SHE SAID

SHE SAID

Kinostart 08. Dezember 2022

Der verurteilte Sexualstraftäter und Ex-Filmproduzent Harvey Weinstein ist ein echtes Schwein. Über Jahrzehnte missbraucht er Frauen körperlich und emotional. Das Bekanntmachen seiner Vergehen löst zunächst in den USA und später weltweit die #MeToo-Bewegung aus. In ihrem Buch „She Said: Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement“ erzählen die beiden New-York-Times-Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kanto von der Recherche, die den einst mächtigen Miramax-Boss vor fünf Jahren zu Fall bringt. Maria Schrader gibt nun mit der Verfilmung des Sachbuchs ihr US-Regie-Debüt.

Eine fast anämische Aneinanderreihung von Begebenheiten

Hollywood, Skandal, Machtmissbrauch. Das hätte auch schnell ein reißerischer Thriller werden können. Doch „She Said“ ist eine erstaunlich nüchterne, fast anämische Aneinanderreihung von Begebenheiten. Der Film lässt vieles aus – es fehlt eine Erklärung, wer Harvey Weinstein überhaupt ist und welche unangreifbare Machtposition er jahrzehntelang in Hollywood innehat – fokussiert sich auf die beiden Journalistinnen: So leidet Megan Twohey beispielsweise nach der Geburt ihres Kindes unter postpartaler* Depression. Schlimm, aber so what, möchte man sagen – eine Information, die weder besonders geschichtsrelevant ist, noch der Figur nachhaltig Tiefe verleiht.

Ein Vergleich drängt sich auf: „She Said“ ist eine MeToo-Variante von „All the President’s Men – Die Unbestechlichen“. Investigativen Journalisten bei der Arbeit zusehen, kann auch spannend sein. Das beweist Alan J. Pakulas Film über die Watergate-Affäre noch heute, fast 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung. Der sehr deutsche Blick von Emmy-Gewinnerin Maria Schrader auf eine US-amerikanische Geschichte ist zwar in Ansätzen erfrischend, doch die Regisseurin verweigert sich in ihrer braven Nacherzählung der Fakten zu sehr den Möglichkeiten des Kinos. Und auch wenn journalistische Recherche im wahren Leben tatsächlich aus vielen Telefonaten bestehen mag: Muss man die alle in einem Kinofilm zeigen?

Kitty Green hat mit „Die Assistentin“ vor zwei Jahren den eindringlicheren und besseren Film zum Thema gemacht.

* Mansplaining mit Framerate: Mit postnatal beschreibt man die Zeit nach der Geburt, bezogen auf das Kind. Mit postpartal hingegen meint man den Zeitraum nach dem Gebären, bezogen auf die Mutter. Somit ist hier die medizinisch korrekte Bezeichnung „Postpartale Depression“.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „She Said“
USA 2022
133 min
Regie Maria Schrader

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

NINA WU

Die Schauspielerin Nina Wu musste sich bisher mit Werbespots und Kurzfilmen über Wasser halten. Nun wird ihr die Hauptrolle in einem Agententhriller angeboten, doch das Drehbuch verlangt explizite Nacktszenen. Während des Drehs wird Nina immer wieder von ihrem Regisseur vor versammelter Crew erniedrigt und sogar physisch misshandelt. Die Demütigungen hinterlassen tiefe Spuren, als auch noch familiäre Probleme dazukommen, hat sie zunehmend Schwierigkeiten, Realität und paranoide Fantasien auseinanderzuhalten.

„Sie nehmen mir nicht nur meinen Körper. Sie nehmen mir auch die Seele“ – diese Dialogzeilen aus dem fiktiven Film im Film sind als klares #metoo-Statement gegen das System des Machtmissbrauchs im realen Filmbusiness zu verstehen. Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin Wu Ke-Xi bezieht sich dabei auf persönliche Erfahrungen, die sie zu Beginn ihrer Karriere erleiden musste. 

Regisseur Midi Z outet sich mit seinem Cannes-2019-Beitrag als großer David-Lynch-Fan. Wie der US-amerikanische Regisseur erzeugt er durch Musik und Bildgestaltung eine Atmosphäre der steten Beklemmung und unterschwelligen Bedrohung. Zum Glück öffnet sich die westliche Welt zunehmend dem asiatischen Filmmarkt, denn auch dieser vom österreichischen Kameramann Florian Zinke grandios fotografierte taiwanesische Film lohnt den Kinobesuch.

FAZIT

Stylisher Psycho-Thriller, vom Weinstein-Skandal inspiriert.

Originaltitel „Zhuo Ren Mi Mi“
Mandarin mit deutschen Untertiteln
Taiwan / Malaysia / Myanmar 2019
103 min
Regie Midi Z
Kinostart 03. September 2020

TERMINATOR: DARK FATE

„Terminator: Dark Fate“ knüpft fast nahtlos an „Terminator: Judgment Day“ und damit das weitere Schicksal Sarah Connors (Linda Hamilton, digital de-aged) in den 90er-Jahren an. Teil 3, 4 und 5 der Saga werden komplett ignoriert. Ist Regisseur Tim Miller das Unmögliche gelungen, eine würdige Fortsetzung der von Fans geliebten ersten beiden Teile der Terminator-Filme abzuliefern? 

Nein. Denn auf das interessante Intro folgt nur ein Aufguss der schon zu oft erzählten Dystopie. Wieder mal werden böse und gute Terminatoren aus der Zukunft in die Jetztzeit – diesmal nach Mexiko – geschickt. Dort sollen sie die Person, die Jahre später den Widerstand der Menschen gegen die Maschinen anführen wird, töten beziehungsweise retten. Gähn. So bekannt wie die ewig gleiche Handlung ist inzwischen das Mantra des Schöpfers der Filmserie, James Cameron: Der neue Film sei fantastisch und qualitativ endlich wieder auf dem Niveau der ersten beiden Teile. Man darf dem Mann einfach nichts mehr glauben.

#metoo: In der fünften Fortsetzung der Robocalypse von 1984 übernehmen drei starke Frauen die Führung. Neu im dauerrecycelten Kosmos sind Mackenzie Davis als Maschinenmensch und Natalia Reyes, die terminiert/gerettet werden soll. Linda Hamilton hat sich nochmal mit Geld überreden lassen, in diesem unnötigen sechsten Aufguß mitzuspielen, ebenso wie der unverzichtbare Arnold Schwarzenegger. Als graubärtiger, alt gewordener Terminator mit Gewissen (!) kümmert er sich lieber um seine Familie (!!), als Killerrobotern den Garaus zumachen.

Es gibt ein paar nette state-of-the-art Spezialeffekte zu bewundern, der neue Terminator Rev-9 (Gabriel Luna) kann sich splitten und gleichzeitig als Skelett und Hülle kämpfen, also zwei Killer zum Preis von einem,  sowie reichlich „Ägdschen“, krachende Verfolgungsjagden am Boden, durch die Luft und unter Wasser. Erstaunlich für so eine Big-Budget-Produktion: Der Film hat einen unschönen TV-Look, sieht in manchen Szenen irritierend billig aus. Die Bilder wirken künstlich, Explosionen sehen wie aus einem Computerspiel aus – vielleicht ein Zugeständnis an die Sehgewohnheiten der Zielgruppe U15.

FAZIT

Immerhin: Von den vier Fortsetzungen, die nach „T 2“ ins Kino kamen, ist „Dark Fate“ noch die gelungenste. Doch die Geschichte war schon nach dem zweiten Teil auserzählt. Nun ist es endlich Zeit, das Terminator-Franchise zu beerdigen. 

Originaltitel „Terminator: Dark Fate“
USA 2019
123 min
Regie Tim Miller
Kinostart 24. Oktober 2019

X-MEN: DARK PHOENIX

Die Haut ist blau, aus den Händen schießen Blitze und beim Gedankenlesen werden dramatisch zwei Finger an die Schläfe gehalten: Es ist wieder X-Men-Zeit.

Diesmal droht die Gefahr aus dem Inneren: Bei einer Weltraummission kommt es zu einem unheilvollen Zwischenfall. Eine fremde Energieform ergreift von Jean Grey (Sophie Turner) Besitz und macht sie zur mächtigsten Mutantin aller Zeiten: Dark Phoenix.  Jean kann ihre unfreiwilligen neuen Superkräfte nicht kontrollieren und bringt so die Gemeinschaft der X-Men in große Gefahr. Zu allem Überfluss wollen ihr dann auch noch böse Aliens ans Lederoutfit, die die Vernichtung der Menschheit planen. Soweit die nicht gerade originelle Drehbuchidee.

„X-Men: Dark Phoenix“ startet  mit einer fulminanten Nightcrawler-Sequenz im All, doch im zweiten Akt ist die Luft raus, die Geschichte hängt ganz schön durch. Tödlich für jeden Superheldenfilm: „X-Men: Dark Phoenix“ nimmt sich selbst zu ernst. Das gleiche Problem hat schon etliche DC-Filme gekillt: zu wenig Humor, zu viel Pseudotiefsinn. Gegen Ende nimmt der Film dann noch mal Fahrt auf – eine grandiose Actionszene in einem Zug entschädigt für die langatmigen Dialogszenen davor.

Insgesamt nicht viel Neues an der Mutantenfront. Immerhin darf Jennifer Lawrence als Raven/Mystique ein wenig #metoo Zeitgeist einbringen. Bei einem Streit mit Professor Xavier fordert sie eine Umbenennung der X-Men in X-Women, denn schließlich retten fast immer die Frauen den Männern den Arsch.

FAZIT

Trotz solider visueller Umsetzung, die X-Men könnten eine Frischzellenkur oder eine längere Kreativpause vertragen. Marvel hat mittlerweile die Rechte von FOX zurückerworben, es besteht also Hoffnung.

Originaltitel „Dark Phoenix“
USA 2019
120 min
Regie Simon Kinberg
Kinostart 06. Juni 2019

Widows – Tödliche Witwen

Vier Ganoven lassen nach einem gründlich missglückten Raubüberfall ihre Ehefrauen als Witwen zurück. Um die noch ausstehenden Schulden bei einem verfeindeten Gangster zahlen zu können, nehmen Veronica (Viola Davis), Linda (Michelle Rodriguez), Alice und Belle ihr Schicksal in die eigenen Hände und planen einen Coup.

Fast enttäuschend, dass sich Oscarpreisträger Steve McQueen nach seinem grandiosen „12 Years a Slave“ ganze fünf Jahre Zeit liess, um nun mit dieser kleinen Fingerübung in die Kinos zurückzukehren.
In Widows wird die bekannte Geschichte vom „heist“, dem perfekt geplanten Raub, neu interpretiert:
Frauen übernehmen das Kommando. Wie schon „Ocean’s 8“ liegt Widows damit voll im #metoo-Trend.
Etwas genauer hingeschaut, erzählt der Film aber weniger die Geschichte von women of color und ihrem Weg zu Stärke und Selbstbestimmtheit, sondern die der ultimativen Gleichstellung: Frauen können genauso brutal und skrupellos wie Männer sein. Aha.

FAZIT

Widows – Tödliche Witwen – zehn Minuspunkte für den idiotischen deutschen Titel – ist ein stylish gedrehter, nicht gerade weltbewegender Thriller. Gehobene Konfektionsware.

USA, 2018
Regie Steve McQueen
130 min
Kinostart 06. Dezember 2018

Breaking In

KONVENTIONELLER THRILLER

Shaun Russel (Gabrielle Union) besucht mit ihren beiden Kindern Jasmine und Glover das Anwesen ihres verstorbenen Vaters. Dort werden sie von vier Ganoven erwartet. Denen ist es trotz Hightech- Überwachungsanlage gelungen, ins Haus einzubrechen. Denn in einem Safe sollen Millionen Dollar Bargeld versteckt sein, aber nur Shaun weiß, wo der sich befindet. Um sie zum Reden zu bringen, werden die Kinder als Geiseln genommen. Shaun kann entkommen und versucht mit allen Mitteln, ihre Familie zu retten.

MACHART

Das hätte Potential gehabt. Powerfrau macht Bösewichte platt. Leider wurde das in „Panic Room“ schonmal besser und deutlich spannender erzählt. „Breaking In“ ist lieblos gemachte Konfektionsware und weder die Drehbuchautoren noch der Regisseur und seine Darsteller haben sich viel Mühe gegeben. Die Geschichte ist vorhersehbar, klischeehaft oder oft lächerlich übertrieben. So entwickelt sich die Mutter unglaubwürdigerweise im Laufe des Films zu einer Art Rambo. Die teils in Slow Motion gedrehten Actionszenen wirken konzeptlos und stellenweise unfreiwillig komisch. Nicht erwähnenswert ist leider auch der uninspirierte Score von Tom Tykwer-Mitstreiter Johnny Klimek. Ein Übriges trägt (wiedermal) die deutsche Synchronisation bei.

FAZIT

Ohne nennenswerte Überraschungen. Bleibt von Anfang bis Ende mittelmäßig. In jeder Hinsicht ein C-Picture.

USA, 2018
Regie James McTeigue
88 min
Kinostart 16. August 2018

How to party with Mom

HARMLOSER SPASS

Der Ehemann verkündet aus dem Nichts, er habe sich in eine andere Frau verliebt und wolle die Scheidung. Für Hausfrau Deanna (Melissa McCarthy) bricht erstmal die Welt zusammen. Aber schnell reißt sie sich zusammen und startet einen Neuanfang. Sie will ihr abgebrochenes Studium der Archäologie wieder aufnehmen und geht deshalb ausgerechnet aufs College ihrer Tochter. Die ist natürlich zunächst alles andere als begeistert. Aber Mutti kommt bei den Kommilitoninnen gut an und stürzt sich voll ins Studentenleben: inklusive Partys, Saufen und Spaß mit Jungs, die ihre Söhne sein könnten.

MACHART

Melissa McCarthy muss man einfach mögen. Selbst in durchschnittlichen Fließbandkomödien wie dieser hier. Dass das Drehbuch- und Ehegespann McCarthy/Falcone nicht unbedingt Garant für Topkomödien ist, zeigten sie schon in den eher mittelmäßigen „Tammy“ und „The Boss“. Leider ist auch hier die Geschichte recht lieblos zusammengezimmert, viele der Gags wollen einfach nicht zünden. Und wenn doch, dann versanden lustige Situationen oft im Nichts. Gerade so, als wären den Drehbuchautoren die Ideen ausgegangen oder als hätten sie schlicht keine Lust mehr gehabt. Natürlich ist ein Film mit Melissa McCarthy nie komplett unkomisch. Und so funktioniert „How to party with Mom“ immer dann am besten, wenn die Darsteller von der Leine gelassen werden und sich in „physical comedy“ austoben können. Dann merkt man auch, was für ein großes Potenzial hier mal wieder verschenkt wurde.

FAZIT

Zu gut besetzte Komödie mit zu wenig Lachern. Aber um 90 Minuten den Alltag auszublenden, ok.

USA, 2018
Regie Ben Falcone
107 min

Ocean’s 8

FEDERLEICHTER GANGSTERFILM

Elf Jahre nach Steven Soderberghs Ocean 11- 13 Trilogie gibt es nun eine Art Fortsetzung, diesmal mit weiblichem Cast. Sandra Bullock spielt Debbie Ocean, die Schwester von George Clooneys Danny. Nach einer 5-jährigen Haft wieder auf freiem Fuß, plant sie einen millionenschweren Raub in der New Yorker Met. Ein von Cartier geliehenes Diamantcollier soll von Daphne Klugers (Anne Hathaway) zartem Hals geklaut werden. Dazu benötigt Debbie, genau wie ihr Bruder, eine Crew von Spezialistinnen. Mit dabei als beste Freundin die übercoole Cate Blanchett. Daneben gibt Sarah Paulson die vermeintlich brave Hausfrau, Rihannna, gegen ihr Image besetzt, den Technerd und Helena Bonham Carter overacted als überdrehte Modedesignerin.

MACHART

Zwar kein aktueller Kommentar zu #metoo, aber dafür glitzert es wenigstens gewaltig: vom Diamantcollier bis zum Teint der Darstellerinnen. Der geplante Raub ist ein Kinderspiel und läuft so reibungslos wie ein Schweizer Uhrwerk ab. Genau das aber ist das Manko des Films. Alles läuft viel zu glatt und harmonisch. Es gibt keine wirklichen Überraschungen (außer ein paar Twists gegen Ende) und deshalb will auch keine rechte Spannung aufkommen. Was für einen Film des „Heist“-Genres ein Problem ist. Zu federleicht ist die Geschichte inszeniert, die Charaktere werden nur angedeutet, dadurch bleibt es ein oberflächliches Vergnügen.

Bleibt allein die Frage: Was ist mit Sandra Bullocks Profil passiert? Sah das schon immer so computeranimiert perfekt aus?

FAZIT

Empfehlenswert für alle, die mittlerweile genug Testosteron-Superhelden in Weltuntergangsschlachten gesehen haben und sich nach (sehr) leichter Kost für einen lauen Sommerabend sehnen. Ocean’s 8 sieht super aus, hat eine Topbesetzung und tut niemandem weh. Ein Film wie ein Soufflé.

USA, 2018
Regie Gary Ross
111 min