ war 2018 überaus erfolgreich), um direkt danach den klassischen „Zweiter-Teil“-Drehbuchkniff anzuwenden, nämlich das Verlegen der Handlung in ein fernes Land. Im Gegensatz zur missglückten „Sex and the City 2“-Abu-Dhabisierung gelingt der Locationwechsel bei „Der Nachname“ problemlos, denn im Grunde macht es keinen Unterschied, ob die unterhaltsame Geschichte um kleinere und größere Familienstreitigkeiten auf Lanzarote oder in München spielt.

„Der Nachname“ – eine nette Komödie im besten Sinne.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2021
91 min
Regie Sönke Wortmann

alle Bilder © Constantin Film

EINGESCHLOSSENE GESELLSCHAFT

EINGESCHLOSSENE GESELLSCHAFT

Kinostart 14. April 2022

Sönke Wortmann ist Deutschlands fleißigster Komödienregisseur. Nach „Der Vorname“, „Contra“ und demnächst „Der Nachname“ kommt jetzt „Eingeschlossene Gesellschaft“ in die Kinos. Bei der eingeschlossenen Gesellschaft handelt es sich um sechs Lehrer, die von einem genervten Vater unter Waffengewalt gezwungen werden, die seiner Meinung nach ungerechte Benotung seines Sohns zu überdenken. Dem Junior fehlt genau ein Punkt, um sich fürs Abi zu qualifizieren.

Solcherart Ensemblefilme leben von Klischees. Das war bei den Schülern in „Fack ju Göhte“ so und ist bei den Lehrern nicht anders. Florian David Fitz spielt den dauerjugendlichen Sportlehrer, Anke Engelke die verbitterte Hexe, Justus von Dohnanyi den überkorrekten, humorlosen Pauker, Nilam Farooq die junge, selbstbewußte Referendarin und so weiter. Die Figurenzeichnung hat sich da seit Opas Kino aus den 1960er-Jahren nicht groß weiterentwickelt. Fragt sich nur: Gibt es so was heutzutage wirklich noch? Und wenn ja, wo? Möglicherweise hat Sönke Wortmann (Jahrgang 1957) seine eigenen traumatischen Schulerinnerungen aufgearbeitet. 

Ein bisschen zu simpel auch die Rollenverteilung: Die Jungen sind modern, die Älteren sind verknöcherte Despoten, die nicht mal wissen, dass es HipHop und nicht HipHip oder HopHop heißt. Na ja. Trotzdem findet der Film immer wieder den richtigen Ton. Denn er stellt die richtigen Fragen: Wer entscheidet da eigentlich über die Zukunft unserer Kinder? Sind Lehrer nicht genauso fehlbar wie der Rest der Menschheit? So entwickelt sich die Geschichte zwischendurch fast zum brechtschen Drama, wenn über Wohl und Wehe eines Schülers gerichtet wird. „Eingeschlossene Gesellschaft“: eine gelungene Mischung aus Ulk und Ernsthaftigkeit.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2022
101 min
Regie Sönke Wortmann

alle Bilder © Leonine

DAS PERFEKTE GEHEIMNIS

Schlimme Vorstellung: Beim Pärchenabend legt jeder sein Smartphone auf den Tisch und alle dürfen sehen, was da so den ganzen Abend reinkommt. Zu einem solch riskanten Spiel entschließen sich sieben Freunde beim gemeinsamen Abendessen. Nachrichten werden vorgelesen, Telefonate laut mitgehört, es gibt keine Geheimnisse. Anfangs noch ein harmloser Spaß wird die große Transparenz bald zum Desaster. 

Moment mal, da geht man voll negativer Vorurteile in die neue Komödie der „Fack ju Göhte“-Macher – und dann amüsiert man sich halbwegs gut. Clevere Idee, gute Figurenkonstellation, sehr unterhaltsame Geschichte – da stimmt doch was nicht!
Des Rätsels Lösung: „Das perfekte Geheimnis“ wurde nicht von Deutschen entwickelt, sondern beruht auf einer international getesteten Idee. Den gleichen Film gibt es bereits als griechische, spanische, türkische, französische, mexikanische, koreanische und chinesische Version. Die deutsche ist somit die achte Neuauflage des italienischen Kinohits „Perfetti Sconosciuti“, der 2016 alleine in seinem Heimatland knapp 3 Millionen Zuschauer ins Kino lockte.
Da zwischenmenschliche Verhaltensweisen und Marotten trotz Globalisierung immer noch halbwegs unterschiedlich sind, wird die identische Geschichte einfach für jedes Land entsprechend adaptiert. Dieses kalkulierte, risikolose Recycling könnte man böswillig auch mutlos nennen.

„Das perfekte Geheimnis“ ist mit Elyas M’Barek, Florian David Fitz, Jella Haase, Karoline Herfurth, Frederick Lau, Wotan Wilke Möhring und Jessica Schwarz ordentlich und typgerecht besetzt. Regisseur Bora Dagtekin hält dank des guten Drehbuchs zwei Stunden lang die Waage zwischen Komödie, Drama, Klamauk und Tiefgang.

FAZIT

Zur Einstimmung kann man sich schon mal die französische Version „Le Jeu“ anschauen, läuft auf Netflix.

Deutschland 2019
115 min
Regie Bora Dagtekin
Kinostart 31. Oktober 2019