How to Make a Killing

HOW TO MAKE A KILLING

How to Make a Killing

HOW TO MAKE A KILLING

Der französische Originaltitel bringt es auf den Punkt: Un ours dans le Jura – Ein Bär im Jura.

Ab 06. November 2025 im Kino

Michel kann nichts dafür, denn normalerweise verirren sich keine Bären in diese Region. Als dann doch einer auf der verschneiten Landstraße steht, verliert der Weihnachtsbaumzüchter die Kontrolle über seinen Pick-up. Es folgt eine absurde Kettenreaktion: Eine pinkelnde Frau und ihr Begleiter kommen dabei ums Leben – Genickbruch, vom Ast aufgespießt: Es gibt schönere Arten zu sterben. Doch das ist nur der Auftakt zu einer Serie immer groteskerer Verbrechen und Verwicklungen. Mittendrin Michel und seine Frau Cathy, deren fast erloschene Liebe durch die bizarren Umstände neu aufflammt.

How to Make a Killing

Regisseur Franck Dubosc, bislang vor allem als Schauspieler bekannt – hier führt er Regie und spielt zugleich die Hauptrolle –, zitiert mit sichtbarem Vergnügen die Coen-Brüder. HOW TO MAKE A KILLING erinnert an Fargo: skurrile Charaktere, absurde Geschichte, jede Menge Schnee. Neben Dubosc glänzen Laure Calamy als seine Gattin sowie Benoît Poelvoorde und Joséphine de Meaux als überforderte, aber liebenswert-kauzige Gendarmen.

How to Make a Killing

HOW TO MAKE A KILLING legt sich tonal nicht fest: schwarze Komödie, melancholische Charakterstudie und handfester Krimi zugleich – es geht um skrupellose Schlepper, Swingerclubs, Drogenhandel und Honig (!). Die bewusste Weigerung, sich einem Genre zuordnen zu lassen, ist Fluch und Segen zugleich. Meist funktioniert der Mix, gelegentlich wünscht man sich etwas mehr innere Logik und nachvollziehbareres Figurenverhalten.

How to Make a Killing

Immerhin: Weder Michel und Cathy noch die ermittelnden Gendarmen werden je der Lächerlichkeit preisgegeben – trotz ihres dilettantischen Verhaltens. Dafür sorgt der unerwartet melancholische Ton, der der Komödie Tiefe verleiht. Wie gut das Drehbuch ist, zeigt sich in der liebevollen Zeichnung selbst kleinster Nebenfiguren. Dubosc beweist ein Gespür für Timing und präzise gesetzte Pointen; nichts wird ausgewalzt, vieles überrascht mit stiller Komik.

Nur eines passt nicht: der Starttermin. HOW TO MAKE A KILLING kommt gut sechs Wochen zu früh in die Kinos. Als düsteres Weihnachtsgeschenk hätte er viel besser gepasst.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Un ours dans le Jura“
Frankreich 2024
114 min
Regie Franck Dusbosc

How to Make a Killing

alle Bilder © Weltkino

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Dracula - Die Auferstehung

DRACULA – DIE AUFERSTEHUNG

Dracula - Die Auferstehung

DRACULA – DIE AUFERSTEHUNG

Nicht tot zu kriegen - Dracula ist schon wieder zurück

Ab 30. Oktober 2025 im Kino

Der Originaltitel sagt es bereits: „Dracula: A Love Tale“ – Luc Bessons Interpretation des Bram Stoker-Klassikers (die wahrscheinlich fünftausendste der Filmgeschichte) ist eine Lovestory. Im Mittelpunkt stehen diesmal weniger die Vamirjäger, als vielmehr Dracula selbst. Die Geschichte von Prinz Vlad und seiner geliebten Ehefrau Elisabeta erzählt Besson mit einer riesengroßen, geradezu operettenhaften Portion Kitsch. Kostüme, Kulissen und Schauspiel wirken, als hätte man sich in die Bad Segeberger Karl May-Festspiele verirrt.

Dracula - Die Auferstehung

Caleb Landry Jones spielt Dracula nicht als dämonischen Bösewicht, sondern als Gepeinigten, der unter seiner Unsterblichkeit und dem Verlust der großen Liebe leidet. Christoph Waltz bringt als Priester ein wenig Witz in die Angelegenheit, der Rest des Casts erfüllt seinen Zweck, ohne weiter aufzufallen. Ein Schwachpunkt: Die Schauspieler sehen alle entschieden zu modern aus. Vor allem Zoë Bleu Sidel und Caleb Landry Jones glaubt man keine Sekunde, sie wären Menschen (oder Vamipre) aus dem 15. Jahrhundert.

Dracula - Die Auferstehung

Apropos zu modern: Drei inszenatorische Entscheidungen bleiben im Gedächtnis: Der neue Dracula benutzt ein eigens hergestelltes Parfum, um mit dessen Duft seine Opfer willenlos zu machen. An dieser kleinen Seitengeschichte arbeitet sich der Film mit Wonne ab. Ob Besson hier nochmal Süskinds Parfum neu verfilmen wollte? Und eben dieser Duft sorgt für die nächste unvergessliche Szene: Eine berauschte Tanzchoreografie, die sich über Jahrhunderte erstreckt. Das Revue-Intermezzo ist so albern, dass es fast schon wieder gut ist. Wechselnde Kostümierungen plus ausgefeilter Moves im vampirhaften Takt. Und zu schlechter Letzt: Statt mit Renfield und anderen Dienern, umgibt sich Bessons Graf mit einer Heerschar von (schlecht) animierten steinernen Gargoyles. Da werden Erinnerungen an die albernen Sieben Computerzwerge aus dem letzten Schneewittchen-Film wach.

Dracula - Die Auferstehung

Es ist alles eine Sache der Erwartungshaltung. Wer sich Bessons Dracula als Horrorfilm anschaut, der wird enttäuscht. Aber als Komödie mit kleinem Gruselfaktor funktioniert das Ganze tadellos.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Dracula: A Love Tale“
UK / Finnland / Frankreich 2025
129 min
Regie Luc Besson

Dracula - Die Auferstehung

alle Bilder © LEONINE STUDIOS

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Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca Linien

MARIA REICHE: DAS GEHEIMNIS DER NAZCA-LINIEN

Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca Linien

MARIA REICHE: DAS GEHEIMNIS DER NAZCA-LINIEN

Die wahre Geschichte von Maria Reiche, die in der peruanischen Wüste weiße Linien entdeckte.

Ab 25. September 2025 im Kino

Weiße Linien in der Wüste? Nein, um Koks geht es hier nicht. Sondern um die junge Dresdnerin Maria Reiche (Devrim Lingnau), die während der 1930er-Jahre als Mathematiklehrerin in Peru arbeitet. Durch den Archäologen Paul (Guillaume Gallienne) stößt sie auf ein Geheimnis in der Wüste von Nazca: gewaltige Bilder, präzise in den Sand gezogen, sichtbar nur aus der Luft. Fasziniert gibt sie ihr Leben in Lima auf und widmet sich fortan der Erforschung dieser Geoglyphen – gegen alle Widerstände und ganz allein.

Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca Linien

MARIA REICHE: DAS GEHEIMNIS DER NAZCA-LINIEN erzählt von einer Besessenen und zeigt, wie aus einer Randfigur der Wissenschaft eine nationale Ikone wurde. Peru verdankt einen seiner größten Kulturschätze der Hartnäckigkeit dieser Dresdner Mathematikerin. Devrim Lingnau verkörpert die Getriebene mit großer Intensität. Dem Film gelingt es, die Zuschauer in Reiches konzentrierte, fast manische Welt hineinzuziehen. Man ist förmlich dabei, wenn sie nachts ihre Berechnungen notiert, Mahlzeiten vergisst und immer tiefer in das Rätsel der Nazca-Linienen abtaucht. Die hervorragende Kamera von Gilles Porte fängt dazu die Weite und Kargheit der Wüste in beeindruckenden Bildern ein, ohne je ins Postkartenhafte zu verfallen.

Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca Linien

Natürlich zielt die Inszenierung auch aufs breite Publikum: ein Schuss Dramatik, eine zarte (lesbische) Liebesgeschichte. Am stärksten ist MARIA REICHE jedoch, wenn er die Einsamkeit der Forscherin zeigt – unter gleißender Sonne oder funkelndem Sternenhimmel, ganz ohne Ablenkung, als hätte sie den „digital detox“ erfunden, lange bevor es ihn gab.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Lady Nazca“
Deutschland / Frankreich 2025
99 min
Regie Damien Dorsaz

Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca Linien

alle Bilder © TOBIS

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Animale

ANIMALE

Animale

ANIMALE

Schleppendes Body-Horror-Drama aus Frankreich

Ab 25. September 2025 im Kino

ANIMALE hat eine originelle Idee: Statt eines Werwolfs, verbreitet hier ein „Werstier“ Angst und Schrecken. Doch statt Tempo und Nervenkitzel, plätschert der Film lange vor sich hin – Spannung kommt erst spät auf, und bis dahin droht das Publikum einzuschlafen.

Animale

Im Zentrum steht Nejma, 22, die sich in der männerdominierten Welt des Stierkampfs behaupten will. Ein „Sport“, in dem Frauen fast unsichtbar sind, neben der Formel 1 der ultimative Macho-Club. Sie trainiert hart, hängt mit den Jungs ab – und gerät nach Alkohol, Drogen und Gruppenzwang in eine fatale Mutprobe: nachts allein auf eine Weide voller Stiere. Am nächsten Morgen erinnert sie sich an nichts. Kurz darauf werden ihre Freunde einer nach dem anderen ermordet aufgefunden.

Animale

Visuell kann ANIMALE punkten. Kamera und Atmosphäre sitzen, die Verwandlung des Werstiers ist stimmig und schön analog umgesetzt. Inhaltlich jedoch schwächelt der Film: Die Figuren bleiben blass, bis auf Nejmas schwulen Bruder, der als einziger etwas Tiefe bekommt. Problematisch bleibt auch das Thema Stierkampf. Selbst in der hier gezeigten „milden“ Variante ist es eine ungute Tradition – Mitgefühl für die tierquälenden Toreros fällt schwer.

Animale

Eine female-empowerment-story zwischen Mythos und toxischer Männlichkeit – Emma Benestans zweiter Spielfilm hätte ein wilder, schräger Trip werden können. In der Praxis ist er ein größtenteils langatmiger Ritt mit viel Leerlauf. Wer Geduld aufbringt, wird mit eindrucksvollen Bildern und einem dramatischen Ende belohnt – doch für echte Spannung oder packendes Drama fehlt es dem Film zu lange an Tempo.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Animale“
Frankreich 2024
98 min
Regie Emma Benestan

Animale

alle Bilder © PLAION PICTURES

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Die Farben der Zeit

DIE FARBEN DER ZEIT

Die Farben der Zeit

DIE FARBEN DER ZEIT

Cédric Klapischs charmante Zeitreise von der Gegenwart in die Belle Époque

Ab 14. August 2025 im Kino

Manchmal ist Kino wie ein gut sortiertes Antiquariat: Man betritt es, schnuppert ein wenig Geschichte, blättert sich durch vergilbte Seiten – und verlässt es in beschwingter Stimmung, als hätte man ein altes Lieblingsbuch wiederentdeckt. So ungefähr fühlt sich DIE FARBEN DER ZEIT an, der neue Film von Cédric Klapisch, dem Grandseigneur des französischen Wohlfühlkinos.

Die Farben der Zeit

Ausgangspunkt ist ein verfallenes Anwesen in der Normandie. Vier entfernt verwandte Erben durchstöbern das alte Familienhaus, das bald einem Supermarkt weichen soll. Beim Sichten von Fotos und Gemälden stoßen sie auf eine lange vergessene Geschichte: Paris, 1895. Die junge Adèle reist in die Hauptstadt, auf der Suche nach ihrer Mutter – und erlebt eine Stadt im Umbruch, in der die Fotografie boomt, der Impressionismus blüht und die Moderne anbricht.

Klapisch, Regisseur des 90er-Jahre-Erfolgsfilms L’auberge espagnole, springt zwischen den Jahrhunderten hin und her – und das mit erstaunlicher Leichtigkeit. Beide Ebenen, Vergangenheit und Gegenwart, vermischen sich elegant.

Die Farben der Zeit

Zwar mag das alles ein bisschen zu nett und harmlos sein, wird aber von einem Cast getragen, der sich wie ein Who’s who der aktuellen französischen Filmszene liest: Abraham Wapler, Cécile de France, Paul Kircher, Vincent Macaigne, Suzanne Lindon – allesamt bekannte Gesichter und hervorragende Schauspieler. Dazu: Kostüme und Ausstattung wie ein einziger impressionistischer Rausch.

Die Farben der Zeit

Natürlich malt Klapisch kein realistisches Sittenbild der Jahrhundertwende. Er interessiert sich nicht für die sozialen Härten jener Zeit, sondern für die Vorstellung, wie es gewesen sein könnte, wenn man jung und schön ist – und Glück, Kunst und Liebe zwischen Dachkammer und Salon hätte finden können. Man kann das als Kitsch abtun – oder sich schlicht auf zwei Stunden wunderbaren Eskapismus einlassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La Venue De L’Avenir“
Frankreich / Belgien 2025
123 min
Regie Cédric Klapisch

Die Farben der Zeit

alle Bilder © STUDIOCANAL

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Sirât

SIRÂT

Sirât

SIRÂT

Vor Filmbeginn warnt der Vorführer: Heute wird der Sound aufgedreht – auf Wunsch des Verleihs. Zu Recht. Techno gehört laut. Fehlen nur noch die Drogen.

Ab 14. August 2025 im Kino

Technojüngerin Mar ist verschwunden. Seit fünf Monaten. Ihr Vater (Sergi López) und ihr kleiner Bruder suchen sie – nicht in Berliner Clubs, sondern tief in der marokkanischen Wüste. Bass und Trance zwischen Sanddünen und Felswänden.

Viel mehr Handlung gibt es nicht. Aber darauf kommt es auch nicht an. Es geht um Ekstase, Tanz, eine nicht enden wollende Party – und um eine Generation Mitte 40, die vom Rave der 90er übrig geblieben ist.

Sirât

SIRÂT ist ein kleines Erlebnis für die Augen, ein großes für die Ohren. Dass Wüste und Musik gut zusammenpassen, weiß man spätestens seit Coachella und Burning Man.

Sirât

Techno-Roadmovie, Selbstfindungstrip, Familiendrama. Aufgezählt klingt das bemüht, auf der Leinwand funktioniert es – sofern man durchhält. Denn SIRÂT nimmt langsam Fahrt auf, um in der letzten halben Stunde fast aus der Kurve zu fliegen.

Sirât

Nach etwa der Hälfte, passiert etwas Schockierendes. Und noch etwas. Und noch etwas. Die Katastrophen häufen sich so sehr, dass man bald nicht mehr weiß, ob man weinen oder lachen soll. LSD soll ja eine ähnliche Wirkung auf die Psyche haben.

Regisseur und Drehbuchautor Oliver Laxe sagt: „Wir halten uns nicht an Genre-Gesetze oder unausgesprochene Kino-Regeln.“ Sein Film kennt keine klassische Dramaturgie. Stattdessen sind Schmerz, Ekstase und Tod die ständigen Begleiter seiner Figuren. Dazu pumpt der Soundtrack von Kangding Ray direkt in den Magen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Sirât“
Spanien / Frankreich 2025
115 min
Regie Oliver Laxe

Sirât

alle Bilder © Pandora Film

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Was uns verbindet

WAS UNS VERBINDET

Was uns verbindet

WAS UNS VERBINDET

Lust auf Herzbruch? Dann ist der französische Film „L‘attachement“ genau das Richtige.

Ab 07. August 2025 im Kino

WAS UNS VERBINDET bietet mehr Emotionen, Verwicklungen und Drama als eine ganze Staffel mancher Serie. Was in einer deutschen oder amerikanischen Produktion leicht in Fremdscham oder triefenden Kitsch abgleiten könnte, wird unter der Regie der Französin Carine Tardieu – voilà – zu einer zarten, berührenden Geschichte über das Leben und die Liebe.

Was uns verbindet

Sandra, alleinstehend und Betreiberin eines feministischen Buchladens, erklärt sich spontan bereit, auf den sechsjährigen Elliot aufzupassen, als ihre Nachbarn Alex und seine schwangere Freundin Cécile zur Entbindung ins Krankenhaus müssen. Dabei hat die Mittfünfzigerin mit Kindern eigentlich wenig am Hut. Doch dann kommt es bei der Geburt zu Komplikationen – Cécile stirbt. In der Zeit danach wird Sandra nicht nur für den kleinen Jungen zu einer wichtigen Bezugsperson, sondern auch für den verwitweten Vater Alex.

Nein, das ist keine Geschichte einer „Mutter wieder Willen“. WAS UNS VERBINDET ist ungleich komplexer. Ein Netz aus Beziehungen und Bindungen entfaltet sich – und mittendrin findet die überzeugte Singlefrau Sandra langsam ihren Platz in einer neuen, ungeplanten Familie.

Was uns verbindet

Aber warum funktioniert ein Film so gut, in dem ein kleiner Junge auf der Suche nach einer Ersatzmutter ist, Paare sich trennen, versöhnen, sterben, neu verlieben – und doch nur Freunde bleiben? Zunächst ist es die überzeugende Besetzung mit der immer wunderbaren Valeria Bruni Tedeschi, Pio Marmaï und César Botti in seiner ersten Filmrolle. Dazu eine gekonnte Inszenierung, die den Tumult der Gefühle souverän am Boden hält und sicher vor Kitsch bewahrt. 

Was uns verbindet

Natürlich könnte man einwenden, dass alle Figuren etwas zu wohlhabend und freundlich wirken, um ganz glaubwürdig zu sein. Aber bitte – es ist ein Film. Trostlosigkeit gibt’s im echten Leben schon genug.

Regisseurin und Drehbuchautorin Carine Tardieu hat mit WAS UNS VERBINDET einen klugen, feinfühligen und zutiefst bewegenden Film über Freundschaft, Familie – und die Natur der großen und kleinen Gefühle gedreht. Schön.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „L‘attachement“
Frankreich / Belgien 2024
105 min
Regie Carine Tardieu

Was uns verbindet

alle Bilder © Alamode Film

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Die guten und die besseren Tage

DIE GUTEN UND DIE BESSEREN TAGE

Die guten und die besseren Tage

DIE GUTEN UND DIE BESSEREN TAGE

"À votre santé!“ Über männliche Alkoholiker gibt es zahllose Filme, über trinkende Frauen kaum. Bis jetzt.

Ab 31. Juli 2025 im Kino

Valérie Bonneton spielt Suzanne, immer erschöpft, Abends befüllt sie sich kleine Wasserflaschen mit Wodka, um den nächsten Tag zu überstehen. Besoffen vergisst sie dann eines Morgens, die Handbremse anzuziehen – schon crasht der Wagen mitsamt ihrer drei Kinder gegen ein geparktes Auto. Kein Wunder, dass sie das Sorgerecht verliert. Die nächste Station: eine Klinik für Alkoholiker. Dort freundet Suzanne sich mit Alice (Sabrina Ouazani, sehr gut als Partymaus in denial) und der Schauspielerin Diane (Michèle Laroque) an. Um ihnen eine Perspektive zu bieten, versucht der Maschinenbau- und Sportlehrer Denis (Clovis Cornillac), die Damen für die Teilnahme an einer Dünenrallye in der marokkanischen Wüste fit zu machen.

Die guten und die besseren Tage

Naja. Die Idee, dass gerade trocken gewordene Alkoholikerinnen ein Autorennen fahren, wirkt doch etwas konstruiert. Schon klar, was die Filmemacherinnen sagen wollen: Wer sich den Gefahren des Lebens stellt, wird daran wachsen. Trotzdem wäre der Film ohne dieses etwas plumpe Bild besser. Denn die Figuren sind interessant genug, die Besetzung genial. Alle spielen so gut, dass man zwischendurch fast meint, einen Dokumentarfilm zu sehen.

Die guten und die besseren Tage

Jahrelang Alkoholabhängige von ihrer Sucht zu heilen und wieder alltagsfit zu machen – keine leichte Aufgabe. Über den Erfolg des Programms lässt sich allerdings streiten: Fast alle Teilnehmerinnen werden schon nach einem Tag außerhalb der Klinik rückfällig. Gut, dass der Film trotzdem nicht im Elend ertrinkt. Leichte, manchmal fast alberne Momente sorgen dafür, dass das Schwere nicht erdrückt.

DIE GUTEN UND DIE BESSEREN TAGE erzählt eine Geschichte  zwischen Empathie, Lachen und Weinen. Sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Des jours meilleurs“
Frankreich 2024
104 min
Regie Elsa Bennett, Hippolyte Dard

Die guten und die besseren Tage

alle Bilder © Happy Entertainment

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Das Fest geht weiter!

DAS FEST GEHT WEITER!

Das Fest geht weiter!

DAS FEST GEHT WEITER!

Keine Bourgeois, keine Rassisten, keine Faschisten. Nur anständige Menschen. In DAS FEST GEHT WEITER! ist Marseille das wahre Bullerbü.

Ab 12. Juni 2025 im Kino

Könnte man jedenfalls meinen, wenn man Robert Guédiguians politischen Familienfilm anschaut. Allerdings beginnt „Et la fête continue!“, so der Originaltitel, nicht als verklärter Blick auf die französische Hafenstadt, sondern ungewöhnlich düster mit Archivaufnahmen vom Einsturz zweier Wohnhäuser in der Rue d’Aubagne, 2018. Acht Tote und viele Menschen, die buchstäblich das Dach über dem Kopf verlieren. Und das Vertrauen in die Politik.

Das Fest geht weiter!

Die linke Szene zerreibt sich im internen Dauerclinch, eine Wahl steht an, aber keiner weiß so recht, wofür oder mit wem. In diesem Chaos steht Rosa (Ariane Ascaride), Krankenschwester Anfang 60, mit beiden Beinen im Leben und einem halben im Wahlkampf. Um sie herum lauter Menschen, die entweder für etwas kämpfen oder vor etwas davonlaufen: der Bruder ein altlinker Taxifahrer, der Sohn auf dem Weg nach Armenien, der andere frisch verlobt, sein Schwiegervater in spe, ein Witwer mit sanftem Blick – und für Rosa unverhoffte Chance auf Liebe im Alter.

Das Fest geht weiter!

Was wie eine Familienkomödie klingt, ist natürlich keine. Guédiguian bleibt auch in seinem 22. Film dem sozialromantischen Kosmos treu: viel Dialog, viel Haltung. Manchmal vielleicht ein bisschen zu viel von allem. Denn zwischen Wohnungsnot, Gesundheitssystem, Erinnerungskultur und Altlinken-Melancholie droht der Film gelegentlich unter seiner eigenen Bedeutung zu kollabieren – wie ein altes Wohnhaus in Marseille.

Das Fest geht weiter!

Aber schön gespielt ist das natürlich, mit vertrautem Ensemble und spürbarem Herzblut. DAS FEST GEHT WEITER! ist ein warmherziger Blick auf Menschen, die nicht resignieren. Die streiten, lieben, sich kümmern. Und: Man glaubt Guédiguian. Sein Film mag predigen, aber er tut es mit Überzeugung. Und wenn man sich einmal auf den Ton eingelassen hat, möchte man am liebsten mit am Küchentisch der Großfamilie sitzen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Et la fête continue !“
Frankreich / Italien 2023
106 min
Regie Robert Guédiguian 

Das Fest geht weiter!

alle Bilder © Film Kino Text

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Die Bonnards - Malen und Lieben

DIE BONNARDS – MALEN UND LIEBEN

Die Bonnards - Malen und Lieben

DIE BONNARDS – MALEN UND LIEBEN

DIE BONNARDS wurde 2023 in Cannes uraufgeführt – nun startet der perfekte Film für Impressionismus- und Dackel-Freunde in den deutschen Kinos.

Ab 05. Juni 2025 im Kino

Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass in Maler-Biopics der Künstler nicht nur den Pinsel schwingt, sondern auch unentwegt „den Pinsel schwingt“. Schnackseln und Malen gehören eben zusammen wie Leinwand und Farbe. Da macht auch DIE BONNARDS keine Ausnahme.

Außergewöhnlich ist jedoch die Form: Martin Provosts Film ist berauschend schön – Szenenbild, Kostüme und fantastisches Licht versetzen die Zuschauer unmittelbar in die längst vergangene Welt Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Gäbe es Gerüche im Kino, wäre das immersive Erlebnis perfekt.

Die Bonnards - Malen und Lieben

Im Laufe der Jahre verewigt Pierre Bonnard seine Muse, Gefährtin und spätere Ehefrau Marthe auf über 140 Gemälden und 700 Zeichnungen – manchmal bekleidet, oft als Akt. Die stürmische Beziehung der beiden gleicht einer Achterbahn der Gefühle, inklusive unglücklicher Ménage-à-trois mit einer jungen Kunststudentin. Pierres Seitensprünge sorgen immer wieder für heftige Streits, stets gefolgt von Versöhnung. Da passt es mal: Sie liebten und sie hassten sich.

Die Bonnards - Malen und Lieben

Das Zusammenleben mit einem Künstler – oh là là – anstrengend, aber auch aufregend. Denn das Paar bewegt sich in illustren Kreisen: Claude Monet, Maurice Denis und Édouard Vuillard schauen gerne auf ein gebratenes Hühnchen, Rotwein und Crème Caramel im wunderschönen Haus „Ma Roulotte“ am Ufer der Seine vorbei. Besonders sympathisch: Pierre und Marthe sind stolze Besitzer von zwei extra-hübschen Dackeln – cognacfarben und mit kräftigen Läufen.

Die Bonnards - Malen und Lieben

Der Film changiert munter zwischen intimem Liebesfilm, Tragödie und Boulevardkomödie. Ein Wechselbad der Gefühle, das DIE BONNARDS ausgesprochen kurzweilig macht. Dazu eine tolle Besetzung: Vincent Macaigne als genialer, zu Lebzeiten unterschätzter Künstler, und die herausragende Cécile de France als unabhängige, befreite Frau an seiner Seite. Nicht selbstverständlich bei einem modernen Film über Künstler: Man erfährt auch einiges über die Entstehung der Kunstwerke – das Mischen und Pinseln von Öl- oder Kreidefarbe kann schließlich mindestens so sinnlich wie ein Liebesakt sein.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Bonnard, Pierre et Marthe“
Frankreich / Belgien 2023
123 min
Regie Martin Provost

Die Bonnards - Malen und Lieben

alle Bilder © Prokino

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Alle lieben Touda

ALLE LIEBEN TOUDA

Alle lieben Touda

ALLE LIEBEN TOUDA

ALLE LIEBEN TOUDA erzählt von einer Sängerin und Tänzerin, die davon träumt, eine „Sheikha“ – eine traditionelle marokkanische Künstlerin – zu werden.

Ab 29. Mai 2025 im Kino

Gleich ein bisschen Bildung vorneweg: Was sind Aita-Gesänge? Aita ist ein traditioneller Volksmusikstil aus Marokko. Er wird von Frauen gesungen und in der Regel von männlichen Musikern auf Fiedeln und Trommeln begleitet.

Wenn ein Film ALLE LIEBEN TOUDA heißt und auf dem Plakat eine lächelnde, tanzende Frau zu sehen ist – was erwartet man dann? Eine flirrend-leichte Sommerkomödie aus Frankreich? Die Geschichte von Touda, die alle um sie herum verzaubert? Au contraire.

Alle lieben Touda

Gleich zu Beginn wird Touda von einer Horde Männer brutal vergewaltigt. Überhaupt, die Männer: Der Vater ihres Kindes hat sie sitzen lassen, ihr Bruder ist ein sexistischer Arsch, der seine Schwester mit offener Verachtung straft. Und trotzdem: Touda tanzt und singt weiter – für ein Publikum, das sie verachtet. Die Miete muss bezahlt werden, zu Hause wartet ihr gehörloser Sohn.

Das Patriarchat, der Sexismus, all die Schicksalsschläge, an denen andere zerbrechen würden – Touda scheint sie mit stoischer Kraft zu ertragen. Trotz der Dramatik wirkt die Inszenierung streckenweise zäh. Lange Aita-Gesangs- und Tanzpassagen (man sollte marokkanische Musik schon mögen) wechseln sich ab mit einer wenig stringenten Erzählung über eine Frau, die angeblich ungebildet und Analphabetin ist, sich jedoch fließend mit ihrem Sohn in Gebärdensprache verständigt – und nebenbei auch noch Französisch parliert.

Alle lieben Touda

Und dennoch gibt es zwei gute Gründe, sich ALLE LIEBEN TOUDA anzuschauen: Zum einen die Bilder von Kamerafrau Virginie Surdej, die mit ihrem Blick für Licht und Körperlichkeit Szenen von fast dokumentarischer Intensität schafft. Zum anderen Nisrin Erradi, die die Touda schlichtweg grandios verkörpert. Zwischen strahlender Lebensfreude und innerer Zerrissenheit durchläuft sie ein beeindruckendes emotionales Spektrum.

Was bleibt, ist das ambivalente Porträt einer Frau, die sich selbst zum Ausdruck bringt – in einer Welt, die sie lieber zum Schweigen bringen würde.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Everybody Loves Touda“
Frankreich / Marokko / Belgien / Dänemark / Niederlande 2025
102 min
Regie Nabil Ayouch

Alle lieben Touda

alle Bilder © IMMERGUTEFILME

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SAINT-EXUPÉRY - DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN

SAINT-EXUPÉRY – DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN

SAINT-EXUPÉRY - DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN

SAINT-EXUPÉRY – DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN

Mit dem kleinen Prinzen wurde er weltberühmt, doch der Dichter Antoine de Saint-Exupéry war zu Lebzeiten vor allem begeisterter Flieger für die französische Luftpost.

Ab 29. Mai 2025 im Kino

Im Original schlicht Saint Ex betitelt, macht sich der deutsche Verleih mit der Unterzeile „Die wahre Geschichte vor dem kleinen Prinzen“ beinahe des Etikettenschwindels schuldig. Denn ein kleiner Prinz auf seinem Asteroiden findet sich hier nicht. Der Film skizziert nur einen kurzen Abschnitt im Leben Saint-Exupérys und handelt hauptsächlich von dessen Freundschaft zu Henri Guillaumet und ihrer gemeinsamen Zeit als Piloten der Luftpost in den 1930er-Jahren. SAINT-EXUPÉRY – DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN ist in erster Linie also ein Fliegerfilm. Ein Großteil der Handlung spielt an Bord einer Transportmaschine oder in einem Flugzeughangar. Als Guillaumet beim Flug über die Anden verschollen geht, versucht Saint-Exupéry gemeinsam mit dessen Frau, den Freund zu retten.

SAINT-EXUPÉRY - DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN

Klingt spannender, als es ist. Dass die Geschichte nie wirklich packt, liegt vor allem am seltsamen Look des Films. Alles wirkt extrem künstlich. Die grandiosen Landschaftsaufnahmen dienen nur als Hintergrund für Schauspieler, die offensichtlich im Studio aufgenommen wurden. Das Agieren vor der Greenscreen könnte auch die Erklärung für die fehlende Chemie zwischen den Figuren sein: Vielleicht wurden die Schauspieler getrennt aufgenommen und erst im Schnitt zusammengefügt? Louis Garrel, Diane Kruger, Vincent Cassel – jeder für sich genommen gut, doch Magie entsteht hier keine.

SAINT-EXUPÉRY - DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Ein berühmtes Zitat aus Der kleine Prinz. Sollte man also das französische Biopic SAINT-EXUPÉRY – DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN auch mit dem Herzen sehen? Die artifiziellen Bilder lenken zu sehr ab und sorgen dafür, dass man immer wieder aus der ohnehin überschaubaren Handlung gerissen wird. Denn bis auf eine spannende Rettungsaktion am Anfang plätschert der Film dahin. So werden die knapp 98 Minuten Laufzeit zur Geduldsprobe.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Saint Ex“
Frankreich / Belgien / USA 2024
98 min
Regie Pablo Agüero

SAINT-EXUPÉRY - DIE GESCHICHTE VOR DEM KLEINEN PRINZEN

alle Bilder © Studiocanal

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Louise und die Schule der Freiheit

LOUISE UND DIE SCHULE DER FREIHEIT

Louise und die Schule der Freiheit

LOUISE UND DIE SCHULE DER FREIHEIT

Vor 125 Jahren wurde in Frankreich die allgemeine Schulpflicht eingeführt - vor allem zum Unwillen der Landbevölkerung.

Ab 10. April 2025 im Kino

Louise Violet (wie die Farbe) wird aufs Land geschickt, um dort die Kinder der Bauernfamilien zu unterrichten. Doch die Dorfgemeinschaft lehnt die Frau aus der Großstadt ab, die Kinder sollen lieber auf dem Feld arbeiten. Mit viel Geduld und Zuwendung, kann Louise nach und nach die harte Front aufweichen. Doch dann wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Louise und die Schule der Freiheit

Regisseur Éric Besnard ist ein erwiesener Fachmann für Liebeserklärungen an seine Heimat: BIRNENKUCHEN MIT LAVENDEL, À LA CARTE! und DIE EINFACHEN DINGE waren nicht nur gut gemachte, sondern auch in Deutschland sehr erfolgreiche Tragikomödien. LOUISE knüpft daran an, kann sowohl schauspielerisch, wie inhaltlich überzeugen. Alexandra Lamy als robuste Lehrerin und Grégory Gadebois als heimlich verliebter, knurriger Bürgermeister, sowie hervorragend besetzte Nebenrollen machen Louise sehenswert.

Louise und die Schule der Freiheit

Dass es besonders gegen Ende ein bisschen zu gefühlig modern wird, ist wohl dem heutigen Publikumsgeschmack geschuldet. Denn dass ein Kind, das etwas Schlimmes angestellt hat, von seinem Vater tröstend in die Arme genommen wird? Ende des 19. Jahrhunderts hätte es wohl eher eine Tracht Prügel gesetzt.

LOUISE UND DIE SCHULE DER FREIHEIT erzählt vom Ehrgeiz und Mut, den es braucht, etwas zu verändern. Guter Film.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Louise Violet“
Frankreich 2024
108 min
Regie Éric Besnard

Louise und die Schule der Freiheit

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih

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Funny Birds

FUNNY BIRDS

Funny Birds

FUNNY BIRDS

Wenn Catherine Deneuve draufsteht und der Film im Original „Au fil des saisons“ heißt, erwartet man eine leichte, sommerliche Komödie. Falsch gedacht. FUNNY BIRDS ist eine Darmödie, die aus unerfindlichen Gründen in den USA spielt.

Ab 27. März 2025 im Kino

Laura (Andrea Riseborough) betreibt mitten im Nirgendwo eine Hühnerfarm. Doch als sie an Krebs erkrankt, muss sich ihre Tochter Charlie (Morgan Saylor) um die Tiere kümmern. Die hat allerdings ganz andere Pläne: Sie will Finanzwesen studieren und kann mit Biohühnern nichts anfangen. Dann taucht auch noch die französische Großmutter (Catherine Deneuve) auf, mit der die kranke Tochter noch ein Hühnchen zu rupfen hat (pun intended).

Funny Birds

Schlechte Drehbücher können manchmal von guten Schauspielern gerettet werden. Doch wenn dazu eine ideenlose Regie und ein uninspirierter TV-Look kommen – nun ja, selbst Madame Deneuve kann nicht zaubern. Die Geschichte dieser drei Frauen, die sich wiederfinden, annähern und lernen, sich zu lieben, hätte tiefgründig und bewegend sein können. Doch stattdessen verzettelt sich FUNNY BIRDS in einer uninteressanten Nebenhandlung über die Hühnerpest.

Funny Birds

Flache Dialoge, zähes Tempo und unglaubwürdige Entwicklungen tun ihr Übriges: So verwandelt sich die genervte Wirtschaftsstudentin, die das Landleben verabscheut, innerhalb weniger Tage in einen Voll-Öko. Die Mutter, zunächst als freigeistige Hippie-Seele gezeichnet, entwickelt plötzlich ein Problem mit Kiffen – und dass der Freund der 20-jährigen Tochter bei ihr übernachten will? Ausgeschlossen! Selbst eine Luftmatratze im Arbeitszimmer ist moralisch höchst bedenklich.

Funny Birds

Erstaunlich, dass es sich beim Regieduo Hanna Ladoul und Marco La Via um zwei erst 34-Jährige handelt. Ihr Film ist so zopfig und mutlos inszeniert, dass man eher einen kurz vor der Pension stehenden ZDF-Regisseur dahinter vermuten würde. Die überraschungsfreie Familiengeschichte bleibt in einem Austausch von Banalitäten stecken und wirkt über weite Strecken fade. Nichts fühlt sich echt an. FUNNY BIRDS bleibt ein flacher Fernsehfilm, der allenfalls für Hühner- und Deneuve-Fans zu empfehlen ist.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Au fil des saisons“
Belgien / Frankreich 2023
93 min
Regie Hanna Ladoul und Marco La Via

Funny Birds

alle Bilder © Filmwelt Verleihagentur

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Beating Hearts

BEATING HEARTS

Beating Hearts

BEATING HEARTS

Schon jetzt der beste Film des Jahres.

Ab 27. März 2025 im Kino

Alle paar Jahre kommt ein Film in die Kinos, bei dem einfach alles stimmt. „L’amour ouf“ (Originaltitel) ist so einer: Großartig gespielt, toller Soundtrack und – auch wenn man es mit Superlativen nicht übertreiben sollte – einer fantastischen Kamera!

Beating Hearts

Es geht um die Liebe – worum auch sonst? Nordfrankreich, in den 80er Jahren: Jackie, ein fleißiges Schulmädchen, und Clotaire, ein rebellischer Kleinganove, könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Jackie pflichtbewusst ihre Hausaufgaben macht, hängt Clotaire mit seinen Kumpels auf der Straße ab. Der Zufall führt die beiden Teenager zusammen, und sie verlieben sich Hals über Kopf. Doch als Clotaire für lange Zeit im Gefängnis landet, verlieren sie sich aus den Augen. Erst als Erwachsene treffen sie sich Jahre später wieder.

Beating Hearts

Zwischen Brutalität, Poesie und herzzerreißender Liebe erzählt BEATING HEARTS die Geschichte von Romeo und Julia – in einer modernen Variante. Der Film ist ein regelrechter Rausch: wild, leidenschaftlich, atemberaubend.

Beating Hearts

Regisseur Gilles Lellouche hat über zehn Jahre lang versucht, Neville Thompsons Roman zu verfilmen. Die Vorbereitungszeit zahlt sich aus. BEATING HEARTS ist durchdacht und präzise. Kein schlampiges Drehbuch, keine überflüssigen Szenen, dafür jede Menge originelle Einfälle und überraschende Wendungen.

Beating Hearts

Neben den etablierten Stars Adèle Exarchopoulos („Blau ist eine warme Farbe“) und François Civil („Die drei Musketiere“) überzeugen vor allem die jungen Darsteller Mallory Wanecque und Malik Frikah. Ihre Leistung ist schlicht sensationell.

Ein magisches, großes Kinoerlebnis. Ein Meisterwerk.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „L’amour ouf“
Frankreich 2024
160 min
Regie Gilles Lellouche

Beating Hearts

alle Bilder © STUDIOCANAL

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Niki de Saint Phalles

NIKI DE SAINT PHALLE

Niki de Saint Phalles

NIKI DE SAINT PHALLE

Als „Terroristin der Kunst“ schreibt Niki de Saint Phalle Geschichte. Jetzt kommt ein Biopic über die Schöpferin der berühmten „Nana“-Figuren in die Kinos.

Ab 20. März 2025 im Kino

Berühmt wurde sie mit einer weißen Leinwand und einem Gewehr: Indem sie auf ihre eigenen Werke schoss, hinter der Leinwand versteckte Farbbeutel zum Platzen brachte und die Farbe „ausbluten“ ließ, schuf sie provozierende Kunstaktionen. Genial und radikal zugleich. Bildhauerin, Malerin, Illustratorin, Filmemacherin, Schauspielerin, Model – Niki de Saint Phalle war ein wahres Multitalent. Doch der Weg zu ihrem künstlerischen Durchbruch war steinig und geprägt von persönlichen Herausforderungen.

Niki de Saint Phalles

Fast ihr ganzes Leben ist überschattet von inneren Kämpfen, ausgelöst von traumatischen Kindheitserlebnissen. Erst 1994, wenige Jahre vor ihrem Tod, offenbart sie in einem Buch den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater – ein erschütterndes Ereignis, das ihre Jugend zerstört und die erwachsene Frau immer wieder ins Bodenlose stürzen lässt.

Niki de Saint Phalles

Ein Besuch in einem Museum ohne Bilder: keine Nanas, keinen Jardin des Tarots in der Toskana, keine Shooting Paintings. Der Film NIKI DE SAINT PHALLE zeigt kein einziges ihrer ikonischen Kunstwerke. Eine zwiespältige Entscheidung. Besonders weil die großformatigen Skulpturen so monumental und farbenfroh sind – also wie geschaffen für opulente Kinobilder.

Niki de Saint Phalles

Stattdessen hat Regisseurin Céline Sallette ein eher konventionelles, stellenweise etwas langatmiges Biopic gedreht, das bedauerlicherweise genau dort endet, wo es künstlerisch spannend wird. Was den Film trägt, sind die exzellenten Darstellerleistungen, allen voran die kanadische Schauspielerin Charlotte Le Bon in der Titelrolle.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Niki“
Frankreich / Belgien 2024
98 min
Regie Céline Sallette

Niki de Saint Phalles

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih

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Die Schattenjäger

DIE SCHATTENJÄGER

Die Schattenjäger

DIE SCHATTENJÄGER

Spionagethriller steht drauf, Psychogramm ist drin. Preisgekrönter Film über die Folteropfer des Assad-Regimes.

Ab 13. März 2025 im Kino

Assad-Regime? War da was? Man könnte Jonathan Millet bedauern, dass sein Film ausgerechnet jetzt in die Kinos kommt, wo der mörderische Diktator und seine Schergen in die Flucht geschlagen wurden. Doch das wäre zu oberflächlich, denn DIE SCHATTENJÄGER handelt von den Spätfolgen.

Die Schattenjäger

Eine Gruppe syrischer Flüchtlinge hat ein geheimes Netzwerk gegründet. Ihr Ziel: die untergetauchten Kriegsverbrecher ausfindig zu machen und sie vor Gericht zu stellen. Der junge Hamid glaubt, in einem Kommilitonen an der Universität seinen früheren Folterer zu erkennen. Da er nur dessen Stimme und Geruch kennt, muss er sich allein auf seine Intuition verlassen. Doch was ist Wahrheit, was Einbildung?

Die Schattenjäger

Agenten, die aus dem Untergrund agieren, um Bösewichte zur Strecke zu bringen? Aus diesem Stoff hätte sich genauso gut ein actionreicher James-Bond-Film machen lassen. Regisseur Jonathan Millet interessiert sich jedoch mehr für das gebrochene Innenleben seines Protagonisten (sensationell: Adam Bessa). Statt Autojagden und geschütteltem Martini gibt es einen slow burner, der weniger an 007 und mehr an die Nazijäger Beate und Serge Klarsfeld oder Simon Wiesenthal erinnert.

Die Schattenjäger

DER SCHATTENJÄGER ist ein langsam – um nicht zu sagen: sehr langsam – erzählter Film, der, obwohl wenig passiert, einen starken Sog entwickelt. Ein leiser Spionagethriller ohne Sensationslust. Spannend.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Fantômes“
Frankreich 2024
105 min
Regie Jonathan Millet

Die Schattenjäger

alle Bilder © IMMERGUTEFILME

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Sechs Richtige

SECHS RICHTIGE – GLÜCK IST NICHTS FÜR ANFÄNGER

Sechs Richtige

SECHS RICHTIGE – GLÜCK IST NICHTS FÜR ANFÄNGER

Araber sind Terroristen, junge Frauen naiv, Millionäre geldgierig. Wen solche Klischees nicht stören, der wird an SECHS RICHTIGE - GLÜCK IST NICHTS FÜR ANFÄNGER großen Spaß haben.

Ab 30. Januar 2025 im Kino

Davon träumt außer Bill Gates wahrscheinlich jeder: Im Lotto gewinnen. Aber nicht eine Million (die ist schnell verpulvert), sondern so richtig: 10, 20, 60 Millionen. Das Leben wäre auf Dauer vielleicht nicht glücklicher, aber bestimmt um einiges leichter. Oder?

Sechs Richtige

Die Prämisse des Films ist simpel, aber effektiv: Vier unterschiedliche Lottogewinner erleben, wie das große Geld alles auf den Kopf stellt. Da ist zum einen Familienvater Paul, der gerade mit Kind und Kegel auf dem Weg in den Urlaub ist, als er zufällig erfährt, dass er fünf Millionen Euro gewonnen hat. Doch die Zeit läuft ihm davon – um den Gewinn einzulösen bleiben ihm nur wenige Minuten. Oder Julie, die nach ihrem 10-Millionen-Euro-Jackpot direkt in die Arme ihres Traummanns stolpert. Schlecht hingegen trifft es Ahmed, der mit zwei Freunden zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt von seinem Gewinn erfährt. Und dann ist da noch eine Gruppe von Pflegern, die sich die 60 Millionen Euro ihres gerade an einem Herzinfarkt gestorbenen Patienten Henri unter den Nagel reißt.

Sechs Richtige

Die vier Episoden sind in sich abgeschlossene Kurzgeschichten, die durch das zentrale Motiv des Lottogewinns miteinander verbunden sind. Das Besondere daran: Keine der Geschichten ist schwach, alle bieten ein hohes Tempo und eine beeindruckende Gagdichte. Der Humor ist schwarz und bitterböse – also nichts für Zartbesaitete oder Kinder. Bei uns ist der Film daher ab 16 Jahren freigegeben.

Wenn es die deutsche Synchronisation nicht wieder kaputtmacht – SECHS RICHTIGE ist eine wunderbar böse Komödie aus Frankreich. Das alte Sprichwort sagt zwar: „Geld allein macht nicht glücklich“. In ein Kinoticket investiert, macht es das mit diesem Film für 103 Minuten eben doch.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Heureux gagnants“
Frankreich 2024
103 min
Regie Romain Choay und Maxime Govare

Sechs Richtige

alle Bilder © Happy Entertainment

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Der Graf von Monte Christo

DER GRAF VON MONTE CHRISTO

Der Graf von Monte Christo

DER GRAF VON MONTE CHRISTO

Rache ist Blutwurst.

Ab 23. Januar 2025 im Kino

„Der Graf von Monte Christo“ ist neben „Die drei Musketiere“ der meist verfilmte Roman des 19. Jahrhunderts. Nun also noch eine Version aus Frankreich – als echter Blockbuster. Die Handlung dürfte bekannt sein, dennoch: ChatGPT, fasse bitte den Inhalt von Alexandre Dumas’ Klassiker in zwei Sätzen zusammen, während draußen die Sonne scheint: „Der Graf von Monte Christo“ erzählt die Geschichte von Edmond Dantès, einem jungen Seemann, der unschuldig verraten und inhaftiert wird. Nach Jahren im Gefängnis gelingt ihm die Flucht; er findet einen Schatz auf der Insel Monte Christo und nutzt seinen neugewonnenen Reichtum und Einfluss, um unter der Identität des Grafen von Monte Christo Rache an seinen Verrätern zu nehmen. Danke, CGPT!

Der Graf von Monte Christo

Wie in Dumas’ Roman dreht sich die Rachemechanik auch im Film vor allem um ein Spiel mit Verkleidungen; es läuft auf die Frage hinaus: Wird Edmond (Pierre Niney) von seinen Feinden erkannt, oder kann er seine Vendetta vor der Enthüllung zu Ende führen? Neu und unerwartet ist daran nichts. Klassischer und konservativer war selten. Wer eine vollkommen unmoderne Version von DER GRAF VON MONTE CHRISTO im Kino sehen will, ist hier bestens bedient. Aber Opas Kino kann auch Spaß machen.

Der Graf von Monte Christo

Groß, größer, Cinemascope: Die Regisseure Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte konnten aus dem Vollen schöpfen: Für die Produktion stand ein für europäische Verhältnisse gigantisches Budget von 42,9 Millionen Euro zur Verfügung – und das sieht man. Überraschend, dass der Film nicht vor Weihnachten in die Kinos kam. Früher wäre so etwas auch als Vierteiler zu den Feiertagen im Fernsehen gelaufen.

Der Graf von Monte Christo

Trotz seiner Länge von drei Stunden – langweilig ist das Spektakel nie. Ausstattung, Schauspieler, Inszenierung: alles grundsolide. DER GRAF VON MONTE CHRISTO ist ordentlich gemachte Unterhaltungsware aus Frankreich, die im trüben Januar drei Stunden harmlosen Eskapismus bietet.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Le Comte de Monte-Cristo“
Frankreich / Belgien 2024
178 min
Regie Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte

Der Graf von Monte Christo

alle Bilder © capelight pictures

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We Live in Time

WE LIVE IN TIME

We Live in Time

WE LIVE IN TIME

Das ist ja mal eine originelle Drehbuchidee: Junges Paar, großes Glück, dann wird sie sterbenskrank.

Ab 09. Januar 2025 im Kino

Am Anfang von WE LIVE IN TIME joggt die junge Almut (Florence Pugh) durch den Wald, bleibt an einem blühenden Busch stehen, riecht, schneidet ein paar Zweige ab. Später steht sie in ihrem Cottage und trennt Eier, die sie gerade brutfrisch aus dem Hühnerstall geholt hat. So sinnlich. Damit ist von der ersten Minute an klar, was für eine Art Film uns hier erwartet: Schöne Menschen in schöner Umgebung haben auch Probleme.

We Live in Time

Seit „Love Story“ ist die Geschichte von großer Liebe und tragischem Sterben gefühlt hundertmal im Kino erzählt worden. Einziges Unterscheidungsmerkmal ist da nur die Besetzung. Dass WE LIVE IN TIME nicht in unsäglichem Kitsch ertrinkt, ist vor allem dem Charme und der Chemie von Florence Pugh und Andrew Garfield zu verdanken. Allzu rührselige Szenen retten die beiden mit feinem, spöttischem Humor. Regisseur John Crowley und Drehbuchautor Nick Payne geben dem Ganzen noch einen modischen Twist, denn die todkranke Almut ist eine erfolgreiche Küchenchefin. Das bietet Gelegenheit, zwischen all dem Leid noch ein paar appetitliche Foodporn-Bilder unterzubringen. „Chef’s Table“ ist überall.

We Live in Time

Na gut, das Thema ist ausgelaugt, immerhin ist die Struktur diesmal anders: Die Geschichte springt munter zwischen erstem Kennenlernen, Schwangerschaft und Krankheit hin und her. Das macht zwar keinen Sinn, fordert aber immerhin das Konzentrationsvermögen des Zuschauers – linear erzählt wäre das Ganze wahrscheinlich so banal wie ein Lore-Roman.

We Live in Time

WE LIVE IN TIME ist ein sentimentales Liebesdrama, das alle handelsüblichen Register zieht, um auf die Tränendrüsen zu drücken. An trüben Wintertage kann sowas für wohlige Unterhaltung sorgen. Taschentuch nicht vergessen.

Originaltitel „We Live in Time“
GB / Frankreich 2024
107 min
Regie John Crowley

We Live in Time

alle Bilder © STUDIOCANAL

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Die Saat des heiligen Feigenbaums

DIE SAAT DES HEILIGEN FEIGENBAUMS

Die Saat des heiligen Feigenbaums

DIE SAAT DES HEILIGEN FEIGENBAUMS

Fahr zur Hölle, Patriarchat! Pünktlich zum Weihnachtsfest kommt diese wütende Abrechnung mit dem Unrechtsregime im Iran in unsere Kinos.

Ab 26. Dezember 2024 im Kino

Der Protest dringt ins Innere – zumindest im Iran. Erst begehren die Töchter auf, irgendwann auch ihre Mütter. Gegen den Staat, gegen die Unterdrücker, gegen die Ehemänner und Väter. Was ständige Kontrolle und Misstrauen auch im kleinen Familienkreis anrichten, erzählt Regisseur Mohammad Rasoulof anhand einer ganz normalen Familie in Teheran.

Die Saat des heiligen Feigenbaums

Vater Iman (Misagh Zareh) wird endlich befördert. Als Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht darf er bald auf eine größere Wohnung hoffen; seine Frau Najmeh (Soheila Golestani) ist begeistert. Während das Land nach dem gewaltsamen Tod einer jungen Frau von einer Welle des Protests ergriffen wird, fordern die Eltern von den beiden Töchter Rezvan (Mahsa Rostami) und Sana (Setareh Maleki) Schweigen und Unauffälligkeit. Sie sollen schön den Mund halten und sich von „falschen Freunden“ fernhalten. Doch es ist zu spät. Dank Social Media wissen die beiden Teenager sehr wohl, was auf der Straße vor sich geht. Als auch noch eine ihrer Freundinnen im Wohnheim verhaftet wird, eskaliert die Situation.

Die Saat des heiligen Feigenbaums

Der linientreue Vater als Symbol für den paranoiden, gottgläubigen Staat; die Töchter als junge Revolutionärinnen. Wie das gesamte Land, driftet auch die Familie zunehmend auseinander. Man könnte höchstens bemängeln, dass die Botschaft relativ schnell klar wird und DIE SAAT DES HEILIGEN FEIGENBAUMS zwischendurch ein paar Längen hat. Eine Stunde kürzer hätte es auch getan.

Filme wie DIE SAAT DES HEILIGEN FEIGENBAUMS vermitteln dem westlichen Zuschauer ein realistisches Bild vom Alltag im heutigen Iran – und sind deshalb enorm wichtig. Verrückt geradezu, dass Rasoulof seinen Politthriller heimlich im Iran gedreht hat – ein enormes Risiko. Dass die zornige Abrechnung mit dem Unrechtsregime auch noch spannend ist, schadet sicher nicht. In Cannes gab es dafür den Sonderpreis der Jury.

Originaltitel „معابد انج یدانه“
Deutschland / Frankreich / Iran 2024
167 min
Regie Mohammad Rasoulof

Die Saat des heiligen Feigenbaums

alle Bilder © Alamode Film

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Die leisen und die großen Töne

DIE LEISEN UND DIE GROSSEN TÖNE

Die leisen und die großen Töne

DIE LEISEN UND DIE GROSSEN TÖNE

Danke Frankreich, für einen unterhaltsamen Film, der seine Zuschauer ernst nimmt.

Ab 26. Dezember 2024 im Kino

DIE LEISEN UND DIE GROSSEN TÖNE ist nicht nur traurig, lustig und herzerwärmend, sondern auch herrlich kompakt. Alles, was nicht nötig ist, wird auch nicht gezeigt. Vom deutschen oder US-amerikanischen Kino ist man da abgestumpft: Bereits Gezeigtes wird oft genug nochmals von den Figuren erklärt. Hier ganz anders: Etwas deutet sich an – Schnitt – die nächste Szene zeigt die Folgen. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut die Kunst des Weglassens funktioniert. Entweder war hier ein hochbegabter Cutter am Werk oder ein Regisseur, der genau weiß, was er tut. Oder beides.

Die leisen und die großen Töne

Thibaut (Benjamin Lavernhe) ist ein weltberühmter Dirigent, der in den größten Konzerthallen auftritt. Als er an Leukämie erkrankt und einen Knochenmarkspender benötigt, erfährt er überraschend, dass er adoptiert wurde und einen jüngeren Bruder hat. Jimmy (Pierre Lottin) lebt ein völlig anderes Leben: Er arbeitet in der Kantine einer von der Schließung bedrohten Fabrik. Zwei Welten treffen aufeinander, doch die beiden Brüder teilen eine tiefe Leidenschaft: die Liebe zur Musik.

Die leisen und die großen Töne

Entscheidend sind die Gene: Während Thibauts (nicht blutsverwandte) Schwester so unmusikalisch wie ein Stück Holz ist, steckt in den bei der Geburt heimlich getrennten Brüdern das Potenzial zum Maestro. Regisseur Emmanuel Courcol zeigt, dass soziale Unterschiede unwichtig werden, wenn es um das Leben und die (Bruder-)Liebe geht. DIE LEISEN UND DIE GROSSEN TÖNE ist ein verspielter und optimistischer Film. Nicht alles ist plausibel, aber es funktioniert federleicht und mit Anmut – typisch französisch eben.

Die leisen und die großen Töne

Deshalb kurz und knapp und weihnachtlich das Urteil: Die Tragikomödie DIE LEISEN UND DIE GROSSEN TÖNE ist eines der schönsten Feel-Good-Movies des Jahres.

Originaltitel „En fanfare“
Frankreich 2024
103 min
Regie Emmanuel Courcol

Die leisen und die großen Töne

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih

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Emilia Perez

EMILIA PÉREZ

Emilia Perez

EMILIA PÉREZ

EMILIA PÉREZ ist ein wuchtiges Musical mit Mut zum ganz großen Kitsch.

Ab 28. November 2024 im Kino

EMILIA PÉREZ ist ein Film, der das Publikum spalten wird: Die einen werden ihn hassen, die anderen großartig finden. Es wird viel gesungen, getanzt und gelitten. Aber ganz anders als sonst. Regisseur Jacques Audiard (Wo in Paris die Sonne aufgeht) schafft mit seinem Werk einen faszinierenden Widerspruch aus epischem Gefühlskino, Telenovela mit Tiefgang und düsterem Gangsterdrama. Bei Wikipedia wird der Film als „Musical-Komödie“ geführt. Das trifft es allerdings nicht. Es sei denn, es gibt noch einen zweiten Film mit demselben Titel, denn dieser hier ist definitiv keine Komödie.

Emilia Perez

Rita (Zoe Saldaña) arbeitet als Anwältin für eine große Kanzlei in Mexiko. Die meisten ihrer Klienten sind Schwerverbrecher. Eines Tages meldet sich der Drogenboss Juan „Manitas“ Del Monte (Karla Sofía Gascón) bei ihr. Er will untertauchen, beziehungsweise gleich ganz von der Bildfläche verschwinden. Sein Plan: Er möchte endlich als Frau leben und sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Das Problem: Seine Frau Jessi (Selena Gomez) und die beiden Kinder dürfen nichts davon erfahren.

Emilia Perez

Choreografien und Musik sind mitreißend, die drei Hauptdarstellerinnen liefern grandiose Performances. Besonders Karla Sofía Gascón, die in der Rolle des Juan/Emilia sowohl als Mann als auch als Frau beeindruckt. Kein Wunder, dass sie zusammen mit Zoe Saldaña und Selena Gomez in Cannes als bestes Darstellerinnen-Ensemble ausgezeichnet wurde. Doch das hohe Niveau hält nicht über die gesamte Laufzeit. Während der Film furios beginnt und stark endet, schwächelt er in der Mitte. Besonders eine deplatzierte Karaokeszene mit Selena Gomez wirkt, als sei sie aus den Überbleibseln eines drittklassigen Musikvideos zusammengebastelt worden. Hier scheint Regisseur Audiard zwischendurch den Faden verloren zu haben.

Emilia Perez

Wenn La La Land für schöne Menschen in schöner Umgebung mit schönen Liedern steht, dann ist EMILIA PÉREZ das Gegenteil: leidende Menschen in düsteren Kulissen, die wütende Lieder singen. Trotz kleiner Schwächen bleibt es ein aufregendes Stück Kino und könnte für das Filmmusical so bahnbrechend sein, wie es Hamilton für den Broadway war.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Emilia Pérez“
Frankreich / USA / Mexiko 2024
130 min
Regie Jacques Audiard

Emilia Perez

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih und Wild Bunch Germany

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Spiders

SPIDERS

Spiders

SPIDERS

Die Gemeinschaft der Arachnophobiker attestiert: SPIDERS ist der furchterregendste Spinnenfilm seit Jahren.

Ab 21. November 2024 im Kino

Bei der Angst vor Spinnen greift die sogenannte „Preparedness-Theorie“, erklärt Prof. Dr. Markus Heinrichs, Dekan der Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät Uni Freiburg. Diese besagt, dass der Mensch „evolutionsbedingt auf potenziell gefährliche Reize sofort mit Angst reagiert.“ Apropos Freiburg: Da gibt es die Geschichte von der Putzfrau, die in einem seit Jahren ungenutzten Zimmer die Vorhänge ausklopfen wollte. Plötzlich seilte sich eine „handtellergroße“ (Zitat) Spinne aus der Vorhangschiene ab und krabbelte in den Gummihandschuh der armen Frau. Dort biss sie kräftig zu, sodass eine dicke, rote Schwellung zurückblieb. Eine wahre Geschichte. Nur Arachnophobiker können nachvollziehen, welchen Horror eine solche Begegnung auslösen kann.

Spiders

Spinnen – für manche nützliche, elegante Geschöpfe, für andere der reinste Albtraum: leise, schnell und manchmal sogar giftig. Regisseur Sébastien Vaniček entfesselt den Horror in einem heruntergekommenen Wohnkomplex in einer Pariser Banlieue. Schmutzige Apartments, dunkle Kellergänge, viele Ecken und Schächte – da freut sich der Achtbeiner.

Spiders

Es ist wohl ein Gesetzt des Genres, dass es mit Spinnen allein nicht getan ist. Bald müssen sich die Viecher vertausendfachen, dann auf Kalbsgröße heranwachsen. Je größer, desto schrecklicher – so die Fehleinschätzung der Filmemacher. Dabei ist doch gerade der in Ritzen lauernde, lautlose Schrecken viel effektiver. Wenn nur wenigstens die jugendlichen Protagonisten leise wären. Doch im Gegenteil: Der Kleindealer und Sammler exotischer Tiere Kaleb streitet sich nahezu den ganzen Film hindurch mit seiner Schwester und seinen Kumpels. Dauergebrüll – immer alle gleichzeitig und durcheinander. Das mag zwar authentisch sein, stört aber beim Angsthaben.

Spiders

Effektiv ist SPIDERS trotzdem. Schon bald juckt es am ganzen Körper, ständig hat man das Gefühl, es krabble etwas den Nacken hoch. Ein unangenehmes Begleitsymptom, das auch Tage nach dem Film noch anhält. Die gute Nachricht: Arachnophobie ist behandelbar. Die schlechte: nur durch direkte Konfrontation mit dem Objekt des Horrors. Filme wie SPIDERS könnten bei der Therapie helfen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Vermines“
Frankreich 2023
105 min
Regie Sébastien Vaniček

Spiders

alle Bilder © PLAION PICTURES

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